35
Das Zepter der Macht in der rechten Hand und gefolgt von acht Schlächtern marschierte Shimrra in die Versammlungshalle, so rasch, dass Onimi rennen musste, um ihn einzuholen. Von seinem Eintreffen unterrichtet, hatten alle in der gewölbten Kammer − darunter auch Nom Anor − bereits eine gehorsame Stellung eingenommen. Die Krieger ruhten auf einem Knie, die vier Seherinnen hatten die Hände in ehrfürchtigen, wenn auch vorsichtigen Verbeugungen gesenkt. Es roch intensiv nach Opferblut, Yorikkorallenstaub und Räucherwerk, und nun plötzlich auch nach Blumendüften, als die Füße des Höchsten Oberlords die Blütenblätter, die für ihn verstreut wurden, zerdrückten.
Shimrra ging direkt zu seinem stachelbestückten Thron, blieb aber nur einen Augenblick sitzen, bevor er wieder aufstand und anfing, auf und ab zu gehen. Ein verwirrter Onimi folgte dem aus abgezogener Haut bestehenden Gewand des Höchsten Oberlords.
»Weshalb wurde ich aus meiner Meditation mit den Göttern gerissen?«, wollte Shimrra von der Allgemeinheit wissen. »Stellt meine Rolle bei ihrem letzten Feldzug weniger dar als Ihre, Höchster Kommandant Laait?« Er warf einen mürrischen Blick auf die Seherinnen. »Oder eure?«
Laait blieb in kniender Stellung. »Allerhöchster, der Kriegsmeister bat mich, eine Audienz mit Euch zu suchen, sobald Ihr es erlaubtet.«
»Ist die Aktivität des Kriegsmeisters Nas Choka dergestalt, dass er nicht einmal mehr die Zeit findet, mit solchen wie Ihnen zu kommunizieren?«
»Schrecklicher, der Kriegsmeister ist alles andere als faul«, sagte Laait mit einer Spur von Gereiztheit. »Seine Kräfte sind bei Muscave in Kämpfe verwickelt und überwältigen die unseres Feindes. Daher war er fähig, eine Einsatztruppe nach Zonama Sekot zu schicken, die das kranke Schiff, das unsere Geheimwaffe darstellt, begleitet.«
Shimrra gab ein ermüdetes Geräusch von sich. »Und das muss ich aus Ihrem Mund hören, Höchster Kommandant? Habe ich nicht gerade gesagt, dass Ihr dringendes Ersuchen mich während eines Gesprächs mit den Göttern störte?«
Laait bewegte die Fäuste zu den Schultern im Salut. »Ich bitte um Verzeihung, Großer Herr. Dann wisst Ihr zweifellos bereits, dass Zonama Sekot offenbar unverteidigt ist, wenn man von einer Handvoll feindlicher Jäger absieht.«
»Zweifellos.«
»Und dass die Kommandanten der Einsatztruppe Korallenskipper gegen diese Jäger ausgeschickt haben.«
»Was soll das?«, sagte Shimrra hitzig. »Wollen Sie mich hier mit Ihren sinnlosen Anmerkungen beleidigen?«
Wieder hob Laait die Fäuste. »Selbstverständlich haben die Götter Ihnen auch mitgeteilt, Herr, dass die Korallenskipper auf den Widerstand lebender Schiffe stießen.«
Shimrra blieb abrupt stehen und starrte den Höchsten Kommandanten an.
»Schrecklicher«, sagte Onimi, als wolle er eine Antwort provozieren.
»Lebende Schiffe?«, sagte Shimrra schließlich.
Laait nickte. »Schiffe, die nicht nur unseren Korallenskippern an Größe und Geschwindigkeit ebenbürtig sind, sondern die von Schwerkraftanomalien gesteuert werden und auf unsere Plasmawaffen mit ihren reagieren.«
Shimrra zeigte auf den Villip-Chor der Halle. »Ich würde gern ein Bild dieser lebendigen Schiffe sehen!«
Der Höchste Kommandant Laait stand auf und nickte der Herrin der Villips zu. Bald erschien ein geisterhaftes Bild, das ein Schiff mit glatter Haut, Plasmawerfern und Dovin-Basal-Platzierungen zeigte.
Shimrra legte den riesigen Kopf schief und betrachtete das schimmernde Bild.
