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Selvaris, schwach grünlich vor einem Bogen weiß glühender Sterne und mit nur einem winzigen Mond als Begleitung, sah wie der einsamste aller Planeten aus. Der Krieg dauerte nun beinahe fünf Jahre und hatte zur Vernichtung friedlicher Planeten, zur Unterbrechung größerer Hyperraumrouten und dem Sturz und der Besetzung von Coruscant selbst geführt, und die Tatsache, dass ein solch unwesentlicher Ort plötzlich bedeutsam werden konnte, zeigte vielleicht am deutlichsten den schrecklichen Schatten, den die Yuuzhan Vong auf die Galaxis warfen.
Ein direkter Beweis dieser Bedeutsamkeit bestand in dem Kriegsgefangenenlager, das aus dem dichten Küstendschungel von Selvaris’ bescheidenem Südkontinent geschlagen worden war. Das Lager bestand aus hölzernen Gebäuden für die Gefangenen und den organischen, stockähnlichen Strukturen, die als Grashals bekannt waren. Es verfügte über Mauern aus Yorikkorallen und Wachtürme, die aussahen, als stammten sie aus dem aquamarinblauen Meer des Planeten. Hinter dem grob kreisförmigen Gelände, wo man die Vegetation weggeschlagen oder mithilfe von Plasmawaffen zu Asche reduziert hatte, bohrte sich festes kniehohes Gras aus dem sandigen Boden und erstreckte sich bis zu der lebhaft grünen Palisade der Baumlinie. Gepeitscht von einem dauerhaften salzigen Wind, flatterten und schnappten die fächerartigen Blätter der höchsten Bäume wie Kriegsbanner.
Zwischen dem Gefangenenlager und einer brackigen Flussmündung, die sich schließlich ins Meer ergoss, vereinte dieser Dschungel seinen eigenen Bewuchs inzwischen mit exotischen Spezies, die von den Yuuzhan Vong geschaffen worden waren und bald auf Selvaris dominant werden würden, wie es schon auf zahllosen anderen Planeten geschehen war.
Zwei schwer verbrannte Yorik-Trema-Landefahrzeuge, die sich noch nicht von ihren Raumkämpfen gegen den Feind erholt hatten, standen auf dem großzügig angelegten Gefängnishof. An ihnen vorbei schlurfte nun eine Gruppe von Menschen, Bith mit kahlen Köpfen und dickhornige Gotals, die drei in Tuch gewickelte Leichen trugen.
Mit dem Rücken an ein Korallenschiff gelehnt, sah eine Yuuzhan-Vong-Wache zu, wie die Gefangenen sich mit den Toten abmühten.
»Beeilt euch gefälligst«, befahl er. »Das Maw Luur wartet nicht gerne.«
Die Gefangenen des Lagers hatten sich vehement dafür ausgesprochen, dass die Leichen entsprechend den Bräuchen der Verstorbenen entsorgt wurden, aber Gräber oder Scheiterhaufen waren durch eine Anordnung der Yuuzhan-Vong-Priester, die in einem Tempel in der Mitte lebten, ausdrücklich verboten worden. Sie waren der Ansicht, dass alles Organische zur Wiederherstellung genutzt werden solle. Die Toten konnten entweder Selvaris’ großen und hungrigen Herden von Aasfressern überlassen oder an das Yuuzhan-Vong-Biot namens Maw Luur verfüttert werden, das einige der weiter gereisten Gefangenen als eine Mischung aus Müllpresse und Sarlacc bezeichneten.
Der Yuuzhan-Vong-Krieger war hoch gewachsen und langgliedrig, mit einer verlängerten, schrägen Stirn und bläulichen Tränensäcken. Das Licht von Selvaris’ zwei Sonnen hatte seine Haut stärker gerötet, und die Treibhaushitze des Planeten machte ihn schlank. Gesichtstätowierungen und Narben kennzeichneten ihn als Offizier, aber ihm fehlten die Deformationen und Implantate, die den Kommandanten vorbehalten waren. Sein dunkles Haar, gefasst von einem Ring aus schwarzen Korallen, fiel bis über seine Schultern, und die Uniformtunika wurde von einem schmalen Gurt aus Haut zusammengehalten. Eine Nahkampfwaffe wand sich um seinen muskulösen rechten Unterarm wie eine tödliche Ranke.
Der Subaltern-Offizier S’yito war jedoch vor allem deshalb ungewöhnlich, weil er Basic beherrschte, wenn auch nicht annähernd so gut wie sein Kommandant.
Die Gefangenen hielten in Reaktion auf S’yitos Befehl, sich zu beeilen, kurz inne.
