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Han und Leia hatten gerade Plätze in der Messe gefunden, als Major Ummar ihnen die Nachricht brachte, dass General Cracken die Informationsbesprechung leiten würde.

»So viel zu einer echten Mahlzeit«, sagte Han.

Leia seufzte. »Ich lasse 3PO später etwas für uns vorbereiten.«

»Ein hervorragender Appetitzügler.«

Als die Solos eintrafen, war das taktische Informationszentrum der Basis bereits bis zum Bersten voll mit Geheimdienstleuten, Schiffsoffizieren und Geschwaderkommandanten. Crackens Adjutantin begleitete Han und Leia die breiten, mit einem Teppich belegten Amphitheaterstufen nach unten zu Plätzen in der ersten Reihe. Auf der Bühne saßen Wedge und drei Colonels − zwei Bothan und ein Sullustaner.

Airen Cracken, fünfundsiebzig Jahre alt, stand an einem Lesepult.

»Als Erstes möchte ich Ihnen allen danken, dass Sie so schnell hergekommen sind. Wenn mehr Zeit wäre, hätte ich diese Information in der Besprechung weitergegeben, die für morgen angesetzt wurde, aber da die HoloNetz-Kommunikation sabotiert ist, müssen wir sofort Kuriere aussenden, wenn wir diese Operation durchziehen wollen.«

Cracken aktivierte einen Schalter auf der schrägen Oberseite des Pults, und links von ihm erschien eine Holoprojektion, die einen unidentifizierten Sektor der Galaxis zeigte. Cracken benutzte einen Laserstift, um auf ein Sternsystem im oberen rechten Quadranten zu zeigen, das größer wurde, als der rote Strahl des Stifts den zischelnden Knoten des Holos berührte.

»Das Tantara-System«, fuhr Cracken fort, »von Bilbringi aus gesehen in Richtung Kern gelegen. Die Hauptsterne sind Centis Major und Renaant. Die nächste bewohnbare Welt − derzeit von den Yuuzhan Vong besetzt − ist Selvaris.«

Cracken nickte Han und Leia zu, dann deutete er auf die beiden. »Captain Solo und Prinzessin Leia sind gerade von Selvaris zurückgekehrt. Es ist ihnen gelungen, einen Gefangenen zu retten, der aus einem feindlichen Lager entkam, das auf der Oberfläche erbaut wurde. Unter jenen, die wir als Mitgefangene im Lager identifizieren konnten, sind auch Captain Judder Page aus Corulag und mein eigener Sohn Major Pash Cracken.«

Ein Murmeln echter Überraschung ging durch den Raum.

»Wie kommt es, dass uns das niemand mitgeteilt hat?«, fragte Han Leia aus dem Mundwinkel.

Sie brachte ihn sanft zum Schweigen. »Hören wir Airen zumindest zu, bevor wir anfangen, Ärger zu machen.«

»Also gut«, sagte Han. »Aber nur dieses eine Mal.«

»Eine Widerstandsgruppe, die auf Selvaris operiert, konnte wichtige Informationen beschaffen und sie an Captain Page und Major Cracken weitergeben, die derzeit die ranghöchsten Offiziere der Allianz in dem Gefangenenlager sind. Die Informationen wurden als komplizierte mathematische Formel verschlüsselt, und ein Jenet-Flüchtling konnte sie vor zwei Stunden übermitteln. Sie wurde seitdem entschlüsselt und übermittelt uns Einzelheiten einer Mission der Friedensbrigade nach Coruscant, die mehrere Hundert Würdenträger der Allianz und hochrangige Offiziere von Selvaris und einem Dutzend anderer Lager am Rand des Invasionskorridors der Yuuzhan Vong dort abliefern wird. Wir wissen nun, wann die Gefangenen abgeholt werden, und wir kennen die Route, die der Konvoi der Friedensbrigade benutzt, um Coruscant zu erreichen. Wir kennen den Grund für diese massenhafte Verlegung noch nicht, haben aber eine Vermutung.«

»Kein Wunder, wenn Wedge sagt, dass viel auf dem Spiel steht«, flüsterte Han. »Einige der Offiziere, von denen Cracken spricht, wurden wahrscheinlich während des Versuchs, Bilbringi wieder einzunehmen, gefangen genommen.«

Wedge trat an das Pult und übernahm von Cracken.

»Spione der Allianz innerhalb der Friedensbrigade haben das Oberkommando auf Mon Calamari alarmiert, dass eine religiöse Zeremonie der Yuuzhan Vong von großer Bedeutung innerhalb der kommenden Standardwoche auf Coruscant angesetzt ist. Der Zweck dieser Zeremonie ist unklar. Es könnte der Jahrestag eines historischen Ereignisses sein, oder vielleicht besteht der Sinn auch darin, die wachsende Flut von Unzufriedenheit einzudämmen, die Coruscant befallen hat. Der Zweck ist auch unwichtig, denn wir gehen davon aus, das man die Gefangenen auf jeden Fall bei dieser Zeremonie opfern wird.«

Heftiges Gemurmel brach im Amphitheater aus. Leia blendete es aus, um die tragischen Nachrichten schweigend aufzunehmen.

Beinahe seit Beginn des Krieges hatte die aufrührerische Friedensbrigade alles transportiert, von Amphistäben im Winterschlaf bis zu Gefangenen für Opfer. Es handelte sich bei ihnen um Abtrünnige aller möglichen Spezies, und es gab nichts, was sie nicht für Credits und ein gewisses Maß an Freiheit tun würden. Aber inzwischen brachte es nur noch wenig Profit, zur Brigade zu gehören. Jene, die nicht von Leuten der Allianz gejagt und getötet wurden, starben für gewöhnlich von der Hand der Yuuzhan Vong selbst. Und ganz gleich, wie der Krieg verlief, sie würden auf der Seite der Verlierer stehen − nutzlos für die Yuuzhan Vong, Verräter für die Allianz. Aber das schien nicht zu zählen. Die Friedensbrigadisten lebten für den Augenblick, für Credits, Aufregung und Gewürz.

»Alle hier wissen, dass zahllose Leben ihr Ende auf Scheiterhaufen der Yuuzhan Vong fanden«, sagte Wedge. »Aber es ist von großer Wichtigkeit, dass dieser Konvoi Coruscant nicht erreicht. In der Vergangenheit haben wir oft versucht, Leben zu retten, das war immer unser Mandat. Wir haben oft versagt, weil wir falsche Informationen erhielten − oder wegen der überwältigenden Kraft des Feindes. Und einige von Ihnen fragen sich wahrscheinlich: warum gerade dieser Konvoi? Die Antwort ist einfach: Weil viele Gefangene − unter anderem auch Captain Page und Major Cracken − unbedingt gebraucht werden, um Unterstützung in planetaren Sektoren zu gewinnen, die kurz davor stehen, sich dem Feind zu ergeben. Zusätzlich werden wir auch unsere Agenten aus der Friedensbrigade entfernen müssen, weil ihre Deckung auffliegen wird. Und wir müssen diese Rettungsaktion durchführen, ohne den Vorteil zu haben, unsere Operationen durch das HoloNetz koordinieren zu können.«

Wedge wartete darauf, dass es im Amphitheater wieder ruhiger wurde.

