24. Kapitel




Von Westen her wogte ein täglich größer werdendes Heer auf das Feld der Träume zu, und immer neue Verbände stießen dazu. Fahnen und Banner der unterschiedlichsten Fürstentümer flatterten im warmen Sommerwind. Aus Städten und Dörfern in der Umgebung wurden in großen Wagen Nahrungsmittel gebracht. Viele Höfler schlachteten ihr letztes Vieh, um die Krieger, die in ihre letzte Schlacht zogen, zu versorgen. Segenswünsche, dankbarer und trostspendender Jubel begleiteten die Männer, wann immer sie an Siedlungen vorbeizogen.

Darius lenkte sein Pferd neben das der Königin. »Sieh dir das an, Morwena! Ein solch gewaltiges Heer habe ich noch nie zuvor gesehen. Man möchte glauben, dass nichts, aber auch gar nichts, sich dieser geballten Kraft entgegenstellen könnte, und doch suchen meine Augen ständig nach Verstärkung. Nach all meinen Schlachten habe ich diesmal ein ganz sonderbares Gefühl. Mir ist zumute, als zöge ich unerfahren und ohne jedes Können in meinen ersten Kampf. In mir ist nicht die vertraute und willkommene Angst, die die Sinne schärft und das Blut in Wallung bringt, sondern eine Furcht, die mich zu lähmen scheint. Mir ist, als müsste ich noch schnell alles regeln, weil mir sonst keine Zeit mehr dafür bliebe. Ich habe gestern lange mit Marga gesprochen, um ihr endlich zu sagen, wie stolz ich immer auf sie war und bin und dass ich sie liebe. Sie hat geweint und gesagt, ich solle nicht so tun, als ob ein Abschied vor uns läge. Erst da habe ich richtig begriffen, dass ich mich genauso fühle … als läge ein Abschied vor mir.«

Sie nickte beklommen. »Ich verstehe dich so gut, mein Lieber, denn mir geht es nicht viel anders. Und wenn ich abends im Lager sitze und um mich herumblicke, dann erkenne ich, dass es fast allen so geht. Es herrscht schon fast eine beunruhigende Stille für diese Vielzahl von Menschen. Die Männer haben Angst, sie haben sogar unglaubliche Angst. Altgediente, siegreiche Krieger spüren plötzlich ihre Verwundbarkeit, denn unzählige Gerüchte über die Schattenarmee machen die Runde. Es ist eins, gegen den gut bekannten Feind zu kämpfen, etwas ganz anderes ist es, gegen übernatürliche Wesen zu kämpfen. Ich fürchte mich nicht vor Camora und seinen Horden, aber Maluchs Züchtungen flößen auch mir ein bisher unbekanntes Grauen ein.« Sie musste unwillkürlich die Hände verkrampft haben, denn ihr Pferd machte einen kleinen Satz.

Darius wollte etwas erwidern, schwieg aber, weil Fürst Menides gerade auf sie zukam, und fragte, ob das Signal zum Aufschlagen des Lagers gegeben werden sollte, da die Sonne schon recht tief stünde. Darius gab sofort sein Einverständnis. Grund zur Eile bestand schließlich nicht. Sie waren in der Unterzahl und ihrem Feind hoffnungslos unterlegen, aber sie waren zumindest sehr gut in ihrem Zeitplan. Da es angenehm warm war, wurden lediglich Zelte für die Führer der Reiche errichtet. Die Krieger schliefen unter freiem Himmel.

Schon bald loderten unzählige große Feuer ins Abendrot.

Derea betrat das Zelt der Königin und schüttelte den Kopf, als er die Frage in den Gesichtern Morwenas und Darius’ sah. »Immer noch keine Nachricht aus den Sümpfen. Langsam beginne ich zu hoffen, dass unsere Botenvögel Opfer von Raubvögeln wurden. Denn wenn tatsächlich keiner unserer Posten bisher etwas gesehen hat, dann werden wir ohne die Echsenmenschen kämpfen müssen.«

»Und ohne unseren König«, fügte sie seufzend hinzu.

»Das ist meine geringste Sorge, das macht keinen Unterschied. Was sollte ein Mann mehr uns schon nützen, selbst wenn es der Großkönig ist?«, fragte Darius mit hoffnungsloser Stimme. »Ein Schwert mehr wird die Schattenkrieger nicht bezwingen können, auch wenn es die Eisklinge ist.«

Derea hatte sich ein Hühnerbein gegriffen, um endlich etwas zu essen, hielt jetzt aber inne und sah ihn ernst an. »Das macht doch einen Unterschied. Ihr kennt Rhonan nicht, Fürst. Obwohl er wirklich ein unvergleichlicher Kämpfer ist, wird er das Schattenheer nicht allein besiegen können, aber allein die Flammen Kahandars zu sehen, wird den Kriegern neuen Mut geben. Und unser Großkönig strahlt vor und in einem Kampf eine solch unglaubliche Ruhe und Zuversicht aus, dass selbst der ängstlichste und erschöpfteste Krieger neue Kraft schöpft. Ich habe oft genug an seiner Seite gegen eine Überzahl von Feinden gekämpft, um das sagen zu können. Er ist unerschütterlich wie der Fels in der Brandung. Mit ihm an unserer Seite wird es mit Sicherheit leichter.«

Er seufzte leicht. »Aber trotzdem hoffe ich natürlich immer noch, dass er nicht allein kommt.«

Seine Mutter warf ihm einen zweifelnden Blick zu. »Du warst doch auch lange genug an seiner Seite, um zu wissen, dass Worte nicht gerade seine Stärke sind. Wie sollte denn ausgerechnet er jemals jemanden davon überzeugen können, vielleicht in den Tod zu gehen? Wenn es Canon wäre …«

Er unterbrach sie sofort: »Nach der Prophezeiung soll es Rhonan sein. Du musst schon auf ihn hoffen. Mit dem Reden hat er es tatsächlich nicht so, aber der Verianer ist ja bei ihm. Ich denke …«

Weiter kam er nicht, denn Canon kam jetzt mit schnellen Schritten ins Zelt, beachtete keinen der Anwesenden, griff sich wortlos einen Becher Wein und kippte ihn in einem Zug hinunter, füllte einen zweiten mit Branntwein und kippte den hinterher.

Die drei anderen bedachten ihn daraufhin mit erstaunten Blicken.

Der Feldherr, der stets durch kühle Besonnenheit und gutes Benehmen glänzte, knallte den Becher auf den Tisch, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, atmete tief durch und erklärte: »Tschuldigung! Das musste sein.«

Er ließ sich auf einen Stuhl fallen, streckte die langen Beine aus, seufzte schwer und fuhr fort: »Wir haben Berichte von unseren Spähern. Camora ist dicht vor dem Feld der Träume. Sein Heer ist … ist wohl noch nicht vollzählig, .… aber es ist jetzt schon gewaltig … fast dreißigtausend Mann, zu vorderst die Schattenkrieger. Die Armee hinterlässt nur Verwüstung. Hunderte, Tausende von Menschen sind geflohen. Wer nicht geflohen ist, den gibt es nicht mehr. Dörfer und Städte, die längst zu seinem Reich gehören, überfällt er, als wären sie Feindesland. Die Schattenkrieger gehen voran, und die kennen offensichtlich keine Verbündeten. Ob die Menschen sich wehren oder Fahnen schwenken, sie werden niedergemacht. Sogar unter den Horden soll die Angst vor ihren hünenhaften Begleitern mittlerweile umgehen. Wie Tiere trinken die aus Seen, Bächen oder Pfützen. Sie zerreißen das Vieh auf der Weide und verzehren es roh, nachdem sie ihm zuvor das Blut ausgesaugt haben. Dann schlagen sie sich darum, wer die Augen und wer das noch warme Herz bekommt. Angeblich sind schon Hordenkrieger ohnmächtig geworden beim Anblick ihrer grunzenden und sich bluttriefend um eine frische Leber prügelnden Begleiter. Sie essen alles, sogar die Därme. Doch ein einziges Wort vom Hexenmeister, und sie lassen alles fallen und setzen sich in Bewegung, um seinem Befehl Folge zu leisten. Sie reißen Weidezäune heraus, ohne sich um die Stacheln zu kümmern, sie trampeln alles nieder, was ihnen in den Weg kommt. Sie schlafen kaum, können ohne Rast tagelang laufen, trinken und essen nur, wenn gerade etwas da ist, sie reden kaum, spüren Schmerzen wohl gar nicht und tun, was immer ihnen der Hexenmeister sagt. Was auch immer sie einmal waren … Menschen sind sie nicht mehr.«

Seinem Bericht folgte längeres Schweigen.

»Dann sind wir verloren«, brachte Morwena schließlich mit brüchiger Stimme hervor.

Canon nahm sofort ihre Hände. »Nein, Mutter! So etwas darfst du nicht sagen, so etwas darfst du noch nicht einmal denken. Camora hat einen großen Fehler begangen, als er seinen Sieg ausgerechnet am Göttertag feiern wollte. Niemals werden die Götter einen solch abscheulichen Frevel an ihrer Schöpfung hinnehmen, und niemals wird der Schwarze Fürst daher den Sieg erringen können. Vertraue auf die Weisheit und die Gerechtigkeit der Götter, die Stärke der freien Menschen und auf das Erscheinen unseres Großkönigs. Zusammen mit Kahandar wird er uns in den Sieg führen. So steht es geschrieben, so wird es sein.«

Morwena blickte unverwandt in die eisblauen Augen, die so viel Zuversicht und Sicherheit ausstrahlten, und ihr Herz quoll fast über vor Liebe und Stolz auf ihren Sohn, der so wunderbar mit Worten umgehen konnte. »Du hast ja so recht, mein Lieber. Es steht mir nicht zu, an der Weisheit der Götter zu zweifeln.«

Auch Derea betrachtete seinen Bruder, und ihm fiel einmal mehr auf, dass der wirklich ein begnadeter Redner, aber auch ein unglaublicher Flunkerer war, denn er wusste eben auch, dass Canon sich die größten Sorgen machte und ebenfalls kaum noch auf das Erscheinen der Echsenmenschen hoffte.

»Der Sieg muss unser sein. Das sehe ich auch so, weil es gar nicht anders sein kann, aber wir sollten den wohlmeinenden Göttern vielleicht trotzdem etwas zu helfen versuchen«, erklärte er daher mit nüchterner Stimme, »und die Reiterei diesmal allen Regeln der Kampfkunst zuwider in der Mitte angreifen lassen. Zumindest könnten wir so die Schattenkrieger auseinandertreiben. Einzeln sind sie sicher bedeutend leichter zu besiegen!«

Canon grinste in sich hinein, und Darius rutschte im Stuhl nach vorn. »Das ist ein ungewöhnlicher, aber sehr guter Gedanke. Wenn wir …«

Während er jetzt gemeinsam mit Derea und Canon die möglichen Aufstellungen der Kampfreihen erörterte, betrachtete Morwena ihre Söhne voller Liebe und voller Furcht, und sie betete zu den Göttern darum, dass die sie zumindest vor ihren Söhnen sterben ließen.


Es würde ein wunderschöner, warmer Sommertag werden. Morgentau benetzte noch die Gräser, die ersten frühen Vögel zwitscherten munter, und die aufgehende Sonne zauberte ein prächtiges rotes Farbenspiel an den fast wolkenlosen Himmel.

