3. Kapitel




Für die Siegelerben war die Zeit des Aufbruchs gekommen.

Gideon hatte Caitlin gefragt, ob sie nunmehr nicht in der Lage sei, Portalsteine zu benutzen, um die Reise einfacher zu gestalten.

Sie hatte mit hochgezogenen Brauen erwidert: »Selbstverständlich kann ich jetzt auch die uralte Magie der Druiden beherrschen. Nur gibt es hier keinen Stein, von dem aus wir reisen könnten. Der nächste mir bekannte Stein befindet sich in Kairan, im Kerker von Vater Ligurius. Von dort aus könnten wir zur Nebelinsel, nach Kambala oder nach da’Kandar reisen. Mehr Steine der Druiden sind meines Wissens noch nicht gefunden worden, und die, die wir kennen, befinden sich alle in Feindeshand. Myria sagte, es könnte sich auch ein Stein in der Zitadelle der Träume befinden, wusste das allerdings nicht genau. Meine Mutter hat einmal lange und vergeblich nach einer Priesterin gesucht, die offensichtlich einen Stein vermutete, wo keiner war.«

Nach dieser Auskunft war es nicht verwunderlich, dass sie sich entschlossen, den Rückweg zu Fuß anzutreten.

Das Gepäck stand bereit, und gerade hatten sie das letzte Nachtmahl zu sich genommen. Morgen wollten sie sich auf den Weg machen. Gideon und Caitlin dachten mit Grauen an das Wintergebirge und hätten ihren Aufenthalt gern noch etwas verlängert. Einzig Rhonan wollte anscheinend so schnell wie möglich die Annehmlichkeiten des Winterpalastes hinter sich lassen und drängte auf eine schnelle Abreise.

Seit er die Eisklinge in Besitz hatte, war er wieder schweigsamer und nachdenklicher geworden. Seine Begleiter konnten das nicht verstehen, waren beide doch der Ansicht, dass es ihn mit Stolz und Erleichterung erfüllen müsste, Träger einer so einzigartigen Waffe zu sein. Er sah das offensichtlich anders. Alle Bitten seiner Begleiter, ihnen die Klinge doch zumindest einmal richtig vorzuführen, lehnte er rundweg ab. Stattdessen betrachtete der neue König des Alten Geschlechts das Schwert mit großer Zurückhaltung. Gideon kam es fast so vor, als fürchte Rhonan sich davor, es auch nur zu berühren. Zumindest trug er es nie bei sich. Auch seine Tätowierungen betrachtete er ziemlich missmutig und erklärte, dass ihn nun in der Tat gar nichts mehr von den ehemals gefürchteten Barbaren des Ostens unterschied: großen, finsteren, vernarbten und tätowierten Gestalten, die es schon lange nicht mehr gab, vielleicht auch nie gegeben hatte, die jedoch dazu herhalten mussten, unartigen Kindern Angst zu machen.

Caitlin bestritt das sofort. Allerdings verfehlte sie etwas das Tröstende in ihren Worten, als sie ergänzte, sie hätte zumindest nie gehört, dass die Tätowierungen der Barbaren hätten leuchten können.

Gideon kicherte belustigt, aber Rhonan wirkte eher noch düsterer.

Caitlin versuchte daher weiter, ihren Gatten aufzumuntern, und fuhr schnell fort: »Oh, du kannst dich doch jetzt nicht ernsthaft an diesen Zeichnungen stören. Die machen doch nun wirklich nichts mehr aus.«

Sie sah sofort, dass auch diese Bemerkung nicht die beabsichtigte Wirkung erzielte. »Außerdem finde ich sie gar nicht so hässlich, besser jedenfalls als …«

»Danke, das reicht«, unterbrach Rhonan trocken. »Ich weiß, was du mir sagen willst. Schön, dass sie dich nicht weiter stören.«

Gideon wollte der Priesterin zu Hilfe kommen und erklärte, zumindest sei jetzt gewiss und für jeden sichtbar, dass Rhonan der wahre König sei. Der tat das umgehend als Unsinn ab. Er hätte schließlich weder Reich noch Volk. Er würde versuchen, die Quelle wieder zu versiegeln. Das wäre es dann aber auch schon.