»Der Domänenkommandant hat Kriegsmeister Nas Choka berichtet, dass die lebenden Schiffe Verwirrung in unseren Reihen von Korallenskippern hervorrufen. Und noch schlimmer, der Yammosk selbst ist verwundert. Er hat Schwierigkeiten, zwischen unseren Schiffen und denen des Feindes zu unterscheiden.«
Shimrra fuhr zu Laait herum. »Warum hat der Kriegsmeister dem Domänenkommandanten nicht befohlen, seine Großkampfschiffe auf Zonama Sekot auszurichten?«
»Der Kriegsmeister wünscht genau das zu tun, Gotterwählter. Er erwartet nur Ihre Zustimmung.«
Shimrra sagte nichts.
»Großer?«, hakte Laait vorsichtig nach.
»Was sagen die Seherinnen zu alldem?«, warf Onimi in das entstehende Schweigen, als wollte er die Aufmerksamkeit von Shimrra ablenken.
»Die Vorzeichen beunruhigen uns, Großer Herr«, sagte die hexenhafte Sprecherin der vier. »Die Aussicht, gegen lebende Schiffe zu kämpfen, widerstrebt unserem heiligsten Glauben. Selbst als Test unseres Würdigseins hatten die Götter nie ein solches Sakrileg erfunden. Wir flehen Sie an, Herr, uns zu erklären, wieso man Ungläubigen Zugang zu unserer Biotechnologie gewährt hat und wie solche Schiffe, die unsere nachäffen, erzeugt wurden.«
»Es gibt noch mehr, Herr«, sagte eine zweite Seherin. »Diverse feindliche Schiffe haben unsere Schwerkraftanomalien überlistet und ihren Weg zur Oberfläche von Yuuzhan’tar gefunden. Unser wichtigstes Landefeld ist bedroht.«
Shimrra schien sich aus der Betäubung zu befreien. »Muss ich eine von euch daran erinnern, dass ich tief in den Achten Kortex gesehen habe und mit Yun-Harla selbst über diese Angelegenheiten sprach?«
Die oberste Seherin nickte. »Wir haben das im Sinn, Großer, und bitten nur um Erklärungen. Könnten die alten Prophezeiungen und Enthüllungen falsch sein? Könnte man sie falsch interpretiert haben? Ist es möglich, dass die Götter die lebenden Schiffe nicht als zusätzliche Prüfung geschaffen, sondern sich tatsächlich mit den Jeedai zusammengetan haben?«
Shimrras Augen blitzten auf wie Novas. »Ketzerei! Ketzerei − hier in meinem Haus!« Er zeigte mit dem Zepter auf die Seherinnen. »Ihr Närrinnen habt eure Nützlichkeit überlebt.« Er fuhr zu den Schlächtern herum. »Werdet sie los!«
Zwei Schlächter lösten ihre Amphistäbe und näherten sich dem weiblichen Quartett mit tödlicher Absicht. Die Seherinnen boten keinen Widerstand, hoben die Gesichter und streckten ihre dünnen Hälse für die steif gewordenen Waffen aus. Die Schlächter verschwendeten keine Bewegung. Einer der abgeschlagenen Köpfe rollte immer noch über den Boden, als der Herold die Halle betrat.
»Großer Herr, der Hohe Priester Jakan, die Meistergestalterin Qelah Kwaad und der Hohe Präfekt Drathul bitten um eine Audienz.«
Shimrra ging zu seinem Thron und setzte sich hin. »Selbstverständlich, bitten Sie sie hereinzukommen, Herold.«
Das Trio stürzte schnell herein, verlor aber etwas von seinem Schwung beim Anblick der vier kopflosen Leichen.
Shimrra lächelte schwach. »Sie wagten, meine Interpretation der Erleuchtung zu bezweifeln.« Seine Miene wurde finsterer. »Seien Sie sich des gegenwärtigen Umstands bewusst, wenn Sie Ihre Bedenken vortragen.«
»Wir haben keine Bedenken, Schrecklicher«, sagte Drathul eindeutig improvisierend. »Nachdem wir von dem Bericht des Kriegsmeisters über lebende Schiffe erfuhren, kamen wir, um Sie für Ihre Voraussicht zu loben. Die Yuuzhan Vong werden durch den Willen der Götter, uns noch größere Herausforderungen zu stellen, nichts als erhoben.«
»Und Ihr seid hierher geeilt, um mir das zu sagen?«, fragte Shimrra.
»Eine Frage, Herr«, sagte Jakan. »Haben die Götter der Allianz diese Schiffe gegeben, oder entspringen sie dem lebenden Planeten selbst?«
Shimrra gestikulierte lässig zu Nom Anor. »Antworten Sie ihm, Präfekt. Immerhin sind Sie unser Experte für Zonama Sekot.«
Nom Anor musste schlucken, um seine Stimme zu finden.