»Selvaris ist der letzte Aufenthaltsort, bevor der Konvoi nach Coruscant springt, also muss unser Hinterhalt warten, bis man die Gefangenen auf die Schiffe gebracht hat. Wenn man die vernichtenden Verluste bedenkt, die die Friedensbrigade vor einem Jahr auf Ylesia und Duro hinnehmen musste, ist anzunehmen, dass der Konvoi von Kriegsschiffen der Yuuzhan Vong begleitet und vervollständigt wird. Die Admirale Sovv und Kre’fey haben bereits die Schwarzmonde, Säbel, Zwillingssonnen und andere Staffeln von Sternjägern für die Mission abgestellt. Die Sternjäger werden unsere Kanonenboote unterstützen und auch die Transporter, die wir für die Gefangenen benötigen. Captain Solo und Prinzessin Leia haben den Millennium Falken ebenfalls für diesen Zweck zur Verfügung gestellt.«

Leia sah Han aus großen Augen an. »Wann ist denn das passiert?«

»Ich, äh, habe wohl zuvor etwas zu Wedge gesagt.«

»Du wusstest nicht einmal, worum es bei der Mission geht.«

Han grinste schief. »Ich sagte, er könne uns bei allem einsetzen, was er für sinnvoll hält.«

Leia holte tief Luft und wandte sich wieder nach vorn. Sehr zu ihrem wachsenden Unbehagen hatte Han sich angewöhnt, sich allen gefährlichen Missionen anzuschließen, die das Oberkommando der Galaktischen Allianz ausheckte. Es war, als hätten die Erfolge im Koornacht-Cluster, bei Bakura und auf Esfandia Hans Pumpe nur geölt, als wären sie nichts als ein Aufwärmen für ein paar großartigere Missionen gewesen, bei denen er die Yuuzhan Vong höchstpersönlich besiegte − oder zumindest in Partnerschaft mit Leia.

Aber der Krieg hatte seinen Preis gefordert, beginnend mit Chewbaccas Tod, und seinen Höhepunkt in den tragischen Ereignissen von Myrkr gefunden, wo ihr jüngerer Sohn Anakin ums Leben gekommen war, wo man ihren älteren Sohn Jacen gefangen genommen und ihre Tochter Jaina ihren Schmerz zu einem Schwert der Rache geformt hatte, das sie an den Rand der Dunklen Seite getrieben und sie beinahe ebenfalls das Leben gekostet hätte.

Leia wusste tief im Herzen, dass sie und Han einander näherstanden als je zuvor. Aber die ununterbrochenen Einsätze waren erschöpfend gewesen, und in der letzten Zeit hatte es zu viele Beinahe-Tode gegeben. Manchmal wünschte sie sich, sie könnte ihre verstreute Familie sammeln und zu einer abgelegenen Ecke der Galaxis bringen, die vom Krieg nicht berührt wurde. Aber selbst auf die geringe Chance hin, dass eine solche Ecke existierte, würde Han nicht einen Augenblick daran denken zu verschwinden, besonders jetzt nicht, wo das HoloNetz sabotiert war und man begabte Piloten mit schnellen Schiffen nötiger brauchte als je zuvor.

Bevor diese sichere Ecke je gefunden und als ihre eigene beansprucht werden konnte − bevor die Galaxis einen dauerhaften Frieden kennen lernte, würden Leia und Han den Krieg bis zum bitteren Ende führen müssen.

Sie hörte, wie Wedge gerade seine Bemerkungen abschloss.

»Wir sind allerdings noch aus einem zusätzlichen Grund, der gleichermaßen wichtig ist, der Mission verpflichtet. Und das ist die Hoffnung, dass eine Rettungsaktion von solchem Umfang das bevorstehende Opfer verderben wird.« Wedges Miene wurde hart, als er die Versammelten ansah. »Immer, wenn wir Shimrra Schmerz zufügen können, wird dies Coruscant weiter destabilisieren und uns Möglichkeiten geben, unsere Streitkräfte wieder aufzubauen und für die Sicherheit jener zu sorgen, die der Krieg noch nicht vernichten konnte.«

 

Es regnete Insekten auf Yuuzhan’tar − dem ehemaligen Coruscant, einstmals leuchtendes Zentrum, nun geschändet von Krieg und durch die Yuuzhan Vong verändert zu einem wilden Garten. Grüner Wuchs schoß sich durch Nebel in Adern, die einmal Schluchten zwischen kilometerhohen Megastrukturen gewesen waren. Neu gebildete Seen und Becken, die durch den Sturz gewaltiger Türme und Orbitalplattformen entstanden waren, flossen von Wasser über, das früher einmal von Asteroiden gebracht worden war, aber nun regelmäßig von einem lila Himmel fiel.

Für einige war Yuuzhan’tar, die »Wiege der Götter«, ein Planet, der zu seinem ehemaligen Glanz zurückgekehrt war, verloren und wiederentdeckt und viel lebendiger, seitdem er erobert, näher an die Sonne herangebracht worden war und man drei seiner Monde abgelenkt und zurückgegeben und den vierten pulverisiert hatte, um einen geflochtenen Ring zu bilden, eine Brücke aus übernatürlichem Licht, über die die Götter in gelassener Meditation schritten.

Und dennoch regneten Insekten auf die mit Regenbögen geschmückte Weltschiff-Zitadelle des Höchsten Oberlords − seinen heiligen Berg, der sich von seiner Yorikkorallenwiege erhob, um zu überragen, was einmal der dichtestbevölkerte und wichtigste Teil des galaktischen Hauptplaneten gewesen war. Ein gnadenloses Prasseln von fallenden Leichen, die klangen wie tausend Trommler, die unterschiedliche Rhythmen spielten.

Die Gestankkäfer hinterließen Flecken auf der Kuppel der Halle der Versammlung und den organischen Brücken, die die Halle mit anderen heiligen Orten verbanden. Diese Seuche war auf der anderen Seite von Yuuzhan’tar entstanden, aufgrund eines Fehlers, den das Welthirn machte, und nun starben die Geschöpfe wegen eines weiteren Fehlers des Dhuryam. Es stank rings um die Zitadelle, und der Boden war glitschig von zertrampelten Kadavern.

