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Wieder versuchte Jaina zu antworten, wurde aber niedergeschrien.

»Nur durch die Macht, die du mir übertragen hast, war ich imstande, Shimrra zu erreichen und ihn zu meiner Marionette zu machen! Meine waghalsigste Tat! Aber als ich sah, dass du es entweder nicht verhindern konntest oder die Möglichkeit eines offenen Kampfs mit mir schätztest, wusste ich, dass ich recht hatte, dich auf dem gleichen Weg zu überwältigen.

Ich zwang Shimrra zu verkünden, dass eine Galaxis gefunden worden war. Ich brachte ihn dazu, mich als seinen Vertrauten zu installieren. Und während meine telepathischen Möglichkeiten wuchsen, verschwand er immer mehr − außer in der letzten Zeit, wenn ich so beschäftigt damit war, dich zu besiegen, dass ich dem, was von Shimrra geblieben war, wiederaufzutauchen erlaubte.

Als Zonama Sekot wiedergefunden und diesmal offenbar den Jedi als Waffe übergeben wurde, glaubte ich einen Augenblick, dass du mich prüftest. Aber bald schon begriff ich die größere Wahrheit − die gleiche, auf die auch die Ketzer einen Blick geworfen hatten und einige unserer Priester: dass ich über deine Kontrolle hinausgewachsen war und du beschlossen hattest, mich zu stürzen.«

Onimi sah Jaina an.

Er sieht mich durch die Macht!, sagte sie sich. Die Erkenntnis entsetzte und verwirrte sie, aber sie gab ihr auch Hoffnung.

»Selbst jetzt kann ich den Glanz des Göttlichen in dir erkennen, Yun-Harla. Wie Yun-Yammka in dem Jeedai namens Skywalker glüht, Yun-Shuno in dem Jeedai namens Jacen, Yun-Ne’Shel in der Jeedai namens Tahiri …«

Onimi brach ab und wurde nachdenklich. Als er Jaina wieder ansah, war sein herabhängendes Auge zusammengekniffen, als wäre er amüsiert.

»Shimrra ist tot«, verkündete er. »Deine Gott-Kohorten haben ihn getötet, Yun-Harla. Nun lass uns hoffen, dass sie mich ebenfalls verfolgen. Dann werde ich nicht nur die Zufriedenheit erleben, dich auf Zonama Sekot auszutricksen, ich werde auch das Vergnügen haben, dich zu töten, als meine erste Tat bei der Auslöschung von allem und jedem in dieser miserablen Galaxis.«

 

Die Arme um Maras und Kenths Schultern geschlungen, wurde Luke aus der Halle der Versammlung durch die Kriegermembran getragen und dann den Flur entlang, der zum Südeingang der Zitadelle führte, wo eine zeitweilige Brücke die Festung mit dem öffentlichen Platz verband, auf dem der verkratzte und zerschlagene Millennium Falke stand. Harrar, Tahiri und Captain Page gingen durch eine Gruppe von verwirrten Beschämten auf den Frachter zu. Anderswo waren Einheiten von Kommandosoldaten, Widerstandskämpfern und YVH-Droiden dabei, die gefangenen Elite-Angehörigen, Krieger und ein paar reptoide Sklaventruppen zu entwaffnen, die den Angriff überlebt hatten. Auf allen Seiten bildeten sich Haufen von Coufees, taktischen Villips und Krabbenrüstungen. Dreihundert Amphistäbe wurden wie Feuerholz aufgestapelt.

Rauch trieb über dem heiligen Bezirk, und der Himmel war ein Flickwerk aus Kondensstreifen und Laserbahnen, aber der Bereich um die Zitadelle war gesichert. Auf der abgelegenen Seite des Platzes ruhten riesige Tiere.

Cakhmaim, Meewalh, C-3PO und R2-D2 warteten am Fuß der Landerampe des Falken. Als sie Luke sahen − sein Kinn hing auf der Brust, und die gestiefelten Füße schleiften hinter ihm am Boden jaulte der Astromech jämmerlich.

