Kultur
Clubszene
Eine Clubszene im europäischen Sinne besteht in İstanbul erst seit rund 20 Jahren. Zuvor galt es unter jungen İstanbulern als unmöglich, abends auszugehen, ohne dabei zu dinieren. Heute kann man am Bosporus bestens clubben – insbesondere im Winter, denn im Sommer ziehen viele DJs und Nachtschwärmer an die Ägäisküste, und so manche Clubs in İstanbul schließen vorübergehend. Vor den meisten Locations besorgen stiernackige, schwarz verpackte Türsteher die Auswahl des Publikums. Die Fluktuation der İstanbuler Clubszene ist enorm – was heute in ist, kann morgen schon wieder out sein, geschlossen haben oder unter einem völlig anderen Namen auf den Plakaten auftauchen. Achtung: Machen Sie sich bei den In-Clubs auf hohe Eintritts- und astronomische Getränkepreise gefasst!
Das Gros der Clubs bietet Türkpop, House, Rock oder elektronische Musik. Die Szene ist recht rege und organisiert ausgefallene Partys an ausgefallenen Orten. Jazz wird am Bosporus ebenfalls gehört – interessant sind diesbezüglich v. a. das Internationale Jazzfestival im Juli und das Akbank-Jazzfestival im Oktober.
Im Folgenden sind vorrangig Clubs aufgeführt. Bars und Kneipen finden Sie unter den Stadtteilkapiteln, insbesondere unter Beyoğlu.
Seit dem Musikfilm Crossing the Bridge hält Europa immer mehr das Ohr zum Bosporus auf. Stand früher das sklavische Nachahmen westlicher Vorbilder im Vordergrund, präsentiert man heute oft eigenwillige Kompositionen aus Folklore und elektronischen Klängen.
Türkischen Pop machte in Europa nicht erst die bauchtanzende Sertab Erener salonfähig, die mit Every way that I can den Eurovision Song Contest 2003 für die Türkei entschied. Gute Vorarbeit leistete schon Tarkan, der „türkische Ricky Martin“ mit den wippenden Hüften: Sein Hit Şımarık ist wohl der bekannteste türkische Popsong aller Zeiten. Zum Stardasein verhalf beiden Sezen Aksu, die wandlungsfreudige „Madonna vom Bosporus“, die die türkischen Massen seit über 30 Jahren begeistert. Und das trotz eines fragwürdigen Privatlebens: Mit jungen Mädchen soll sie sich ihre Nächte um die Ohren schlagen und dem Kokainkonsum nicht abgeneigt sein. Auch ihre vier Ehen waren für ihre Fans nie ein Problem.
Provokant präsentiert sich auch Bülent Ersoy, eine der erfolgreichsten Interpretinnen der Arabesk-Musik mit Millionen von Anhängern: Die prallbusige, grell geschminkte und mit Nerzen und Glitterkleidung wie eine korpulente Barbie geschmückte Endfünfzigerin war bis 1979 ein Mann. Seit Jahrzehnten füllt sie die Klatschspalten der Regenbogenblätter, besonders ihr Faible für deutlich jüngere Männer ist von Interesse.
Einprägsamen Gitarrensound liefern die Schrammlerin Şebnem Ferah mit einer Stimme irgendwo zwischen Shakira und Björk, der Solist Teoman oder das Trio Duman. Die Punkrockband Rashit erinnert an die Ramones. In die Grunge-Schublade kann man Mor ve Ötesi einordnen, Psychedelisches hört man von Baba Zula. Der Percussionist Burhan Öçal trommelte sich in den letzten Jahren in die internationale Worldmusicszene, und die Band Orient Expressions kombiniert anatolische Volkslieder mit Beats aus der Maschine. Für türkischen Ska steht Athena und für satten Rock mit orientalischen Einschlägen – das wissen seit dem Eurovision Contest 2010 Allah und die ganze Welt – Manga, die hinter „unserer“ Lena auf dem 2. Platz landeten.
Auf dem elektronischen Sektor ist zuerst der in Montreal und İstanbul lebende DJ und Allroundkünstler Mercan Dede (auch: Arkın Allen) zu nennen. Seine skurrile Mischung aus Ambient und traditioneller Sufi-Musik präsentiert er manchmal im Club Babylon. Nicht selten bläst er hinter dem DJ-Pult dann auch die Ney-Flöte oder lässt ein Roma-Kind singen. Gelegentlich tritt er zusammen mit der kurdischen Sängerin Aynur auf. Sie ist die erste Künstlerin, die je in einem türkischen Film ein kurdisches Volkslied gesungen hat. Auch mit dem Rapstar Ceza war Mercan Dede schon zusammen auf der Bühne zu sehen.
Hayal Kahvesi, Liverock-Kneipe mit American-Style-Bar. Einer der ältesten Musikpubs Beyoğlus. Im Sommer verlegt der Club seinen Sitz nach Çubuklu auf der asiatischen Seite am Bospo-rus – herrlich! Konzertbeginn meist gegen 22.30 Uhr. Fr/Sa Eintritt (je nach Event), sonst frei.www.hayalkahvesibeyoglu.com. Büyükparmakkapı Sok. 11, Beyoğlu. Im Sommer besteht von İstinye ein Bootszubringerdienst nach Çubuklu.
Tipp! Babylon, egal ob De-Phazz oder Stereolab, Haumichtots aus der internationalen Avantgarderock-Szene, Fusion-Jazzer, DJs aus allen Metropolen der Welt oder die lokale Rock- und Pop-Elite – alles tritt hier auf. Eine der besten Adressen der Stadt. Konzertbeginn wochentags 21.30 Uhr, Fr/Sa später. Tickets je nach Gig schon ab 8 €. www.babylon.com.tr. Şehbender Sok. 3, Beyoğlu.