Die Atmosphäre in der großen Halle war ernst. Sie war ein Ort der Versammlung für die Elite der Yuuzhan Vong und wurde definiert von einem gebogenen Dach, das von Säulen aus Knochen gestützt wurde. Sie war breit an den vier Portalen, wo die Mitglieder hoher Kasten eintraten, und betonte das gegenüberliegende Ende, wo Shimrra auf einem pulsierenden scharlachroten Thron saß, gestützt von Hau-Polypen. Dovin Basale erhöhten das Gefühl von Schwerkraft, als bewegte man sich einen Hügel hinauf, je näher man Shimrras Thron mit dem Stachelrücken kam.

Und dennoch war die Atmosphäre in der Halle grüblerisch und still.

Eine kniende Versammlung von Priestern, Kriegern, Gestaltern und Verwaltern wartete darauf, dass der Höchste Oberlord etwas sagte, aber lange Zeit wurde die brütende Stille nur unterbrochen von dem Geräusch der Insekten, die auf dem Dach aufschlugen oder von den Dämmen in der Nähe in die Mäuler von einem Dutzend May Luur gefegt wurden. »Man fragt sich: Wo haben wir geirrt?«, sagte Shimrra schließlich. »Liegt der Fehler bei den Säuberungen, den Opfern, den Eroberungen? Werden wir geprüft von den Göttern, oder haben sie uns verlassen? Ist Shimrra immer noch euer Kanal, oder wurde er zu einer Last? Ihr seid so beschäftigt mit euren Ängsten über das Gleichgewicht und das Durcheinander! Ihr fragt euch, ob wir alle in den Augen der Götter zu Beschämten wurden − verachtet, abgelehnt, ausgestoßen wegen unseres Stolzes und unserer Unfähigkeit, uns durchzusetzen.«

Shimrra hielt inne, um sich in der Halle umzusehen, dann fragte er: »Glaubt ihr, dass euer Misstrauen gegen mich, eure geflüsterten Zweifel, unserer edlen Sache nutzen? Wenn ich euch hören kann, was denken dann die Götter, die in jeden von euch schauen? Ich werde euch sagen, was die Götter zueinander sagen: Sie haben den Glauben an den einen verloren, den wir auf den Polypenthron setzten. Und indem sie am Höchsten Oberlord, unserer Verbindung zu ihnen, zweifeln, bezweifeln sie auch uns.

Und daher schicken die Götter ihren Kindern Seuchen und Niederlagen − nicht, um mich zu kasteien, sondern um zu demonstrieren, wo ihr versagt, wo ihr euch von ihnen abgewandt habt.«

Shimrras schwarz-graues Zeremonialgewand war die abgezogene und erhaltene Haut des ersten Höchsten Oberlords.

Sein massiver Kopf war mit Mustern versehen, seine Züge neu arrangiert, um einen göttlichen Aspekt nahezulegen: Die Augen waren weiter, dem Mund die Biegung genommen, die Stirn war verlängert, die Ohrläppchen gestreckt, das Kinn zu einer Spitze verengt wie die Halle der Versammlung selbst. Und in den Augenhöhlen blitzten Mqaaq’t-Implantate, die ihre Farbe nach Shimrras Stimmung wechselten. Die Finger seiner riesigen rechten Hand klammerten sich um einen scharfzahnigen Amphistab, der sein Zepter der Macht darstellte.

Unter dem Thron aus Yorikkorallen saß sein beschämter Vertrauter Onimi, teils Haustier, teils Verkünder von Wahrheiten, die nur wenige auszusprechen wagten.

Es war durch ein Netz von lauschenden Bioten und tatsächlichen Spionen an Shimrras Ohren gedrungen, dass einige seiner Gegner behaupteten, er habe die Gunst der Götter verloren − eine eher ironische als gefährliche Spekulation, da Shimrra schon lange nicht mehr wirklich an irgendeine Macht glaubte, nur noch an die, die er selbst als Höchster Oberlord ausübte.

Dennoch, es gab unbezweifelbare Gründe zu fürchten, dass er die Gunst nicht mehr besaß. Der langsame Verlauf der Eroberung, eine Juckseuche, die mit Shimrras Eintreffen auf Yuuzhan’tar zusammengefallen war, eine immer noch andauernde Ketzerbewegung, die katastrophale Niederlage bei Ebaq 9, der Verrat der Priesterin Ngaaluh, ein Versuch, Shimrra umzubringen … Viele glaubten, diese Rückschläge seien von den Göttern selbst als Warnung an den Höchsten Oberlord inszeniert, weil er zu großartig und zu stolz geworden war.

Er, der diese Galaxis als auserwähltes Reich für die lange umherwandernden, heimatlosen Yuuzhan Vong bezeichnet hatte.

Um die besorgten Angehörigen der Elite optimistischer zu stimmen, hatte Shimrra erlaubt, dass seine Erklärungen und Äußerungen vier Seherinnen vorgelegt wurden − einer aus jeder Kaste, einer für jeden wichtigeren Gott. Schwarze Mitternachtshexen, die dicht am Thron saßen. Sie wagten es nicht, Shimrra herauszufordern, außer durch Händeringen, Gebete und andere Gesten, die die Götter anflehten, freundlich auf Yuuzhan’tar herabzublicken.

»Ihr widert mich an«, sagte er nun zu ihnen. »Ihr glaubt, dass ich Lästerungen von mir gebe. Ihr windet euch und duckt euch, denn ihr wisst, dass ich die Wahrheit sage, und diese Wahrheit erschüttert euch bis ins Innerste. Es würde euch gut anstehen, noch mehr von euch selbst in Buße und im Gebet abzuhacken. Gebt alles, und es wird immer noch nicht genügen.« Er blickte hinab zu Onimi. »Ihr glaubt, ich spreche in Rätseln wie der da.«

Onimis Entstellungen waren nicht seiner Geburt zu verdanken, sondern seiner Abweisung durch die Götter. Er war einmal ein Gestalter gewesen, aber jetzt stellte er kaum mehr dar als einen verformten Narren, ein Auge, das tief unter dem anderen hing, ein gelber Reißzahn, der aus einem verzogenen Mund ragte, ein Teil des Schädels verzogen, so als wäre der Vaa-Tumor der Gestalter nicht richtig angewachsen. Er war groß und schlank, und seine Glieder zuckten ununterbrochen, umhergerissen von den Göttern, wie sie es vielleicht mit einer Marionette tun würden.