»Wir würden ihre Knochen lieber von Aasfressern sauber gepickt sehen statt als Mahlzeit für Euren Müllfresser«, sagte der klein gewachsene Mensch.
»Mach das Maw Luur glücklich, indem du dich selbst hineinwirfst«, fügte ein weiterer Mensch hinzu. »Ja, sag es ihm, Commenor«, ermutigte ihn der Gotal neben ihm.
Die Gefangenen waren hemdlos und verschwitzt und viele Kilos leichter als bei ihrer Ankunft auf Selvaris vor zwei Standardmonaten, nachdem man sie bei einem misslungenen Versuch, den Planeten Gyndine wieder zu übernehmen, gefangen genommen hatte. Jene mit Hosen hatten sie an den Knien abgeschnitten und auch ihre Fußbekleidung verkürzt, bis sie nicht mehr leistete, als ein wenig Schutz vor dem rauen Boden oder den dornigen Senelaks zu bieten, die sich vor den Wänden ausbreiteten.
S’yito fletschte nur die Zähne über ihre Unverschämtheit und fuchtelte mit der linken Hand, um die Wolke von Insekten zu verscheuchen, die ihn umgab.
Der klein gewachsene Mensch lachte leise. »Das hast du nun davon, Blut als Körperfarbe zu benutzen, S’yito.«
S’yito gelang es, die Bedeutung der Anmerkung herauszufinden. »Insekten sind nicht das Problem. Nur, dass es keine Yuuzhan-Vong-Insekten sind.« Mit ungewöhnlichem Tempo schnappte er sich eins der kleinen Tiere und schloss die Hand darum. »Jedenfalls noch nicht.«
Die Weltenformung war auf der Osthemisphäre von Selvaris fortgesetzt worden und schlich sich angeblich mit einem Tempo von zweihundert Kilometern pro Tag um den Planeten. Künstlich veränderte Vegetation hatte bereits mehrere Bevölkerungszentren verschlungen, aber es würde noch Monate dauern, bis die Formung vollendet war.
Bis dahin war ganz Selvaris ein Gefängnis. Man hatte keinem Bewohner erlaubt, den Planeten zu verlassen, seit das Internierungslager gezüchtet worden war, und alle feindlichen Kommunikationszentren waren abmontiert worden. Technologie war verboten. Besonders Droiden wurden beinahe feierlich und im Namen der Gutwilligkeit zerstört. Befreit von ihrer Abhängigkeit von Maschinen, gelang den fühlenden Wesen zumindest endlich ein Blick auf das wahre Wesen des Universums, das Yun-Yuuzhan in einem Akt selbstlosen Opfers erzeugt hatte und das von den geringeren Göttern aufrechterhalten wurde, denen der Schöpfer vertraute.
»Vielleicht solltet ihr einfach unsere Insekten konvertieren«, schlug einer der Humanoiden vor.
»Fangt damit an, ihnen zu drohen, ihnen die Flügel auszureißen«, sagte der Mensch.
S’yito öffnete die Hand und zeigte den geflügelten Käfer, den er nun zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, ohne ihn zu verletzen. »Genau deshalb verliert ihr den Krieg, und deshalb ist eine Koexistenz mit euch unmöglich. Ihr glaubt, dass wir zum Spaß Schmerz verursachen, wo wir doch nur unsere Ehrerbietung für die Götter zeigen wollen.«
Er streckte die Hand mit der Kreatur ein Stück aus. »Stellt euch selbst in der Position dieses Käfers vor. Gehorsam führt zur Freiheit, Ungehorsam zur Schande.« Plötzlich zerdrückte er das Insekt an seiner festen Brust. »Es gibt keinen Mittelweg. Ihr seid Yuuzhan Vong, oder ihr seid tot.«
Bevor einer der Gefangenen antworten konnte, trat ein menschlicher Offizier aus der nächsten Hütte ins gnadenlose Sonnenlicht. Untersetzt und bärtig, trug er seine schmutzige Uniform voller Stolz. »Commenor, Antar, Clak’dor, das reicht jetzt«, sagte er und sprach sie bei den Namen ihrer Geburtswelten an, nicht bei ihren wirklichen Namen. »Führt eure Pflichten aus und meldet euch dann bei mir.«
»Schon auf dem Weg, Captain«, sagte der Mensch und salutierte.
»Das ist Page, nicht wahr?«, fragte der Gotal. »Ich höre nichts als Gutes über ihn.«
»Und es entspricht der Wahrheit«, sagte einer der Bith. »Aber wir brauchen zehntausend mehr wie ihn, wenn wir diesen Krieg jemals wenden wollen.«
Als die Gefangenen davonmarschierten, wandte sich S’yito Captain Judder Page zu, der den Blick des Subaltern-Offiziers lange erwiderte, bevor er in das Holzgebäude zurücktrat. Die Leichenträger hatten die Wahrheit gesagt, dachte S’yito. Krieger wie Page waren wohl wirklich imstande, den Krieg aus den Klauen der Niederlage zu reißen.