Sie standen auf dem Westhügel in schier endlosen Reihen, dicht an dicht, Pferd an Pferd, Mann an Mann. Vor ihnen lag das Feld der Träume, eine große Senke, umgeben von sanften Hügeln, in deren Mitte das Heiligtum der Reiche stand: die Zitadelle der Träume.

Es war lediglich ein schlanker Turm, aus dem schwarzen Stein des Kimmgebirges erbaut, aber in seinem Inneren befanden sich Schätze der Reiche: der Altar der ersten von allen Reichen gewählten Großkönigin und zahlreiche schwarze Tongefäße, die die Asche sämtlicher Großkönige aufbewahrten. Lediglich dem letzten König von da’Kandar war diese Ehre nicht zuteilgeworden. Seine Urne beherbergte eine schwarze Rose.

Fürst Darius warf Morwena einen Seitenblick zu. »Ich frage dich jetzt zum letzten Mal: Wirst du dich mit mir verbinden, wenn es noch ein morgen gibt?«

Über ihr kummervolles Gesicht glitt ein kleines Lächeln. »Ich sage es dir jetzt zum ersten Mal: mit Freuden, Darius!«

Ihr Blick schweifte zu Canon, der hoch zu Ross vor seinem Heer stand, dann weiter zu Derea, der die Flammenreiter anführte, und weiter zu Marga, die vor ihrer Truppe wartete. Sämtliche Krieger, die die Freien Reiche aufzubieten hatten, waren versammelt. Fürsten und Heerführer standen vor ihren Verbänden. Es mussten weit mehr als zwanzigtausend Mann sein, die hier der Schlacht entgegensahen, aber kaum ein Laut war zu hören, lediglich hin und wieder das Wiehern oder Schnauben eines Pferdes.

Die Anspannung der Krieger war mehr als deutlich zu spüren, und wie Vorboten ihrer Niederlage hingen die bunten Banner ohne jeden Wind schlaff an ihren Stangen herunter. Zwar hatten die Heerführer es vermieden, ihren Männern von den Schattenkriegern zu berichten, aber wie bei allem, was geheim gehalten werden sollte, waren längst Gerüchte durchgesickert. Und von Flüstern zu Flüstern waren die Züchtungen Maluchs größer, stärker und unverwundbarer geworden.

Morwena sah in die Gesichter der Krieger um sich herum und sah nur Furcht, Hoffnungslosigkeit und Grauen. Allein das Wissen, dass es keinen Ausweg gab, ließ sie alle ausharren.

Camora hatte seinen Auftritt wahrhaft gut geplant. Aus dem Morgenrot heraus erschien seine gewaltige Armee, und der Osthügel färbte sich schwarz. Dieser Anblick allein jagte jedem Kälteschauer über den Rücken.

Ein unwillkürliches Raunen ging durch die Reihen der Krieger.

Der Schwarze Fürst ließ sein Heer anhalten und ritt begleitet von zwei Fahnenträgern in die Senke. Auf einer Fahne war das rote Wolfsgesicht abgebildet, die andere trug das Wappen der da’Kandar. Unmittelbar vor der Zitadelle zügelte er sein Pferd und streckte sein Schwert in den Himmel: das Zeichen des Herausforderers.

Morwena und Darius, die Führer der Freien Reiche, sahen sich kurz an, nickten sich zu und ritten ihm dann gemächlich entgegen.

Camora, in gewohnter schwarzer Rüstung, aber ohne Helm, trug wie immer sein überhebliches Lächeln zur Schau, und Morwena erlitt einen gewaltigen Schock. Sicherlich mit Bedacht hatte der Fürst zwei Krieger seines Schattenheeres als Fahnenträger ausgewählt. Auch sie trugen noch nicht ihre Helme, zum Zeichen dafür, dass der Kampf noch nicht begonnen hatte. Ihre Größe allein verursachte der Königin ein unangenehmes Kribbeln im Bauch, aber die völlig ausdruckslosen Gesichter mit den leeren Augen sorgten für eine Gänsehaut. Derea hatte zwar von ihnen berichtet, aber keine Erzählung konnte der schrecklichen Wirklichkeit gerecht werden. Maluch hatte aus kleinen Jungen hünenhafte, lebende Leichname gemacht.

Der Schwarze Fürst ergriff das Wort. »Geschätzte Königin, meine liebe Morwena, schön wie eh und je! Ich könnte schwören, dass Ihr keinen Tag älter geworden seid, seit wir uns das letzte Mal begegnet sind, obwohl es schon eine ganze Weile her sein muss.«

Sie riss sich gewaltsam vom Anblick der Schattenkrieger los, wandte sich Camora zu, und ihre Augen blitzen frostig. »Das habe ich in erster Linie Euch zu verdanken. Feldzüge und die damit verbundene Bewegung und frische Luft halten mich jung, und Erfolge wie unsere letzten in Ten’Shur, im Westgebirge und in Mar’Elch sind ein wahrer Jungbrunnen für mich.« Mit leichter Genugtuung nahm sie zur Kenntnis, dass seine Miene sich kurz verdüsterte.

Aber sehr schnell hatte er sich wieder gefangen. »Auch Eure spitze Zunge habe ich immer bewundert. Ihr seid eine wahrhaft bemerkenswerte Frau«, erwiderte er mit einer angedeuteten Verbeugung. »Ein letztes Mal will ich Euch daher anbieten, auf meine Seite zu wechseln. Ihr solltet dieses Angebot gut überdenken, auch um meinetwillen. Euch im Staub knien zu sehen, würde mich über die Maßen betrüben.«

Morwena spürte bittere Übelkeit in sich aufsteigen und war froh, dass ihre Selbstbeherrschung sie auch jetzt nicht verließ. »Tröstet Euch! Dieser Anblick wird Euch ganz sicher erspart bleiben, und Euer Angebot beleidigt mich. Ich bin Königin von El’Maran. Selbst wenn ich Euch auch nur irgendein freundliches Gefühl entgegenbringen würde, könnte ich mich nie dazu herablassen, mich auf die Seite eines kleinen, machthungrigen und mordenden Nebenfürsten zu stellen. Euer ererbtes Fürstentum würde fast in den Thronsaal von Mar’Elch passen. Hättet Ihr nicht Euren Hexenmeister an der Seite und das blutige Zepter von da’Kandar in den Händen, würden noch nicht einmal meine Heerführer mit Euch verhandeln. Ich würde einen gemeinen Kundschafter schicken müssen.«

Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, aber er verbeugte sich erneut. »Tatsächlich? Wenn aus dem Morgenrot ein Abendrot geworden ist, werdet Ihr vermutlich weder Heerführer noch Kundschafter mehr befehligen, und ich werde mich von der Wahrheit Eurer Worte überzeugen, wenn ich in Eurem Thronsaal mein Wappen anbringe.«

Bei diesen Worten wandte er sich schon lächelnd dem Fürsten zu. »Geschätzter Darius, es freut mich, dass auch Ihr meiner Einladung gefolgt seid. Ich sehe, Ihr mustert meine Bannerträger. Stattliche Krieger, nicht wahr?«

»Welch Frevel habt Ihr begangen?«, stieß der angewidert aus. »Ihr habt aus Kindern willenlose Muskelmasse geformt. Sie zu töten wäre gnädiger gewesen. Welch abscheuliches Verbrechen!«

Camora zuckte die Schultern und fuhr mit ausdrucksloser Stimme fort: »Nun gut! Wir waren ja selten einer Meinung. Wie es der Brauch bei einer Forderung verlangt, will ich Euch trotzdem Gelegenheit bieten, das Leben Eurer Männer zu retten. Kniet nieder, erkennt mich als Großkönig an, und auf dem Feld der Träume wird heute kein Blut vergossen werden.«

»Das können sie nicht!«

Morwena und Darius fuhren auf ihren Sätteln herum.

Hoch zu Ross kam Rhonan auf die Gruppe zu.

So dunkel wie der Fürst, so hell war der Thronerbe. Die blonden Haare wehten im aufgekommenen leichten Sommerwind. Er trug einen schimmernden Brustharnisch und darüber einen Umhang mit einem blauen, geflügelten Schwert. Genauso weiß wie sein Umhang war auch sein Pferd.

Er verneigte sich kurz grüßend vor seinen Mitstreitern und sah dann Camora mit ausdrucksloser Miene an. »Ich, Rhonan da’Kandar, fordere jetzt und hier mein rechtmäßiges Eigentum zurück. Wie es der Brauch verlangt, biete ich dir an, dich mir bedingungslos zu unterwerfen. Dein eigenes Leben wäre in jedem Fall verwirkt, aber du könntest das deiner Männer retten.«

Camora musterte seinen Widersacher genau. »So, so! Der da’Kandar-Erbe! Weißt du, kühner Jüngling, das kann nun wirklich jeder von sich behaupten. Morwena, Darius und ich, wir kennen uns ja seit vielen Jahren, aber unter welchem Stein du plötzlich hervorgekrochen kommst, weiß ich nun wirklich nicht. Ich erinnere mich nämlich noch recht deutlich an einen schönen, großen und vor allem sehr heißen Scheiterhaufen, auf dem die zerhackten Körper aller da’Kandar verbrannten.«

»Nicht ganz aller! Ich bin noch da.«

»Und das soll ich jetzt einfach so hinnehmen, ja? Glaubst du, allein ein Umhang mit einem Wappen macht aus dir den da’Kandar-Erben?«

Der Schwarze Fürst wusste längst, dass sein Gegenüber die Wahrheit sagte, aber er wollte den Prinzen allein schon dadurch demütigen, dass der jetzt nach Beweisen oder Erklärungen suchen musste.

Doch Rhonans Mund verzerrte sich zum Abbild eines Lächelns. »Nein, das glaube ich tatsächlich nicht, aber ich benötige auch weder Umhang noch Banner.« Bei diesen Worten schob er seine Ärmel hoch, ergriff Kahandar mit beiden Händen und hielt es in die Luft. Sofort schlugen blaue Flammen aus der Klinge, und die Zeichnungen auf den Unterarmen schienen aufzuglühen.

Aus dem Lager der Freien Reiche erschollen umgehend Hochrufe und Jubelschreie in ungeahnter Lautstärke. Jetzt wussten die Krieger es genau: Ihr wahrer König war hier, um sie in den Krieg zu führen, und nach der Prophezeiung würden sie unter ihm siegen.

Selbst Morwena und Darius schluckten beeindruckt bei dieser Darbietung.

»Bei allen Göttern! Das geflügelte Schwert«, entfuhr es Darius.

Camora fuhr sich nur mit der Zunge über die Lippen, und Rhonan ließ ohne jede sichtbare Regung das Schwert wieder sinken und wiederholte: »Ich bin der Erbe da’Kandars, und ich fordere das Zepter von dir zurück.«

Der Schwarze Fürst hatte sich wieder gefasst und nickte mit boshaftem Lächeln. »Du bist wohl tatsächlich einer der Prinzen. Dann warst du in dieser Nacht vor fünfzehn Jahren doch auch dabei. Hat es dich auch so gewundert, dass Könige, die in Rauch aufgehen, dabei genauso stinken wie gewöhnliche Ziegen.«

Morwena schnappte unwillkürlich nach Luft, doch der Erbe zeigte auch weiterhin keinerlei Gemütsregung. »Fürsten tun das sicher auch«, gab der ungerührt zurück. »Du hast nicht ehrenvoll gelebt, aber solltest du zumindest ehrenvoll sterben wollen, biete ich dir den Zweikampf an. Wenn du mich besiegst, werden die Führer der Freien Reiche deinen Anspruch anerkennen. Hier, vor der Zitadelle der Träume, können wir das Schicksal da’Kandars entscheiden.«

Camora musterte sein Gegenüber erneut und war sich ganz sicher, einen Zweikampf zu gewinnen. Schließlich war er ein erfahrener Kämpfer, durch den Genuss des Schwarzen Wassers gestärkt und dem schlanken Mann vor ihm auch körperlich überlegen. Fast war er daher versucht, das Angebot anzunehmen, aber er wollte nicht nur siegen, er wollte seine Feinde heute demütigen, er wollte sie im blutigen Schlamm knien sehen. Und genau das würde sein Schattenheer ihm ermöglichen. Er wollte auch diesen Erben nicht nur besiegen, er wollte ihn brennen sehen.