Shimrra gab ein Geräusch zorniger Ungeduld von sich. »Tretet vor, Von Shul aus der Domäne Shul, und Melaan Nar aus der Domäne Nar.«

Die beiden Konsuln − Verwalter der mittleren Ebene − kamen ein paar Meter auf den Knien. »Ich habe über eure gegenseitigen Beschwerden nachgedacht«, sagte Shimrra, als der Dovin Basal des Thrones die Gesichter der Konsuln zu Boden zwang, »und nun erkläre ich, dass ihr sie beiseiteschieben werdet. Ich verlange außerdem, dass ihr die Energie, die euren Zorn antreibt, zu etwas umformt, das unserer Sache dient. Ihr behauptet beide, dass eure Probleme miteinander hier begannen, auf Yuuzhan’tar, wie so viele kleinliche Rivalitäten zwischen einer Domäne und der anderen. Aber das ist nichts als Tarnung. Ich weiß, dass euer Disput seine Wurzeln schon in unserer langen Wanderung durch den intergalaktischen Raum hat und dass dieser Disput hier wieder erschien. Aber man kann euch nicht allein die Schuld geben.

Da wir keine Kriege zu führen hatten, blieb uns wenig, als uns gegeneinander zu wenden, einander zu opfern, um die Gunst meines Vorgängers Quoreal zu wetteifern und hinter dem Rücken der anderen Bosheiten von uns zu geben. Die Götter waren vergessen. Ihr habt die Geduld verloren, ihr habt euch Sorgen gemacht, ihr habt geglaubt, die Götter hätten uns verlassen − weil unser lange gesuchtes Heim nirgendwo zu finden war. Und genau das tut ihr auch jetzt. Präfekt Da’Gara und die Praetorite-Domänen − was verschafften ihnen ihre ketzerischen Taten anderes als eisige Gräber auf dem kleinen Rest von Helska Vier, einem Planeten, der so weit von Yuuzhan’tar liegt, dass er sich genauso gut in der Galaxis befinden könnte, die wir zurückließen? Kein Geringerer als Kriegsmeister Czulkang Lah weigerte sich, mir zu glauben, als ich schwor, dass das Reich, das man uns versprochen hatte, in Reichweite lag, und was hat ihm das eingebracht, wenn nicht den Tod in der Schlacht, genau wie seinem Sohn, der so intensiv von seinem Hass gegen die Jeedai brannte, dass er es zuließ, in Kämpfe gezogen zu werden, die er nicht gewinnen konnte?«

Shimrra achtete nicht auf das bittere Murmeln einiger Krieger, die alle ihre zeremonielle Vonduun-Krabben-Rüstung trugen. Stattdessen fiel sein durchdringender Blick auf Kriegsmeister Nas Choka, der trotz seiner bescheidenen Gestalt edel aussah, mit feinem schwarzem Haar, das aus dem Gesicht zurückgekämmt war, und einem dünnen Bart. Choka war nach Tsavong Lahs Tod aufgestiegen, aber er wurde noch nicht überall verehrt, trotz seiner zahllosen Siege im Hutt-Raum. »Lernen Sie aus den Fehlern Ihrer Vorgänger, Kriegsmeister, und alles wird gut für Sie werden. Versagen Sie, wie es die Domäne Lah tat, und ich werde persönlich ein Exempel an Ihnen statuieren, das zukünftige Kriegsmeister zu betrachten gezwungen sind, bevor sie ihren Aufstieg annehmen.«

Nas Choka nickte, vollzog eine forsche Verbeugung und schlug mit den Fäusten an die Schultern.

Nun starrte Shimrra die besorgten Krieger an. »Viele von Ihnen halten den Präfekten Nom Anor für verantwortlich für das, was auf Ebaq Neun geschah, wegen der Fehlinformationen, deren Opfer er wurde. Ich selbst nahm das ebenfalls einige Zeit an. Aber tatsächlich lag das Versagen bei Tsavong Lah, weil er es zuließ, vom Feind an der Nase herumgeführt zu werden. Tsavong Lah glaubte, einen ehrenvollen Tod gestorben zu sein, aber ich sage, er hat uns alle beschämt.«

Mit niedergeschlagenem Blick begannen viele Krieger, sich an Ort und Stelle zu winden.

Shimrras Blick fand den Hohen Priester Jakan − gekleidet in Rot − und den Hochpräfekten Drathul, der Grau trug. »Es gibt noch andere, die ich tadeln und an ihre Verpflichtungen erinnern möchte. Aber das werde ich bei einer anderen Gelegenheit tun.«

Ein Dovin-Basal-Kissen ließ Shimrra von seinem Thron zu dem Ring aus Blütenblättern schweben, der ihn umgab, wo er wieder vom Kissen stieg. Bis zu den Knöcheln in den Blüten, hob er sein langzahniges Zepter. »Alles wird durch das kommende Opfer wieder richtiggestellt werden. Aber wir müssen uns gegen Einmischung schützen.«

»Die Ketzer, Hoher Lord«, sagte ein Priester. Shimrra machte eine geringschätzige Bewegung mit der Hand. »Die Ketzer sind nicht mehr als eine Seuche − eine Plage von Stinkkäfern, die wir jederzeit ausrotten können. Ich spreche von Einmischung durch die Nichtkonvertierten, die sich schweigend unter uns bewegen − jene, die die Bombardierung des Planeten und die Weltenformung überlebten, die Sklaven, die aus dem verwundeten Saatschiff entkamen, die das Welthirn nach Yuuzhan’tar brachten, die Widerstandskämpfer, die unseren heiligen Boden profanisieren, und die Jeedai

Wie aufs Stichwort kam Onimi auf die Beine, folgte Shimrra über den Blütenring und rezitierte:

 

»Die Beschämten sind nichts als lästige Fliegen, zumindest sieht Shimrra das so.

Die Jeedai sind es, denen sein Zorn gilt, denn sie sind fest wie Senelak-Domen

 

Als Shimrra sich umdrehte, verbeugte sich Onimi in spöttischer Galanterie. »Großer Himmelslord, wenn die Macht der Jeedai nichts weiter ist als eine Verstärkung ihrer Fähigkeiten, warum haben unsere Gestalter dann noch keine würdigeren Gegner für sie in der Kriegerkaste geschaffen?«

Shimrra starrte seinen Vertrauten wütend an und zeigte mit dem Finger auf ihn. »Du verdirbst meine Überraschung, Onimi! Aber gut, dann soll es eben so sein.« Er wandte sich den weiß gewandeten Gestaltern mit den Tentakelköpfen zu. »Lasst uns die anderen nicht länger auf die Folter spannen. Zeigt, was ihr getan habt.«

Ein makellos gekleideter Gestalter stand auf und rannte aus der Halle. Einen Augenblick später kam durch das Kriegerportal eine Gruppe von zehn Männern herein. Sie waren noch kleiner als Nas Choka und mit ruhelosen Amphistäben und gewetzten Coufees bewaffnet. Ihre robusten Körper zeigten Stengs Krallen, die schwarz von getrocknetem Blut waren.

