10

Luke, Mara, Corran, Jacen und Saba gingen in einer Reihe hinter Danni Quee her tiefer in die Schlucht, wo sie hofften, den Yuuzhan-Vong-Priester Harrar zu finden. Da die Ranken, die die Plattformen hielten, hoffnungslos ineinander verschlungen waren, folgten sie einer umständlichen Abfolge von Rampen und Leitern. Es regnete immer noch in Strömen, und die Jedi hatten die Köpfe gesenkt und die Kapuzen ihrer triefenden Umhänge übergezogen. Unter ihnen, teils verborgen unter wirbelndem Nebel, tobte der geschwollene Fluss.

Sie gingen über das zweite größere Sims, als Danni stehen blieb und auf eine kleine Klippenbehausung zeigte, wo Licht in den grob behauenen Fensteröffnungen leuchtete.

»Die Behausung war unbewohnt, also fragten wir nicht um Erlaubnis, ob wir sie benutzen durften«, sagte sie laut genug, dass alle sie hörten.

Sie befanden sich noch etwa zwanzig Meter von der Behausung entfernt, als eine Gruppe aus acht ferroanischen Männern sie aufhielt. Diese Ferroaner waren schlanke Humanoide mit heller, bläulicher Haut und nicht die ursprünglichen Bewohner Zonama Sekots, aber schon vor Generationen zu dem lebenden Planeten gelangt. Ihre schlichten Hemden und Hosen klebten an ihren Körpern, und Wasser lief über ihre zornigen Gesichter. Senshi, der offenbar der Anführer war, trug in der linken Hand einen Glühstab, der eine neblige Kugel von Licht um sie warf.

»Ihr habt einen Yuuzhan Vong gefangen«, sagte er, und Atemwolken begleiteten seine Worte.

Luke schüttelte den Kopf. »Er wurde verwundet gefunden und hergebracht, um geheilt zu werden.«

»Er wurde nicht von einem von uns verwundet«, sagte Senshi. »Obwohl er sicher alle Wunden verdient hat für das, was er und die anderen bewirkt haben.«

Kurz nachdem Luke und die anderen Jedi eingetroffen waren, hatte Senshi auf Sekots Beharren eine Entführung von Danni Quee durchgeführt, um die Jedi zu testen. Senshi war ein Bauer; er hatte golden funkelnde Augen und kurz geschnittenes Haar, das vom Alter zu einem gräulichen Blau nachgedunkelt war. Er hatte mehrere Familienmitglieder und Freunde während der Durchquerungen verloren und war Sekots Entscheidung zurückzukehren gegenüber ambivalent.

»Wir wissen noch nicht, wer oder was verantwortlich war«, sagte Luke. »Wir hoffen, dass der Yuuzhan Vong uns eine Erklärung geben wird.«

Er ging einen Schritt näher, aber keiner von der Gruppe rührte sich.

»Sie könnten uns mit einem Gedanken beiseitestoßen«, sagte Senshi. »Aber das werden Sie nicht tun, wenn Sie wahre Diener der Macht sind.«

Luke strich die Kapuze zurück und sah ihn an. »Und wenn Sie der Macht dienen, werden Sie uns erlauben vorbeizugehen.«

Der Ferroaner zeigte auf die Klippenbehausung. »Da die Yuuzhan Vong Feinde von Zonama Sekot sind, sollten wir uns den Priester vornehmen.«

»Und wie?«, fragte Luke ruhig. »Werden Folter und Hinrichtung Zonama Sekot nach Mobus zurückbringen? Haben Sie sich gefragt, wie Sekot darauf reagieren wird, wenn Sie die Dinge selbst in die Hand nehmen?«

»Sehen Sie sich doch um, Jedi«, sagte ein anderer Ferroaner. »Haben Sie Zonama je in einem solchen Zustand erlebt? Das hat keiner von uns. Nach allem, was wir wissen, könnte Sekot bewusstlos sein − oder schlimmer.«

Luke dachte daran, Jabithas Besuch in seiner und Maras Behausung zu erwähnen, aber dann kam er zu dem Schluss, dass Sekot einen Grund haben musste, den Ferroanern nicht ebenfalls zu erscheinen und sie zu beruhigen. »Geben Sie uns die Gelegenheit, mit dem Yuuzhan Vong zu reden, bevor Sie zu einem Schluss kommen.«

Die Ferroaner dachten über Lukes Vorschlag nach. »Nur, wenn einer von uns dabei anwesend sein kann«, sagte Senshi schließlich für alle.