»Was heißt denn hier, du hast kein Reich? Du bist der rechtmäßige Erbe da’Kandars, du bist unser aller Großkönig«, widersprach Gideon heftig. »Und das bist du bereits seit fünfzehn Jahren.«

»Was ich so alles bin«, brummte sein Begleiter ungerührt. »Hast du vergessen, dass ich nur eine Waffe bin?«

»Die Freien Reiche werden bestimmt keinem Schwert folgen, aber sie werden ihrem König folgen.«

Rhonan schüttelte den Kopf. »Ich hab dir schon häufiger gesagt, ich bin kein Führer. Ich kann kein Heer führen und schon gar nicht ganze Reiche. Nicht einmal meine eigene Frau macht, was ich sage. Wie soll ich da eine Armee befehligen können?«

»Männer sind leichter zu führen. Die mögen nicht so gern denken und sind deshalb immer froh, wenn man ihnen sagt, was sie tun sollen«, erklärte Caitlin sofort aufmunternd.

»Eben«, grummelte ihr Gatte.

Sie setzte sich daraufhin auf seinen Schoß und vergrub die Hände in seinen Haaren. »Jetzt sei doch nicht so knurrig, Liebster. Du bist schließlich nicht allein. Gideon und ich, wir werden dir doch helfen. Was meinst du, haben wir noch ein bisschen Zeit, um mit dem Schwert zu üben? Du wolltest mir doch noch diese eine Parade zeigen, mit der man den anderen entwaffnen kann.«

Er schmunzelte leicht und kniff ihr ins Kinn. »Ich muss ja einen wirklich trübsinnigen Eindruck machen, wenn du freiwillig anbietest, eine Parade zu lernen.«

Sie nickte mit blitzenden Augen. »Kannst du dem widerstehen?«

»Ich konnte dir noch nie widerstehen«, erwiderte Rhonan leise und zog sie an sich.

Gideon fiel siedend heiß ein, dass er noch irgendetwas schrecklich Wichtiges irgendwo weit weg zu erledigen hatte.


Die drei unsterblichen Schwestern hatten erstaunt zur Kenntnis nehmen müssen, dass ihr Schwert der Alten Könige ein unwilliges Schwert war.

Dala und Myria hatten weder ihrer Verwirrung darüber noch ihrer Sorge diesbezüglich Ausdruck verliehen, denn Palemas Wutausbrüche waren bekannt, und die hatte sich selbst stets zuversichtlich gegeben. Heute allerdings schien die Fassade zu bröckeln. Dala spürte, wie es in ihrer Schwester brodelte.

Sie saßen bei Eistraube und Gebäck zusammen, während ihre Erben schliefen.

Myria ließ einen Kamin mit prasselndem Feuer erscheinen. »Selbst, wenn das Feuer nicht wärmt, ich seh einfach gern Flammen«, erklärte sie.

»Das musst du nicht jedes Mal wieder erläutern«, erwiderte Dala ungehalten. »Nach geschätzten zehntausend kalten Feuern wissen wir das.«

Ihr Blick wanderte wieder zu Palema, die gerade ihren Becher auf ein Tischchen knallte. »Bevor du beginnst, mit Gegenständen zu werfen, solltest du uns sagen, was dich so zornig macht. Ist es dein Sohn?«

Palemas Augen funkelten, schienen Blitze zu schleudern. Ihre Hände im Schoß ballten sich zu Fäusten. »Er wird versagen, nach allem, was ich seinetwegen auf mich genommen habe. All mein Leiden und die Vorbereitung langer Jahre waren … für nichts. Siehst du es anders?«

Dala nahm einen Schluck, ließ den Becher zwischen den Händen kreisen und zuckte die Schultern. »Er ist … anders als erwartet, aber unsere einzige Hoffnung. Einen anderen haben wir nun einmal nicht. Das Schwert hat ihn angenommen, es wird ihn führen.«

Ihre Schwester schnaubte ungehalten. »Du hast doch auch erlebt, wie verstockt er ist. Er vermeidet jede Berührung, hat es sich noch nicht einmal richtig angesehen. Er gibt sich der Macht nicht hin und versucht stattdessen, sie von sich fernzuhalten.«

Myria mischte sich ins Gespräch. »Das ist wirklich sehr seltsam. Jeder Krieger würde doch ohne Überlegung eine Hand für diese einzigartige Klinge opfern, und er sieht sie an, als sei sie vergiftet. Dieser Junge ist mir ein Rätsel.«

»Er hat sie noch nicht im Kampf benutzt«, widersprach Dala. »Hat er Kahandars Macht erst in ganzer Vollkommenheit erlebt, wird er anders denken.«

Myria griff sich eine Schale mit Nüssen. »Wenn er sie nicht vorher wegwirft.«

Palema widersprach sofort mit unüberhörbarem Triumph in der Stimme: »Keine Angst, meine Liebe! Das kann er nicht. Die Tätowierungen binden ihn an das Schwert. Entfernt er sich zu weit, fangen sie an zu brennen.«

Ihre Schwestern starrten sie ungläubig an.