»Allerhöchster − ich weiß nur, was ich von meinen Spionen unter den Ketzern höre. Aber ich nehme an, dass es überhaupt keine lebenden Schiffe gibt.« Er wurde dreister, als er fortfuhr. »Stattdessen nehme ich an, dass unsere Korallenskipper-Piloten Opfer der Jeedai und ihrer Geistestricks wurden.«
Drathul gestikulierte zornig zu dem Villip-Bild des lebenden Schiffs. »Sie tun das als Geistestrick eines Jeedai ab?«
Shimrra grinste manisch. »Antworten Sie Ihrem Vorgesetzten, Präfekt Nom Anor.«
Nom Anor richtete sich gerade auf. »Warum nicht? Wir wissen, dass sie imstande sind, falsche Bilder zu projizieren und denen, die sie manipulieren möchten, Worte in den Mund zu legen. Wir wissen auch, dass sie schon in der Vergangenheit mehrmals unsere Yammosks verwirrten.«
Shimrra sprach weiter, bevor Drathul etwas einwenden konnte. »Präfekt Nom Anor ist für seinen Einfallsreichtum zu bewundern. Aber tatsächlich ist das Schiff, das unsere Villips uns zeigen, kein Geistestrick. Um die Frage des Hohen Priesters Jakan zu beantworten: Die Götter haben den lebenden Planeten die Schaffung dieser Monstrositäten gelehrt. Aber die Jeedai sind nicht verantwortlich.« Er hielt einen Augenblick inne, dann sagte er: »Es sind die Ketzer, die diese letzte Prüfung über uns brachten. Die Götter wünschen nicht, uns diese Galaxis zu schenken, solange noch Ketzer und Beschämte frei unter uns wandeln. Sie werden nicht erlauben, dass wir das Giftschiff ins Ziel bringen, ehe wir Yuuzhan’tar ins Gleichgewicht brachten.«
Onimi kam zur Mitte der Halle geschlurft. »Großer«, begann er. »Unsere Himmel wurden gebrochen, unser Land verdorben; diese ketzerischen Schwätzer können wir später …«
»Es genügt jetzt mit deinen dreisten Reden, Beschämter!«, schnitt Shimrra ihm das Wort ab. »Nur durch mein Wohlwollen wurde dir ein Leben erspart, wie es andere deiner Art führen. Zweifelst auch du an mir? Hast auch du Angst vor der Niederlage und willst plötzlich an die Seite der Ketzer eilen?«
Onimi fiel vor dem Thron nieder. »Ich bleibe Ihr untertänigster Diener, Herr.«
Shimrra ignorierte ihn. »Die Ketzer müssen ausgelöscht werden!« Er wandte sich dem Kommandanten der Schlächter zu. »Die halbe Zitadellengarnison an Kriegern wird dem Kommando von Präfekt Nom Anor unterstellt. Er wird sie gegen die Ketzer und gegen die Beschämten führen. Keiner von ihnen wird am Leben bleiben!«
»Ihr Wille wird geschehen, großer Herr«, sagte der Kommandant. Gemeinsam drehten die Schlächter sich um und entboten Nom Anor einen Gruß.
Drathul blickte in immer größer werdendem Erstaunen von Nom Anor zu Shimrra. »Aber was wird aus Yuuzhan’tar, Herr? Unsere Dovin Basale sind überwältigt. Der Feind hat ein Sieb aus unserem Himmel …«
»Ich werde mit denen, die unsere Erde schänden, schon fertig werden.« Shimrras Blick fiel auf Jakan, Qelah Kwaad und Drathul. »Ihr geht zum Schacht des Welthirns. Ich werde mit ihm kommunizieren und es auf eure Ankunft vorbereiten.«
»Was dann?«, wollte Jakan wissen.
»Immer mit der Ruhe, Priester.«
Mit einer Bewegung seiner Fingerspitzen entließ Shimrra alle, einschließlich Onimi. Als die Elite die Halle verließ, zog Drathul Nom Anor beiseite.
»Wir wissen, dass Kommandant Elch’m Val ein sekotanisches Schiff nach Yuuzhan’tar gebracht hat«, zischte er. »Sie hatten die Gelegenheit, Shimrras Farce ein Ende zu machen. In wessen Dienst stehen Sie jetzt, wenn Sie die Wahrheit verbergen, wo doch unsere Zukunft in der Schwebe hängt?«
»Ich diene mir selbst«, sagte Nom Anor gleichmütig.