»Wer?«, fragte Luke und sah einen nach dem anderen an. Ein junger Mann mit weißem Haar trat vor. »Ich werde mitkommen Ich heiße Maydh.«

Luke nickte. »Dann ist es also beschlossen.« Die Ferroaner teilten sich in zwei Gruppen und gestatteten den Jedi Zugang zu der Klippenbehausung. Luke und die anderen fanden Harrar am Boden sitzend, die langen Beine vor sich ausgestreckt. Sein Gesicht und Körper waren zerschlagen und seine vorderen Zähne zerbrochen. Teldi stand an seiner Seite und kümmerte sich um seine Verletzungen. Die Chadra-Fan, einem Nagetier ähnlich, aber zweifüßig, wirkte ausgesprochen klein neben ihrem hochgewachsenen, bandagierten Patienten.

Den Händen des Priesters fehlten jeweils zwei Finger, aber ihre Abwesenheit hatte nichts mit den Verwundungen zu tun, die er auf Zonama Sekot erlitten hatte. Sein glänzendes schwarzes Haar war dick wie eine Mähne und fiel über die von Tätowierungen bedeckten Schultern. Tahiri Veila, deren eigene Stirn Spuren von Yuuzhan-Vong-Zeichen trug, unterhielt sich leise mit ihm auf Yuuzhan Vong.

Danni hatte Luke versichert, dass Harrar unbewaffnet war.

Tahiri wollte Luke und die anderen gerade vorstellen, als Harrar ihr mit einer Handbewegung das Wort abschnitt. »Ich werde mit Ihnen in Ihrer Sprache sprechen.« Seine tief liegenden Augen schossen kurz noch einmal zu Tahiri. »Aber vielleicht werde ich mich hin und wieder an sie wenden müssen, um der Klarheit willen.« Dann sah er wieder die Jedi an, einen nach dem anderen.

Luke seinerseits betrachtete den Priester lange, dann sagte er: »Ich bin Luke Skywalker. Das hier ist meine Frau Mara.«

Harrars Augen blitzten beim offensichtlichen Wiedererkennen der Namen. »Der Meister der Jeedai«, sagte er. Dann sah er Mara an, die nur durch die Geburt ihres Sohnes Ben von der Krankheit geheilt worden war. »Und die, die Opfer der Sporen wurde.«

Luke fuhr fort: »Sie haben Tahiri und Corran und inzwischen auch Danni und Tekli bereits kennen gelernt.« Er zeigte nach rechts. »Damit bleiben nur noch Saba, Jacen und Maydh − dessen Welt zu zerstören Sie offenbar gekommen sind.«

»Jacen Solo«, sagte Harrar in einem Tonfall, der beinahe ehrfürchtig klang. »Ich habe Sie von Weitem beobachtet, junger Jeedai. Im übertragenen und im wörtlichen Sinn.«

Luke steckte die Hände in die Ärmel seines Umhangs und setzte sich gegenüber von Harrar auf einen kurzbeinigen Hocker. »Sie scheinen mehr über uns zu wissen als wir über Sie. Vielleicht möchten Sie das korrigieren.«

»Vielleicht.«

Der Rest der Jedi und Maydh ließen sich in einem lockeren Halbkreis nieder.

»Sie sagten Corran und Tahiri, dass Sie, Nen Yim und der Prophet Antworten von Zonama Sekot suchten − nichts weiter.«

Harrar nickte. »Wir behielten für uns, dass jeder von uns noch weitere Ziele hatte.« Er hielt kurz inne. »Nen Yim war eine Gestalterin − früher einmal war sie eine Schülerin von Mezhan Kwaad, die versuchte, Tahiri zu einer von uns zu machen, auf der Welt, die Sie als Yavin Vier kennen. Shimrra hatte Nen Yim aufgetragen, ein organisches Schiff zu analysieren, das hier gewachsen war, auf Zonama Sekot. Und dabei machte sie eine bemerkenswerte Entdeckung: eine Verbindung zwischen diesem Planeten und den Yuuzhan Vong. Sie kam her, um die Verifikation ihrer Theorien zu suchen.