Die Yuuzhan Vong behielten im Moment immer noch die Oberhand, aber nur mit Mühe. Die Tatsache, dass ein Gefangenenlager auf der Oberfläche von Selvaris gezüchtet wurde, war ein weiterer Beweis dafür. Normalerweise hatte ein Kriegsschiff als Gefangenenlager gedient. Aber da derzeit die letzten Stadien des Konflikts an zahllosen Fronten ausgetragen wurden, war jedes zur Verfügung stehende Schiff ausgesandt worden, sich über umstrittenen Welten feindseligen Kräften zu stellen, durch eroberte Systeme zu patrouillieren, den unklaren Rand des Invasionskorridors zu verteidigen oder Yuuzhan’tar, das Geheiligte Zentrum, zu verteidigen, das der Höchste Oberlord Shimrra nun schon ein Standardjahr lang beherrschte.
Unter anderen Umständen hätte man wohl kaum hohe Mauern und Wachtürme gebraucht, nicht zu reden von einer vollständigen Mannschaft von Kriegern, nicht einmal, um Gefangene von so hohem Status zu bewachen wie den Haufen auf Selvaris, der aus diversen Spezies stammte. Zu Anfang des Kriegs hatte man Gefangene mit Fesseln versehen, sie in Blorash-Gallert bewegungsunfähig gemacht oder ihnen Korallen implantiert und sie zu Sklaven eines Dhuryam gemacht − eines Welthirns. Aber lebendige Handschellen, Gallert und Korallen waren nun knapp geworden, und Dhuryams konnten beinahe als selten bezeichnet worden.
Wäre S’yito Kommandant gewesen, dann wären Page und andere wie er bereits hingerichtet worden, aber man hatte viel zu viele Kompromisse gemacht. Die hölzernen Unterkünfte, die Art, Leichen zu beseitigen, das Essen … Es war gleich, welcher Spezies sie angehörten, die Gefangenen konnten das Yuuzhan-Vong-Essen nicht vertragen. Da so viele an ihren kleinen Kampfeswunden oder an Fehlernährung starben, hatte sich der Kommandant gezwungen gesehen, Lebensmittel aus einer nahen Siedlung liefern zu lassen, wo die Einwohner Fisch und anderes Meeresleben aus dem freigiebigen Wasser von Selvaris holten und Obst aus dem ebenso großzügigen Wald ernteten. Wegen der Möglichkeit, dass Widerstandszellen in der Siedlung operierten, wurde der Ort noch besser bewacht als das Gefängnis selbst.
Es hieß unter den Kriegern, Selvaris habe keine wahren Eingeborenen, und tatsächlich sahen die Siedler, die den Planeten als ihre Heimat bezeichneten, eher aus, als wären sie hier gestrandet.
Das Geschöpf, das die wöchentlichen Rationen an Essen lieferte, bildete da keine Ausnahme.
Es hatte rauchfarbenes Fell, ging auf zwei muskulösen Beinen aufrecht und verfügte dennoch über einen recht nützlich aussehenden Schwanz. Zwei Augen glitzerten in einem schlanken Gesicht, dessen hervorragendstes Kennzeichen eine Art Schnabel aus einer knorpeligen Substanz war, in Intervallen wie eine Flöte durchbohrt und über einen nach unten hängenden Schnurrbart gebogen. Der Mann hatte sich vor einen Wagen gespannt, der auf zwei Yorikkorallenrädern rollte und beladen war mit Körben, Töpfen und einer Ansammlung sich blähender primitiver Säcke.
»Nahrung für die Gefangenen«, kündigte er an, als er sich dem Knochenwerk des vorderen Tors näherte.
S’yito schlenderte hinüber, während vier Wachen sich beeilten, die Deckel von den Körben zu nehmen und die Schnüre zu lösen, die die Säcke verschlossen. Der Subaltern-Offizier schnupperte an dem Inhalt eines offenen Sacks.
»All das wurde nach Anweisung des Kommandanten zubereitet?«, fragte er den Essensbringer auf Basic.
