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Alle suchten Schutz. Von seinem Standpunkt am Rand des Abgrunds konnte Luke Hunderte von Ferroanern sehen, die sich zu den Gängen unter ihm begaben. Das kombinierte Licht von Dutzenden von Glühstäben warf eine Art Heiligenschein um jeden Eingang. Durch die Magistra Jabitha hatte Sekot Alarm gegeben, dass der Planet sich auf den letzten Sprung durch den Hyperraum vorbereite. Luke konnte spüren, wie Zonama schauderte, als die Hyperantriebe sich aufheizten. Er konnte die Anspannung und Unsicherheit in den Boras spüren, den Saatpartnern, den unzähligen Kreaturen der weitläufigen Tampasi.

Er blickte auf zum Nachthimmel. Aus irgendeinem Grund schien jener Sprung ihn näher zu etwas Vertrautem gebracht zu haben, das nichts mit Sternensystemen oder Planeten zu tun hatte. Selbst an den abgelegensten Orten der Unbekannten Regionen hatte seine Verbindung zur Macht nie nachgelassen. Aber mit dem vorhergehenden Sprung hatte er begonnen, das Flüstern seiner Mit-Jedi zu hören, und ihr Drängen legte ihm nahe, dass Mara, er und die anderen unbedingt zurückkehren sollten. Wenn der bevorstehende Sprung erfolglos verlief oder falls er Zonama zu weit abgelegen von jenem Ort auftauchen ließ, wo Luke es für den Planeten wünschte, würde er tun, was Mara sich gewünscht hatte, und die Jadeschatten einsetzen.

Er spürte, dass Jacen von hinten näher kam, wandte sich aber nicht um.

»Etwas ist passiert«, sagte er schließlich. »Ich spüre es auch, Onkel Luke«, sagte Jacen. »Die Jedi, unsere Freunde …«

»Es sind nicht nur sie. Die Gefahr ist weit verbreitet.« Jacen stellte sich neben ihn. Eine Windbö zerrte an der Kapuze seines Gewands. »Noch ein Ithor? Noch ein Barab Eins?«

»Nein«, sagte Luke. »Aber es wurde etwas Neues, Böses freigesetzt.«

»Von den Yuuzhan Vong?«

»Von der Dunklen Seite.«

Jacen nickte. »Von deinem wahren Feind.«

Luke wandte sich ihm zu. »Du solltest über deinen eigenen Kurs nachdenken, Jacen, nicht über meinen.«

Jacen atmete entschlossen aus. »Ich habe nur dich, um zu sehen, welchen Weg ich nehmen soll. Unsere Wege sind miteinander verbunden.«

»Dann sollte ich mir lieber anhören, was du beschlossen hast.«

Jacen brauchte einen Augenblick, um seine Gedanken zu sammeln. »Nach allem, was du mir über diese Jahre, über deinen Vater und den Imperator erzähltest, kam es mir immer so vor, dass keiner von ihnen wirklich dein Feind war. Beide versuchten, dich zu überreden, sich ihnen anzuschließen, aber sie waren niemals die Quelle deiner Angst. Du hast Angst gehabt, der Dunklen Seite anheimzufallen.«

Luke grinste schwach. »Ist das alles?«, sagte er schließlich.

Jacen schüttelte den Kopf. »Auf Coruscant, bei den Ruinen des Jedi-Tempels, hat Vergere gesagt, dass die Jedi ein Geheimnis haben, dessen sie sich schämen, und dass dieses Geheimnis darin besteht, dass es keine Dunkle Seite gibt. Die Macht ist eins. Da es keine unterschiedlichen Seiten gibt, kann die Macht auch nicht Partei ergreifen. Unsere Vorstellungen von Hell und Dunkel geben nur wieder, wie wenig wir über das wahre Wesen der Macht wissen. Was wir als Dunkle Seite bezeichnen, ist einfach die rohe, unbeherrschte Macht selbst, die so schnell das Leben entstehen lässt, wie sie Tod und Zerstörung sät.«

Luke lauschte sehr genau. Jetzt werde ich dir das wahre Wesen der Macht zeigen, hatte der Imperator ihm bei Endor gesagt.