Was Yu’shaa, den Propheten, angeht, so bestand sein angeblicher Grund für seine Begleitung darin zu entscheiden, ob Zonama Sekot der Ketzerbewegung nützen konnte, die er unter den Beschämten von Yuuzhan’tar zu organisieren half.«

»Und Ihr Grund?«, fragte Mara.

»Weniger edel«, sagte Harrar. »Ich befürchtete, dass die Gestalterin Nen Yim ebenfalls eine Ketzerin war − wenn auch von anderer Art. Ich nahm außerdem an, dass Shimrra von ihren unorthodoxen Taten wusste, was bedeutet, dass er ebenfalls ein Ketzer war. Und schließlich hatte ich ein Interesse daran, Yu’shaa zu demaskieren und festzustellen, ob er wirklich glaubte, was er sagte, oder nicht.«

»Der Prophet hat Nen Yim getötet und Sie ebenfalls halb tot zurückgelassen«, sagte Luke. »Tat er das, weil Sie und Nen Yim ihn erfolgreich demaskiert hatten?«

»Nein. Er wollte sicher sein, dass wir an der ruhmreichen Zerstörung von Zonama Sekot keinen Anteil hatten.« Harrar sah Luke an. »Und Sie kennen ihn.«

Luke wartete.

»Er ist kein anderer als Nom Anor.«

Luke hatte das bereits von Tahiri und Corran erfahren, aber er wollte es noch einmal von dem Priester hören.

»Wir wissen das«, sagte Mara schließlich und brach damit das Schweigen. »Aber etwas stimmt hier nicht. Nom Anor ist vielleicht unter der Maske des Propheten erschienen. Aber ich kann nicht akzeptieren, dass er wirklich derjenige ist, der die Beschämten in ihrem Glauben an die Jedi beeinflusste.«

»Ich gebe zu, dass mich das ebenfalls erstaunt«, sagte Harrar. »Aber Sie müssen verstehen, dass Nom Anor wegen der Ereignisse bei Ebaq Neun nur noch die Möglichkeit blieb, Shimrras Zugriff so gut wie möglich zu entgehen − und das ist nicht einfach. Im Untergrund von Yuuzhan’tar hat er wahrscheinlich gemeinsame Sache mit den Ketzern gemacht und sah einen Vorteil darin, ihr Prophet und ihre Stimme zu werden.«

»Das wiederum überrascht mich nicht«, sagte Mara.

»Aber er muss erkannt haben, dass Zonama Sekot ein Ende dieses Krieges bedeuten kann«, sagte Luke. »Also warum versuchte er, den Planeten zu zerstören, wo doch seine Anhänger den größten Vorteil davon hätten?«

Harrar schüttelte den Kopf. »Darüber kann ich nur spekulieren. Vielleicht haben seine Taten hier ihn in die Lage versetzt, sich Shimrra wieder zu nähern − denn Shimrra fürchtet diesen Planeten mehr, als Sie sich vorstellen können. Es war immer Nom Anors Wunsch, erhöht zu werden, und die Möglichkeit eines Aufstiegs genügte vielleicht, um die Ketzer aufzugeben, die ihm vertrauten. Andererseits ist es auch möglich, dass Nom Anor die ganze Zeit bereits für Shimrra arbeitete − selbst als Prophet. Shimrra wollte vielleicht eine Pseudobewegung ins Leben rufen, deren Wurzeln auf Yuuzhan’tar lagen, um von dringenderen Problemen abzulenken, die mit dem Krieg und dem rebellischen Wesen des Welthirns von Yuuzhan’tar zusammenhängen. Oder er hat geplant, die wachsende ›Ketzerei‹ als Rechtfertigung zu benutzen, um unsere Gesellschaft von Unerwünschten und Parias zu säubern.«

Harrar seufzte. »Nom Anor ist schlicht ein Ungläubiger. Er denkt nur an seinen eigenen Ehrgeiz.« Er sah sich in dem kleinen Raum um. »Aber es scheint, dass es ihm nicht gelungen ist, Zonama Sekot als mögliche Gefahr für seine und Shimrras Pläne zu vernichten.«

»Das ist noch nicht entschieden«, sagte Corran. »Entweder als Ergebnis von Nom Anors Handlungen oder als Möglichkeit, sich zu schützen, ist Zonama Sekot in den Hyperraum gesprungen. Wohin, müssen wir noch in Erfahrung bringen. Vielleicht tiefer in die Unbekannten Regionen, vielleicht näher an den bekannten Raum Wenn dieser Regen je ein Ende findet, können wir vielleicht herausfinden, wo wir sind. Aber bisher hat sich Sekot nicht bereit gezeigt, uns zu helfen.«

»Sekot«, wiederholte Harrar.