»Meister Luke wurde verwundet!«, rief C-3PO entsetzt aus. »Jemand soll einen Medic rufen!«

Mara und Kenth ließen Luke auf die Pflastersteine sinken, um ihn noch einmal anzusehen. »Macht-Trance«, sagte Mara. »Er versucht, sich selbst zu heilen.« Dann wandte sie sich den Noghri und den Droiden zu und wies sie an, den Falken auf den Start vorzubereiten.

Sobald die vier verschwunden waren, bahnte sich Jag Fel einen Weg durch die Menge und kam eilig auf die Jedi zu.

»Wo ist Jaina?«, fragte er.

»Irgendwo drinnen mit Jacen«, sagte Kenth. »Han, Leia und Nom Anor suchen nach ihnen.«

Jag legte die Hand an die Stirn und blickte zur Krone hinauf. »Ich gehe rauf«, sagte er.

Aber er hatte sich noch nicht bewegt, als Mara den Arm ausstreckte, um ihn zurückzuhalten. »Nein, das werden Sie nicht, Flyboy. Wir wissen nicht, was dort passiert. Wir müssen Luke zu einer der Hospitalfregatten bringen. Also wenn Sie helfen wollen … der Falke könnte eine Eskorte brauchen.«

Jag blickte von Luke zu Mara und nickte. »Ich hole meinen Sternjäger.«

Als Jag davonrannte, wandte sich Harrar dem Pulk von Gefangenen der Elite zu. Ganz vorn standen der Hohe Priester Jakan und die Meistergestalterin Qelah Kwaad und wurden von den Yuuzhan-Vong-Kriegern bewacht, die auf die Seite der Ketzer übergelaufen waren − wenn schon nicht auf die Seite der Allianz.

»Der Höchste Oberlord Shimrra ist tot«, sagte Harrar grämlich.

Diese Ankündigung wurde von den Beschämten mit Zeichen der Freude und von den Gefangenen mit einem Aufschrei voller Verzweiflung aufgenommen. Schockiert und demoralisiert fielen viele Priester auf die Knie und begannen, Anrufungen und Gebete zu murmeln. Die waffenlosen Krieger knieten nieder, rissen die Fäuste an die Schultern und hoben ihre blutfleckigen Gesichter in ungetrübtem Stolz.

»Ich gratuliere, Jeedai«, sagte Jakan zu Mara, Kenth und Tahiri, während die Ketzer Yu’shaas Namen sangen. »Sie haben unserer Zivilisation den Garaus gemacht.«

Mara antwortete für die drei. »Wie Sie es mit unserer vorhatten.«

Harrar sah Jakan an. »Es waren nicht die Jeedai. Es waren die Götter selbst.«

Kenth sah Harrar an. »Was wird geschehen, wenn Nas Choka von Shimrras Tod erfährt?«

Der Priester schüttelte unsicher den Kopf. »Der plötzliche Tod des Höchsten Oberlords … So etwas ist bisher noch nie vorgekommen.«

Mara und Kenth hoben Luke wieder hoch und begannen, ihn zum Schiff zu schleppen. Sie hatten gerade die Rampe betreten, als jemand unter den Ketzern ihnen etwas zurief. Harrars Blick fand einen männlichen Beschämten, der gesprochen hatte.

»Er sagt, wenn Sie es erlauben, kann er Meister Skywalkers Leben verlängern. Es gibt ein Gegengift, das eine vollständige Heilung bewirkt.«

»Ist das wahr?«, fragte Mara verzweifelt.