Das Wesen nickte. Das Fell auf seinem Kopf war reinweiß und aufgerichtet, als hätte das Wesen Angst. »Gewaschen, entgiftet und getrennt in Fleisch, Getreide und Obst, Furchterregender.«
Diese Bezeichnung war für gewöhnlich für Kommandanten reserviert, aber S’yito machte sich nicht die Mühe, den Essensträger zu verbessern. »Und gesegnet?«
»Ich komme direkt aus dem Tempel.«
S’yito warf einen Blick auf den Weg, der in dem hohen Dschungel verschwand. Um der Garnison einen Platz zum Beten zu liefern, hatten die Priester eine Statue von Yun-Yammka, dem Schlächter, in ein Grashal gestellt, das als Tempel gezüchtet wurde. Nahe dem Tempel befanden sich die Grashals des Kommandanten und die Unterkunfts-Grashals für geringere Offiziere.
S’yito steckte sein flachnasiges Gesicht in einen offenen Korb. »Fisch?«
»Eine Art Fisch, Furchterregender.«
Der Subalterne deutete auf eine Gruppe haariger Früchte. »Eine Frucht, die in den Wipfeln der höchsten Bäume wächst. Gutes Fleisch und eine Art Milch dazu.«
»Öffne eine.«
Der Essensträger steckte einen gekrümmten Finger tief in die Naht der Frucht und öffnete sie. S’yito holte einen Finger voll rosa Fruchtfleisch heraus und brachte es an den breiten Mund.
»Viel zu gut für sie«, verkündete er, als das Fruchtfleisch auf seiner mit Dornen durchzogenen Zunge zerging. »Aber vermutlich notwendig.«
Nur wenige Krieger akzeptierten, dass die Gefangenen das Yuuzhan-Vong-Essen nicht vertragen konnten. Sie nahmen an, dass ihre angebliche Intoleranz Teil einer Intrige war − Teil eines laufenden Wettbewerbs des Willens zwischen den Gefangenen und denen, die sie gefangen genommen hatten.
Der Essensträger brachte die Hände unterhalb seines Herzens in eine Gebetsposition. »Yun-Yuuzhan ist gnädig, Furchterregender. Er gibt selbst den Feinden des wahren Glaubens.«
S’yito starrte ihn wütend an. »Was weißt du schon von Yun-Yuuzhan?«
»Ich habe die Wahrheit akzeptiert. Es brauchte die Yuuzhan Vong, um mir die Augen zu öffnen und die wahren Götter zu zeigen. Durch ihre Gnade werden sogar Ihre Gefangenen die Wahrheit erkennen.«
S’yito schüttelte den Kopf. »Die Gefangenen können nicht bekehrt werden. Für sie ist der Krieg vorüber. Aber am Ende werden alle vor Yun-Yuuzhan knien.« Er gab den Wachen ein Zeichen. »Lasst den Essensträger herein.«
In der größten Holzhütte, die wie alle anderen ebenfalls von den Gefangenen selbst errichtet worden war, gab es kaum mehr zu tun, als sich um die Toten und Sterbenden zu kümmern, die Stunden des Tageslichts mit Gesprächen und Glücksspielen zu verbringen oder gierig auf die nächste Mahlzeit zu warten. Harsches Husten und hin und wieder ein Lachen ließen das übliche finstere, drückende Schweigen noch deutlicher werden. Die Yuuzhan Vong hatten von keinem der Gefangenen verlangt, in den Villip-Feldern oder anderswo außerhalb der Korallenmauern zu arbeiten, und bisher waren nur die höchstrangigen Offiziere verhört worden.
Sie waren ein bunter Haufen − die meisten bei Bilbringi gefangen genommen, aber andere kamen von Planeten wie Yag’Dhul, Antar 4 und Ord Mantell. Sie trugen die zerfetzten Uniformen von Sternenjägerpiloten und Kampfuniformen. Ihre zerschlagenen, unterernährten Körper − ob sie nun haarlos waren, von Fell bedeckt, schlank oder fleischig − waren von Schweiß und Dreck überzogen. Sie vereinte ein tiefer Hass auf die Yuuzhan Vong.
Dass man sie nicht sofort umgebracht hatte, bedeutete, dass man sie für ein großes Opfer aufhob − wahrscheinlich bei der Vollendung der Weltenformung von Selvaris oder in Erwartung einer bevorstehenden Schlacht mit den Kräften der Galaktischen Allianz.
»Das Essen ist hier!«, rief ein Mensch, der am Eingang stand.
Jubel, der sonst selten war, erklang, und jeder, der konnte, stand auf und bildete eine ordentliche Linie, die für die Disziplin der Gefangenen sprach. Einige Gefangene mit weit aufgerissenen Augen und bei dem Gedanken an Nahrung bereits im Mund zusammenlaufendem Wasser eilten nach draußen, um beim Abladen des Essenswagens zu helfen und alles nach drinnen zu bringen.
