Kadıköy
Spaziergang
Für all jene, die auf der europäischen Seite İstanbuls wohnen, beginnt ein Ausflug nach Kadıköy mit der Fährpassage über den Bosporus. Unterwegs heben sich drei monumentale Gebäude aus der Silhouette des asiatischen İstanbul ab. Im Norden Kadıköys (vom Fährschiff aus linker Hand) sticht die Selimiye-Kaserne (Selimiye Kışlası) ins Auge. Mit ihren charakteristischen Ecktürmen erinnert sie ein wenig an einen Klosterkomplex. Während des Krimkrieges (1854–56) diente das Gebäude als Lazarett, in dem die berühmte englische Krankenschwester Florence Nightingale Verwundete pflegte. Durch fürsorgliche Betreuung und Verbesserung der hygienischen Verhältnisse gelang es ihr, die Sterberate der verletzten Soldaten um 90 Prozent zu reduzieren. Heute erinnert ein kleines Museum in der Kaserne an sie. Es kann allerdings nur nach schriftlicher Anmeldung besichtigt werden – faxen Sie Ihren Pass, Ihre Telefonnummer und das gewünschte Datum an 0216/33331009.
Etwas weiter südlich fällt der orientalisch anmutende Bau der Marmara-Universität (Marmara Üniversitesi) mit seinen stilisierten Minaretten ins Auge. Den Entwurf dazu lieferte der italienische Architekt Raimondo d'Aronco, der die Stadt am Bosporus auch mit vielen Art-nouveau-Bauten bereicherte. Die juristische und die medizinische Fakultät haben darin ihren Sitz.
Und noch bevor das Schiff in Kadıköy anlegt, passiert man den unmittelbar am Ufer des Marmarameers gelegenen neoklassizistischen Bahnhof Haydarpaşa (Haydarpaşa Garı), der ein wenig einem Rheinschloss nachempfunden scheint. 1908 wurde er eröffnet. Das bescheidene Präsent Kaiser Wilhelms II. konzipierten die deutschen Architekten Otto Ritter und Helmuth Conu. Abenteurer können von hier nach Teheran und vielleicht auch irgendwann einmal wieder nach Bagdad starten – eine Reise, die drei Tage dauert. Die Schalterhalle und das charmant-altmodische Bahnhofsrestaurant sind sehenswert.
Das unaufdringlich-ruhige Marktviertel von Kadıköy, wo noch ein paar alte, niedere Holzhäuser die Zeiten überdauert haben, liegt ein paar Straßenzüge südöstlich des Fähranlegers. Es erstreckt sich insbesondere zwischen der Mühürdar und der Moda Caddesi. Viele İstanbuler sind der Meinung, dass es nirgendwo bessere Lebensmittel zu kaufen gibt als hier. Ein Spaziergang hindurch ist ein Genuss für Auge und Nase: Es geht vorbei an kunstvoll aufgetürmten Obstpyramiden und wohlriechenden morgenländischen Köstlichkeiten. Und mittendrin erhebt sich die armenische Kirche Surp Takavur (Surp Takavur Kilisesi) mit ihrem schönen hölzernen Glockenturm.
Das Marktviertel bietet aber nicht nur Kulinarisches, sondern auch Antikes. Eine gemütliche Trödlergasse ist die Tellalzade Sokak. Wer nach dem Stöbern reif für eine Pause ist, sollte die Dumlupınar Sokak aufsuchen. Hier reiht sich Café an Café – die meisten sind fest in Studentenhand.
Die Moda Caddesi führt gen Süden in das gleichnamige Viertel Moda. Die Straße säumen Fast-Food-Lokale, einfachere Geschäfte und zweckmäßige Apartmenthäuser. Noch Anfang des 20. Jh. galt Moda als eine der vornehmeren Ecken der Stadt. Hauptsächlich Ausländer lebten hier. An jene Zeit erinnert die 1902 gegründete und noch weitgehend mit dem Originalmobiliar ausgestatte Apotheke in Hausnummer 89 B. Ein Blick hinein lohnt auch ohne Kopfschmerzen. Die Straße endet an der alten, von Wellen umspülten Fähranlegestelle von Moda. Das dortige Caférestaurant ist ein herrliches Plätzchen für eine Pause (kein Alkohol).

Nun geht es am Marmarameer entlang weiter – in der Ferne die Prinzeninseln, voraus die Hochhäuser Fenerbahçes. Unter der Woche ist hier wenig los, ein paar Mütter schieben ihre Kinderwagen spazieren, vereinzelt sieht man ein paar Angler und flirtende Kids der umliegenden Schulen. Ganz anders vor 100 Jahren, als hier ein noch sauberes Meer gegen einen der beliebtesten İstanbuler Strände schwappte. Er verschwand mit der Neugestaltung des Uferbereichs.
Man verlässt die Uferpromenade, kurz bevor diese in einen Schotterweg übergeht. Ein paar Treppen führen nach links in ein ruhiges Wohngebiet mit gepflegten Gärten. Laut wird es an der Dr. Esat Işık Caddesi zur Mittagszeit, wenn der letzte Gong der Schulen erklingt und uniformierte Kinder auf die Straße strömen.
Die Bahariye Caddesi (auch: Gen. Asım Gündüz Caddesi), eine moderne Fußgängerzone, säumen vorwiegend Schuh- und Bekleidungsgeschäfte, dazu einige Kinos. Linker Hand erblickt man die Aya Triada, eine große, gut restaurierte griechisch-orthodoxe Kirche mit einem gepflegten Rosengarten drum herum (leider selten geöffnet).
Am Abend lohnt ein Abstecher in die etwas
weiter westlich gelegene, parallel verlaufende Kadife Sokak, einer der Nightspots İstanbuls auf
asiatischer Seite. In der Umgangssprache wird die Gasse auch
„Barlar Sokagı“ (Bargasse) genannt. Nicht selten werden hier die
feuchtfröhlichen Nächte durch Polizeirazzien beendet.Vom nördlichen
Ende der Bahariye Caddesi zweigt die schmale, schön gepflasterte
Ali Suavi Sokak mit ein paar netten Cafés
und fest installierten Kunsthandwerksständen ab. Die kleine
armenische Surp-Levon-Kirche (Surp Levon
Kilisesi) aus dem Jahr 1911 fällt hier kaum auf.

Über die Söğütlü Çeşme Caddesi, wo sich zahlreiche Goldgeschäfte aneinanderreihen, gelangt man zurück zur Fähranlegestelle. In entgegengesetzter Richtung geht es zum Fenerbahçe-Stadion.