Harrar sah den Beschämten aus zusammengekniffenen Augen an. »Das da ist ein ehemaliger Gestalter. Er wird Meister Skywalker mehr nützen als ich − vielleicht auch mehr als Bacta.«

Jakan seinerseits begann den Gestalter zu denunzieren, der sich gemeldet hatte. Harrar übersetzte für Mara und Kenth. »Der Hohe Priester sagt: ›Du bist bereit, deinen Glauben abzulegen wie eine alte Gewandhaut.‹« Harrar lauschte der Antwort des Ketzers. »Der Beschämte antwortet: ›Nur den Glauben, der zum Krieg führte.‹«

Jakan war noch nicht fertig. Harrar hörte ihm weiter zu und sagte dann: »Der Priester sagt, er hofft, den Beschämten seine Worte wiederholen zu hören, wenn die Allianz ihn der Kriegsverbrechen für schuldig befindet und eine Maschinenintelligenz ihn hinrichten wird.«

Der ehemalige Gestalter zuckte traurig die Schultern. Harras Stimme brach, als er übersetzte. »Der Beschämte sagt, dass der Tod ein besserer Ort sein wird, als er ihn je auf Yuuzhan’tar kannte.«

Ohne Vorwarnung begann der Boden zu beben. Einen Augenblick dachte Mara, dass die Repulsoren des Falken der Grund waren; dann erkannte sie, dass es an der Zitadelle lag. Verängstigte Gesichter blickten zur Weltschiff-Festung, und die Ketzer begannen, sich zur abgelegenen Seite des Platzes zurückzuziehen, wo die großen Tiere aufgestanden waren und vor Schreck röhrten. Als das Zittern heftiger wurde, bildeten sich Risse in der Fassade der Zitadelle, und große Brocken von Yorikkorallen begannen herabzuregnen. Die Pflastersteine unter dem Falken rissen auf, und die Steuerbord-Landestütze sank einen Meter weit in den Boden. Anakins Lichtschwert entschlüpfte Tahiris Griff und rollte in einen Riss. Sie versuchte, es wieder zu sich zu rufen, aber es war zu tief gefallen.

»Lass es!«, sagte Mara scharf, als Tahiri ihm nacheilen wollte.

Ein reißendes Geräusch durchdrang die Luft. Dann löste sich die kugelförmige Krone des heiligen Berges von der Basis und erhob sich in den Himmel. Mara richtete sich selbst an der zitternden Rampe des Falken auf und fuhr zu Tahiri herum. »Jaina und Jacen sind in schrecklicher Gefahr.« Die Züge von plötzlicher Qual verzerrt, warf sie erst einen Blick auf Luke, dann auf Kenth. »Wir lassen dieses Schiff nicht entkommen.«

 

Jacen war schon auf halbem Weg die leiterähnliche Treppe heraufgekommen, die schließlich zur Kommandokammer führte, als ihm klar wurde, dass sich das Fluchtschiff von der Weltschiff-Zitadelle gelöst hatte.

Er stieg weiter nach oben. Als er die letzten paar hohen Stufen erreichte, sprang er durch den Schacht und landete in Verteidigungshaltung auf dem Deck der gewaltigen Brücke des Schiffs. Shimrras Vertrauter stand ihm gegenüber, sein verkrümmter Körper nach einer Seite gebeugt, seine verrenkten Hände bedienten die pulsierende Konsole. Jaina hing zwischen ihnen, an Hörnern aus Yorikkorallen, die aus dem inneren Schott wuchsen, umgeben von kunstvoll gestalteten religiösen Statuen. Jacen nahm wahr, dass sie gelähmt war, aber bei Bewusstsein.

Sie berührte ihn durch die Macht, die Stimme kaum mehr als ein Flüstern, aber klar genug, damit er verstand, dass der Beschämte Onimi hieß. Kahlee und Tsavong Lah waren darauf aus gewesen, Jaina und Jacen gegeneinander in die Schlacht zu schicken. Onimi wollte nichts mehr als sie töten.

Er beobachtete Jacen von der anderen Seite der Brücke aus, noch während er das Schiff durch den zerfetzten Himmel führte. Es durch den zerrissenen Himmel dirigierte, erkannte Jacen. Seinen Weg vorgab, wie es ein Yammosk tun würde.

»Du wirst keine Integrität in mir finden, Jeedai«, sagte Onimi auf Basic, als äffte er etwas nach, das Vergere Jacen gesagt hatte, als er sich in der Umarmung des Schmerzes befand. »Vertraue darauf, dass alles, was du an mir wahrnimmst, eine Lüge ist.«

Jacen erkannte die Wahrheit. Onimi hatte die Krieger in dem Raum darunter beaufsichtigt. Onimi, nicht das Dhuryam, war verantwortlich für die Beben, die beinahe die Zitadelle zum Einsturz gebracht hatten.