Geringschätzig lachte er deshalb auf. »Du hast dich bisher immer vor mir versteckt. Du hättest das auch weiterhin tun sollen. Jetzt wirst du doch noch dort landen, von wo du irgendwie vor fünfzehn Jahren entwischen konntest. Doch dir werde ich nicht den Gefallen tun und dich wie deine Familienmitglieder vorher erschlagen lassen. Dich will ich als lebende Fackel sehen.«

»Ich werte das als Ablehnung meines Angebots«, entgegnete Rhonan immer noch völlig ruhig. »Schließe deinen Frieden mit den Göttern, wenn dir das noch möglich ist, denn heute wirst du sterben, Fürst.«

Dessen lautes und spöttisches Gelächter hallte über die Ebene. Mit großer Erheiterung betrachtete er den Erben. »Na, du bist ja wirklich unübertrefflich, aber du hast auch keine Ahnung von Schlachten, nicht wahr? Wie kämpft man unter deinesgleichen, inmitten des Gesindels? Mit Fäusten oder mit Keulen? Hast du dich einmal umgesehen, Blondschopf? Heute wird ganz sicher viel gestorben, aber nicht auf meiner Seite.«

»Ob du dich da nicht irrst?« Der Prinz streckte erneut sein Schwert in die Höhe.

Aber diesmal zuckten blaue Blitze knisternd in den Himmel, und die Krieger der Freien Reiche jubelten umgehend wieder.

Camora grinste höhnisch und wollte gerade etwas erwidern, als ein dumpfes Geräusch ihn um sich herumblicken ließ.

Auch Morwena sah sich um und wusste, dass sie den Anblick, der sich ihr jetzt bot, in ihrem ganzen Leben nicht mehr vergessen würde. Eine gelb schimmernde, nicht enden wollende Masse wogte vom Norden und vom Süden über die Hügel in die Senke. Nie zuvor hatte sie die Kalla zu Gesicht bekommen, und jetzt sah sie Tausende von ihnen. Erneut überlief eine Gänsehaut ihren Körper, und obwohl es ein nahezu furchteinflößender Anblick war, glaubte sie, noch nie etwas Schöneres gesehen zu haben.

Sie fuhr vor Schreck zusammen, als sich der Himmel verdunkelte und fast lautlos ein Heer von Flugechsen über sie hinwegschwebte.

Wie gebannt verfolgten Darius, Morwena und Camora ihre Bahn.

Erst die dunkle Stimme des Prinzen riss sie aus ihrer Starre. »Ich habe es nicht nötig, mir willenlose Krieger zu züchten, Camora, denn ich bin Nachfahre der Alten Könige, und mir folgen alle Krieger der Reiche willig.«

Jetzt gestattete auch er sich ein leichtes Grinsen. »Und du hast recht: Meine Krieger benötigen keine Waffen, nicht einmal Keulen. Wählst du jetzt den Zweikampf?«

Camora wirkte in der Tat nicht mehr so überheblich wie zuvor, aber er schüttelte den Kopf. »Deine Tiere werden meinen Schattenkriegern nicht gewachsen sein. Meinen Sieg werden sie nicht verhindern können und deinen Tod auch nicht.«

»Dann soll es so sein.«

Bei diesen Worten riss Rhonan sein Pferd herum und ritt auf die jetzt noch begeisterter jubelnden Truppen zu. Er hörte den ohrenbetäubenden Lärm jedoch kaum, sah nichts mehr um sich herum, atmete immer wieder tief durch, kämpfte gegen seine Übelkeit an und versuchte, seine völlig verkrampften Muskeln zu entspannen. Gideon hatte ihm immer wieder eingeschärft, unter allen Umständen ruhig zu bleiben und nie aus seiner völlig ungewohnten königlichen Rolle zu fallen, aber nie zuvor war es ihm so schwergefallen, sich nicht blindlings auf seinen Widersacher zu stürzen.

Morwena sah ihn liebevoll von der Seite an. »Das hast du eben sehr, sehr gut gemacht, mein Junge. Deine Vorfahren wären stolz auf dich.«

Ihr Blick wanderte zu den Echsenkriegern. »Ein atemberaubender Anblick! Gleichgültig, was mir mein Leben noch bringt, etwas Wunderbareres werde ich ganz sicher nie mehr sehen.«

»Das denke ich auch. Selbst wenn ich auf ihr Erscheinen gehofft hatte, mit einer solchen Anzahl hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet. Bei allen Göttern, wie viele sind es?«, fragte der Fürst.

Rhonan sah ihn an, ohne recht zu wissen, was er tat. »Tausende! Sie kennen keine Zahlen, und ich bin nicht zum Zählen gekommen, aber ich denke, es sind genug.«

Er zwang sich dazu, Camoras Bild vor seinen Augen und das höhnische Lachen in seinen Ohren endlich zu verdrängen, und ritt geradewegs auf Gideon zu, der jetzt bei Derea, Canon und Marga stand.

»Du gehst jetzt, mein Freund. Das Schlachtfeld ist kein Ort für einen Gelehrten. Denk daran, du musst unbedingt am Leben bleiben. Marga, du kümmerst dich um ihn. Bring ihn fort!«

»Aber …«, begann sie, wurde jedoch sofort unterbrochen. »Das war jetzt keine Bitte, sondern ein Befehl, Hauptmann. Du bist mir für seine Sicherheit verantwortlich.«

Sie nickte unglücklich, und der Gelehrte drückte ihm fest die Hand. In seinen Augen war nur Angst zu sehen, aber er bemühte sich um einen gelassenen Tonfall. »Das machst du sehr gut, mein König. Du bist …«

Er stieß heftig die Luft aus, klammerte sich fest an die Hand und bat mit zittriger Stimme: »Pass auf dich auf, mein Junge! Du weißt, auch auf dich wartet noch eine wichtige Aufgabe.«

Rhonan erwiderte den Druck seiner Finger. »Keine Sorge, Gideon! Ich habe …«

»Bisher überlebt, dann wird dir das vermutlich auch noch einen Tag länger gelingen«, vollendete der Verianer tonlos. »Ich weiß, ich weiß. Sieh zu, dass es heute keine leere Versprechung bleibt! Viel Glück!«

Er löste sich sichtlich unwillig, schwang sich hinter einer immer noch ziemlich missmutig dreinblickenden Marga aufs Pferd und mit den Worten: »Mögen die Götter mit euch sein«, ritten sie durch die Reihen nach hinten.

Darius’ Mund umspielte ein dankbares Lächeln, als er seine Tochter davonreiten sah. Allein wegen dieser Anordnung war er sofort bereit, den neuen Großkönig zu lieben.

Rhonan drückte derweil schon Derea warm die Hand. »Die Umstände sind nicht gerade die besten, aber trotzdem schön, dich wiederzusehen. Wo ist Caitlin?«

Der erwiderte den Händedruck genauso warm. »Gut, dass du gekommen bist, und dazu noch in so sehenswerter Begleitung. War selten froher, jemanden zu sehen. Caitlin ist nicht hier.«

»Nicht hier? Wo ist sie denn?«

»Wir besprechen das besser später. Camora hat es eilig. Das war das Kriegshorn der Horden. Die Schlacht beginnt.«

»Was heißt das? Was gibt’s da zu besprechen? Sag mir sofort …«

»Sie ist auf der Nebelinsel«, unterbrach Canon ungeduldig. »Zusammen mit Hylia. Es geht ihnen gut.«

»Was? Aber …«

Derea legte ihm die Hand auf den Arm und bat beschwörend. »Du musst uns jetzt anführen. Alle warten auf dein Zeichen.«

»Auf der Nebelinsel?«

»Bei den Göttern, Rhonan! Sie wird auch nach der Schlacht noch dort sein. Gib endlich das Zeichen!«

Camora war nicht verdrängt, er war vergessen. Im Prinzen drehte sich alles. Er hatte also doch recht gehabt: Caitlin war in Gefahr, und er war nicht bei ihr, um sie zu beschützen. Wie im Traum ritt er an die Spitze und hob das Schwert.

Das Kriegshorn der Reiche erklang und die große Schlacht begann.

Es war keine Schlacht der Taktik, keine Schlacht für schlaue Kriegspläne. Zwei gewaltige Heere stürmten wild schreiend und ihre Waffen schwingend mit ungezügelter Gewalt aufeinander los.

Morwenas Hände verkrampften sich um die Zügel, als sie Canon und Derea vor den Flammenreitern und Adlern zusammen mit Rhonan an vorderster Front in die Senke reiten sah. In wildem Galopp flogen sie der wogenden schwarzen Masse entgegen und sprengten die Reihen der gefürchteten Schattenkrieger auseinander. Mit unglaublicher Schnelligkeit stürzten sich auch die Kalla in das Menschenmeer. Vor allem sie und die Schattenkrieger sorgten dafür, dass diese Schlacht später als eine der grausamsten in den Schriften der Gelehrten geführt werden würde.

Getrieben von dem Befehl zu töten, marschierten die willenlosen Züchtungen Maluchs durch die Reihen und fuhren mit ihren riesigen Waffen blutige Ernte ein. Beseelt durch den göttlichen Gedanken, den Schatten zu besiegen, zogen die hünenhaften Echsen ihre genauso blutigen Kreise. Waren die Krieger noch auf ihre Waffen angewiesen, reichten den Echsen schon allein die starken, messerscharfen Krallen, um Rüstungen zu spalten und Körper zu zerfetzen. Ihre Gefährten der Luft unterstützten sie nach besten Kräften. Krieger wurden hochgehoben und an geeigneter Stelle fallen gelassen, wo sie wie zerbrochene Gliederpuppen liegen blieben.

Wo bei Sonnenaufgang noch atemlose Stille geherrscht hatte, war jetzt ein unglaubliches Getöse, Geklirre und Geschrei zu hören. Hatte bei Sonnenaufgang noch wunderschön glitzernder Tau das Gras benetzt, färbte jetzt das Blut von Hunderten die Gräser rot.

In den Schriften würde später nachzulesen sein, wie unendlich groß die Zahl der Toten und der Verwundeten war und wie entsetzlich die Verstümmelungen auf beiden Seiten waren, aber einige Ereignisse würden keine Erwähnung finden, weil niemand über sie berichtete.

Morwena und Darius waren heute Morgen in diese Schlacht gezogen im festen Glauben daran, hier ihren Tod zu finden, doch innerhalb kürzester Zeit fanden sie sich inmitten von Echsenkriegern wieder, die offensichtlich nur die Aufgabe hatten, sie vor Angriffen zu schützen. Da es den Heerführern vieler Schlachten einfach nicht gelang, die Reihe ihrer Beschützer zu durchdringen, und sie sich auch mit ihren entschlossenen Helfern nicht verständigen konnten, saßen sie bald auf ihren Pferden und sahen, nahezu zum Nichtstun verdammt, dem großen Töten zu. Das allerdings erforderte auch schon fast mehr Kraft, als sie beide hatten.