Die zehn waren anders als die besondere Art von Kriegern, die man als Jäger kannte und denen erlaubt wurde, die fotosensible Maske der Nuun zu tragen − sie stellten etwas Neues und Beunruhigendes dar, und die Seherinnen waren die Ersten, die diese Unruhe kundtaten.

»Was für eine Besudelung ist das?«

»Bewaffnet wie Krieger, aber gekleidet wie jene, die den Göttern direkt dienen!«

»Welcher Gestalter ist dafür verantwortlich?«

Onimi schlenderte zu ihnen herüber und nahm eine hochnäsige Position ein.

 

»Um die Macht als Farce zu zeigen, wird Shimrra den Gestaltern lauschen und Soldaten aus zwei Kasten rufen. Groger Nas Choka, sie werden bestehen

 

Eine der Seherinnen versuchte vergeblich, Onimi zu schnappen, während die anderen weiter ihre Warnungen von sich gaben.

»Kein Gestalter außer mir selbst trägt die Verantwortung«, sagte Shimrra und brachte sie damit zum Schweigen. »Auf meinen Befehl sind diese Krieger entstanden. Unsere Jeedai. Ihre Aufgabe ist es, das Leben des Höchsten Oberlords zu bewachen, aber auch den Feind zu finden und ihn auszulöschen. Ihnen stehen Korallenskipper von außergewöhnlichem Entwurf zur Verteidigung, mit fortgeschrittenen Waffen und der Fähigkeit, ohne Hilfe durch den Dunkelraum zu reisen.« Shimrra hielt inne, dann fügte er hinzu: »Man wird sie Schlächter nennen, zu Ehren von Yun-Yammka.«

»Sie sehen aus wie Beschämte!«

Shimrra fuhr zu dem Krieger herum, der das gesagt hatte. »Beschämt, sagen Sie? Durch meinen Befehl wurden sie geschaffen, Höchster Kommandant Chaan − durch göttlichen Befehl! Wenn die Götter etwas dagegen hätten, hätten diese Krieger dann nicht wie Parias ausgesehen?«

Der Höchste Kommandant Chaan gab nicht nach. »Beschämte, die gestaltet wurden, um jenen ähnlich zu sehen, die von den Göttern umarmt wurden, Großer Herr. Sie verbergen ihre Deformierungen, die ihre Unwürdigkeit allen sichtbar machen würden. Ist es zu viel verlangt, dass sie einen Beweis ihrer Stellung zeigen?«

Shimrra grinste diabolisch. »Sie sind durch Ihre eigenen Worte verflucht, Kommandant. Treten Sie mit zehn Ihrer Krieger vor und tun Sie Ihr Bestes.«

»Schrecklicher Shimrra …«

»Zweifel kommen aus Ihrem Mund wie ein Tsik Vai, Kommandant! Wenn sie zu schnell geflogen kommen, dann nehmen Sie Ihre Worte zurück, oder tun Sie, was ich sagte, und stellen Sie sich ihnen!«

Chaan riss die Fäuste an die Schultern und rief zehn Krieger zu sich; Coufees, Schilde, Dreizack und Amphistäbe erwachten. Gleichzeitig schwärmten die Krieger-Priester aus, aber nur zwei traten vor.

»Zwei gegen elf«, sagte Chaan in plötzlicher Bestürzung. »Das ist vulgär! Unehre in jeder Hinsicht.«

Shimrra kehrte zu seinem Thron zurück und sagte: »Dann werden wir erfreut sein, wenn Sie sie demütigen, und sei es nur, um zu zeigen, dass unsere Gestalter versagt haben. Zerschneiden Sie sie, Kommandant, wie eine Mahlzeit für die Crofter!«

Chaan salutierte forsch.

Auf sein Nicken griffen die zehn Krieger an. Zwei Gruppen von je vier traten an die Flanken ihrer Opponenten, und die verbliebenen zwei eilten sofort vor, um die beiden Krieger in den Kampf zu verwickeln und abzulenken. Die Reaktion der Krieger-Priester war beinahe zu schnell, als dass man ihr folgen konnte. Sie wandten sich leicht zur Seite, bis sie beinahe Rücken an Rücken standen, schwangen Waffen mit beiden Händen und begegneten gleichzeitig den Angriffen von der Flanke und von vorn.

Die Amphistäbe der Angreifer schlugen auf scheinbar ungerüstete Haut, aber ohne einen Halt zu finden. Coufees schnitten und schlugen zu, und dennoch strömte beinahe kein Blut, und das wenige, das floss, gerann sofort wieder. Die Nahkampfwaffen der Verteidiger waren nicht weniger entwickelt als die kleinwüchsigen, muskulösen Krieger-Priester, die sie einsetzten. Ihre besonders gezüchteten Amphistäbe rissen ihren geringeren Vettern die Köpfe ab und stachen mit genügend Kraft zu, um zu treffen, sogar durch die Rüstung. Die Schlächter − Shimrras Jeedai sprangen, drehten sich im Flug und landeten hinter ihren Angreifern, dann stürzten sie sich auf sie, die Arme so schnell bewegend, dass sie kaum zu sehen waren, und schwarzes Blut spritzte in alle Richtungen. Einer nach dem anderen fielen Chaans Krieger in Stücke geschnitten zu Boden.

Schweigen erfasste die Halle, als die Elite der Kasten mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Schrecken zusah. Shimrra war bereits ohne diese königliche Garde machtvoll genug. Nun stellte überhaupt keine Domäne, die ihn vielleicht herausfordern wollte, mehr eine Gefahr dar.

Der Kampf war beinahe so schnell vorüber, wie er begonnen hatte, nachdem die zehn Krieger − und Chaan − blutend am Boden lagen und die beiden Krieger-Priester sich ungerührt zeigten von dem, was sie getan hatten, ihre Amphistäbe voller Blut.

Der Gestalter, der die Gruppe in die Halle geführt hatte, trat vor, um die Krieger zu untersuchen und Shimrra anzusprechen. »Die höher gewachsenen Krieger stoßen die Implantate immer noch ab. Je schneller die Metabolismusrate unserer kleiner gewachsenen Krieger ist, desto besser sind sie für die schnelle zellulare Aktivität der eingepflanzten Bioten gerüstet.«

Onimi kletterte über einen toten Krieger hinweg und schubste ihn dabei.