Auf Mon Calamari hatte Vergere versucht, ihn auf denselben Weg zu lenken und ihm nahezulegen, dass Yoda und Obi-Wan die Schuld daran trugen, ihm nicht die Wahrheit über die Dunkle Seite gesagt zu haben. Als Resultat ihrer Vernachlässigung hatte Luke, als er die Hand seines Vaters im Zorn abschnitt, vermutlich eine enge Begegnung mit der Dunklen Seite gehabt. Als er sich an die Seite des geklonten Imperators stellte, hatte er wahrhaft die Dunkle Seite gespürt. Seitdem hatte er den Zorn mit der Dunkelheit selbst in Verbindung gebracht und das auch an die Jedi weitergegeben, die er unterrichtete. Aber tatsächlich war Luke an dieser Stelle, zumindest nach Vergeres Worten, von seinem eigenen Ich in die Irre geführt worden. Sie hatte behauptet, dass die Dunkelheit durch eine Einladung in jemanden eindringen, aber genauso leicht durch das Bewusstsein seiner selbst wieder verstoßen werden konnte. Sobald Luke das akzeptierte, würde er nicht mehr fürchten müssen, von der Dunklen Seite übernommen zu werden.

»Du meinst also, dass ich mich zurückgehalten habe, indem ich diese rohe Kraft nicht meinem Bewusstsein von der Macht hinzufügte?«, sagte Luke.

»Vergere ist jahrelang formell in der Macht ausgebildet worden«, sagte Jacen. »Die Dinge, die sie mir gesagt hat, müssen bei den Jedi der Alten Republik allgemein bekannt gewesen sein.«

»Vergere wurde von den Jahren, die sie bei den Yuuzhan Vong verbrachte, korrumpiert«, sagte Luke ruhig.

»Korrumpiert?«

»Vielleicht ist das ein zu starker Begriff. Sagen wir einmal stark beeinflusst

»Aber sie war nicht der Ansicht, von ihnen beeinflusst zu sein.«

»Man kann ihr auch keine Schuld geben. Wir stehen alle in einem Zentrum, von dem aus wir nur eine gewisse Entfernung sehen können. Unsere Sinne wurden im Lauf von zahllosen Zeitaltern geschliffen, um die Einzelheiten der physischen Ebene zu bewältigen. Aber genau deshalb blenden uns unsere Sinne auch gegenüber der Tatsache, dass wir viel mehr sind als unsere Körper. Wir sind tatsächlich Lichtwesen, Jacen.

Die Betonung bei den Jedi lag immer auf Beherrschung, die auf die gleiche Art wirkt. Beherrschung des sich weiter ausdehnenden Wesens der Macht. Daher wollten die Jedi der Alten Republik nur junge Schüler. Jedi mussten im Licht erzogen werden und das Licht als makellos und ungeteilt erkennen. Aber du und ich, wir verfügten nicht über den Luxus dieser Indoktrination. Unsere Leben sind eine ständige Prüfung unserer Daseinskraft, alle Dunkelheit von uns zu weisen, die sich einschleicht.

In diesem Sinn sind deine Instinkte, was mich angeht, korrekt, und das Gleiche gilt für Vergere. Die Dunkle Seite hat in gewissem Sinn mein Leben dominiert. Ich nehme seit langer Zeit an, dass die Müdigkeit, die ich manchmal erfahre, wenn ich mich während eines Kampfes der Macht bediene, meiner Angst entspricht, die rohe Macht, die du beschreibst, zu benutzen.