»Die Intelligenz, die Zonama führt«, erklärte Jacen.

Harrar verdaute das. »Weitere Ähnlichkeiten mit Yuuzhan’tar …«

»Oder Coruscant, wie wir es nennen«, sagte Corran rau.

Harrar sah ihn an und lächelte dünn. »Ich rede nicht von Ihrem neu geformten Hauptplaneten, sondern von der wahren Heimatwelt der Yuuzhan Vong. Bevor sie von Nom Anor umgebracht wurde, war Nen Yim zu der Überzeugung gelangt, dass diese Welt den Beschreibungen von Yuuzhan’tar erstaunlich ähnlich ist, die in der Geschichte und in Legenden an uns weitergegeben werden.«

Der Priester wandte sich Maydh zu. »Und noch mehr: Vielleicht sind die Ferroaner das, was wir selbst hatten werden können.« Tiefer Kummer zeigte sich auf Harrars narbigen Zügen. »Diese Erkenntnis machte Nen Yim traurig und zerstörte ihren Glauben, genau wie den meinen.«

»Wir wissen, dass einer der frühen Erkundungsflüge der Yuuzhan Vong zufällig nach Zonama Sekot führte«, sagte Jacen, »als sich der Planet noch im bekannten Raum befand.«

»Von Zufall kann keine Rede sein, junger Jeedai. Wie ich schon sagte, es gibt viele Verbindungen zwischen Zonama Sekot und den Yuuzhan Vong. Nen Yim entdeckte Ähnlichkeiten, die nicht mehr allein dem Zufall zugeschrieben werden konnten. Zonama Sekot und die Yuuzhan Vong müssen Zugang zu den gleichen Protokollen für die Schöpfung von Schiffen und anderen Geräten gehabt hatten.«

»Schiffe, ja«, sagte Luke. »Aber die Triebwerke von sekotanischen Schiffen sind nicht organisch, Harrar.«

Der Priester winkte ab. »Und sie bestehen auch nicht aus Yorikkorallen. Aber was zählt, ist, dass sie wachsen.« Er zuckte die Achseln. »Ich kenne mich nicht in der Kunst der Gestalter aus und kann Ihnen nicht den Beweis liefern, den Sie suchen. Aber ich weiß in meinem Herzen, was wahr ist und was nicht.«

»Warum haben die Yuuzhan Vong nicht versucht, nach diesem ersten Treffen zu Zonama Sekot zurückzukehren?«, fragte Jacen.

»Weil nur wenige von dieser Begegnung erfuhren.« Harrar schwieg einen Augenblick, dann sagte er: »Ich werde Ihnen Dinge erzählen, die ich nicht einmal Nen Yim − und auch nicht Nom Anor − enthüllte, um das Verständnis zwischen uns zu fördern. Es gab während der letzten Tage der Regierung von Shimrras Vorgänger Quoreal Gerüchte, dass man einen lebenden Planeten entdeckt habe. Es gab auch Gerüchte, dass die Priester Quoreals die Begegnung als Zeichen nahmen, wir sollten den Kontakt mit Ihrer Galaxis meiden. Die alten Texte berichten von der Existenz eines Planeten, der uns ein Gräuel war − einer, der sich durchaus als unser Untergang erweisen konnte.«

»Sie sind trotzdem in die Galaxis eingedrungen«, sagte Mara.

Harrar nickte. »Wir starben. Shimrra erkannte das. Gestützt auf seine Domäne usurpierte er Quoreals Thron, lenkte den Konvoi von Weltschiffen weiter wie geplant und gab seinen vollen Segen für die Invasion. Er versicherte allen, die Götter hätten ihn informiert, dass Ihre Galaxis unser neues Zuhause sein würde − immer vorausgesetzt, wir könnten sie säubern oder zumindest Sie alle zur Wahrheit bekehren.