Die Menschen der Freien Reiche und die Hordenkrieger waren in dieser Schlacht hoffnungslos unterlegen. Zu Hunderten fielen sie den riesigen Äxten der Schattenkrieger oder den Krallen der Echsen zum Opfer. Was Morwena Hoffnung gab, war, dass die Sumpfbewohner den Schattenkriegern überlegen schienen. Zwar waren die Körperkräfte beider durchaus vergleichbar, aber Maluchs Züchtungen waren durch die schweren Rüstungen wesentlich unbeweglicher als die schnellen, natürlich gepanzerten Echsen. Nur die Art und Weise, wie die Kalla zu kämpfen pflegten, verursachte ihr einen kaum zu unterdrückenden Brechreiz, und zum ersten Mal in ihrem Leben schloss die kampferprobte Königin die Augen.

Rhonans Augen suchten unterdessen Camora, aber der Schwarze Fürst hatte offensichtlich anderes im Sinn, als sich auf dem Schlachtfeld mit seinem Widersacher zu messen. Ständig sah der Prinz sich von Schattenkriegern und Hordenreitern eingekreist und war ausgesprochen dankbar, als Canon und Derea irgendwann an seiner Seite waren.

»Wir mussten nur das größte Gewimmel suchen«, erklärte der Hauptmann. »War klar, dass du mittendrin sein würdest.«

»Nicht meine Schuld«, erwiderte sein Freund ächzend. »Ich wollte keine Aufmerksamkeit.«

Er ließ eine Blitzattacke los, um sich etwas Luft zu verschaffen und brüllte: »Geht es ihr wirklich gut, Canon?«

Der wehrte gerade mit Müh und Not eine Axt ab und schrie zurück: »Was ist?«

»Geht es Caitlin wirklich gut?«

»Bist du irre?« Er parierte schon erneut einen Axthieb und schlug mit dem Schwert zu, konnte aber die Rüstung des Schattenkriegers nicht durchdringen.

Kahandar glühte plötzlich vor ihm auf, und sein Gegner verlor im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf.

»Heißt das: nein? Bitte, Canon, ich muss es wissen.«

»Ayala hält sie gefangen«, keuchte der und schlug schon einem Hordenreiter seinen Schild unters Kinn. »Sie leben, aber sie warten dringend auf Hilfe. Mann, pass auf!«

Rhonan stöhnte auf, schwankte kurz im Sattel, als eine Axt seine Rüstung im Rücken verbeulte, und riss sein Pferd herum. Sein Schwert traf fast Derea, der den Angreifer bereits aus dem Sattel gehoben hatte.

Er blinzelte nur entschuldigend. »Und das Kind?«, wollte er wissen.

»Wartet vermutlich auch!«, brüllte Canon völlig entnervt. »Aber es wird vergeblich warten, wenn du hier ganz in Gedanken meinen … Himmel … Bruder erschlägst.«

»Welches … welches Kind denn eigentlich?«, fragte Derea, erschlug einen weiteren Feind und wurde schon heftig vom nächsten bedrängt.

»Unser Kind! Es ist noch … Aua … es ist noch nicht da. Weißt du, das … ooooh … das dauert noch.«

»Bist du verletzt?« Derea wich im letzten Augenblick einer Axt aus und schlug mit dem Schwert zu.

»Nein, die … die Rüstung drückt nur so. Ich komm mir vor, wie … Götterhimmel … wie eingegraben. Hatte nie eine, bin ich … bin ich nicht gewöhnt.«

»Kenn ich. Sieht gut aus, ist Scheiße. … Mann, wedle hier nicht schon wieder mit deiner Axt rum! … Trotzdem Glückwunsch!«

»Danke!«

»Scheiße! … Rhonan! … Hilfe … Kannst du nicht mehr Blitze verschicken? Das hält sie uns zumindest vom Leib.«

»Nein, das laugt mich aus, das halt ich nicht lange durch. … Ich brauch Verschnaufpausen zwischendurch.«

Derea stöhnte auf. »Ich hasse diese Schattenkrieger. Lass Blitze los … schnell … bitte!«

Rhonan kam der Aufforderung sofort nach, schwankte dabei aber schon leicht im Sattel und ächzte erschöpft. Canon musste unter den blau züngelnden Schlangen selbst den Kopf einziehen und hörte Derea kichern. Das Kampfgeschehen erforderte jetzt ihre volle Aufmerksamkeit. Rhonan wirbelte mit Kahandar herum, und Blitze zuckten wieder und wieder durch die Reihen der Schattenkrieger. Mittlerweile lief ihm der Schweiß in wahren Bächen übers Gesicht.

Sie bekamen endlich weitere Hilfe. Einige Kalla hatten sich zu ihnen durchgekämpft. Ihre gelb-grünen Panzer waren bereits rot, ihre klauenartigen Finger blutverschmiert. Ihre Art zu kämpfen war ausgesprochen wirksam, ließ aber die Magensäfte der anwesenden menschlichen Krieger sofort ansteigen. Im Gegensatz zu den Bergjägern begnügten sich die Echsen nämlich nicht mit Händen, sie fetzten ihren Gegnern einfach die Arme mitsamt den Waffen aus den Gelenken. Auf diese Weise kampfunfähig gemacht, wurden sie von den Sumpfbewohnern schlicht nicht weiter beachtet.

Das schmerzvolle Brüllen der Hordenkrieger erreichte schnell ungeahnte Ausmaße, und Derea warf seinem Bruder gehetzte Blicke zu.


Camora und Maluch standen auf einer Anhöhe und blickten über das Schlachtfeld.

»Sieh dir diese verdammten Echsen an, Hexenmeister! Sie vernichten meine Armee.«

Der Alte nickte. Fast war er den Tränen nahe, denn seine wunderbare Züchtung vieler Jahre wurde von wilden Tieren niedergemetzelt. Vor seinen Augen versank sein eigener, großer Traum auf dem Feld der Träume im Blut.

»Wir müssen dem ein Ende machen, bevor alles verloren ist.« Er sah den Schwarzen Fürsten an. »Lass das Horn blasen, damit die Verwundeten versorgt werden können. Dann wirst du diesem Erben einen Zweikampf anbieten.«

»Es sieht doch gut für ihn aus. Warum sollte er jetzt noch darauf eingehen?«, fragte Camora verstört.

Maluch lachte hämisch auf. »Er wird. Verlass dich drauf!«

Die Augen des Schwarzen Fürsten ruhten auf dem Prinzen. »Ein hervorragender Schwertkämpfer. Und sieh dir nur dieses Schwert an!«

»Hast du plötzlich Angst, du könntest verlieren?« Die Stimme des Hexenmeisters klang ausgesprochen spöttisch. »Fordere ihn noch heute zum Kampf. Nach dieser Schlacht dürfte er wohl schon Mühe haben, noch seine Arme zu heben.«

»Er wird daher kaum so dumm sein, die Forderung anzunehmen«, entgegnete der.

Er hatte sich selbst bisher immer für den größten Kämpfer der Reiche gehalten. Kraft und Ausdauer, über die er schon als junger Mann in hohem Maße verfügt hatte, waren durch den Genuss des Schwarzen Wassers noch um ein Vielfaches gestärkt worden. Keinem anderen gegenüber, nur sich selbst, gestand er ein, dass er aber noch nie einen Kämpfer wie diesen Thronerben gesehen hatte. Die Sicherheit und die Schnelligkeit, mit der dieser kämpfte, waren in der Tat mehr als beindruckend. Die Aussicht auf einen Zweikampf fand er daher nicht mehr unbedingt erfreulich oder gar erfolgversprechend.

»Er wird es nicht machen«, wiederholte er fast tonlos.

Der Hexenmeister warf ihm einen angewiderten Blick zu. Er konnte die Angst seines Gegenübers sogar riechen. »Ich bin mir tatsächlich sicher, er wird. Aber bleib ruhig, mein tapferer Krieger. Wenn du schon nicht mehr genug Vertrauen in deine eigenen Fähigkeiten hast, dann solltest du zumindest auf mich vertrauen.«

Camora blinzelte verwirrt, und Maluch seufzte schwer auf und fuhr fort: »Habe ich jemals versagt? Habe ich jemals ein Versprechen nicht gehalten? Meine Pläne führten uns bisher immer zum Ziel. So wird es auch heute sein. Fordere ihn heraus! Du wirst ihn besiegen, denn ich werde dafür sorgen, dass er glaubt, er sei in schwere Ketten gelegt. Er wird kaum noch seine Füße anheben, geschweige denn ein Schwert führen können, aber nicht einmal er selbst wird wissen, dass er einem Zauber erlegen ist. Würdest du dich vielleicht imstande sehen, ihn unter diesen Umständen zu besiegen?«

Sein Begleiter fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Meinem Sieg darf nicht der kleinste Makel anhaften, wenn wir Erfolg haben wollen.«

»Niemand wird etwas bemerken. Keine einzige Priesterin, die den Zauber vielleicht spüren könnte, ist anwesend. Ayala war ja so klug, sich herauszuhalten. Schließlich konnte sie sich nicht sicher sein, welche Seite gewinnt. Für seine Gefolgschaft wird der Prinz lediglich müde und schlapp wirken, was sie nach dieser Schlacht sicher nicht weiter wundern wird.«

Der Schwarze Fürst grinste plötzlich übers ganze Gesicht, und seine Augen wurden schmal. »Ich könnte ihn schlagen. Mein Triumph wäre tatsächlich noch sehr viel größer, wenn ich den einzigen Erben im Zweikampf besiege. Niemand wird mir dann noch das Recht auf den Thron streitig machen können. Ich hätte ihn erkämpft mit meiner eigenen Stärke und Geschicklichkeit. Diese Lösung ist sogar ungleich besser als eine gewonnene Schlacht, die letztlich wohl durch Schattenkrieger und Kalla entschieden werden würde. Ich allein werde kämpfen, Mann gegen Mann … und mir allein gehört der Sieg. So werden wir es machen. Ich werde ihn vernichten, ich werde ihn demütigen, ich werde ihn zerhacken. Er wird um Gnade flehen und vor mir winseln, er wird im Dreck liegen …«

Der Hexenmeister musterte ihn ungerührt und unterbrach den plötzlichen Glückstaumel des Fürsten mit ausdrucksloser Stimme: »Zumindest ist diese Lösung sicher besser als eine verlorene Schlacht. Lass endlich das Signal geben, bevor keiner meiner Schattenkrieger mehr lebt!«


Morwena und Darius eilten den jungen Männern entgegen, die erschöpft von den Pferden glitten.

