41
Mariam
Die Dürre ging ins dritte Jahr und erreichte im Sommer 2000 ihren Höhepunkt.
Die Bewohner der Provinzen Helmand, Zabol und Kandahar hatten ihre Höfe verlassen und nomadisierten auf der Suche nach Wasser und grünen Weiden für ihr Vieh. Als dann ihre Ziegen, Schafe und Kühe verdursteten, kamen sie nach Kabul. An den Hängen des Kareh-Ariana entstanden Slums, wo sich meist fünfzehn bis zwanzig Menschen eine der provisorischen Hütten teilten.
Es war auch der Sommer, in dem das Spielfilmdrama Titanic im Fernsehen gezeigt wurde. Aziza war so angetan davon, dass sie immer wieder Szenen nachzuspielen versuchte, und zwar stets in der Rolle des Jack Dawson.
»Sei leise, Aziza jo.«
»Jack! Sag meinen Namen, Khala Mariam. Sag ihn. Jack!«
»Dein Vater wird böse sein, wenn du ihn weckst.«
»Jack, und du bist Rose.«
Mariam musste sich geschlagen geben und einverstanden erklären. »Schön, du bist Jack«, sagte sie, rücklings auf dem Boden liegend. »Das heißt aber auch, dass du schon in jungen Jahren stirbst und ich uralt werde.«
»Ja, aber ich sterbe als Held«, erwiderte Aziza, »während du dich, Rose, dein ganzes trauriges Leben lang nach mir sehnst.« Sie hockte sich rittlings auf Mariams Brust und verkündete: »Jetzt müssen wir uns küssen.« Mariam warf den Kopf hin und her, und Aziza, begeistert von ihrer skandalösen Bravour, prustete mit geschürzten Lippen.
Manchmal kam Zalmai dazu, beobachtete die beiden bei ihrem Spiel und verlangte auch eine Rolle für sich.
»Du bist der Eisberg«, sagte Aziza.
In jenem Sommer wurde ganz Kabul vom Titanic-Fieber gepackt. Aus Pakistan wurden Raubkopien ins Land geschmuggelt – häufig versteckt in der Unterwäsche. Zur Sperrstunde waren allerorts die Türen verriegelt, Lichter ausgeschaltet und Taschentücher für die Tränen gezückt, die dann um Jack, Rose und die anderen Passagiere des untergehenden Schiffes vergossen wurden. Wenn es Strom gab, konnten auch Mariam und Laila nicht widerstehen. An die Dutzend Male holten sie das Fernsehgerät spät in der Nacht aus dem Versteck hinterm Schuppen, löschten die Lichter, verhängten die Fenster und schauten sich mit den Kindern den Film an.
Im ausgetrockneten Flussbett des Kabul fanden sich bald fliegende Händler ein, die aus ihren Karren Teppiche und Stoffe mit Titanic-Dekors zum Kauf anboten. Es gab auch Titanic-Deodorants, Titanic-Zahnpasta, Titanic-Parfüm, Titanic-pakoras und sogar Titanic-Burkas. Ein besonders hartnäckiger Bettler bezeichnete sich selbst als Titanic-Bittsteller.
Titanic City war geboren.
»Es ist wegen der Musik«, sagten viele.
»Nein, das Meer. Der Luxus. Das Schiff.«
»Die Sexszenen«, flüsterten manche.
»Leo«, meinte Aziza freimütig. »Es ist vor allem wegen Leo.«
»Alle wollen Jack«, sagte Laila zu Mariam. »Darum geht’s. Alle wollen von Jack vor der Katastrophe gerettet werden. Aber es gibt keinen Jack. Jack ist tot.«
Im Spätsommer schlief ein Tuchhändler mit brennender Zigarette im Mund über seiner Ware ein. Er überlebte, doch sein Stand brannte ab. Das Feuer griff auch auf andere Stände, einen Altkleiderladen, ein kleines Möbelgeschäft und eine Bäckerei über.
Hätte der Wind, so hieß es später, eine andere Richtung genommen, wäre Raschids Werkstatt, die am Rand des betroffenen Viertels lag, vielleicht verschont geblieben.