Die lebende Welt wurde nicht mehr erwähnt. Jene, die von Gemeinerem als Elite-Rang waren, akzeptierten auf guten Glauben, dass Shimrra direkt mit den Göttern sprach. Und man legt sich ohnehin nicht mit Shimrra an. Als die Invasion zunächst einen guten Verlauf nahm, schoben viele von uns ihre Zweifel beiseite. Wir überzeugten uns, dass Shimrras Entscheidung in Ordnung war und dass wir in der Gunst der Götter standen. Erst in der letzten Zeit hat sich wieder Zweifel breitgemacht. Die Ketzerbewegung, die Niederlage bei Ebaq Neun, die ununterbrochenen Probleme auf Yuuzhan’tar …« Harrar sah Jacen an. »Von denen ich annehme, dass wir einige Ihnen zu verdanken haben, junger Jeedai. Und Vergere.«

»Sie kannten sie?«, fragte Jacen überrascht.

»Besser als Sie und dennoch offenbar nicht annähernd so gut. Sie war eines der Beispiele, die zu dem Weltschiffkonvoi zurückgebracht wurden. Sie wurde die Vertraute der Priesterin Falung, dann schließlich die der Priesterin Elan, die beide der Täuschersekte angehörten und an Bord meines Schiffs dienten …« Harrar lächelte leicht. »Als ich noch ein Schiff hatte.«

»Elan«, sagte Luke und kniff die Augen ein wenig zusammen.

Der Priester brauchte einen Moment, um zu begreifen. »Ah ja, ich hätte den Plan, die Jeedai mit Bo’tous zu vergiften, beinahe vergessen. Was ist aus der armen Elan geworden?«

»Sie starb auf schreckliche Weise − an einer Bo’tous-Vergiftung«, sagte Mara scharf.

»Vergere war eine Jedi«, erklärte Jacen mit einigem Stolz.

Das schien Harrar nicht zu verblüffen. »Später habe ich das auch erfahren.« Er sah erst Jacen, dann Luke, Mara und die anderen abschätzend an. »Ich war von Anfang an von Ihnen fasziniert. Nicht auf die Weise, wie Tsavong Lah fasziniert war. Und auch nicht, wie es Nom Anor zu sein vorgibt.« Schließlich entschied er sich, vor allem Luke anzusehen. »Wir sind nicht so unterschiedlich, wie Sie gerne glauben würden.«

Luke grinste leicht. »Tatsächlich würde ich gerne glauben, dass wir tatsächlich eher gleich sind und Sie ebenfalls in der Macht existierten, wie alles Leben.«

»Die rätselhafte Macht«, sagte Harrar bedächtig. »Aber bedenken Sie eines, Meister Jeedai: Wir verehren das Leben ebenso, wenn nicht mehr als Sie. Die Macht gibt Ihnen Kraft, die Götter geben sie uns. Wie Sie verspüren wir das Bedürfnis, uns mit dem Leben zu vermischen, zu fühlen, zu erleben, dass alles miteinander in Verbindung steht − wie es in der Tat von Zonama Sekot verkörpert wird.«

Luke wurde an seine anstrengenden Gespräche mit Vergere erinnert. »Es gibt allerdings einen großen Unterschied zwischen uns: Wir akzeptieren, dass etwas, das die Macht nicht in Erwägung zieht, falsch ist.«

Harrar zuckte die Achseln. »Was die Götter nicht in Erwägung zieht, ist falsch. Für uns verkörpern Sie eine dunkle Kraft, scheinbar wie sie die Sith für die Jeedai der alten Zeit darstellten. Und dennoch benutzten auch die Sith die Macht, ebenso wie Sie es taten, also wie können sie dann dunkel gewesen sein? Weil sie nicht mit Ihren Ansichten übereinstimmten?«

»Die Sith säten Zerstörung und Chaos, um ihren dunklen Bestrebungen zu dienen. Sie übten absolute Macht aus, um ihre Ziele zu erreichen. Sie verehrten die Macht nicht; sie verehrten nur die Kraft, die sie ihnen verlieh. Und sie sahen ihren Weg als den einzigen.«

»Wie es die Yuuzhan Vong ebenfalls tun«, sagte Harrar, »und Sie behaupten, es nicht zu tun.«

»Sie beten den Schmerz an«, sagte Mara.