Es ist wahr, dass die Macht eins ist; sie stellt eine Energie dar, eine Kraft. Aber es gibt eine Stelle, an der ich glaube, dass du und Vergere nicht korrekt seid: Die Dunkle Seite ist real, denn böse Taten sind real. Das Bewusstsein trug zur Entstehung der Dunklen Seite bei. Existiert es in der Natur? Nein. Sich selbst überlassen, wahrt die Natur ihr Gleichgewicht. Nur wir haben das verändert. Wir stellen eine neue Ordnung des Bewusstseins dar und haben auf solche Weise Einfluss auf alles Leben. Die Macht enthält Licht und Dunkelheit, und zwar deshalb, weil denkende Wesen es zu ihr gebracht haben. Deshalb muss das Gleichgewicht nun erhalten werden − denn unsere Taten haben die Macht, die Waagschalen in Bewegung zu setzen.«

»Wie es die Sith taten«, sagte Jacen.

»Wie es die Sith taten. Der Imperator war vielleicht die selbstsicherste Person, der ich je begegnet bin, aber er stellte entschieden das Böse über das Gute. Und in dem richtigen Klima kann ein Individuum, das angemessen getrieben und fähig ist, das Universum in Dunkelheit stürzen. Denn Dunkelheit hat ihre Nachfolger; besonders, wenn Unzufriedenheit, Isolation und Angst stark sind. In einem solchen Klima geht plötzlich alles Gute verloren, und die Krankheit schlägt zu.«

Luke hielt einen Augenblick inne, dann fügte er hinzu. »Hast du wirklich nach Ebaq Neun mit Vergere gesprochen, nach ihrem Tod, oder mit einer Vergere, die nur in deinen Gedanken und deiner Erinnerung existiert?«

Jacen dachte einen Augenblick nach. »Ich habe mit Vergere gesprochen. Da bin ich sicher.«

»Glaubst du, dass ich eine Vision von Obi-Wan, Yoda und meinem Vater hatte, nachdem sie alle drei gestorben waren?«

»Daran hatte ich nie Grund zu zweifeln, Onkel.«

»Und unter Vergeres Gesichtspunkt?«

»Vielleicht hat sie gelernt, eine Kraft anzuzapfen, die noch mehr umfasste als die Lebende Macht.«

»Die Vereinigende Macht«, sagte Luke. »Das könnte es erklären. Tatsächlich hatte ich all die Jahre seit dem Tod von Obi-Wan, Yoda und meinem Vater nicht mehr das Gefühl, als wären die Jedi auf einer Suche, um die Kraft der Macht, in die Zukunft zu schauen, wiederzuentdecken, was vielleicht das Wesen der Vereinigenden Macht ist. Die Suche war nicht unähnlich unserer Suche nach Zonama Sekot. Und es gibt eine Macht hier, in der Luft und in den Bäumen und in allem anderen, die mich davon überzeugt, dass wir unseren Weg zu etwas noch Größerem gefunden haben, als wir zunächst suchten.«

»Ich empfinde das ebenso.« Jacen sah Luke an. »Ich habe Sekot von deinem Plan erzählt.«

Luke war überrascht. »Du hast mit Sekot gesprochen?«

»In der Gestalt von Vergere, ja.«

»Und?«

»Sekot denkt, dass es möglich ist. Sekot hat auch darum gebeten, mit Danni über Yammosk-Störsender und Köder-Dovin-Basale zu sprechen.«

Luke nickte zufrieden. »Das ist gut. Aber es ist auch wichtig, sich dann zu erinnern, dass Schlachten nicht immer von Kriegsschiffen oder anderen Waffen entschieden werden. Die wichtigen Schlachten werden in der Macht gewonnen.« Er zeigte auf den Abgrund und das Sternenzelt. »All dies wird dahingehen, aber die Macht bleibt. Wir nutzen ihre Kraft, und wenn wir es wünschen, bewegt sie uns entsprechend Entwürfen, die wir nie verstehen können.«

Abrupt drehte Luke sich um. Jacen folgte seinem Beispiel und sah Mara, die schweigend hinter ihnen stand.

»Wenn ihr beiden nicht plant, den nächsten Sprung im Freien durchzustehen, schlage ich vor, dass ihr in die Zuflucht geht.«

»Wir waren schon auf dem Weg«, sagte Luke. »Das hier ist vielleicht die letzte friedliche Strecke, die wir für eine lange Weile kennen lernen.«