»Mit uns ist alles in Ordnung«, beruhigte Derea, dem der besorgte Blick seiner Mutter nicht entgangen war. »Nur Kratzer, nicht der Rede wert.«

»Ich muss sofort aus dieser Rüstung raus«, erklärte Rhonan ziemlich gepresst, streckte sich versuchsweise und brach den Versuch umgehend wieder mit verzerrtem Gesicht ab. »Ich krieg kaum noch Luft.«

Darius hielt ihn am Arm fest und wies auf einen Hordenreiter, der zu Pferd mit einer weißen Fahne direkt auf sie zukam. »Ihr solltet sie lieber noch nicht ablegen, mein König. Wenn ich mich nicht sehr irre, kann das jetzt nur die Aufforderung zum Zweikampf sein. Camora sieht seine Felle davonschwimmen. Nehmt sie auf keinen Fall an!«

Tatsächlich überbrachte der Reiter eine Botschaft von Camora: Wenn die Sonne genau über der Zitadelle stand, wollte der Schwarze Fürst gegen den Mann kämpfen, der seinen Thron für sich in Anspruch nahm.

Morwena wollte ihn schon wegschicken, damit sie gemeinsam das Anerbieten überlegen konnten, aber Rhonan kam ihr zuvor. »Sag deinem Fürsten, ich werde kommen – ohne Rüstung. Wir wollen den Kampf nicht unnötig in die Länge ziehen.«

Der Reiter hatte sich kaum entfernt, als die Königin sich auch schon dem Prinzen zuwandte. »War das jetzt klug, mein Junge? Die Schlacht entwickelt sich zu unseren Gunsten. Die Kalla können uns vermutlich den Sieg bringen. Wir sollten ihn jetzt nicht leichtfertig aus der Hand geben.«

»Seht Euch um, Morwena! Das Feld der Träume ist bereits jetzt zum Leichenfeld geworden. Wenn ich weiteres Sterben verhindern kann, werde ich das tun.«

Sie nahm seine Hände in ihre und sah ihn liebevoll an. »Ich weiß, dass du das möchtest, aber kannst du es auch? Du bist ein wahrhaft guter Kämpfer, aber von der Schlacht erschöpft. Unterschätze Camora nicht! Gestärkt durch das Wasser der Quelle hat er noch keinen Kampf verloren, und er ist im Gegensatz zu dir ausgeruht. Wir sollten zumindest auf eine Verschiebung des Kampfes bestehen. Bedenke, was auf dem Spiel steht!«

Rhonan sah sie an, aber seine Gedanken waren plötzlich ganz woanders. Er war natürlich erschöpft, aber er war es auch während des Kampfes gewesen. Kahandars Macht hatte sich nicht voll entfaltet. Verwirrt runzelte er die Stirn. Ließ das Schwert ihn ausgerechnet jetzt im Stich?

Er hörte Morwenas und Darius’ Stimmen und riss sich aus seinen Überlegungen. »Ich werde heute kämpfen. Caitlin …«

Er stutzte. Das musste es sein! Seine Gedanken waren bei seiner Ehefrau. Das Schwert konnte ihn nicht erreichen und verweigerte ihm deshalb seine Macht. Was hatte Palema gesagt? Bleib auf dem rechten Pfad, und das Schwert wird dich beschützen, weiche ab, und es wird dich vernichten. Hatte er den Pfad verlassen, als er an Caitlin dachte?

Er spürte eine Hand auf der Schulter und sah in Gideons ausgesprochen besorgtes Gesicht. »Was ist mit dir? Du siehst aus, als träumtest du.«

»Ich …« Er fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht, sah vor sich lauter sorgenvolle Mienen und räusperte sich verlegen. »Verzeiht, ich war tatsächlich etwas abwesend. Ich krieg einfach nicht genug Luft in dieser Rüstung.«

Entschuldigend lächelte er den Gelehrten an. »Ich weiß, wie viel Mühe du dir mit ihrer Beschaffung gegeben hast, und sie ist auch wirklich wunderschön, aber ich kann sie einfach nicht tragen. Hilf mir bitte, sie abzulegen.«

Darius schüttelte verzweifelt den Kopf. »Bedenkt, was Ihr tut, mein König! Ihr scheint mir sowohl körperlich als auch geistig kaum in der richtigen Verfassung zu sein, um diesen Zweikampf bestreiten zu können. Noch dazu ohne Rüstung wäre das nicht nur Selbstmord, Ihr würdet alles, wofür wir jahrelang kämpften, leichtfertig aufs Spiel setzen.«

»Glaubt mir, Fürst, ich war schon sehr vieles, und das war sicher nicht immer rühmenswert, aber leichtfertig mit dem Leben anderer war ich noch nie. Man hat mir immer wieder gesagt, dass alle Eure Hoffnungen auf meinem Erscheinen ruhten. Jetzt bin ich hier, um sie zu erfüllen, und ich erbitte dafür Euer Vertrauen. Ich werde diesen Zweikampf bestreiten, und ich werde ihn gewinnen.«

Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht. »Aber ganz sicher nicht in dieser Rüstung.«

Gideon machte sich schon seufzend daran, die Schulterschnallen zu lösen. »Das erste Mal, seit ich dich kenne, siehst du wahrhaft königlich aus, und schon gefällt es dir nicht. Aber ich hätte es mir ja denken können. Du bist und bleibst ein Herumtreiber.«

Er versuchte, seine Unruhe und Furcht vor dem Kampf zu verdrängen, und lächelte seinen Freund halbherzig an.

Darius betrachtete unterdessen immer noch mit großem Zweifel und mit noch größerer Sorge den jungen Großkönig. »Ihr wisst, dass Ihr nicht mit Kahandar kämpfen werdet?«

»Nicht?«

Der Fürst schluckte schwer über so viel Unwissenheit. »Nein, bei einem Zweikampf werden die Waffen selbstverständlich gestellt.«

»Das wusste ich tatsächlich nicht«, erklärte Rhonan mit einem Schulterzucken. »Aber unter diesen Voraussetzungen ist es auch unerheblich.«

»Unerheblich?« Darius rang verzweifelt die Hände.

»Er ist in jedem Fall besser als Camora«, erklärte Derea neben ihm. »Ich habe beide schon kämpfen sehen und werde mich bereits auf eine Siegesfeier einstimmen.«

Sein Blick glitt zu seinem Schwager. »Sieh dich nachher vor, Rhonan! Camora ist tückisch und hält nicht viel von ehrenhaften Kämpfen.«

»Das bin ich gewöhnt. Ein Vorteil, wenn man in der Gosse gelebt hat.«

Er atmete erleichtert tief durch, nachdem er den Brustpanzer endlich los war, und dehnte sich ächzend. »Wie haltet ihr das nur aus?«

Derea grinste breit. »Ich gar nicht! Da musst du schon Canon fragen, der ist sehr tüchtig.«

»Kein Wunder, dass du kaum noch Luft gekriegt hast, aber sei froh, dass du sie hattest«, schimpfte Gideon und hielt ihm das arg eingedellte Rückenstück hin. »Ohne sie würde ich kaum noch mit dir sprechen können.«

»Meine Güte! Das könnte sogar sein«, gab Rhonan beeindruckt zurück.

Er drückte die Schulter des bleichen Gelehrten. »Wenn Camora mich von hinten angreifen will, werde ich das ganz sicher bemerken. Weißt du, gegen einen kämpft es sich leichter. Mach dir also nicht so viele Gedanken.«

»Aber ohne Kahandar …«

»Hab ich auch schon gewonnen«, unterbrach der Prinz. »Wir wussten doch immer, dass diese Begegnung irgendwann kommen würde, jetzt ist es eben so weit. Hab Vertrauen, Gideon!«

Er ließ seinen Blick über das Schlachtfeld schweifen. Die Toten waren nicht mehr zu zählen. Zu Tode erschöpfte Krieger saßen mitten zwischen ihren blutüberströmten, zerfetzten und oft kaum noch zu erkennenden Kameraden auf der Erde und ließen die Köpfe hängen. Verirrte Pferde wurden zusammengetrieben. Verwundete wurden zu Hunderten vom Feld getragen, und überall waren Schmerzensschreie und Stöhnen zu hören. Heiler waren mit kleinen Äxten unterwegs, um zertrümmerte Gliedmaßen an Ort und Stelle zu entfernen. Männer mit Pechfackeln folgten ihnen, um die Stümpfe damit sofort wieder zu verschließen. Es war ein Bild des Grauens.

»Rhonan!«

Morwenas Stimme ließ ihn herumfahren. »Wenn du gleich kämpfst, dann möchte ich, dass du ihn trägst.«

Sie hielt ihm auf der flachen Hand einen Ring mit dem da’Kandar-Wappen entgegen. »Ich habe dir doch erzählt, dass dein Vater und mein geliebter Mathew Brüder waren. Dieser Ring ist alles, was mir von ihm blieb, aber dir blieb gar nichts von deiner Familie. Ich bin mir sicher, dass Mathew gewollt hätte, dass du ihn trägst, wenn du gegen den Mörder deiner und seiner Familie antrittst.«

Er nahm den Ring, sah nur kurz auf seine verkrüppelte rechte Hand und steckte ihn an den Ringfinger der linken Hand. Er passte, wie für ihn gemacht, und Rhonan strich versonnen über das geschnitzte Wappen.

Seine Geschwister hatten solche Ringe getragen, in ihre Kleidung war auch immer irgendwo das geflügelte Schwert eingestickt gewesen. Früher hatte er geglaubt, dass er für derlei Dinge einfach noch zu jung gewesen wäre, aber seit Palema ihn über seine wahre Herkunft aufgeklärt hatte, wusste er es besser. Erbe der Krone hatte er nie sein sollen. Seine Aufgabe hatte immer nur die Versiegelung der Quelle sein sollen. Auf den Thron hatte er nicht viel mehr Ansprüche als Camora, er war bestenfalls das kleinere Übel. Auch jetzt kam ihm das Wappen seltsam fremd, fast abweisend vor.

Er blickte hoch in Morwenas Augen, in denen deutlich die Frage nach einer Erwiderung stand. Der Ring bedeutete ihm gar nichts, aber irgendetwas sagte ihm, dass es nicht der rechte Zeitpunkt war, das kundzutun.

»Danke«, erklärte er daher mit tonloser Stimme. »Ich werde ihn Euch nach dem Kampf zurückgeben.«

Morwena lachte auf. »Dummer Junge, ich will ihn nicht zurück. Und hör endlich auf, mich wie eine Fremde zu behandeln. Ich bin fast so etwas wie eine Verwandte. Mathew starb zwar, bevor wir uns verbinden konnten, aber ich sehe mich trotzdem als deine Tante an. Wenn du mich nicht so nennen willst, sag nur Morwena zu mir, aber lege deine Förmlichkeit endlich ab. Betrachte unser Heim auch immer als das deine.«

Sein Lächeln war so zurückhaltend und scheu, dass sie seinen Kopf zu sich herunterzog und ihn mütterlich auf die Stirn küsste. »Mögen die Götter dir in deinem Kampf beistehen, Kind!«

Die ungewohnte Zärtlichkeit ließ ihn erröten. »Danke … Tante Morwena«, murmelte er und räusperte sich ausgesprochen unbehaglich.