Drathul stieß ihn zurück. »Wie immer. Ich würde Sie jetzt töten, wenn Ihre neue Legion von Leibwächtern nicht wäre. Aber Sie werden sterben, bevor dieser Tag vorüber ist, Nom Anor. Wenn nicht durch meine Hand, dann durch andere.«
Nom Anor warf einen Blick zu Jakan, dann zu Qelah Kwaad und schließlich zu Onimi, der ihn aus nächster Nähe beobachtete. »Stellen Sie sich hinten an, Hochpräfekt«, sagte er schließlich. »Es fehlt mir nicht an Feinden.«
Ein menschlicher Soldat schlug mit der behandschuhten Hand gegen die runde Sichtluke von Jags auf dem Kopf stehenden Klauenjäger. »Eine Minute noch, Junge«, rief er.
Plötzlich öffnete sich die Zugangsluke über − oder unter − Jags Kopf, und mehrere Händepaare griffen in das Cockpit, um ihn aus dem Absturznetzring, der ihn am Sitz festhielt, zu nehmen.
»Und herunter«, sagte derselbe Mann, der an die Sichtluke geschlagen hatte.
Jag gestattete sich, in die erhobenen Hände seiner Retter zu sinken und sich weiter von ihnen stützen zu lassen, während man ihn auf die Beine stellte. Die Welt drehte sich um ihn, und das Blut, das sich in seinem Kopf gesammelt hatte, floss wieder dorthin, wohin es gehörte. Jemand nahm Jags Helm ab und steckte die Mundöffnung einer Feldflasche an seine Lippen.
Als der lange Augenblick des Schwindels schließlich verging, sah er, dass der Klauenjäger − ohne drei seiner weiten krallenförmigen Solarpaneele − mit dem Kopf nach unten in einem Hain von Obstbäumen gelandet war, der sich aus der Mitte eines nässenden Villip-Feldes erhob. Die Soldaten rings um ihn trugen Düsenpacks, holosendende Helme und Kampfschutzanzüge. Durch das Durcheinander von Zweigen über seinem Kopf gesehen, wurde Coruscants blau und rot angelaufener Himmel von Kondensstreifen, Meteoren und zahllosen zur Erde stürzenden Korallenskippern und Sternjägern zerrissen. Explosionen flackerten hinter umherhuschenden Wolken von grauem Rauch.
Rauch lag auch über dem übel riechenden Villip-Feld, und aus allen Richtungen ertönten Explosionen von Druckgeschossen und Torpedos, das Zischen von Laserstrahlen, das dem von Yuuzhan-Vong-Tieren und die blutdürstigen Schreie der Krieger − alles hallte wider von den Yorikkorallenvorsprüngen und den verschlungenen Passagen einstmals großartiger Weltraumkratzer.
»Hat er sich wehgetan?«, fragte jemand laut genug, um über dem Tumult hörbar zu sein.
Jag erkannte das faltige Gesicht von Captain Judder Page unter der Tarnfarbe. Der junge Pilot tastete sich ab. »Ich bin unverletzt.«
Page fuhr zu seinem Kommunikationsadjutanten herum. »Informieren Sie die Sternjägerkontrolle auf der Wild Karrde, dass Colonel Fel gelandet und wieder auf den Beinen ist.«
»Achtung!«, erklang eine entfernte Stimme. Page und die anderen zogen Jag zu Boden, einen Augenblick bevor ein Schwarm von Knall- und Messerkäfern durch die Bäume fegte, Blätter und oval geformtes Obst von den Ästen und ganze Zweige abriss. Zwei ohrenbetäubende Explosionen folgten, dann wurde der Biotenstrom geringer.
Ein Geschwader von schwarz gestreiften hellgelben X-Flüglern kam über die Bäume gefegt und schoss die Vierfachlaser auf ein unsichtbares Ziel ab. Page, Jag und die anderen duckten sich erneut, dann kamen sie langsam wieder hoch. Kampfdroiden in Laminanium-Rüstungen hatten einen Kreis um den Rand der Bäume gebildet. Nahe bei Jags Klauenjäger waren zwei Medizindroiden damit beschäftigt, die Wunden von einem Dutzend Menschen und Bothan zu verbinden.