Ein Twi’lek mit einem amputierten Lekku betrachtete das Wesen, das das Essen gebracht hatte, während sie beide Säcke und Töpfe in die Hütte brachten.
»Du bist ein Ryn«, sagte der Twi’lek.
»Ich hoffe, das bedeutet nicht, dass du das Essen nicht anfasst«, erwiderte der Ryn.
Die Augen des Twi’lek blitzten orangefarben. »Einige der besten Gerichte, die ich je gegessen habe, wurden von Ryn zubereitet. Ich war vor Jahren mit ein paar von euch am Äußeren Rand unterwegs …«
»Aaachtung!«, erklang eine Menschenstimme. Alle nahmen Haltung an, als sich zwei menschliche Offiziere in Uniform der Hütte näherten. Die Gefangenen hatten alle Ideen von Rang aufgegeben, aber wenn man behaupten konnte, dass jemand das Kommando hatte, dann waren es diese beiden − Captain Judder Page und Major Pash Cracken.
Sie kamen von wichtigen Planeten − Page aus Corulag, Cracken aus Contruum − und hatten noch mehr gemeinsam. Sie waren beide Söhne einflussreicher Familien, und beide waren an der Imperialen Akademie ausgebildet worden, bevor sie während des Galaktischen Bürgerkriegs zur Rebellenallianz überliefen. Page, der von den beiden weniger ungewöhnlich aussah, hatte die Katarn-Kommandos eingerichtet, und Cracken, auch in mittleren Jahren noch auf raue Art gut aussehend und muskulös, war der Gründer einer nach ihm benannten Fliegertruppe. Beiden war es gelungen, die Sprache der Yuuzhan Vong so gut zu erlernen, wie der Subaltern-Offizier S’yito Basic beherrschte.
»Macht Platz vorn in der Reihe für den Major und den Captain«, befahl derselbe Mensch, der sie angekündigt hatte.
Die Offiziere lehnten ab. »Wir essen, nachdem ihr alle euren Anteil hattet«, sagte Page für beide.
»Bitte, Sir«, beharrten einige in der Reihe.
Page und Cracken sahen einander resigniert an und nickten. Cracken nahm eine Holzschale entgegen, die einer der Gefangenen gemacht hatte, und bewegte sich zum Kopf der Reihe, wo der Ryn im dickflüssigen Inhalt eines großen Yorikkorallentopfes rührte.
»Wir danken dir, dass du das gebracht hast«, sagte Cracken. Er hatte hellgrüne Augen; sein flammend rotes Haar war nun von Grau durchzogen und verlieh seinen aristokratischen Zügen zusätzliche Würde.
Der Ryn lächelte scheu. Er steckte den Schopflöffel tief in die Masse, beugte sich über den Topf und ermutigte Cracken, das Gleiche zu tun, um seine Schale füllen zu lassen. Als Crackens linkes Ohr in Flüsterweite war, sagte das Wesen: »Ryn Eins-Eins-Fünf aus Vortex.«
Cracken verbarg seine Überraschung. Er hatte erst vor zwei Monaten von dem Syndikat der Ryn erfahren, während einer Informationsbesprechung auf Mon Calamari, das nach dem Fall von Coruscant zum Hauptquartier der Galaktischen Allianz geworden war. Ein Netzwerk von Spionen, das weit reichte und nicht nur Ryn, sondern auch andere Spezies umfasste, benutzte geheime Raumrouten, die von den Jedi geschaffen worden waren, um Individuen sicheres Geleit zu geben und Spionage zu betreiben.
»Ihr habt etwas für uns?«, fragte Cracken leise, während er Brei in die Holzschale löffelte.
Die nach vorn gerichteten Augen des Ryn schossen zwischen dem Behälter und Crackens faltigem Gesicht hin und her. »Kauen Sie vorsichtig, Major«, sagte er gerade laut genug, dass Cracken ihn hören konnte. »Erwarten Sie das Unerwartete.«
Cracken richtete sich auf und flüsterte Page die Botschaft zu, der sie seinerseits an den Bith weitergab, der hinter ihm in der Reihe stand. Insgeheim wurde alles wieder und wieder weitergeleitet, bis es auch den letzten der etwa hundert Gefangenen erreicht hatte.
Inzwischen hatten Cracken, Page und ein paar andere ihre Schalen zu einem behelfsmäßigen Tisch gebracht, um den sie sich hockten, und begannen, den Brei vorsichtig mit den Fingern zu essen und einander in mühsam verhohlener Erwartung anzusehen.