Sie strahlte ihn glücklich an, und Derea bewahrte ihn davor, dass sie ihn erneut an sich zog, indem er ihn mit sich zerrte und erklärte: »Komm jetzt ins Zelt! Wir sollten die Kratzer vor dem Kampf doch besser noch verbinden.«

Kaum außer Hörweite flüsterte er ihm grinsend zu: »So ist sie nun einmal. Du stehst als Heerführer vor deiner Truppe, und sie herzt dich vor deinen Männern und nennt dich Junge oder Kind. Aber sie hat es ernst gemeint, hat dich wirklich in ihr Herz geschlossen. Du hast sie eben sehr glücklich gemacht. Ihr heißgeliebter Mathew starb nur drei Tage, bevor sie sich verbinden wollten, und deine Eltern taten dann so, als ginge sie sein Tod gar nichts an. Nicht einmal zur Totenfeier der Familie wurde sie eingeladen. So, wie sie immer darüber sprach, hat sie sehr darunter gelitten. Sie sagte immer, Mathew sei nicht nur gestorben, man hätte ihr auch noch das Andenken an ihn gestohlen.«

Rhonan sah ihn verständnislos an, und Derea lachte auf. »Hast recht. Dummer Zeitpunkt für solche Gespräche! Diese Gefühlssachen sind bei euch ohnehin mehr Sache deiner Frau, nicht wahr? Na, ein bisschen Zeit ist ja noch. Die solltest du nutzen, um dich etwas hinzulegen und zu entspannen.«

Rhonan drehte sich zu Canon um, aber der Hauptmann zog ihn unbarmherzig mit. »Nicht jetzt! Siege meinetwegen für Caitlin, aber denke nicht an sie. Ich erzähl dir besser, was ich über Camora und seine Art zu kämpfen weiß. Das könnte dir gleich sicher mehr helfen. Du solltest nicht den Fehler machen und ihn unterschätzen.«

»Das macht er doch nie«, erklärte Gideon, der sich mit seinem Medizinbeutel zu ihnen gesellt hatte, mit freudlosem Lachen. Ziemlich grimmig fuhr er fort: »Genauso wenig, wie er auf jemanden hört, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Man hätte auf eine Verlegung des Kampfes bestehen müssen, aber nein, er muss es ja hinter sich bringen, um möglichst schnell zu Caitlin zu kommen. Sie wird ihm die Ohren abreißen, wenn sie davon hört – zumindest, wenn er noch so lange lebt.«

Am Zelt angekommen, ergriff er den Oberarm des Hauptmanns und bat: »Dreh eine Runde, oder mach etwas anderes Sinnvolles! Ich muss kurz allein mit unserem großen König reden.«

Derea nickte sichtlich verstört, und Gideon drängte Rhonan schon ins Zelt und schubste ihn auf einen Schemel.

»Zieh rasch Hemd und Hose aus, damit ich noch in aller Eile ein paar Kräuterverbände anlegen kann, bevor du dich ungestüm in einen Kampf wirfst, der, wie immer er auch ausgehen mag, einen fünfundzwanzig Jahre währenden Krieg beenden wird.« Er wühlte schon wild in seinem Beutel, und Kräuter und Salben flogen durch die Gegend.

Verwirrt ging der Prinz vor einem Ledersäckchen in Deckung. »Was ist in dich gefahren? So kenn ich dich ja gar nicht.«

»Dann wird es Zeit, dass du mich so kennenlernst.«

»Was ist denn los mit dir? Hab ich etwas falsch gemacht?«

Gideon schlug mit der Faust auf den Beutel, und seine Augen blitzten vor Zorn. »Ja, verdammt noch mal! Du hast den Kampf zu Camoras Bedingungen angenommen.«

»Hast du dir einmal das Schlachtfeld angesehen? Hätte ich vielleicht zusehen sollen, wie das große Töten weitergeht? Du weißt genau, dass ich ihn schlagen kann«, erklärte Rhonan immer noch ratlos wegen der aufgebrachten Stimmung des Gelehrten.

Der schlug erneut mit der Faust auf den Sack und brüllte ihn an: »Ja, ich weiß, dass du jeden schlagen kannst, aber ganz sicher nicht so nebenher. Du bist doch nur furchtbar in Eile, und das wird bei Camora niemals zum Sieg führen. Erzähl mir jetzt ja nicht, dass die Toten da draußen dir so unglaublich viel bedeuten. Tote hast du doch schon reichlich gesehen. Aber hast du dir auch einmal die Zeit genommen, dir die überlebenden Krieger anzusehen? Du hast ihr Leben, ihre Zukunft und das Leben und die Zukunft ihrer Familien in der Hand. Was glaubst du wohl, wie sie sich fühlen würden, wenn sie wüssten, dass du hier nur möglichst schnell fertig werden willst?«

»Das ist nicht wahr«, widersprach der Prinz.

So laut, wie die Stimme des Verianers war, so leise war seine, aber seine grünen Augen waren wesentlich dunkler als üblich. »Wenn es mir nur um Caitlin ginge, wäre ich längst unterwegs zu ihr.«

»Wie schön du dich doch selbst belügen kannst«, höhnte Gideon und baute sich mit in die Hüften gestemmten Händen vor ihm auf. »Ich habe es eben in deinem Blick gesehen: Der Ring von da’Kandar bedeutet dir gar nichts, nicht wahr?«

Rhonans Miene wurde trotzig. »Nein!«

»Du willst den Thron nicht?«

»Nein! Das habe ich dir schon immer gesagt.«

»Mit den Freien Reichen verbindet dich auch nichts, oder?«

»Nein! Was sollte mich denn auch mit ihnen verbinden?«

»Warum willst du denn dann überhaupt gegen Camora kämpfen?«

»Du willst jetzt hören, dass ich es nur für Caitlin und mich mache, nicht wahr? Aber den Gefallen tu ich dir nicht. Zusammen mit den Kalla können die Freien Reiche die Schlacht auch ohne mich gewinnen. Sie könnten lustig bis zum Ende kämpfen, und ich könnte unterdessen schon zur Rettung meiner Frau eilen. Glaubst du ernsthaft, irgendjemand könnte mich davon abhalten, wenn ich das wollte? Den Zweikampf habe ich aus ganz anderen Gründen angenommen, und, ob du es nun glaubst oder nicht, mein weiser Freund, ich habe sogar Tausende von Gründen, und die sind alle draußen vor dem Zelt. Sie schreien und stöhnen vor Schmerzen oder, wenn sie bisher Glück hatten, fürchten sich zu Recht vor der Fortsetzung der grausamen Schlacht. Ich habe mir die Gesichter der Überlebenden angesehen. Nur nackte Angst und Grauen war in ihnen zu sehen. Das sind meine Gründe. Seit ich denken kann, sterben unschuldige Menschen um mich herum, und ich konnte nie etwas daran ändern. Heute ist es anders. Heute kann und werde ich das verhindern.«

»Ach, wirklich?«

»Ja!«

Rhonans Stimme war immer noch kalt und völlig ruhig, und Gideons Blick entspannte sich etwas. »Kühl und beherrscht wie immer.«

»Ich weiß, wer ich bin, und ich weiß, was ich kann. Du weißt, wer ich bin, und du weißt, was ich kann. Zugegebenermaßen kann ich nicht viel, aber kämpfen konnte ich schon immer. Hättest du es jetzt gern anders?«

»Nein! Hast du Angst vor dem Kampf?«, fragte er leise.

Rhonan starrte ihn länger an, zuckte endlich die Achseln und lächelte verzerrt. »Das weißt du doch längst, oder? Wenn du es denn unbedingt auch hören willst: Ja, heute schon! Vielleicht nicht unbedingt Angst, aber schon ein seltsames Gefühl. Es steht so viel auf dem Spiel. Aber ich werde den Schwarzen Fürsten besiegen, für die Menschen da draußen, für meine tote Familie, für meine lebende Familie und für mich.«

»Es wäre mir wohler, wenn du zumindest auf eine Verlegung des Kampfes bestanden hättest.«

Er zuckte nur die Achseln und erklärte entwaffnend ehrlich: »Wozu hätte das gut sein sollen? Es hätte für mich nichts gebracht, den Kampf zu verschieben, weil meine Gedanken von ganz allein immer wieder bei Caitlin sind. Daran kann ich einfach nichts ändern, so sehr ich es auch versuche. Eine schlaflose Nacht mehr hätte mir kaum Erholung gebracht. Reicht dir das?«

Gideon dachte daran, dass Rhonan nie lange Für und Wider abwog, sondern eigentlich immer aus dem Augenblick heraus entschied, weil er sehr genau wusste, was er sich und seinem Körper noch zumuten konnte, wenn er bis an seine Grenzen und auch noch ein wenig darüber hinaus ging. Er dachte auch daran, wie oft ihnen dessen uneigennützige Entscheidungen schon das Leben gerettet hatte, und nickte mit einem liebevollen Lächeln.

Rhonan räusperte sich und fuhr fort: »Du hast doch diese Kräutersalbe, die so schön wärmt. Könntest du mir davon etwas auf den Rücken schmieren? Der schmerzt nämlich ein wenig. Und vielleicht könntest du vorher noch Derea holen, damit der mir etwas über Camoras Kampfkunst erzählt.«

Bevor der Verianer das Zelt verließ, erreichte ihn noch einmal die leise Stimme seines Freundes. »Du hattest ja recht, mich zu schelten. Ich war bei der Schlacht zuerst wirklich abgelenkt, und allein deine Rüstung hat mir heute das Leben gerettet. Ich danke dir dafür. Aber das ist längst vorbei. Weißt du, für Caitlin würde ich mein Leben und meine Zukunft jederzeit, ohne zu zögern, opfern, aber nie das Leben und die Zukunft anderer.«

Gideon drehte sich um und seufzte tief. Eine Weile stand er mit hängenden Armen da, als wüsste er nicht, was er sagen sollte, dann erklärte er mit heiserer Stimme: »Ich weiß, mein Freund. Das wusste ich immer. Verzeih mir meinen Auftritt eben! Mir allein muss ich Vorwürfe machen, denn mir ging es eben nur um dich und mich. Ich … ich … Weißt du, schon seit langem habe ich dich immer mehr als eine Art Sohn betrachtet. Du bist mir so unendlich lieb und teuer geworden … ich will dich einfach nicht verlieren, und mir ist fast schwindelig vor Angst.«

»Ich danke dir auch für deine Liebe, denn sie bedeutet mir viel.« Er schluckte und fuhr sehr leise fort: »Ich wünschte manchmal, ich könnte meine Gedanken besser in Worte fassen, aber du wirst auch so verstehen, was ich meine. Weißt du, zu wissen, dass es Menschen gibt, die sich um mich sorgen, das ist ein unglaublich schönes Gefühl. Ich habe dieses Gefühl erst vor kurzem kennengelernt, daher bin ich vielleicht besonders dankbar dafür. Du warst mein erster Freund, und ich weiß, du wirst immer mein bester und teuerster Freund bleiben. Ich habe schon Kämpfe gewonnen, bei denen es mir gleichgültig war, ob ich sie überlebte oder nicht, weil niemand auf mich wartete, aber heute werde ich auch siegen, eben weil es Menschen wie Caitlin und dich gibt.«

Er blinzelte und fügte verlegen hinzu: »Aber ich werde nicht nur von dir und Caitlin geliebt, ich bin auch immer noch Palemas Sohn und wurde schließlich nur für den Kampf in die Welt gesetzt. Das sollte … das muss einfach reichen. Hab also Vertrauen, mein väterlicher Freund.«

»Du kannst deine Gedanken wunderbar in Worte fassen, und ich bin mir nun ganz sicher, dass du siegen wirst.«

Gideon konnte gar nicht anders. Er ging zu seinem Freund zurück und umarmte ihn innig. Und der erwiderte die Umarmung genauso herzlich.