»Shimrra war Shimrra«, sagte Onimi, der Jacens nächste Frage vorwegnahm. »Ich bin ich.«

»Der Höchste Oberlord«, sagte Jacen.

Als er das erkannte, erkannte er auch, dass sein Vong-Sinn ihm erlaubte, Onimi zutiefst zu erkennen. Einen Augenblick verstand Jacen, wie der Beschämte, ein ehemaliger Gestalter, solche Macht gewonnen hatte. Aber selbst Onimi verstand nicht, dass er durch seine Experimente auch den Schaden beheben konnte, der in der Vergangenheit den Yuuzhan Vong zugefügt wurde.

Er hatte die Macht wiedererlangt!

»Vergere hat Nom Anor gesagt, dass du der gefährlichste Jeedai von allen bist«, sagte Onimi. »Und das solltest du auch sein, denn du trägst Yun-Shuno in dir − der mich um alles betrogen hat, was ich schaffen wollte. Aber bald, wenn ich dich getötet habe, wirst du für meinen Übergang zur Gottheit sorgen. Alles, was dir lieb und teuer ist, wird zerstört werden. Die Spezies, die dir ihr Blut gegeben hat und gestorben ist, um dir Anbeter zu bringen. Und vor allem der lebende Planet, den du von den Unbekannten Regionen zurückbrachtest. Selbst jetzt nimmt er schon seinen eigenen Tod vorweg. Kannst du es spüren? Unsere Schiffe dringen durch die Schilde, die du schaffen wolltest, und kommen der Oberfläche immer näher. Das Bewusstsein dieses Planeten schreit dir zu, dass du ihn nicht verteidigt hast!

Wie kommt das?, fragst du dich. Wie kommt das? Weil dein Militär ein Gift schuf, das mein Volk töten sollte, und stattdessen schickte ich es zurück, um den Planeten zu töten, den du zu dem Kampf gegen uns überredet hast. Liegt das nicht in den Händen eines neuen Gottes, Jeedai Yun-Shuno? Wo ist deine kostbare Macht jetzt − wo ist die Hilfe von Yun-Yuuzhan, dass dies geschehen durfte?«

Jacen verstand, dass sich Onimi auf Alpha Red bezog. Das Toxin musste auf dem Schiff sein, das von Caluula entkommen war. Er tastete mithilfe der Macht nach Sekot, aber die Stimme von Zonamas planetarem Bewusstsein war undeutlich. Etwas hatte sich verändert. Schirmte sich Sekot bewusst vor ihm ab? Jacen erlebte einen Augenblick der Einsicht. Er konnte Onimi durch die Macht spüren. War es möglich, dass er Sekot durch seinen Vong-Sinn fand?

Wieder tastete er hinaus, berührte Sekot diesmal, und die erstaunliche Wahrheit traf ihn wie ein Blitz.

Warum hatte er das nicht früher gesehen?

Aber es gab keine Zeit, sich damit zu befassen.

Onimi war begierig, seine erstaunlichen Kräfte an Jacen auszuprobieren, und dafür brauchte er keinen Amphistab und kein Coufee. Er war imstande, lähmende und tödliche Gifte herzustellen. Auf die gleiche Weise, wie das Welthirn Coruscant beaufsichtigte, kontrollierte Onimi die Umgebung des lebenden Schiffs und konnte all seine Teile gegen Jacen einsetzen.

Jacen erkannte, dass er in einen Kampf gehen würde, der nicht von dem Wissen um die Macht entschieden wurde, sondern von der Treue gegenüber ihrem Willen. Es war kein Duell, sondern Hingabe.

Wieder hörte er die Stimme der Vision, die er auf Duro gehört hatte: Steh fest …

Sein Herz sagte ihm, dass es die Stimme seines Großvaters war, die von Anakin Skywalker.