Page streckte die Hand aus. »Ich bin Captain …«
»Ich weiß, wer Sie sind«, sagte Jag. »Danke, dass Sie mir zu Hilfe gekommen sind.«
Page tat die Dankbarkeit ab und zeigte auf die Männer rechts und links von ihm. »Garik Loran und Kell Tainer.«
»Gespenster-Staffel«, sagte Jag und schüttelte den beiden die Hände. »Ich bin Ihnen beiden auf Borleias begegnet.« Er warf Page einen Blick zu. »Direkt bevor mein Klauenjäger getroffen wurde, sah ich, wie der zweite Transporter abstürzte.«
Page nickte grimmig. »Die Grutschyna haben ihn überfallen und sich durch den Rumpf gebissen. Wir haben eine Einheit ausgeschickt, um die Schlucht nach Überlebenden zu durchsuchen.«
»Captain Page«, unterbrach ihn ein junger Bothan. »Wir haben Kontakt zu den Eingeborenen aufgenommen.«
Jag, Page und die beiden von der Gespenster-Staffel drehten sich um und sahen vier Yuuzhan-Vong-Männer, die herbeigeführt wurden. Die Humanoiden waren, verglichen mit den meisten Yuuzhan-Vong-Kriegern, die Jag gesehen hatte, kaum vernarbt, aber alle hatten auffällige Deformationen, einige im Gesicht, andere an den Gliedern.
Beschämte, dachte er.
Der Größte und Deformierteste der vier brachte so etwas wie einen Allianz-Gruß zustande. »Bringt uns zu euren Anführern«, sagte er auf Basic, als hätte er es auswendig gelernt. Garik Loran und Kell Tainer wechselten einen skeptischen Blick. »Wer hat ihnen das beigebracht?«, fragte Loran.
»Ich war das«, antwortete jemand mit einem knappen Coruscant-Akzent.
Ein hochgewachsener, schlanker, dunkelhaariger Mensch erschien unter den Bäumen und strahlte die beiden Gespenster an.
»Sohn eines Blasters«, sagte Tainer lächelnd.
Jag war vertraut mit dem Namen Baljos Arnjak. Arnjak gehörte ebenfalls zu den Gespenstern und war auf Coruscant zurückgeblieben, nachdem vor beinahe zwei Jahren eine vereinte Gespenster-Jedi-Infiltrationsmission stattgefunden hatte. Bei ihm war ein dünner, aber gut aussehender Mann in mittleren Jahren mit rötlichem Haar, regelmäßigen Zähnen und tief gebräunter Haut.
Mit einem breiten Grinsen schüttelte Page sofort die Hände des Mannes, dann zog er ihn in eine Umarmung. »Ich war immer überzeugt, dass du überleben würdest«, sagte Page, als die beiden wieder voneinander wegtraten.
Der gut aussehende Mann deutete auf die vier Yuuzhan Vong. »Dank ihnen habe ich das auch. Ihre Ketzer-Gruppe hat mich und einen Haufen anderer vor der Opferung gerettet.«
Page wandte sich Jag zu. »Fel, darf ich Ihnen Major Pash Cracken vorstellen?«
Jag nickte zum Gruß. Coruscant fühlte sich plötzlich an wie ein Veteranenheim.
»Wie lange werden wir brauchen, um Westport zu erreichen?«, sagte Page.
»Es hätte etwa eine Stunde gebraucht, aber wir sind zu spät.« Cracken winkte allen, ihm an die Peripherie zu folgen. Dort angekommen zeigte er auf den nördlichen Horizont, der inzwischen eine solide Bank aus aufsteigendem Rauch bildete.
»Ihr gesamter heiliger Bezirk geht in Flammen auf«, sagte Cracken.
Page drückte Jag einen Blaster in die behandschuhte rechte Hand. »Willkommen bei meinen Kommandosoldaten, Colonel.«
»Die Feuer sind Shimrras Tat«, sagte Harrar. »Der Höchste Oberlord hat das Welthirn gebeten, Yuuzhan’tar in Flammen zu setzen − damit niemand es besetzen kann.«
Der Priester klang verzweifelt. »Shimrra hätte das nicht getan, wenn er keine Niederlage befürchtete. Entweder das, oder die Nähe zu Zonama Sekot hat ihn um den Verstand gebracht.«
»Ob er nun verrückt ist oder verzweifelt, wir haben ihn allemal in die Flucht gejagt«, sagte Han entzückt.