Der Platz vor der Zitadelle füllte sich allmählich. Für die Könige, Fürsten und Heerführer hatte man rund um den Kampfplatz schlichte Holzbänke aufgebaut. Die Krieger, die noch stehen konnten, sammelten sich in großen Scharen dahinter. Auch unzählige Verwundete stützten sich auf ihre Kameraden. Diesen Kampf wollte sich niemand entgehen lassen, auch wenn die meisten kaum etwas von ihm zu sehen bekommen würden. Aber zumindest dabei sein wollten sie alle.

Rechts von der Zitadelle sammelten sich die Krieger der Freien Reiche, links davon die der Horden. Nur eine schmale Gasse trennte die erbitterten Feinde jetzt voneinander. Man beäugte sich giftig, aber wie es Brauch war, verhielt man sich ruhig. Keiner der Anwesenden trug jetzt auch nur eine einzige Waffe.

»Er ist zu jung und zu unerfahren. Außerdem scheint er die Bedeutung des Kampfes überhaupt nicht zu begreifen. Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl«, murmelte Darius leise.

»Ich nicht«, entgegnete Morwena mit Bestimmtheit. »Er ist vielleicht kein Heerführer und mit unseren Kriegsbräuchen nicht vertraut, aber unerfahren im Kampf ist er nicht. Das wird dir doch heute auch aufgefallen sein, oder?«

»Ja, schön und gut, aber …«, begann er, wurde jedoch von ihr sofort ungeduldig unterbrochen: »Was willst du eigentlich, Darius? Erst predigst du mir ununterbrochen, ich solle auf die Prophezeiung vertrauen, jetzt ist der Erbe endlich bei uns, um sie zu erfüllen, und mit einem Mal kommen dir Zweifel. Ich habe keine Lust auf wirre Launen. Entweder du bist still, oder du suchst dir einen anderen Platz!«

Marga ergriff die Hand ihres Vaters. »Ich habe schon neben Rhonan gekämpft. Und glaube mir, eine solche Kampfkunst habe ich noch nie gesehen. Ich vertraue voll und ganz auf ihn.«

Er erwiderte den Druck ihrer Finger, sah die Angst in ihren Augen, die im krassen Gegensatz zu ihrer kühnen Behauptung stand, und lächelte sie beruhigend an. »So wollen wir denn alle auf ihn vertrauen, Tochter.«

Unruhe entstand unter den Hordenkriegern, denn Camora betrat gemessenen Schrittes den Kampfplatz. Zwei seiner Heerführer begleiteten ihn. Vereinbarungsgemäß trug er weder Rüstung noch Helm, aber Marga presste beim Anblick seiner wahrhaft gewaltigen Schultern und Oberarme unwillkürlich die Lippen zusammen. Er war tatsächlich nicht viel weniger eindrucksvoll als seine Schattenkrieger, und gegen ihn wirkte sogar Rhonan schmal. Deutlich spürte sie, wie jede Wärme ihren Körper verließ, und unterdrückte nur mühsam ein Frösteln.

Morwena musterte den Fürsten demgegenüber zumindest nach außen hin völlig gelassen, schmunzelte nach einiger Zeit sogar und raunte Darius zu: »Nett anzusehen, wie er da so allein herumsteht, oder? Man spürt richtig seine stetig anwachsende Wut. Gut, dass Canon bei Rhonan ist. Er versteht sich auf große Auftritte und wird den Schwarzen Fürsten so lange wie möglich im eigenen Saft schmoren lassen. Ich liebe meine Söhne, sie sind auf so vielen Gebieten so unglaublich begabt.«

Die Zeit verstrich, und selbst Darius konnte sich schließlich ein kleines Lächeln abringen, weil Camora offensichtlich immer mehr Mühe hatte, seine äußere Ruhe zu bewahren. Dass der Schwarze Fürst innerlich kochte, war für ihn selbstverständlich, denn, dass ein Gegner sich so viel Zeit ließ, überschritt schon die Grenze zur Beleidigung.

Doch endlich erschien der Prinz, begleitet von Canon und Derea.

Er schritt langsam, wie Canon es ihm eingeschärft hatte, hocherhobenen Hauptes durch die Reihen seiner Krieger, und alle sanken schweigend auf ein Knie und beugten das Haupt.

»Nur nach vorn sehen«, raunte Canon. »Du bist ihr König.«

Kaum hatte Rhonan den Kampfplatz betreten, als Morwena sich auch schon erhob, um mit den Worten »Mein König!« ebenfalls auf die Knie zu sinken.

Sämtliche Fürsten und Heerführer der Freien Reiche folgten umgehend ihrem Beispiel.

Deren Krieger, die bisher schweigend verharrt hatten, nahmen den Ruf auf. Wie Donnerhall erfüllte ihr »Sieg unserem König!« das Tal.

Derea überkam gleichzeitig Trauer und Freude, als er sah, dass jetzt auch in den Reihen der Horden unzählig viele Männer auf ein Knie sanken und lautlos ihre Lippen bewegten. Welch große Hoffnung lag allein in dieser Geste. Männer, die jahrelang Camora gedient hatten, zeigten jetzt offen, dass sie dies nur gezwungenermaßen getan hatten. Sollte Camora siegen, würden sie seinen tödlichen Zorn zu spüren bekommen, so sicher, wie die Nacht dem Tag folgte.

Ein Blick auf seinen königlichen Begleiter sagte ihm, dass dem zumindest ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen. Der schluckte sichtbar, als seine Augen über die jubelnde Menge glitten.

»Ruhig und still!«, gab Canon leise Anweisung, als er dessen Unruhe spürte. »Du musst nichts sagen, du musst nur siegen.«

Rhonan stand also da und tat das, was er inmitten vieler Menschen am besten konnte, nämlich nichts. Weder Blick noch Haltung verrieten mehr als verständliche Rührung, aber durch seinen Kopf jagten plötzlich die wildesten Gedanken: Allein ein Stolpern könnte gleich über die Zukunft von Tausenden entscheiden. Eine kleine Unachtsamkeit von ihm, und sein Tod würde Hunderte nach sich ziehen. Er hatte noch nie einen Kampf verloren, aber er hatte auch noch nie für ganze Reiche gekämpft. Während er nach außen hin ruhig wirkte, versuchte er, diese beklemmenden Gedanken schnellstens wieder zu verdrängen, um locker zu bleiben und nicht zu verkrampfen.

Auch Camora hatte sich gut in der Hand, und sein Zorn über die Verspätung und den deutlich sichtbaren Verrat vieler eigener Krieger war nur an seinen schmalen Augen und den geballten Fäusten zu erkennen.

Gideon war ausgewählt worden, um für alle Rassen und Völker verständlich zu erklären, was jetzt geschehen sollte. In verschiedenen Sprachen erläuterte er, dass dieser Kampf unweigerlich bis zum Tod eines der beiden Kämpfer geführt werden würde und den Krieg genauso unweigerlich beenden würde. Der Sieger müsste von allen als rechtmäßiger Großkönig anerkannt werden.

Im Anschluss daran verbeugte er sich knapp vor Camora und dann vor Rhonan. »Mögen die Götter dir beistehen, mein Sohn«, bat er leise und setzte sich auf einen freien Platz.

Unter den prüfenden Augen der Begleiter griff Camora sich Schwert und Schild, Rhonan wählte Schwert und eine kurze Axt. Die Waffen wurden von allen begutachtet, und die Begleiter der Kämpfer setzten sich ins Rund.

»Das hast du gut gemacht«, raunte Morwena Canon zu.

Der blinzelte sie an. »Danke für dein Lob, auch wenn es mir nur zur Hälfte gebührt. Dein Fastneffe scharrte gewaltig mit den Hufen und hat mich für verrückt erklärt, weil ich ihn aufgehalten habe. Aber dass die Krieger auf die Knie fallen, habe ich nicht angeordnet. Das war wohl ihr Dank dafür, dass Rhonan jetzt an ihrer Stelle kämpft.« Hoffentlich enttäuscht er sie nicht, setzte er in Gedanken hinzu. Seine Augen wanderten zum Kampfplatz.

Der Schwarze Fürst und der Prinz standen sich jetzt gegenüber. Sie waren annähernd gleich groß, aber Camora brachte deutlich mehr Gewicht auf die Waage. Ein kurzer Gruß, und der Kampf begann. Langsam und vorsichtig umkreisten sich die Gegner, schätzten sich gegenseitig erst einmal ab. Finten wurden kaum beachtet, kleinere Vorstöße pariert.

Um sie herum herrschte jetzt eine fast atemlose Stille. Weder die üblichen Anfeuerungsrufe noch Beifallsbekundungen waren zu hören. Zu wichtig war dieser Kampf, zu angespannt deswegen jeder Einzelne. Es gab wohl kaum einen Krieger, der nicht die Hände knetete oder stumme Gebete zu den Göttern schickte, denn zwei Männer, die, von ihrer Größe einmal abgesehen, kaum unterschiedlicher hätten sein können, entschieden jetzt über ihrer aller Zukunft.

Die Schwerter prallten aufeinander, verharrten wie aneinandergeklebt knisternd in der Luft, weil keiner seine Waffe zurückzog.

»Als du geboren wurdest, habe ich bereits viele Siege zu feiern gehabt«, prahlte Camora in herablassendem Ton.

Rhonans Augen blitzten, als er entgegnete: »Erwartest du deshalb Mitleid von mir? Du führst doch noch recht gut die Klingen. Du hättest dich eben nur schon etwas warmkämpfen sollen. Aber in deinem Alter zieht man wohl die Ruhe einer Schlacht vor.«

Sein Gegner nahm die Beleidigung mit einem Lächeln hin. »Warum kämpfst du eigentlich gegen mich? Erzähl mir nicht, dass der Scheiterhaufen dich nicht in deinen Träumen verfolgt? Hast du nicht nur deshalb Trost im Branntwein gesucht? Du könntest doch ohnehin nie nach da’Kandar zurückkehren. Für dich kann dort alles nur nach verbranntem Fleisch und Blut riechen.«

»Immer noch besser als der Gestank nach Verderbtheit, den du verbreitest! Hast du vorhin nicht hingesehen? Nicht einmal die Hälfte deiner Krieger steht auf deiner Seite. Selbst sie wollen aus deinem widerlichen Dunstkreis heraus.« Der Prinz ging jetzt zum schnelleren Angriff über, konnte aber keine Schwachstelle bei seinem Gegner ausmachen.

Gideon knetete seine eiskalten Hände und schloss immer wieder die Augen, nur um sie sofort wieder zu öffnen. Mit unglaublicher Kraft und Schnelligkeit wurden jetzt die Klingen gekreuzt. Es schien ein durchaus ausgeglichener Kampf zu sein. Geschickte Attacken und Finten wurden ein ums andere Mal genauso geschickt pariert. Wenn ein Kämpfer im Vorteil war, dann konnte er es zumindest nicht erkennen. Rhonan parierte gerade einen Schlag Camoras mit der Axt, erwischte den Fürsten mit dem Schwert an der linken Schulter und schlug das erste Blut.

Camora keuchte auf, taumelte kurz, fing sich aber sofort wieder und wehrte den nächsten Angriff mit dem Schild ab. Die Wucht des Schlages verbeulte ihn stark, aber fast unmittelbar danach sah Rhonan sich schon wieder in die Verteidigung gedrängt.

Eine unglaubliche Mattigkeit überkam ihn plötzlich, die seine Arme und Beine immer schwerer werden ließ. Es tat schon fast weh, auch nur das Schwert zu heben.

