Eyüp
Kunstvolle Mausoleen und prächtige Moscheen, dazu unzählige von Zypressen beschattete Gräber prägen Eyüp, das „heiligste Viertel“ İstanbuls. Fünfmal am Tag rufen hier die Muezzins um die Wette wie sonst nirgendwo am Goldenen Horn, während lokale Hundebanden im Kanon mitheulen.
Muslime aus aller Welt pilgern nach Eyüp. Der Stadtteil ist benannt nach Eyüp Ensari, dem sagenhaften Bannerträger des Propheten. Der Legende nach fiel Eyüp als Heerführer während der ersten arabischen Belagerung Konstantinopels (674–678). Nachdem Sultan Mehmet II. acht Jahrhunderte später die Stadt erobert hatte, fand er durch eine wundersame Eingebung den noch immer unversehrten Leichnam – genau an jener Stelle, wo heute die Eyüp-Sultan-Moschee samt dem Mausoleum des Bannerträgers steht. Für viele Türken kommt ein Besuch dieser heiligen Stätte gleich hinter einer Pil-
gerreise nach Mekka und Medina. An Freitagen und religiösen Feiertagen herrscht hier Andrang wie auf einem Rummelplatz. Vor wichtigen Spielen beten am Grabe des Bannerträgers gar ganze Fußballmannschaften, und Eltern kommen am Tage der Beschneidung ihrer Söhne, die in glänzend-kitschige Kostüme eingekleidet sind. Das soll Glück bringen, insbesondere den Kleinen, denn Eyüp soll ein Kindernarr gewesen sein.
Neben dem Karaca-Ahmed-Friedhof auf der asiatischen Seite wurde auch Eyüp zu einem Ort, wo sich fromme Muslime bevorzugt bestatten ließen: osmanische Würdenträger in aufwendigen Mausoleen nahe der heiligen Moschee, das Volk auf dem dahinter ansteigenden Hügel. Die weiten Grabanlagen bestimmen bis heute das Bild Eyüps und verleihen dem Viertel eine entrückt-melancholische Atmosphäre. Oder mit Orhan Pamuks Worten: „So abgeschottet, orientalisch, geheimnisvoll fromm, pittoresk und mystisch ist dieses Eyüp, dass es wie eine der Stadt von fremder Hand aufgepfropfte Orientphantasie wirkt, wie ein türkisch-orientalisch-muslimisches Disneyland.“
Wer lieber gemütlich bergab statt schnaufend bergauf geht, beginnt
seine Tour durch Eyüp in luftiger Höhe. Von der Fähranlegestelle
sind es nur ein paar Schritte am Ufer entlang, bis man die
Talstation der Seilbahn hinauf zum Pierre-Loti-Café (Piyer Loti Kahvesi) erreicht. Von
der Terrasse des Cafés genießt man einen eindrucksvollen
Panoramablick über das Goldene Horn. Der Weg von der oberen
Seilbahnstation bergab gen Südwesten – ein herrlicher Spaziergang
vorbei an Tausenden von Grabstelen – bringt Sie fast automatisch
zur Eyüp-Sultan-Moschee (Eyüp Sultan
Camii).
Hier beginnt auch die Korutürk Caddesi, die das lebhafte Zentrum des Stadtteils bildet. Zahlreiche Goldgeschäfte und verführerisch duftende Imbissläden reihen sich dort aneinander.
Eine weitere interessante Gebetsstätte liegt ca. 200 m südöstlich der Eyüp-Sultan-Moschee: die rot-weiße Zal-Mahmud-Pascha-Moschee (Zal Mahmut Paşa Camii). Sie ist über die Zal Paşa Caddesi zu erreichen, eine schöne, kopfsteingepflasterte Straße, gesäumt von schattenspendenden Bäumen und alten osmanischen Häusern. Hier konnte Eyüp – früher ein weit außerhalb der Stadtmauern gelegenes Dorf, heute mit dem Moloch İstanbul verwachsen – seinen ländlichen Charakter über die Zeit retten.
Weit abseits davon, im Norden Eyüps, lohnt zudem das Santral İstanbul einen Besuch. Das 2007 eröffnete Kunst- und Kulturzentrum am Zipfel des Goldenen Horns ist so ganz anders als Eyüp: cool und modern.