Harrar warf jenen, die ihn umgaben, einen Blick zu. Dem zustimmenden Nicken nach zu urteilen, drückte der immer unterhaltsame und manchmal etwas verwirrende Han Solo die Gefühle von allen aus, die sich auf der Landeplattform versammelt hatten − die von seiner Frau Leia, Meister Luke Skywalker und seiner Frau Mara, den Zwillingen Jacen und Jaina, der von den Yuuzhan Vong gestalteten Tahiri, des stetig denkenden Jedi Kenth Hamner, Zonama Sekots Magistra Jabitha, der zwei numerisch benannten Maschinenintelligenzen − Droiden −, die manchmal so lebendig wie ihre Hersteller und Besitzer schienen, und die der beiden Noghri, die gleichzeitig Leibwächter, Vertraute und Freunde waren.
Die restlichen Jedi waren in den sekotanischen Schiffen zum Himmel aufgestiegen oder von einem Shuttle zu ihren Kriegsschiffen im Orbit gebracht worden. Han Solo hatte die Schwerkraft zusammen mit den Wilden Rittern besiegt, aber nur, um seinen zerschlagenen Frachter, den Millennium Falken, zu holen, der nun mit Sekots Erlaubnis auf seinen Landescheiben parkte und sich neben Mara Skywalkers Jadeschatten aufwärmte. Sie hatten von Booster Terrik, dem letzten Glied in einer Kommunikationskette, die mit dem Kommandoteam begann, das Yuuzhan’tars Verteidigung durchbrochen hatte, von den Bränden gehört.
»Wie konnte selbst Shimrra das Dhuryam überreden, Yuuzhan’tar solchen Schaden zuzufügen?«, fragte Jacen.
»Alles, was Yuuzhan Vong ist, gehorcht Shimrra«, sagte Harrar. »Das Dhuryam ist verantwortlich für die Aktivität aller unserer Planeten formenden Bioten. Es ist kein Diener, sondern ein Partner − es ist vollständig intelligent, vollständig bewusst und fähig, Entscheidungen aufgrund von Informationen zu treffen, die es durch telepathisch verbundene Geschöpfe oder vom Höchsten Oberlord selbst erhält. Aber Shimrra hat das Dhuryam vielleicht überreden können, dass intensive Feuer gebraucht werden, um verborgene Saatkapseln zu öffnen, damit die Bäume Ersatz für die in den kürzlichen Erdbeben verloren gegangenen Exemplare schaffen können. Er hat dem Dhuryam vielleicht nahegelegt, es soll Lichtungen in den Wäldern schaffen, damit die Setzlinge zusätzliches Licht erhalten, und zusätzlich Nahrung durch Bäume, die durch die Feuer gefällt und zu Asche reduziert wurden.«
»Umso mehr Grund, jetzt sofort zu Shimrra vorzudringen«, sagte Han und begann, unruhig vor der Landerampe des Millennium Falken auf und ab zu gehen. »Wenn Page seine Transporter an den Dovin Basalen vorbeigebracht hat, bekomme ich auch den Falken durch.«
Harrar schüttelte den Kopf.
»Was ist jetzt schon wieder?«, fragte Han und legte ungeduldig die Hände in die Hüften.
»Shimrra gefangen zu nehmen oder zu töten genügt vielleicht nicht, um den Planeten zu retten. Wenn das Welthirn etwas unternimmt, lässt es sich oft nicht rückgängig machen. Wenn ihm erst die Aufgabe gestellt wurde, kann es seinen Plan nicht mehr ändern − selbst Shimrra kann das nicht.« Harrar warf den Skywalkers einen Blick zu. »Wenn Sie Ihre Hauptwelt retten wollen, muss das Hirn zerstört werden.«
»Das geht nicht, Harrar«, fauchte Jacen.
Harrar sah den jungen Jedi an. »Dann gehen Sie zu ihm und überzeugen Sie es von etwas anderem.«
»Wir werden es tun«, sagte Han plötzlich und griff nach Leias rechter Hand. Da ihn die anderen Jedi, Magistra Jabitha und zwei Droiden plötzlich alarmiert anschauten, fügte er hinzu. »Glaubtet Ihr, wir fliegen Euch nur hin, oder wie?« Er wies mit dem Daumen auf den Millennium Falken. »Dieses Schiff ist kein Lufttaxi.« Er schnaubte bedauernd, dann wurde er ernst. »Außerdem haben wir alle zusammen am Äußeren Rand angefangen, und wir werden zusammen ein Ende finden.«
»Oder er heißt nicht Han Solo«, sagte Leia auf eine Weise, die Amusement und Resignation vereinte.
Han grinste schief. »Du nimmst mir die Worte aus dem Mund.«