Sie mussten alles verkaufen.
Zuerst wurden Mariams Habseligkeiten veräußert, dann die von Laila, ebenso Azizas Säuglingskleidung und die wenigen Spielzeuge, die Raschid ihr auf Lailas Drängen hin gekauft hatte. Aziza fand sich wortlos damit ab. Raschid verkaufte seine Armbanduhr, das alte Transistorradio, seine beiden Krawatten, die Schuhe und den Ehering. Trennen mussten sie sich auch von Couch und Tisch, dem Teppich und den Stühlen. Zalmai wütete wie wild, als Raschid den Fernseher verkaufte.
Nach dem Feuer ging Raschid kaum mehr aus dem Haus. Er schlug Aziza. Er trat Mariam. Er warf mit Gegenständen um sich. Er mäkelte an Laila herum, an der Art, wie sie sich kleidete und frisierte. Er beschwerte sich über ihren Körpergeruch und die gelb gewordenen Zähne.
»Was ist aus dir geworden?«, knurrte er. »Ich habe eine pari geheiratet, bin aber jetzt mit einer Vettel gestraft. Du stehst Mariam in nichts mehr nach.«
Er verlor eine Anstellung in einem Kebab-Haus am Hadschi-Jakob-Platz, weil sich ein Gast über seine unfreundliche Bedienung beschwert hatte, worauf es zu einer handfesten Auseinandersetzung gekommen war. Raschid hatte ihn als usbekischen Affen beschimpft. Eine Pistole war gezogen, ein Bratspieß gezückt worden. Raschid behauptete später, dass er den Bratspieß in der Hand gehalten habe. Mariam zweifelte daran.
Er kellnerte in einem Restaurant in Taimani, wo er sich aber auch nicht lange halten konnte, weil die Kundschaft klagte, viel zu lange aufs Essen warten zu müssen. Raschid behauptete, der Koch sei zu langsam und zu faul.
»Wahrscheinlich hast du in irgendeiner Ecke gehockt und gedöst«, bemerkte Laila.
»Provozier ihn nicht, Laila jo«, sagte Mariam.
»Sieh dich vor, Frau«, blaffte er.
»Entweder gedöst oder geraucht.«
»Ich warne dich nicht noch einmal.«
»Von dir ist wahrhaftig nichts anderes zu erwarten.«
Und dann fiel er über sie her, prügelte mit Fäusten auf sie ein, riss ihr an den Haaren und schleuderte sie gegen die Wand. Weinend zerrte Aziza an seinem Hemd; auch Zalmai weinte und versuchte, ihn von seiner Mutter wegzuziehen. Raschid stieß die Kinder beiseite, warf Laila zu Boden und trat ihr in den Leib. Mariam versuchte, Laila mit ihrem eigenen Körper zu schützen, doch er trat weiter, blind in seiner Wut, mit Schaum vorm Mund und irrem Blick. Er trat, bis er nicht mehr konnte.
»Du legst es noch darauf an, dass ich dich umbringe, Laila«, schnaubte er keuchend und rannte aus dem Haus.
Das Geld ging aus. Sie hatten nichts mehr zu essen. Alles drehte sich nur noch darum, den Hunger zu stillen.
Wenn es hoch kam, gab es gekochten Reis, ohne jede Zutat. Immer häufiger mussten sie auf eine Mahlzeit verzichten. Manchmal brachte Raschid eine Dose Ölsardinen und trockenes Brot mit nach Hause, das wie Sägemehl schmeckte. Manchmal stahl er Äpfel und riskierte, dafür die Hand abgehackt zu bekommen. In Lebensmittelläden ließ er heimlich eine Dose Ravioli in der Tasche verschwinden, deren Inhalt dann durch fünf geteilt wurde; Zalmai bekam jedes Mal die größte Portion. Sie aßen rohe Rüben, mit einer Prise Salz gewürzt, welke Salatblätter und schwarze Bananen.
An Unterernährung zu sterben wurde zur realen Gefahr. Viele mochten auf einen solchen Tod nicht lange warten. Mariam hörte von einer Witwe aus der Nachbarschaft, die trockenes Brot zerrieben, mit Rattengift vermischt und all ihren sieben Kindern zu essen gegeben hatte. Zuletzt nahm sie selbst davon.