 

»Sehr beeindruckend, mit Flair gemacht, aber gegen einen Jeedai: Wie werden sie sich schlagen

 

Shimrra nickte der Meistergestalterin Qelah Kwaad zu. »Zeigen Sie es ihm.«

Nur wenige Angehörige der Elite boten einen so schrecklichen Anblick wie Qelah Kwaad, aber der Gegenstand, den sie nun in der achtfingrigen Kopffühler-Hand hielt, ließ ihren Kopfputz aus sich windenden Schlangen und den vorstehenden Schädel beinahe gewöhnlich wirken.

»Die Waffe der Jeedai!«, rief einer der Krieger.

»Noch mehr Ketzerei!«, sagte ein anderer.

»Halten Sie sich zurück, oder Sie verlieren Ihre Zungen!«, fauchte Shimrra. »Das ist die feindliche Klinge, die dem Jeedai abgenommen wurde, der Sie in größer Anzahl im Schacht des Welthirns tötete. Dem, den so viele von Ihnen verehren − Ganner. Denken Sie an die Klinge nicht als Abscheulichkeit, sondern als heiliges Relikt der Macht dieses Kriegers.«

»Die Meistergestalterin Kwaad hat sich selbst besudelt«, erklärte eine Seherin.

»Wenn Sie Probleme mit ihrer Vertrautheit mit der tot geborenen Technologie haben«, erwiderte Shimrra ruhig, »dann sollten Sie auch etwas gegen die Schöpfungen von Meisterin Kwaad und ihren Gestaltern haben, um die Schattenbomben des Feindes zu narren, ihre Köder-Dovin-Basale und ihre Yammosk-Störsender. Verdammen Sie auch die Mabugat Kan, die die Kommunikationseinrichtungen des Feindes gefressen haben und uns in die Lage versetzten, mehr Planeten in einem Klekket zu erobern, als seit meiner Ankunft am Äußeren Rand erobert wurden.« Er zeigte auf das Lichtschwert. »Denn diese Energieklinge wird von einem unserer eigenen Leuchtkristalle angetrieben und ist daher bereits gesegnet

Die Bemerkung genügte, um alle in der Halle zum Schweigen zu bringen.

Shimrra nickte abermals. »Machen Sie weiter, Meistergestalterin.«

Qelah Kwaad bewegte sich direkt auf einen der Schlächter zu, aktivierte das Lichtschwert, hob es zu der entgegengesetzten Schulter und ließ die violette Klinge mit einer schneidenden Bewegung diagonal über die Brust des Schlächters sausen.

Der Geruch nach verbrannter Haut drang durch die Halle.

Shimrra wandte sich den Kommandanten zu. »Nur eine Furche, wo jeder von Ihnen in Stücken am Boden liegen würde.«

»Es gibt mehr Vonduun-Krabben als Yuuzhan Vong«, murmelte der Hohe Priester Jakan.

Shimrra kochte vor Zorn. »Vonduun-Krabben, Dovin Basale, Yammosks, Krieger … darf ich Sie, vor allem Sie, daran erinnern, dass wir alle dem gleichen Samen entstammen?«

 

Nom Anor − ein wenig größer als ein durchschnittlicher Mensch, durch Zeremonien und seine eigene Hand verunstaltet und ausgerüstet mit einem falschen Auge, das Gift spucken konnte − wartete nervös am Eingang zu Shimrras Privatquartier in der abgerundeten Krone des heiligen Bergs. Drei mürrische Schlächter standen steif an der Seite des Membranvorhangs und zwei Priester auf der anderen. Letztere läuterten Nom Anor mit einem duftenden Rauch, der aus der oberen Duftdrüse eines gut genährten, aber nervösen Thamassh stammte. Man hatte ihn seit seiner Rückkehr von Zonama Sekot zum ersten Mal zu einer Privataudienz beim Höchsten Oberlord gerufen, und er war nicht sicher, was er erwarten sollte.

Die Membran schimmerte und teilte sich, um Onimi durchzulassen, der Nom Anor zu sich winkte.

»Treten Sie ein, Präfekt«, sagte Shimrras Narr herablassend.

Nom Anor drängte sich an ihm vorbei in die geräumige runde Kammer. Shimrra saß in der Mitte des Raums auf einem runden Podium in einem hochlehnigen Sessel, dem der Pomp seines öffentlichen Thrones fehlte. Ein Blutgraben umgab ihn, und auf einer Seite zog sich eine Treppe aus Yorikkorallen mit einem fein gearbeiteten Geländer nach oben. Als gehärteter Teil des Weltschiffs konnte Shimrras inneres Heiligtum ebenso wie der Schacht des Welthirns von der Zitadelle gelöst und wenn nötig in den Raum geschossen werden.

»Haben Sie sich je gefragt, wann wir drei uns wieder treffen würden?«, sagte Onimi leise, als Nom Anor an ihm vorbeiging.

Nom Anor ignorierte die Frage und näherte sich dem Thron. Er kniete am Rand des übel riechenden Grabens. Aus einer Innentasche seines grünen Gewands nahm er das Lichtschwert, das in der Halle der Versammlung zu solchen Streitigkeiten geführt hatte.

»Schrecklicher, Ihr Wunsch war, dass Ihnen dies hier geliefert würde.« Nom Anor senkte weiter den Blick, als Shimrra die Waffe entgegennahm, sah dann aber erschrocken auf, als er das unverwechselbare Zischen der Aktivierung der Energieklinge hörte.

Schon das Geräusch der Waffe weckte erschütternde Erinnerungen an den Schacht des Welthirns vor einem Jahr, als Jacen Solo und Vergere ihm eine ähnliche Klinge an die Kehle gehalten hatten, bevor sie von Yuuzhan’tar flohen. Nom Anor hatte seitdem zahllose Augenblicke damit verbracht, sich zu fragen, wie sein Leben vielleicht verlaufen wäre, wenn die beiden Jedi zugestimmt hätten, ihn mitzunehmen. Als Quelle wertvoller Informationen wäre er von der so genannten Galaktischen Allianz vielleicht nicht hingerichtet worden. Vielleicht hätte man ihm nach Wochen des Verhörs erlaubt, eine Ooglith-Maske anzulegen und sich insgeheim zu einem Planeten am Äußeren Rand zurückzuziehen und dort seine Tage zufrieden zu beenden.

Das Lichtschwert sah im Griff von Shimrras rechter Hand nicht größer als eine Opferkerze aus und summte leicht, als es die Luft durchschnitt.