Mojo, an Zappa-, Supertramp- und Led-Zeppelin-Freunde gerichtet. Großer, dunkler Kellerclub mit täglicher Livemusik (Beginn meist erst um Mitternacht, dann oft so voll, dass man nicht mehr rein kommt). Di–So 22–4 Uhr. Eintritt je nach Tag und Band 5–13 €. www.mojomusic.org. Büyükparmakkapı Sok. 24, Beyoğlu.
Balans, Vergnügungstempel auf mehreren Etagen. Im EG das rustikale Bierpub Balans Brauhaus, in dem selbst gebrautes Dunkles, Helles sowie Weizenbier (0,5 l 3,50–4,50 €) serviert werden. In der 2. Etage das Balans Jolly Joker mit Konzerten am Fr/Sa (häufig mit Auftritten von Teoman). Und im 4. Stock das Balans Volt mit guten Partys auf der Dachterrasse (ebenfalls nur Fr/Sa). www.jollyjokerbalans.com. Balo Sok. 22, Beyoğlu.
Ghetto, neben dem Babylon (s. o.) ebenfalls eine der Top-Livemusik-Locations der Stadt. Saal für 800 Leute. Gute Auswahl an Konzerten abseits des Gängigen (Worldmusic, Jazz, Fusion etc.), hin und wieder Partys. I. d. R. nur Do/Fr/Sa geöffnet, während der Sommermonate geschl. Die Konzerte starten zwischen 22 und 23 Uhr. Eintritt variiert je nach Band. www.ghettoist.com. Kallyoncu Kulluğu Cad. 10, Beyoğlu.
Bronx Pi Sahne, minimalistischer, L-förmiger Liveclub für rund 550 Leute. I. d. R. Grunge, Punk und Alternative. 2010 spielten hier u. a. die Toten Hosen, die ihren İstanbuler Fans damit ein Konzert in fast intimer Atmosphäre bescherten. www.bronxpisahne.com. Terkoz Çıkmazı 8/1, Beyoğlu.
Sortie, der Elite-Nightspot der Stadt direkt am Bosporus. Wen die Türsteher durchlassen, der gehört zu İstanbuls Jetset oder hat Glück. Eher konventionelle türkische und internationale Dancemusik. Sehen und gesehen werden ist das, was zählt. Alles in allem ein riesiger Komplex mit verschiedenen Lokalitäten, topschicken Szeneleuten und bombastischen Preisen (eigener Bankomat im Haus). Tägl. 18–4 Uhr, nur im Sommer. Eintritt ca. 25 €. www.sortie.com.tr. Muallim Naci Cad. 54, Ortaköy (Richtung Kuruçeşme).
Reina, nur ein paar Schritte vom Sortie entfernt und diesem sehr ähnlich. Ähnliche Öffnungszeiten, ähnliche Musik, ähnlich hohe Preise und ebenfalls mit einer fantastischen Terrasse am Bosporus. www.reina.com.tr. Muallim Naci Cad. 44, Ortaköy.
Dogzstar, netter kleiner Laden auf 2 Etagen. Unten wird getanzt, oben getrunken und geflirtet. Buntes junges Publikum abseits der Szeneprolls. Welche Musik läuft, hängt vom jeweiligen DJ (oder der Liveband) ab, oft jedoch elektronische Musik. Tägl. (außer So) 22–4 Uhr. Eintritt 5 € inkl. einem Freigetränk. www.dogzstar.com. Kartal Sok. 3, Beyoğlu.
Indigo, überwiegend elektronische Acts, stets gut besucht, obwohl kaum Werbung gemacht wird. Hier trifft sich die DJ-Elite aus ganz Europa. Nur Mi/Fr/Sa 23–5 Uhr, im Sommer geschl. Eintritt je nach Event 15–20 €. www.livingindigo.com. Akarsu Sok. 1/B, Beyoğlu.
Peyote, lustig-einfacher Nightspot auf 3 Etagen. Unten Tanzfläche (vorrangig elektronische Musik), in der Mitte ein Konzertraum (nur für die Konzerte zahlt man Eintritt), oben eine je nach Wetter halb- bis ganz offene Terrasse, auf der man eng an eng Flaschenbier trinkt, während der DJ sein Bestes gibt (Rock, Sixties-Sound, Grunge und Indie). Tägl. 11–5 Uhr. www.peyote.com.tr. Kameriye Sok. 4, Beyoğlu.
Nardis Jazz Club, die Location der İstanbuler Jazz-Szene, unweit des Galata-Turms. Backsteinwände, klein und intim, spärlich dekoriert. Fast tägl. interessante Live-Gigs. Für einen guten Platz sollte man reservieren, Tel. 0212/2446327. Die Konzerte starten unter der Woche um 21.30 Uhr, am Wochenende um 22.30 Uhr. www.nardisjazz.com. Eintritt 15–17 €. Galata Kulesi Sok. 8, Galata.
İstanbul Jazz Center, nahe dem Radisson SAS Hotel in Ortaköy (von Beşiktaş kommend am Ortsbeginn von Ortaköy rechter Hand in einer schmalen Seitengasse). Gediegener Jazzclub mit teuerem Restaurant (internationale Küche). Teils internationale Größen. Sommerevents auf der Terrasse. Konzerteintritt je nach Combo 10–35 €. Tägl. (außer So), nicht jeden Tag allerdings Konzerte. www.istanbuljazz.com. Salhane Sok. 10, Ortaköy.