Gleichzeitig bewegten sich drei Gefangene zum Eingang, um die Wachen im Auge zu behalten. Die Yuuzhan Vong hatten keine Villips oder andere Lauschgeschöpfe in den Hütten installiert, aber Krieger wie S’yito, die offensichtliche Neugier bezüglich des Feinds an den Tag legten, hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, ohne Vorwarnung hereinzustürmen und Durchsuchungen durchzuführen.
Ein Devaronianer, der Page gegenüberhockte, gab ein würgendes Geräusch von sich. Er tat so, als müsste er husten, nahm vorsichtig einen Gegenstand aus seinem gefährlich aussehenden Mund und sah ihn sich an.
Alle starrten ihn erwartungsvoll an.
»Knorpel«, sagte er und hob enttäuscht die kleinen Augen. »Jedenfalls denke ich, dass es welcher ist.«
Die Gefangenen machten sich wieder daran zu essen, und die Spannung wuchs, als ihre Finger den Boden ihrer Schalen erreichten.
Dann biss Cracken auf etwas, das seine Backenzähne schmerzen ließ. Er brachte die linke Hand zum Mund und benutzte die Zunge, um den Gegenstand in die Hand zu schieben. Er öffnete die Hand kurz und erkannte den Gegenstand sofort. Er ließ ihn in der Hand, legte sie auf den Tisch und brachte sie ein wenig nach links, wo der Gegenstand sofort unter Pages rechter Hand verschwand.
»Ein Holowafer«, sagte der Captain leise, ohne einen zweiten Blick darauf zu werfen. »Er wird nur ein einziges Mal funktionieren. Wir müssen schnell sein.«
Cracken nickte dem gehörnten Devaronianer zu. »Such Clak’dor, Garban und den Rest von dieser Mannschaft und bring sie schnell hierher.«
Der Devaronianer stand rasch auf und eilte zur Tür.
Page fuhr sich mit der Hand über das bärtige Gesicht. »Wir brauchen einen Platz, wo wir uns die Daten ansehen können. Wir dürfen nicht wagen, es ganz offen zu tun.«
Cracken dachte einen Moment nach, dann wandte er sich dem langbärtigen Bothan rechts zu. »Wem gehört das Sabacc-Spiel?«
Das Fell des Nichtmenschen bewegte sich leicht. »Coruscant.«
»Sag ihm, dass wir ihn brauchen.«
Der Bothan nickte und ging zur Tür. Als sich die Nachricht ausbreitete, begannen die Gefangenen, sich laut zu unterhalten, als Deckung für das, was jene sagten, die am Tisch geblieben waren. Der Ryn schlug mit dem Löffel gegen die Topfseite und mehrere Gefangene verteilten Obst an die anderen, indem sie es wie bei einem Spiel durch die Luft warfen.
»Wie sieht es im Hof aus?«, fragte Page die Späher an der Tür.
»Coruscant ist auf dem Weg, Sir. Und der Haufen von Clak’dor.«
»Die Wachen?«
»Keiner achtet sonderlich auf uns.«
Coruscant, ein hochgewachsener blonder Mensch, kam grinsend herein und fächerte die Sabacc-Karten auf, die er aus ledernen Rechtecken hergestellt hatte. »Habe ich das richtig gehört, und jemand interessiert sich für ein Spiel?«
Page bedeutete allen, einen Kreis in der Mitte der Hütte zu bilden und den Lärmpegel zu erhöhen. Die Wachen waren an die lebhafte Aktivität gewohnt, die Kartenspiele begleitete, und Page war entschlossen, ihnen eine Dosis echten Lärms zu geben. Ein Dutzend Gefangene begann ein Lied. Der Rest unterhielt sich scherzend, schloss Wetten ab und diskutierte die Chancen.
Der Sabacc-Spieler, drei Bith und ein Jenet, wurden in die Mitte des Kreises geschoben, wo Page und Cracken mit dem Holowafer warteten.
Coruscant begann Karten auszugeben.
Bith waren hoch entwickelte Humanoide, tiefe Denker und geschickte Künstler, die auch über die Fähigkeit verfügten, eine Unmenge an Daten zu speichern und durchzugehen. Die Jenet waren im Kontrast dazu klein und gebaut wie Nager, verfügten aber über ein eidetisches Gedächtnis.
Als Page wusste, dass der innere Kreis effektiv abgeriegelt war, hockte er sich nieder, als wollte er ebenfalls an dem Spiel teilnehmen. »Wir haben nur eine Chance, uns das hier anzusehen. Seid ihr sicher, dass ihr es schafft?«
Der Jenet verzog amüsiert die Schnauze, und er sah Page aus roten Augen an. »Deshalb hast du uns doch ausgewählt, oder?«
Page nickte. »Dann fangen wir an.«
Geschickt stellte Page den Wafer auf den Plankenboden und aktivierte ihn durch einen Druck seines rechten Zeigefingers. Ein umgekehrter Kegel aus blauem Licht entstand, innerhalb dessen eine komplizierte mathematische Gleichung erschien, die Page nicht einmal begreifen konnte, nicht zu reden davon, sie sich zu merken oder sie zu lösen. So schnell, wie die Nummern und Symbole erschienen waren, verschwanden sie auch schon wieder.