Bei Aziza zeichneten sich die Rippen unter der Haut ab; die runden Wangen fielen ein. Die Waden schrumpften, und ihre Haut nahm die Farbe dünnen Tees an. Wenn Mariam sie auf den Arm nahm, spürte sie die hervortretenden Hüftknochen. Zalmai lag mit stumpfen, halb geschlossenen Augen und schlaffen Gliedern am Boden oder auf dem Schoß seines Vaters. Wenn er genug Kraft dazu hatte, weinte er sich in den Schlaf, doch der Schlaf war gestört und ohne erholsame Wirkung. Sooft sich Mariam erhob, tanzten ihr weiße Funken vor den Augen. Ihr schwindelte, und in den Ohren rauschte es unablässig. Sie erinnerte sich, was Mullah Faizullah zu Beginn eines jeden Ramadan über den Hunger gesagt hatte: »Auch wer von einer Schlange gebissen wurde, kann schlafen, nicht aber der, der hungert.«
»Meine Kinder liegen im Sterben«, jammerte Laila. »Und ich muss tatenlos zusehen.«
»Nein«, sagte Mariam. »Dazu kommt es nicht. Mach dir keine Sorgen, Laila jo. Ich werde es zu verhindern wissen.«
An einem brütend heißen Tag zog sich Mariam ihre Burka über und ging, von Raschid begleitet, zum Hotel Intercontinental – zu Fuß, denn das Geld für eine Busfahrkarte konnten sie nicht aufbringen. Der Weg dorthin führte über einen steilen Anstieg. Von heftigen Schwindelanfällen geplagt, war Mariam immer wieder gezwungen, zu pausieren, um sich zu erholen. Völlig erschöpft erreichte sie schließlich ihr Ziel.
Vor dem Hoteleingang steuerte Raschid auf einen der Türsteher zu, die burgunderrote Livree und eine Schirmmütze trugen. Die beiden begrüßten sich mit einer Umarmung und wechselten ein paar Worte miteinander. Raschid deutete zwischendurch auf Mariam und machte den anderen auf sie aufmerksam. Ihr kam der Livrierte irgendwie bekannt vor.
Er verschwand dann im Foyer. Mariam und Raschid warteten. Von der Stelle, an der sie stand, konnte Mariam das Polytechnische Institut sehen, dahinter das alte Stadtviertel Khair khana und die Straße nach Mazar. Im Süden zeigte sich die leer stehende Brotfabrik Silo; in der blassgelben Fassade klafften tiefe Einschusslöcher. Weiter südlich erkannte Mariam die Ruine des Darulaman-Palastes, in dessen Garten sie und Raschid vor vielen Jahren gepicknickt hatten. Die Erinnerung an diesen Tag erschien ihr wie das Relikt einer Vergangenheit, mit der sie nichts mehr zu tun hatte.
Mariam konzentrierte sich auf diese Dinge, diese Wahrzeichen, denn sie fürchtete, ihren Mut zu verlieren, wenn sie eigenen Gedanken nachhing.
In kurzen Abständen fuhren Jeeps und Taxis vor. Türsteher eilten den Neuankömmlingen entgegen. Es waren durchweg bewaffnete bärtige Männer mit Turban und bedrohlich selbstsicherem Auftreten. Wenn sie an ihr vorbeikamen, schnappte sie ein paar Brocken auf. Die meisten sprachen Paschto oder Farsi, aber Mariam hörte auch Worte auf Urdu und Arabisch.
»Unsere wahren Herren«, flüsterte Raschid. »Pakistani und arabische Islamisten. Die Taliban sind nur deren Handlanger. Das da sind die eigentlichen Spieler, und Afghanistan ist ihr Spielfeld.«
Raschid erklärte, gehört zu haben, dass diese Leute im ganzen Land mit Wissen der Taliban geheime Lager unterhielten, in denen junge Männer zu Selbstmordattentätern und Dschihad-Kämpfern ausgebildet würden.