Myria fiel die Schale aus der Hand. Nüsse kullerten über den Eisboden.

»Du hast einen zusätzlichen Zauber auf das Schwert gelegt?«, brachte Dala schließlich heiser hervor. »Palema, das glaube ich nicht. Das traue ich selbst dir nicht zu.«

Weder Ausdruck noch Stimme verrieten irgendeine Gemütsregung, als ihre Schwester erwiderte: »So ist es aber. Ich hatte die gleiche Befürchtung wie Myria, nur – wie üblich – eher. Es war schließlich nicht zu übersehen, dass Rhonan allem, was mit mir zu tun hatte, mit großem Misstrauen begegnete. Erzähle ihm etwas von Macht und Stärke, und er zieht sich sofort zurück. Er wehrt sich dagegen, als König bezeichnet zu werden, obwohl er der größte von allen ist. Er verdeckt fast zwanghaft seine Tätowierungen, obwohl sie ihn mit Stolz erfüllen sollten, und er scheut sich davor, die mächtigste Waffe, die jemals geschmiedet wurde, auch nur anzusehen.«

Erhaben lächelte sie ihre Schwestern an. »Also hielt ich es für das Beste, dafür zu sorgen, dass mein irregeleiteter Sohn in dem Wunsch, das Schwert immer bei sich zu tragen, etwas unterstützt wird.«

»Und wenn er, ohne es zu wollen, davon getrennt wird?«, keuchte Myria entsetzt.

»Hältst du mich für eine Närrin?«, fuhr Palema sie gereizt an. »Schließ nicht immer von dir auf andere! Er kann Kahandar selbstverständlich jederzeit zu sich rufen. Der Zauber stellt lediglich sicher, dass er sich nicht freiwillig davon trennt.«

»Hast du ihm das gesagt?«, fragte Myria, die die Beleidigungen ihrer Schwester längst als naturgegeben hinnahm.

Die verdrehte die Augen, nickte aber.

Dafür erhob Dala wieder ihre Stimme. »Und du wunderst dich tatsächlich noch, dass der Junge Vorbehalte gegen dich und dein Schwert hat«, murmelte die Gelehrte und verzog angewidert das Gesicht.

»Wichtig ist, dass die Quelle versiegelt wird, nicht, was mein Sohn von mir hält.«

Dala sah sie mit nachdenklicher Miene an. »Wenn du dich da mal nicht täuscht. Die Dinge entwickeln sich anders als gedacht.«

»Wer konnte denn auch erwarten, dass ausgerechnet er sich in diese Eselin verguckt«, schnaubte Palema zurück.

Ihre Schwester beugte sich leicht nach vorn. »Das meinte ich gar nicht, meine Liebe. Nicht die Priesterin bereitet mir Sorgen, sondern dein Sohn selbst. Du hast geglaubt, dass er unweigerlich so sein würde wie du, aber das ist er nicht. Wie du es erhofft hattest, hat er deine Kraft, deine Begabung, ein Schwert zu führen, und deine Willensstärke geerbt, aber nicht gleichzeitig auch deinen Machthunger und deine Kaltherzigkeit. Weißt du, an wen Rhonan mich erinnert? An unseren Vater. Erinnerst du dich noch an ihn? Er war unbeugsam, gradlinig, groß und stark, und er war liebevoll, gütig und sanft. Er hätte uns gegen jeden Feind verteidigt, und er hätte für uns jederzeit sein Leben gegeben, aber er schaukelte uns auch auf den Knien, tröstete uns in unserem Kummer und hätte nie die Hand gegen uns erhoben. Er war fürwahr ein Held, aber er war gleichzeitig auch nur ein einfacher Bauer, und nie wollte er etwas anderes sein. Die Götterkette mit all ihrer Macht hat ihn nie gereizt. Dein Sohn ist wie er, und weil er so ist, wirst du ihn nicht ändern können – du nicht und auch nicht Kahandar. Die Geschichte wiederholt sich, aber nicht so, wie wir sie geplant hatten.«

Myrias Gesichtsausdruck war während dieser kurzen Rede immer gehetzter geworden. »Vielleicht wäre es besser, ihn gar nicht mehr gehen zu lassen. Wer weiß, was der Bengel treibt?«