Der Wafer gab ein zischendes Geräusch von sich und wurde flüssig.
Er hatte gerade den Mund geöffnet, um die Bith und den Jenet zu fragen, ob sie sich die Formel erfolgreich eingeprägt hatten, als S’yito und drei Yuuzhan-Vong-Wächter in die Hütte stürmten und sich in die Mitte des Kreises schoben, die Coufee-Messer gezogen und die schlangenartigen Amphistäbe bereit, zu erstarren oder Gift zu spucken.
»Stellt sofort die Aktivitäten ein«, brüllte der Offizier.
Die Menge schwärmte leicht aus und begann, ruhiger zu werden. Coruscant und die angeblichen Kartenspieler bewegten sich vorsichtig aus dem Schlagbereich der Amphistäbe.
»Was ist los, Subaltern-Offizier?«, fragte Page auf Yuuzhan Vong.
»Seit wann beginnt ihr schon zur Nahrungsstunde mit den Glückspielen?«
»Wir spielen um Nachschläge.« S’yito starrte ihn wütend an. »Du spielst mit mir, Mensch.« Page zuckte die Schultern. »Das ist mein Job, S’yito.« Der Subalterne machte einen bedrohlichen Schritt nach vorn. »Macht dem Spiel und dem Gesang sofort ein Ende − oder wir nehmen euch ab, was ihr dazu benutzt.«
Die vier Yuuzhan Vong drehten sich um und marschierten aus der Hütte.
»Der Kerl hat wirklich keinen Humor«, stellte Coruscant fest, als er der Ansicht war, wieder sprechen zu können. Alle in der Nachbarschaft von Page und Cracken sahen die beiden Offiziere an.
»Die Daten müssen das Allianzkommando erreichen«, sagte Cracken.
Page nickte zustimmend. »Wann schicken wir sie?« Cracken kniff die Lippen zusammen. »Zur Gebetsstunde.«
Kurz vor seiner öffentlichen Verbrennung in einer Feuergrube außerhalb der Gefängnistore hatte ein silberner Protokolldroide, der kurz Major Cracken gehört hatte, die Möglichkeit, von Selvaris zu entkommen, auf etwa eine Million zu eins berechnet. Aber der Droide hatte nichts über das Ryn-Syndikat gewusst, oder von dem, was die Untergrundgruppe auf dem Planeten in Bewegung gesetzt hatte, noch bevor die ersten Yorikkorallenbrocken gesät waren.
Cracken, Page und die anderen wussten noch etwas mehr: Sie wussten, dass Hoffnung gerade an den finstersten Orten blühte, und dass die Yuuzhan Vong sie zwar gefangen nehmen oder töten konnten, es aber keinen Soldaten im Lager gab, der nicht sein oder ihr Leben aufs Spiel gesetzt hätte, um auch nur einen von ihnen zu retten.
Es würde noch eine Stunde bis zum Aufgang der ersten Sonne dauern, und Cracken, Page, die drei Bith und der Jenet hockten am Eingang zu einem Gang, den die Gefangenen mit Händen, Klauen und den Werkzeugen gegraben hatten, die sie bei der Herstellung der Feuergrube hatten anfertigen oder stehlen können, in der mehrere Droiden von den Priestern des Lagers verbrannt worden waren.
Alle Gefangenen im Lager waren wach, und viele hatten die ganze Nacht nicht geschlafen. Sie sahen leise von den Palmwedeln und Gräsern aus zu, die ihre Betten darstellten, und wünschten sich nur, sie konnten den vieren persönlich Viel Glück wünschen, bevor sie ihr scheinbar hoffnungsloses Unternehmen begannen. Späher waren am Eingang postiert. Das Licht war grau und die Luft erträglich kühl. Vor der Hütte erreichten das Zwitschern und die grellen Pfiffe des Dschungellebens einen Höhepunkt.
»Wollt ihr es noch einmal durchgehen?«, fragte Cracken im Flüsterton.
»Nein, Sir«, antworteten die vier wie ein einziger Mann.
Cracken nickte nüchtern.
»Dann möge die Macht mit euch allen sein«, sagte Page für alle in der Hütte.