Der Schwarze Fürst lächelte siegessicher und reihte Attacke an Attacke, trieb seinen Gegner jetzt regelrecht vor sich her. Der strauchelte, und ein Schwertstreich erwischte ihn am rechten Unterarm. Mit Müh und Not parierte er den nächsten Schlag mit der Axt. Seine Umgebung verschwamm fast vor seinen Augen.

»Schon müde, Blondschopf? Zu emsig aufgewärmt?«, fragte Camora und zwinkerte boshaft. Endlich griff der Hexenmeister ein. Sein Sieg war zum Greifen nah.

Rhonan sah das Zwinkern und begriff sofort. Er kämpfte nicht nur gegen den Schwarzen Fürsten, hier war ein Zauber im Spiel, und den kannte er nicht einmal aus der Gosse. Er versuchte, sich dagegen zu sperren, wie er es auch bei den Nebelfrauen getan hatte, aber er schaffte es nicht.

»So viel zu einem Zweikampf«, knurrte er.

»Hast dich wohl doch etwas überschätzt«, höhnte sein Gegner leise, während ihre Klingen erneut aneinanderklebten. »Du bist vielleicht schnell auf den Füßen und recht geschickt, aber vieles lernt man eben erst mit den Jahren.«

Der Prinz schwieg. Was sollte er auch tun? Den Kampf abbrechen und eine Anklage erheben, die nicht zu beweisen war. Er hatte schon eine Schlacht hinter sich, seine Müdigkeit war damit leicht zu erklären. Ein Blick in Camoras siegesgewiss strahlende Augen sagte ihm genug. Entweder er gewann gegen ihn und seinen Hexer, oder er starb zusammen mit der Hoffnung der Freien Reiche und vor unzählig vielen, die jetzt auf ihn bauten. Nein, er würde nicht sterben, nicht er, der Sohn einer Unsterblichen, der geborene Kämpfer. Entschlossen kniff er die Augen zusammen und kämpfte weiter, versuchte, zumindest den Hagel der Attacken abzuwehren, der jetzt über ihn hereinbrach. Es würde sich eine Gelegenheit ergeben … es ergab sich immer eine Gelegenheit. Er musste nur wachsam sein und so lange durchhalten, bis sie endlich kam. Er atmete schneller, hatte mehr und mehr das Gefühl, schwere Gewichte an Armen und Beinen zu haben. Kahandar hätte ihm vielleicht helfen können, stand aber nicht zur Verfügung. Jetzt musste es Caitlin richten. Bei jeder Parade dachte er nur an seine Frau oder sein Kind. Auch sie musste er vor Camoras Hass schützen, seinen hämisch grinsenden Widersacher daher unbedingt töten.

Ein Schwertstreich erwischte ihn erneut am rechten Arm. Er schwankte leicht, fing sich aber gleich wieder. Verzweifelt versuchte er, die immer stärker werdende Müdigkeit zu überwinden. Sein Kind sollte in Frieden aufwachsen, aber seine Beine sackten einfach weg. Caitlin musste geschützt werden, aber die Axt wurde ihm zu schwer. Die Freien Reiche durften nicht verlieren, aber wie sollte er noch gewinnen?

Das überhebliche Lächeln des Fürsten wurde immer breiter und Rhonans Keuchen immer lauter und krampfhafter.


»Das ist, glaube ich, nicht den Regeln entsprechend!«

Maluch fuhr erschrocken herum und atmete dann erleichtert auf. »Juna, meine Liebe, ich bin entzückt, dich zu sehen. Wo hast du nur die ganze Zeit gesteckt?«

»Das ist eine lange Geschichte.« Sie blickte von ihrem Ziehvater auf den Kampfplatz. »Der Prinz wirkt müde.«

»Die Schlacht war hart.«

Er blinzelte sie vergnügt an, und sie entgegnete trocken: »Der tapfere Camora hat sich ja wieder einmal vornehm zurückgehalten und seine Männer für sich sterben lassen. Ein wahrhaft großer und heldenhafter Heerführer! Es ist kein Wunder, dass seine Untergebenen ihn so unglaublich verehren.«

»So solltest du aber nicht über deinen zukünftigen Gatten reden«, tadelte er gut gelaunt. »Sieh mal, er hat den Erben gerade erneut erwischt … und gleich noch einmal. Das war jetzt endlich einmal eine tiefere Wunde … der Anfang vom Ende. Es läuft alles bestens.«

Ihr unbeteiligter Blick wanderte von den Kämpfern zu ihrem Ziehvater. »Benötigt Camora nun schon deine Hilfe, um in einem Zweikampf zu siegen?«

»Wie kommst du denn darauf?«

»Ich bin nicht dumm.«

Er lachte heiser auf. »Dir kann ich ohnehin nichts vormachen. Ich helfe natürlich ein bisschen nach. Wir wollten in dieser nicht ganz unwichtigen Angelegenheit ganz sicher gehen. Wo auch immer dieser Erbe sich herumgetrieben hat, das Kämpfen hat er dort nämlich gelernt. Aber das wird ihm nichts mehr nützen. Selbst ohne meinen Zauber dürfte er mittlerweile allein schon durch die Wunden viel zu geschwächt sein, um noch viel länger standzuhalten. Sieh dir Camora an! Stärke und Geschick spielt er gut aus. Er wird gewinnen. Freue dich, meine Schöne, bald wirst du Großkönigin sein.«

»Meine Pläne haben sich ein klein wenig geändert«, erklärte sie mit ausdrucksloser Miene. »Was ich erreichen will, kannst du mir nicht bieten. Es tut mir leid, aber diesen Kampf solltet ihr besser verlieren. Wir benötigen den Erben vielleicht noch.«

Er starrte sie erst fassungslos an, dann lachte er belustigt auf. »Juna, Juna, du hast schon immer gern Scherze gemacht. Fast wäre ich wieder darauf hereingefallen.«

Sie lächelte zurück. »Aber auch nur fast, nicht wahr? Gute Reise, alter Mann!« Bei diesen Worten rammte sie ihm einen kleinen Dolch mitten ins Herz.

Er hatte gerade noch Zeit, sie ungläubig anzusehen, bevor er in ihren Armen zusammensackte.

Sie sah über seine Schulter hinweg einige Hordenkrieger an, die sich zu ihnen umgedreht hatten, und erklärte: »Ihm ist vor Aufregung schwindelig geworden.«

Gut gelaunt zwinkerte sie ihnen zu. »Selbst an Hexenmeistern geht das Alter wohl nicht spurlos vorüber.«

Die Krieger lachten und wandten sich wieder dem Kampf zu.

Sie setzte den Leichnam auf einen Stuhl, verdeckte die blutende Wunde mit seinem Umhang und blickte noch einmal auf den Kampfplatz. »Enttäusche mich jetzt besser nicht«, murmelte sie und entfernte sich mit raschen Schritten.


»Bei allen Göttern, Rhonan, pass doch auf!« Gideon wurde jetzt wirklich schlecht vor Angst. Sein Magen schien zu brodeln, und Schweiß tropfte ihm in die Augen.

Immer größere Unruhe entstand unter den Kriegern, und das erste nicht mehr zu unterdrückende Stöhnen ging auch durch die Reihen der Reichsfürsten, während sich die Führer der Horde die Hände rieben und ihren Feinden geringschätzige Blicke zuwarfen. Morwena atmete nur noch stoßweise und drückte Canons Hand so fest, dass es schon schmerzte. Er selbst leckte sich die trocknen Lippen.

Jede Schnelligkeit und jede Geschmeidigkeit hatten den Prinzen längst verlassen, er schien am Ende seiner Kräfte, hielt sich offensichtlich nur noch mühsam auf den Beinen und ächzte und keuchte bei jeder Bewegung. Sein Hemd war schweißnass und rot von Blut, die Axt hatte er längst verloren. Krampfhaft umklammerten seine Hände das Schwert und wehrten immer schwächer und oft im letzten Augenblick die ständigen Angriffe ab. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er zusammenbrechen würde.

Derea glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Er kannte Rhonan mittlerweile viel zu gut, um anzunehmen, dass der schlicht erschöpft war. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen! Er hätte sich ohrfeigen mögen. In plötzlichem Verstehen suchten seine Augen die Zuschauerreihen ab, aber er konnte den Hexenmeister nirgends entdecken.

Er wollte aufspringen, aber Canons Hand hielt ihn zurück. »Ich muss …«

»Nichts!«, unterbrach sein älterer Bruder. »Jede Kampfhandlung außerhalb des Zweikampfs wird gegen uns gewertet.«

»Aber …«

»Bleib gefälligst ruhig!«

Derea starrte auf den Kampfplatz, und Verzweiflung und Wut kochten in ihm hoch.

»Bald wirst du deine Familie wiedersehen«, höhnte Camora auch gerade. »Freust du dich?«

Gerade noch schaffte Rhonan es, den nächsten Schwertstreich zu parieren. Er blinzelte den Schweiß aus den Augen, schüttelte benommen den Kopf und taumelte rückwärts. Der Schwarze Fürst setzte sofort nach, warf jetzt sogar seinen Schild weg und schlug beidhändig in geradezu wilden Attacken auf die Waffe seines nahezu kampfunfähigen Gegners. Der schwankte wie ein Betrunkener, ging in die Knie, hielt sein Schwert jetzt nur noch in der rechten Hand, und es sah so aus, als ob es ihm gleich ganz entglitte. Schwer atmend sackte er immer weiter in sich zusammen.

Ein genüssliches Lächeln überzog Camoras Gesicht. »Das war’s jetzt. Ich bin am Ziel. Da wollte ich dich immer schon gern sehen, Thronerbe: im Dreck zu meinen Füßen!«

Noch während er ausholte, sah er das Funkeln in Rhonans Augen, aber er konnte nicht mehr reagieren. Blitzschnell war der wieder sicher auf den Füßen, griff das Schwert mit beiden Händen und rammte es seinem Gegner in den nun ungeschützten Leib. Fassungslos taumelte Camora zurück. Das Schwert entglitt seinen Händen.

Der Prinz setzte jetzt seinerseits nach und schlug ihm die Klinge quer über die Brust. »Der Erste war für meine ermordete Familie, der Zweite war für meine neue Familie und der Letzte wird für mich sein. Und deinen Kopf kriegen die Freien Reiche. Du hast ehrlos gelebt, du hast ehrlos gekämpft, du wirst ehrlos sterben. Du wirst nicht verbrannt, Thronräuber, dich kriegen die Aasfresser.«

In den Augen des Fürsten war neben Schmerz immer noch Unglauben, als er auf die Knie sackte. Sein schon trüber Blick glitt unwillkürlich über die Zuschauer.

»Suchst du deinen Helfer, den Hexenmeister?«, höhnte Rhonan. »Der hat aufgegeben, schon vor einiger Zeit. Das musstest du nur nicht wissen, denn zu siegessichere Kämpfer werden leichtsinnig und sind daher viel leichter zu schlagen. Deine Herrschaft ist vorüber.« Er holte kurz aus und trennte ihm mit einem gewaltigen Hieb den Kopf vom Rumpf.

Der Kopf des Schwarzen Fürsten rollte über den Kampfplatz, und ein erleichterter und wahrhaft ohrenbetäubender Jubel setzte ein.

Die Führer der Freien Reiche stürmten auf den Platz, aber Gideon war der Erste, der Rhonan erreichte. Der lächelte dünn und bemerkte heiser. »Du musst mich schon wieder einmal stützen, mein Freund. Ich glaube …« Er brach besinnungslos in den Armen des Gelehrten zusammen.

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
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