Palema funkelte sie zornig an. »Du warst schon immer selten dämlich. Diese törichte Nebelprinzessin macht dir alle Ehre. Du spürst aber schon, wie das Schwarze Wasser uns allmählich die Kräfte raubt? Die Quelle muss zum Versiegen gebracht werden. Wir haben nichts mehr zu verlieren.«

Sie wandte sich von der eingeschüchtert wirkenden Myria an Dala. »Wie du weißt, habe ich selbst Kahandar geschmiedet. Es ist immer noch an mich gebunden. Solange ich lebe, werde ich daher in der Lage sein, Einfluss auf meinen Sohn zu nehmen. Er wird sich meiner Führung daher beugen … beugen müssen.«

Ihre Schwester lachte freudlos auf und schüttelte den Kopf. »Oh, Palema, wie kannst du nur so blind sein? Du unterschätzt ihn. Ich habe ihn oft beobachtet. Er ist nie den leichteren Weg gegangen, wenn ein anderer ihm richtig erschien. Weder süße Versprechungen noch rohe Gewalt haben ihn jemals dazu gebracht, gegen seine innere Überzeugung zu handeln. Er wird immer nur tun, was er für richtig hält. Und er ist stark, besitzt sowohl innere als auch äußere Stärke. Du kannst ihn nicht biegen, du kannst ihn nur brechen. Aber willst du das?«

»Wenn es sein muss, werde ich auch das tun.« Palema sah sie längere Zeit ohne jede erkennbare Gemütsregung an, stand schließlich auf und verließ den Raum.

Myria saß mit gerunzelter Stirn da und schaute ihr nach. »Er hat gesagt, dass er die Quelle wieder versiegeln will. Er wird es doch auch tun, oder?«

Dala schüttelte seufzend den Kopf. »Wie kann man nur jahrhundertealt sein und immer noch so dumm?«


Der Abschied von den unsterblichen Schwestern war, wenn auch nicht gerade frostig, so doch auch nicht besonders herzlich ausgefallen. Myria war immer noch ratlos, Palema gereizt, nur Dala brachte es fertig, gutes Gelingen zu wünschen. Gideon war ziemlich erstaunt darüber gewesen, dass Rhonan sein altes Schwert trug, und Kahandar stattdessen im Gepäck untergebracht hatte. Die Erklärung seines Gefährten, seine alte Waffe wäre gewohnter, läge besser in der Hand, hatte er zwar verstehen können, hatte aber angemerkt, dass sich daran kaum etwas ändern würde, wenn er das neue Schwert nie zu benutzen gedachte. Der Prinz hatte daraufhin lediglich die Achseln gezuckt.

Der Rückweg selbst war nicht viel weniger beschwerlich als der Aufstieg. Rhonan war allerdings ausgesprochen dankbar dafür, dass er diesmal keine Bolzen einschlagen musste. Sie konnten die alten benutzen. Diesmal ging Gideon als Erster, gefolgt von Caitlin, während Rhonan das Seil sicherte und als Letzter ging. Nach drei Tagen Wanderung war die Prinzessin wieder so weit, dass ihr Gatte sie weitgehend tragen durfte.

Gideon konnte sich nur wundern. Als der Prinz ihm begegnet war, war er erschöpft und durch die Beinverletzung und den Entzug geschwächt gewesen. Trotzdem war er ihm beim Aufstieg schier unverwüstlich erschienen. Aber jetzt, nach der verdienten Erholung, schienen seine Kraft und Ausdauer unerschöpflich. Er trug Caitlin häufig und stützte Gideon, wenn es nötig war. Während seine Begleiter während der Rast eigentlich nur noch liegen konnten, bereitete er die Mahlzeiten zu und baute das Zelt auf oder grub Schneehöhlen.

Eine Nacht verbrachten sie bei einem fremden Horkastamm. Gideons Sprachkünste und Rhonans Stammeszeichen hatten die Jäger rechtzeitig davon abgehalten, sie kurzerhand abzuschlachten.

Bei einer Begegnung mit Schneewölfen stellte Caitlin ihre neu erworbenen Fähigkeiten unter Beweis und vertrieb sie mit einem ansehnlichen Feuerzauber. Rhonan gelang es gerade noch, zumindest einen von ihnen mit dem Bogen zu erwischen, damit sie Frischfleisch essen konnten.

Gideon bemerkte irgendwann, dass sie diesmal einen anderen Weg einschlugen. Sie hielten sich viel weiter westlich.

»Willst du im Westen durch das Gebirge an Kairan vorbei?«, fragte er erstaunt.