»Antworten Sie ehrlich, Präfekt, glauben Sie an die Götter?« Shimrra brachte die lila Klinge dicht an Nom Anors Hals. »Vergessen Sie nicht: ehrlich.«

Yoog Skell, der Vorgänger des Hochpräfekten Drathul, der von Nom Anors Hand gestorben war, hatte Nom Anor einmal gewarnt, Shimrra niemals anzulügen. Nun schluckte er und fand seine Stimme schließlich. »Höchster Lord, ich bleibe dem Glauben offen.«

»Falls es einen Nutzen am Glauben gibt, meinen Sie.«

»Ich folge dem Beispiel, das die Priester setzen.«

Shimrras Augen bohrten sich in Nom Anors verbliebenes Auge. »Behaupten Sie damit etwa, Präfekt, dass unsere Priester nicht aus der Größe ihrer Herzen heraus handeln?«

»Ich habe viele Herzen gesehen, und nur sehr wenige zeigten Beweise von Güte.«

»Schlau«, sagte Shimrra bedächtig. »Das ist das Wort, das alle benutzen, die Sie kennen oder mit Ihnen zu tun hatten − schlau

Zu Nom Anors Erleichterung deaktivierte Shimrra das Lichtschwert nun.

In einem anderen Szenario wäre Nom Anor vielleicht Prophet der Ketzer geblieben und würde im gleichen Augenblick versuchen, Shimrra vom Thron zu werfen. Er hatte dieser Wahl in den Unbekannten Regionen gegenübergestanden und war zu einer Entscheidung gekommen. Es war immer noch besser, auf Shimrras Seite zu stehen, als Herrscher einer Million Ausgestoßener zu werden.

»Wie bewerten Sie das Geflüster, das bei der Elite kursiert?«, fragte Shimrra ihn von seinem schlichten Sessel aus. »Dass die Götter über meine Entscheidungen erzürnt seien − bis zurück zu meiner Entscheidung, Quoreal vom Thron zu werfen, seine Stellung als Höchster Oberlord einzunehmen und diese Galaxis zu unserem neuen Zuhause zu erklären?«

Nom Anor wagte es, sich im Schneidersitz auf den Boden zu setzen. Von der anderen Seite des Grabens sah ihn Onimi in eindeutigem Entzücken an. »Darf ich frei sprechen, Herr?«

»Das sollten Sie lieber tun«, erklärte Onimi. Shimrra warf einen Blick von Onimi zu Nom Anor, dann nickte er mit dem gewaltigen Kopf.

»Ich würde antworten, dass viele von den hohen Kasten nicht verstehen, dass die Taten, die Sie begingen, ein Tribut an die Götter waren, Taten, nicht weniger mutig als jene von Yun-Yuuzhan, als er sich selbst gab, um das Universum entstehen zu lassen.«

Shimrra beugte sich vor. »Sie beeindrucken mich, Präfekt. Fahren Sie fort.«

Nom Anor wurde sicherer. »Viele von uns akzeptieren als Tatsache, dass die Generationen der Wanderung durch die Leere zwischen den Galaxien eine Prüfung des Glaubens waren − bei der wir, wie Sie selbst erklärten, jämmerlich versagten, indem wir untereinander stritten, falsche Götter anbeteten und die Scharniere unserer eigenen Tore schwächten.«

Shimrra nickte weise. »Jede Gruppe, die keine Opposition hat, verfällt unausweichlich dem Verfall und der Tyrannei oder beidem.«

»Aber Sie, Schrecklicher, sahen die anstrengende Reise als das, was sie war: eine Konsequenz unseres vorherigen Versagens. Sie verstanden, dass unsere Gestalter schnell an die Grenzen ihres traditionellen Wissens stießen − dass sie so gut wie machtlos waren, wenn es darum ging, die verfallenden Weltschiffe zu reparieren; dass unsere Priester ebenso unfähig waren, unsere Gesellschaft vor den Tiefen zu retten, in die sie gesunken war; dass unsere Krieger ohne einen Krieg nur die Möglichkeit hatten, sich gegeneinander zu wenden. Wir starben in der Leere, Herr, und wenn Sie Quoreal und seine vorsichtigen Gefolgsleute nicht gestürzt hätten, hätte das Leben der Yuuzhan Vong vielleicht dort ein Ende genommen.«

Shimrra starrte ihn an. »Oh, Sie sind wirklich eine gefährliche Person, Präfekt.« Er warf einen Blick zu Onimi. »Aber wie dieser dort nur zu gut weiß, habe ich eine gewisse Vorliebe für die Gefahr.« Er hielt einen Augenblick inne, dann fügte er hinzu: »Ich werde Ihnen mehr über die Götter erzählen. Die Frage lautet nicht, ob es sie gibt, sondern ob wir sie in der Zukunft noch brauchen. Ihr Sturz begann während unserer langen Reise, als es ihnen nicht gelang, uns zu helfen. Wie Sie zweifellos erfahren haben, Präfekt, kann man keine treuen Diener haben, wenn man sie vernachlässigt. Also liegt der Fehler bei den Göttern selbst. Ohne unsere blutige Unterstützung, ohne unsere Ansprache und Gebete, was bleibt ihnen noch? Die Götter mögen uns geschaffen haben, aber wir sind es, die sie durch unsere Anbetung erhalten. Nun fühlen sie sich beraubt, weil die Rollen umgekehrt wurden. Sie sind zornig, weil man sie dazu getrieben hat zu erkennen, dass ihre Stunde gekommen ist, dass die Zeit gekommen ist, die Macht Shimrra und der neuen Ordnung zu übergeben.«

Wieder aktivierte Shimrra das Lichtschwert und fuchtelte mit ihm herum, um seine Anmerkungen zu unterstreichen.

»Dies ist der größere Krieg, Präfekt − die Yuuzhan Vong gegen die Götter!«

Nom Anor schluckte angestrengt. »Krieg, Höchster Lord?«

»Genau, Krieg! Denn die Götter bewachen ihre Macht eifersüchtig. Aber Sie erkennen es sicher, Präfekt. Würden Sie still in den Ruhestand gehen oder bis zum Letzten kämpfen, um Ihren Status zu erhalten? Alle Konsuln verlassen, die Ihnen nun Rechenschaft schuldig sind? Selbst den Hochpräfekten Drathul umbringen, wenn das nötig ist, um Ihre Stellung zu bewahren?«

»Ich würde kämpfen, Schrecklicher«, sagte Nom Anor heftiger, als er vorgehabt hatte.