Harrar schüttelte den Kopf. »Wenn man sie dazu bringen könnte, wahrheitsgemäß zu antworten, würden Jacen und Tahiri das abstreiten. Wir akzeptieren, dass die Geburt ins Leben Schmerz ist, weil es ein Getrenntsein von den Göttern darstellt − oder der Macht, wenn Sie so wollen. Aber da wir ohne die Götter und ihr Opfer nicht existieren würden, danken wir den Göttern, indem wir es ihnen nachtun und uns selbst in ihrem Namen hingeben. Schmerz ist unsere Möglichkeit, uns mit Yun-Yuuzhan zu vereinen. Wir fragen uns, warum die Götter uns geschaffen haben, nur um uns ein Leben lang leiden zu lassen, damit wir wieder zu ihnen zurückkehren. Aber niemand kann das wissen. Der Kreative kann nicht anders als schaffen, und das ist es, was die Götter tun. Diese Dinge befinden sich außerhalb unseres Begriffsvermögens, und wir akzeptieren, dass sie es sind. Wenn unsere Lehren falsch sind, dann werden sie vergehen. Bis dahin müssen wir uns daran halten.«

»An ihnen sterben, meinen Sie«, sagte Corran.

»Mag sein. Aber wir reden zu viel. Ich fürchte, dass die Götter nun mit Missfallen auf die Yuuzhan Vong blicken. Mir wurde dies zum ersten Mal klar, als der Höchste Kommandant Kahlee Lah glaubte, Jaina Solo sei ein Aspekt von Yun-Harla, der Göttin der List, geworden. Dann beobachtete ich, wie der Höchste Kommandant Czulkang Lah bei Borleias von der sogenannten Operation Sternenlanze getäuscht wurde. Und nun erlauben sich Zehntausende Beschämte, von einem nur sich selbst dienenden Ketzer genarrt zu werden …«

Harrar senkte den Blick und schüttelte den Kopf. »Nachdem wir uns selbst zum Werkzeug Yun-Yuuzhans ernannten und uns die Freiheit nahmen, Läuterungen durchzuführen, zu strafen, zu opfern und millionenfach jene zu töten, die unsere Ansicht nicht teilten, sind wir schließlich Ketzer gegenüber unserer eigenen Religion geworden. Wir sind zu einer schwachen Spezies geworden, verzweifelt bemüht, unsere Kraft den Göttern gegenüber zu beweisen.«

Luke beugte sich vor und stützte die Unterarme auf die Knie. »Wenn Shimrra das versteht, könnte man ihn überreden, dem Krieg ein Ende zu machen?«

»Shimrra hasst schon den Klang vernünftiger Worte. Und auch keiner von der Elite würde sich überreden lassen − außer vielleicht jene, die insgeheim Quoreal treu geblieben sind und deren Ziel darin bestand, Beweise von dieser Welt nach Yuuzhan’tar zu bringen und Shimrra zu entlarven − zu zeigen, dass er das Tabu verletzt hat und eingedrungen ist, und dass seine Taten uns alle verdammt haben.«

Der Priester schwieg einen langen Augenblick, dann fügte er hinzu. »Beantworten Sie nur eine Frage: Kann Zonama Sekot Ihnen tatsächlich helfen, uns zu besiegen? Ist er tatsächlich eine Waffe?«

Luke berührte sein Kinn. »Er verfügt über diese Fähigkeiten.«

Harrar atmete langsam aus und sagte traurig: »Dann ist es kein Wunder, dass Shimrra den Planeten so fürchtet. Es ist, wie es prophezeit wurde.« Er sah Luke fragend an. »Werden Sie mich jetzt töten − mich der Macht opfern?«

»Das ist nicht unsere Art.«

Harrars ursprüngliche Verwirrung wich der Entschlossenheit. »Dann werde ich, wenn Sie mir erlauben, vielleicht dabei helfen können, eine Lösung für den Konflikt zwischen Ihren diversen Spezies und der meinen zu finden. Oder beginne ich, wie Elan zu klingen, und verspreche das eine, bin aber entschlossen, das andere zu tun?«

Mara, Jacen und die anderen wechselten immer noch Blicke verstörten Unglaubens, als Luke sagte: »Vielleicht haben Sie noch etwas Tödlicheres in sich als Bo’tous, Harrar − in Form von Ideen.«

Harrar drückte seine verbliebenen Fingerspitzen zusammen und stieß damit gegen seine verformte Unterlippe. »Yun-Harla schenkt ihre schlauesten Tricks denen, die ihr am ergebensten sind. Aber wir finden uns hier zusammen, aus Gründen, die über mein Verständnis hinausgehen. Also müssen wir von hier aus versuchen, einen neuen Anfang zu finden.«