»Nein, das dürfte aussichtslos sein – zu viele Gletscherspalten. Wir müssen durch Kairan, gehen aber Richtung Tempelanlage. Die Tempelwächter hatten einen Geheimweg aus der Stadt, um ungesehen von Stadtwachen und Ligurius’ Spionen in die Mine zu kommen. Der Wald und die Tore dürften gut bewacht sein. Ich kann nur hoffen, dass der alte Weg noch frei ist. Wenn nicht, wird es verdammt eng.«

»Können wir Kairan denn nicht doch irgendwie umgehen?«, fragte Caitlin unbehaglich, und Rhonan schüttelte den Kopf.

»Durch das Gebirge im Westen kommen wir nicht. Das ist meines Wissens unpassierbar. Es gibt von Kairan aus einen recht unwegsamen Schmugglerpfad in den Süden, aber von hier aus ist es völlig unmöglich. Wir könnten am leichtesten durch den Angus-Wald in den Süden gelangen, aber das wissen unsere Verfolger leider auch. Da werden sie uns deshalb am ehesten erwarten.«

»Aber in Kairan doch auch«, gab Gideon zu bedenken.

Rhonan nickte erst und grinste dann. »Sie werden aber nicht wissen, dass wir da sind, wenn wir durch den Tempel kommen. Euch kennt niemand. Ihr werdet euch also in aller Ruhe mit Nahrung und Pferden versorgen können und dann einfach aus dem Tor herausreiten, und ich werde den Schmugglerpfad benutzen, der nur wenigen bekannt ist.«

Caitlin blieb wie angewurzelt stehen. »Wir werden uns nicht trennen!«, keifte sie mit schriller Stimme. »Niemals!«

»Oh, doch!«

»Oh, nein!«

»Ja, doch, Liebste!«

»Nicht in hundert Jahren! Wenn ich dich nicht sehen kann …«

Rhonan unterbrach sie auf die einzige Weise, auf die es möglich war, indem er ihr den Mund zuhielt. »Ich weiß, dann schreist du ganz laut, bis ich komme. … Aua!«

Sie hatte ihm in die Hand gebissen und funkelte ihn jetzt wild an.

Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, fuhr er fort: »Hör zu, Kätzchen! Ihr beide habt nichts zu befürchten, weil keiner euch kennt, und ich kann mich wesentlich unauffälliger bewegen, wenn ich allein bin. Ich kenne die Stadt und auch noch ein paar Leute, die mir helfen werden. Wenn wir zusammenbleiben, geht die Wahrscheinlichkeit, aus Kairan herauszukommen, Richtung null. Ich habe mich jahrelang versteckt. Glaub mir, ich kann das.«

»Ich will das aber nicht. Wir werden einfach alle den Schmugglerpfad nehmen.«

»Werden wir nicht, weil Gideon und du ihn nicht bewältigen könnt, und ich könnte euch wegen der Enge der Pfade oft nicht helfen. Außerdem benötigen wir Pferde, wenn wir möglichst schnell aus dem Norden herauswollen. Es geht also gar nicht anders. Euch wird in Kairan nichts geschehen.«

Sie sah ihn traurig an. »Ich glaube ja, dass Gideon und mir dort nichts geschieht, ich habe Angst um dich.«

»Ich weiß, aber das wird sich auch in Zukunft nicht ganz vermeiden lassen. Ich habe dir nie versprochen, dass es leicht sein wird an meiner Seite. Ich habe mich bisher durch mein Leben kämpfen müssen, und ich werde vermutlich noch eine Weile weiterkämpfen müssen. Besser, du gewöhnst dich daran.«

»Ich werde mich nie daran gewöhnen«, erklärte sie mit einem unglücklichen Schluchzen.

Wie ein Häufchen Elend stand sie mit hängenden Schultern da, und er nahm sie in den Arm und küsste sie zärtlich.

»Oh, nicht schon wieder«, murmelte Gideon verdrossen. »Sie legt es doch nur darauf an.«

Caitlin schmiegte sich kichernd noch enger in die Arme ihres Gatten. »Er ist einfach zu schlau, Rhonan.«

Der lachte leise. »Hast ja recht, mein Freund. Aber warte nur, bis du wieder bei deiner Marga bist.«

Dann wandte er sich an seine Frau. »Glaub mir, Frau meines Herzens, ich werde vorsichtig sein wie nie zuvor. Niemand wird mich auf Dauer davon abhalten können, zu dir zu kommen.«

»Versprochen, Mann meines Herzens?«

»Versprochen.«

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
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