»Und genau das würde ich auch von Ihnen erwarten. Aber es gibt ein Problem bei dieser Sache, denn wir sind von wahren Gläubigen umgeben, und sie bilden zu einem gewissen Teil eine größere Gefahr für die Zukunft der Yuuzhan Vong als die Götter selbst.«

Nom Anor grinste in sich hinein. »Die Götter haben ihren Platz, Herr.«

»In der Tat. Religiöse Rituale sorgen dafür, dass Priester und Verwalter zu tun haben, sie sorgen dafür, dass die Gestalter nicht zu ehrgeizig werden, und sie halten die Krieger in Schach; sie halten die Arbeiter davon ab, sich gegen das Kastensystem zu wenden, und verhindern einen offenen Aufstand der Beschämten. Daher muss ich mich vorsichtig bewegen, wenn ich diese Welt neu erschaffen will.«

Shimrras Worte verstärkten Nom Anors Glauben, dass Religion eine Extravaganz darstellte und man die wahren Gläubigen am leichtesten manipulieren konnte.

»Ich muss vorsichtig vorgehen«, wiederholte Shimrra beinahe mehr für sich selbst. »Wenn der Glaube angegriffen wird und die gesellschaftliche Ordnung Sprünge bekommt, verlangen die Schwachen keine Erklärungen; sie wollen Versicherungen und jemanden, dem sie die Schuld geben können.« Er lachte leise. »Aber ich sage Ihnen nur, was Sie bereits wissen. Sehen Sie, welche Wunder es bei den Beschämten wirkte, die sich auf Yuuzhan’tar und anderen Planeten der Ketzerei zuwandten! Suchen sie nach Erklärungen? Nein. Sie schreien nach meinem Blut!«

Trotz aller Bemühungen, ruhig zu bleiben, begann Nom Anor zu zittern.

»Ich sehe, dass meine Bemerkungen Ihnen Angst machen, Präfekt. Vielleicht glauben Sie, dass Sie nach Ketzerei riechen, wie der Prophet sie seinen blinden Anhängern predigt. Würden Sie mich in den gleichen Topf werfen wie unsere Mezhan Kwaad und Nen Yim oder Shedao Shai und seine traurige Ergebenheit an die Umarmung des Schmerzes?«

»Ich weiß wenig von diesen Dingen, Schrecklicher.«

»Natürlich.«

Das gefiel Nom Anor überhaupt nicht. Es fiel Shimrra, der sich leicht verärgern ließ, zu leicht, andere hinzurichten. Er hatte den Gestalter Ch’Gang Hool töten lassen, weil Hool sich angeblich nicht gegen das Welthirn durchsetzen und die Juckseuche verhindern konnte. Er hatte auch den Kommandanten Ekh’m Val hinrichten lassen, der Zonama Sekot entdeckte − oder genauer wiederentdeckte. Nom Anor selbst hatte hingerichtet werden sollen, weil er in Bezug auf Ebaq 9 versagt hatte.

In den Tagen seitdem hatten sich seine Träume von Macht und Ruhm erfüllt, aber was, wenn Shimrra zu dem Schluss kam, das Geheimnis von Zonama Sekot hüten zu müssen, indem er Nom Anor umbringen ließ − wie Nom Anor Nen Yim und den Priester Harrar getötet hatte, um sein Geheimnis zu wahren?

Shimrra betrachtete nachdenklich das Lichtschwert.

»Eine seltsame Waffe, nicht wahr? Sie verlangt, dass der, der sie schwingt, sich im Nahkampf mit seinem Gegner befindet. Ohne ihre fehlgeleiteten Glaubenssätze waren die Jeedai vielleicht wirklich bewunderungswürdig. Es gibt vielleicht noch einen Weg, ihre Doktrinen in unsere Religion zu integrieren. Wir müssen vorsichtig sein und dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Vielleicht sollten wir nach einer Möglichkeit suchen, die Herzen und den Geist der Spezies zu gewinnen, die hier herrscht.« Er sah Nom Anor an. »Wurden die Jeedai nie besiegt, Präfekt?«

Als Nom Anor berichtete, was er von der Säuberung wusste, überlegte er, was es für die Yuuzhan Vong bedeutete, ihn, Shimrra, zu töten. Die Rebellenallianz hatte Imperator Palpatine getötet, und darauf folgten Jahrzehnte des Chaos mit lokalen Kriegsherren und Schlachten gegen feindselige Spezies. »Erzählen Sie mir von dem jungen Jeedai, der den wahren Weg lernte, um ihn zu verraten«, sagte Shimrra.

»Jacen Solo.«

Shimrra kannte den Namen. »Der Gleiche, der Tsavong Lah in den Tod lockte. Ich gab den Gestaltern die Schuld, weil sie das Welthirn nicht genügend beaufsichtigten, aber ich fange an, den Jeedai irgendwie für verantwortlich zu halten. Wenn ich mit dem Hirn zu tun habe, spüre ich sein Widerstreben. Ich musste ihm Anweisungen geben wie einem ungehorsamen Kind − einem Kind von Kriegern, das aus Versehen in der Krippe von Priestern aufgewachsen ist.«

Shimrra rollte das Lichtschwert zwischen den Händen. »Und die Macht, ich habe gehört, dass Ketzer sie als den Nachhall der Ausatmung von Yun-Yuuzhan beschrieben haben.«

Nom Anors Worte an seine Anhänger kehrten zurück, um ihn heimzusuchen.

»Ich würde dem keinen solchen Wert beimessen, Hoher Lord. Die Macht ist nichts als eine Kraft, die die Jedi zu benutzen gelernt haben, seit zwanzig oder mehr Generationen. Aber die Jedi sind nicht allein in ihrem Bemühen. Eine Gruppe, die sich die Sith nannte, nutzte die Kraft ebenfalls und war vielleicht für die Säuberung verantwortlich, die stattfand, als wir − Sie − die Invasionspläne fertig stellten.«

Shimrra verschränkte die Arme. »Der Hohe Priester Jakan hat diese Sith erwähnt. Verstecken sie sich?«

Nom Anor schüttelte den Kopf. »Leider ist ihre Flamme in dieser Galaxis erloschen, Schrecklicher. Die Ketzer behaupten, dass die Jedi alle Aspekte der Götter auf sich vereinen. Aber tatsächlich sind die Jedi nicht makellos, und es ist auch möglich, sie zu überlisten und zu besiegen. Man hat sie sogar gefangen nehmen, töten und beinahe für unsere Ziele einsetzen können.«

»Wie Sie selbst auf Zonama Sekot demonstrierten.« Shimrras Stimmung wurde finster. »Ich möchte unserem Feind ein Ende machen, bevor diese planetare Nemesis uns erledigt.« Er sah Nom Anor scharf an. »Sind wir sicher, Präfekt?«

Nom Anor nahm seinen ganzen Mut zusammen. »Mit einigem Glück, Schrecklicher, ist Zonama Sekot inzwischen tot. Wenn nicht, hat der Planet zumindest keine Ahnung, wo er ist, geschweige denn, wo wir uns befinden.«