Der enge Eingang zum Tunnel wurde von Crackens eigenem Bett aus von vor Insekten strotzenden Palmwedeln gebildet. Unter einem Gitter fiel der von Hand gebaute Schacht sofort in vollkommene Dunkelheit. Er war von den ersten Gefangenen auf Selvaris begonnen und in den langen Monaten von vielen Gruppen von Neuankömmlingen erweitert worden. Oft hatten sie ihren Erfolg nur in Zentimetern messen können, etwa als die Graber auf eine Masse von Yorikkorallen stießen, die sich in dem sandigen Boden verankert hatten. Aber nun reichte der Gang unter der Gefängnismauer und den Senelak-Gräsern dahinter bis zur fernen Baumlinie. Der schlanke Jenet, sein Gesichtsfell mit Holzkohle geschwärzt, war der Erste, der in den Gang stieg. Nachdem die drei Bith sich hinter ihn gedrängt hatten, wurde der Eingang geschlossen und verdeckt.
Das wenige Licht, das sie gehabt hatten, verschwand.
Der nominelle Anführer der Möchtegern-Flüchtlinge, der Jenet, war bei Bilbringi gefangen genommen worden, während eines Überfalls auf eine feindliche Einrichtung. Die anderen Gefangenen kannten ihn als Thorsh, obwohl auf seiner Heimatwelt Gabran eine Reihe von Errungenschaften und Verfehlungen dem Namen beigefügt worden waren. Erkundung war seine Spezialität, also waren ihm Dunkelheit und enge Tunnel nicht fremd, nachdem er in viele Baue der Yuuzhan Vong und Grashals auf Duro, Gyndine und anderen Welten eingedrungen war. Der Tunnel auf Selvaris fühlte sich vertraut an. Die Bith hatten es wegen ihrer Größe schwerer, aber sie waren eine gut koordinierte Spezies, deren Gedächtnis und Geruchsfähigkeiten durchaus an die von Thorsh heranreichten.
Minuten stillen Kriechens brachten sie zur ersten einer Reihe von Kurven im rechten Winkel, wo die Hersteller des Ganges gezwungen worden waren, eine amorphe Masse von Yorikkorallen zu umgehen. Sie befanden sich jetzt direkt unterhalb der Gefängnismauern. Nun ging es nur noch darum, die lange Strecke unter den Senelaks zurückzulegen, die die Yuuzhan Vong außerhalb des Lagerrands kultiviert hatten.
Thorsh wusste es besser, als sich zu entspannen, aber seine nicht nachlassende Wachsamkeit zählte kaum.
Innerhalb von einer Woche hatten Senelak-Wurzeln die Decke des schlecht abgestützten Gangs durchdrungen, und die Wurzeln hatten ebenso ihre Stacheln ausgebreitet wie die Gräser, die draußen kniehoch wuchsen.
Meterweit war es einfach unmöglich, ihnen aus dem Weg zu gehen.
Die Stacheln zerfetzten die dünne Kleidung, die die vier getragen hatten, als man sie gefangen genommen hatte, und hinterließen blutende Furchen im Fleisch ihres Rückens.
Thorsh murmelte bei jeder Begegnung einen Fluch, aber die Bith, die selten Emotionen zeigten, ertrugen die Schmerzen schweigend.
Das brutale Kriechen fand ein Ende, als der Gang sich am Ende des Senelak-Felds leicht nach oben zog. Bald schon erschienen die vier innerhalb des mit einer Art Strebepfeilern versehenen Fußes eines riesigen Hartholzbaums. Der Baum mit dem dicken Stamm sah den Gnarlbäumen auf Dagobah erstaunlich ähnlich, gehörte aber tatsächlich einer vollkommen anderen Familie an. Hundert Meter entfernt schimmerte die Gefängnismauer leicht aufgrund ihrer Biolumineszenz. Zwei schläfrige Wachen hielten sich im nächstgelegenen Wachturm auf, ihre Amphistäbe steif wie Speere, und ein Dritter war in dem anliegenden Turm sichtbar. Die Krieger, die nicht anderswo im Lager eingesetzt wurden, befanden sich zum Gebet im Tempel.
Die Rezitationen der Letzteren waren im Dschungel zu hören und bildeten einen Kontrapunkt zu den wilden Rufen von Vögeln und Insekten. Nebelschwaden zogen wie Erscheinungen durch die Baumwipfel.
Einer der Bith schob sich auf den Ellbogen neben Thorsh und zeigte mit dem schlanken Finger nach Westen. »Dorthin.«
Thorsh schnupperte mehrmals und nickte. »Dorthin.«
Als sie tiefer zwischen die Bäume gelangten, ging knöcheltiefer Schlamm in Sumpf über, und es dauerte nicht lange, bis die vier taillentief durch schwarzes Wasser wateten.