»Warum braucht er so lange?«, fragte Mariam.
Raschid spuckte auf den Boden und scharrte mit dem Fuß Dreck über seinen Auswurf.
Eine Stunde später winkte sie der Türsteher durchs Portal. Ihre Absätze klapperten auf den Bodenfliesen einer angenehm kühlen Vorhalle. Mariam sah zwei Männer in ledernen Sesseln sitzen, zwischen ihnen ein niedriger Tisch, auf dem sie ihre Gewehre abgelegt hatten. Sie tranken schwarzen Tee und aßen in Sirup getränkte und mit Puderzucker bestreute jelabi-Kringel. Mariam dachte an Aziza, die jelabi liebte, und wandte den Blick ab.
Der Türsteher führte sie auf einen Balkon. Er zog ein kleines schwarzes schnurloses Telefon und ein Stück Papier aus der Tasche, auf dem eine Telefonnummer geschrieben stand. Darüber lasse sich sein Vorgesetzter auf dessen Satellitentelefon erreichen, sagte er Raschid.
»Ich gebe dir fünf Minuten«, sagte er. »Mehr nicht.«
»Tashakor«, dankte Raschid. »Das werde ich dir nicht vergessen.«
Der Türsteher nickte und zog sich zurück. Raschid wählte und reichte Mariam das Telefon.
Mariam lauschte dem blechernen Rufzeichen und dachte an jenen Tag vor dreizehn Jahren im Frühjahr 1987 zurück, an dem sie Jalil zum letzten Mal gesehen hatte. Er hatte, auf einen Stock gestützt, vor ihrem Haus gestanden, neben einem blauen Mercedes mit Herater Kennzeichen und weißem Mittelstreifen auf Motorhaube, Dach und Heck. Drei Stunden lang stand er dort, rief immer wieder ihren Namen und wartete, so wie sie einmal vor seinem Haus gewartet hatte. Sie hielt sich hinter dem Vorhang versteckt, lugte durch einen winzigen Spalt und sah, dass sein Haar schütter und weiß geworden war. Er hielt sich ein wenig gebückt, trug Brille und wie immer eine rote Krawatte sowie ein weißes Taschentuch in der Brusttasche. Vor allem fiel ihr auf, dass er dünner geworden war, sehr viel dünner; er schien in seinem dunkelbraunen Anzug zu verschwinden.
Jalil hatte sie offenbar gesehen, wenn auch nur für einen kurzen Moment. Ihre Blicke waren einander begegnet, wieder, wie schon vor vielen Jahren, zwischen einem Spalt im Vorhang. Mariam war ihm ausgewichen, hatte sich aufs Bett gesetzt und darauf gewartet, dass er wegfuhr.
Er hatte einen Brief für sie vor der Tür zurückgelassen. Daran dachte sie jetzt. Sie hatte ihn tagelang unter ihrem Kissen versteckt gehalten, manchmal hervorgezogen und hin und her gewendet, am Ende aber ungeöffnet zerrissen.
Und nach all den Jahren versuchte sie nun, Jalil anzurufen.
Mariam bedauerte, ihm die Tür nicht geöffnet zu haben. Was hätte es geschadet, ihn hereinzubitten und erklären zu lassen, was er auf dem Herzen hatte? Er war ihr Vater. Zugegeben, kein guter Vater, aber im Vergleich zu Raschids Bösartigkeit oder der Brutalität und Gewalt, mit der sich andere Männer bekriegten, erschienen ihr Jalils Fehler nun durchaus verzeihlich.
Sie wünschte, sie hätte den Brief nicht zerrissen.
Eine tiefe Männerstimme meldete sich am Telefon und informierte Mariam darüber, dass sie mit dem Bürgermeisteramt in Herat verbunden war.
Mariam räusperte sich. »Salaam, Bruder, ich suche nach einem bestimmten Einwohner von Herat. Jedenfalls hat er vor vielen Jahren dort gelebt. Sein Name ist Jalil Khan. Er wohnte in Shar-e-Nau und war Besitzer eines Kinos. Wissen Sie zufällig, wo er sich heute aufhalten könnte?«
Der Mann am anderen Ende war hörbar irritiert. »Deshalb rufen Sie im Bürgermeisteramt an?«
Mariam antwortete, dass sie nicht wisse, an wen sie sich sonst wenden könne. »Verzeihen Sie, Bruder. Ich kann mir vorstellen, dass Sie sehr beschäftigt sind, aber in meinem Fall geht es um Leben und Tod. Deshalb rufe ich an.«
»Ich kenne diesen Mann nicht. Das Kino ist vor vielen Jahren geschlossen worden.«
»Wüssten Sie vielleicht jemanden, der ihn kennen könnte, eine Person, die …«
»Da ist niemand.«
Mariam schloss die Augen. »Bitte, Bruder. Es geht vor allem um Kinder. Kleine Kinder.«
Ein langer Seufzer.
»Vielleicht kann jemand …«
»Ich glaube, unser Hausmeister hat immer schon in Herat gelebt.«
»Ja, fragen Sie ihn, bitte.«
»Rufen Sie morgen wieder an.«
Mariam sagte, dass das unmöglich sei. »Ich habe dieses Telefon nur für fünf Minuten. Ein zweites Mal …«
Es klickte am anderen Ende, und Mariam fürchtete schon, dass die Verbindung abgebrochen war. Doch dann hörte sie Schritte und Stimmen, eine Autohupe aus der Ferne und ein von regelmäßigen Quietschlauten unterbrochenes Surren, vielleicht von einem elektrischen Ventilator. Sie legte den Hörer ans andere Ohr und schloss die Augen.
Sie stellte sich Jalil vor, wie er lächelnd in seine Jackentasche griff.
Ah. Natürlich. Verstehe. Also dann …
Eine Kette mit herzförmigem Anhänger, an dem winzig kleine Münzen hingen, in die Mond und Sterne eingraviert waren.
Probier sie mal an, Mariam jo .
Wie steht sie mir?
Ich finde, du siehst aus wie eine Königin.
Nach zwei oder drei Minuten waren wieder Schritte zu hören, ein Knarren, ein Klicken. »Er kennt ihn.«
»Wirklich?«
»Das behauptet er jedenfalls.«
»Wo ist er?«, fragte Mariam. »Weiß dieser Mann, wo sich Jalil Khan aufhält?«
Es entstand eine kurze Pause. »Er sagt, dass er schon vor Jahren gestorben ist. 1987.«
Mariam stockte der Atem. Natürlich hatte sie an diese Möglichkeit gedacht. Jalil wäre inzwischen weit über siebzig, aber …
1987.
Er hatte also damals nicht mehr lange zu leben gehabt und war den ganzen Weg von Herat gekommen, um sich zu verabschieden.
Sie trat an den Rand des Balkons. Von dort oben konnte sie den einstmals berühmten Swimmingpool des Hotels sehen, der jetzt leer und verschmutzt war, voller Einschusslöcher und Scherben zerplatzter Fliesen. Dahinter lag ein heruntergekommener Tennisplatz, das zerrissene Netz am Boden wie eine abgestreifte Schlangenhaut.
»Ich muss jetzt Schluss machen«, sagte die Stimme am anderen Ende.
»Entschuldigen Sie nochmals die Störung«, erwiderte Mariam lautlos weinend. Sie sah Jalil, wie er ihr zuwinkte und über die Steine im Fluss hüpfte, die Taschen voller Geschenke. Sie hatte jedes Mal den Atem angehalten und Gott darum gebeten, dass sie mehr Zeit mit ihm würde verbringen dürfen. »Danke«, sagte Mariam, doch der Mann am anderen Ende hatte bereits aufgelegt.
Raschid sah sie an. Sie schüttelte den Kopf.
»Zu nichts zu gebrauchen«, brummte er und riss ihr das Telefon aus der Hand. »Wie die Tochter, so der Vater.«
In der Lobby eilte Raschid auf die inzwischen frei gewordene Sitzgruppe mit dem Teetisch zu und steckte sich einen übrig gebliebenen jelabi-Kringel in die Tasche. Er würde ihn mit nach Hause nehmen und Zalmai geben.