Der erste Ämterreigen

Jetzt ist Herrn Roths Anruf schon ein paar Wochen her und ich habe meinen Eltern noch immer nichts von der Kündigung erzählt. Ich weiß, dass ich es tun muss, und zwar bald. Das liegt mir wie ein Stein im Magen. Nach wie vor hoffe ich, dass aus der Kündigung nichts wird, dass sich vielleicht eine andere Lösung ergibt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, nach der Elternzeit nicht ins Unternehmen zurückzukehren. Bis dahin ist doch noch so viel Zeit – wer weiß, was währenddessen alles passiert. Vielleicht gibt es neue Projekte?

Trotzdem muss ich mit der Wahrheit herausrücken. Ich kann ihnen schließlich nicht einfach verschweigen, dass ich aller Voraussicht nach meinen Job verlieren werde. Mehrmals habe ich mich im letzten Moment darum gedrückt, etwas zu sagen. Ich will nicht, dass sie sich Sorgen machen. Aus dem Alter bin ich raus. Das würde mich auch nur zusätzlich belasten. Ich habe gerade weder Kraft noch Nerven, zusätzlich noch meine Eltern zu beruhigen.

»Heute ruf ich an!«, sage ich mir. »Heute muss es sein.« Es ist ein herrlicher sonnendurchfluteter Tag. Wir machen einen Familienspaziergang in den Park. Ella und Johannes spielen Federball, der Kleine schläft und ich greife kurz entschlossen zum Handy.

Auch mein Vater und seine Lebensgefährtin sind gerade spazieren.

»Es ist wunderschön hier«, schwärmt mein Vater. »Wir wandern ein Flussbett entlang und heute Abend gehen wir in ein Kammerkonzert.«

»Fein!«, sage ich und verschweige die Kündigung. Diese Freizeitidylle kann ich unmöglich mit so einer schlechten Nachricht versauen. Ich beschränke mich darauf, übers Wetter zu sprechen und so zu tun, als ob ich mich fürs Konzert interessieren würde. Als ich anschließend bei meiner Mutter durchklingele, ist der gute Vorsatz inzwischen schon so abgeschwächt, dass ich auch ihr nichts erzähle.

Allein mein Bruder erfährt die Wahrheit.

»Das ist schlecht«, sagt er. Mehr nicht. Kein Drama, keine bohrenden Nachfragen. Für mich ist das die beste Reaktion, die ich im Moment bekommen kann. Mit dieser nüchternen Feststellung kann ich umgehen, ohne das Gefühl zu haben, mich rechtfertigen oder Stärke und Optimismus demonstrieren zu müssen.

Auch mein Bruder bekommt die Wirtschaftskrise zu spüren. Er arbeitet in der Metallindustrie, die von der Krise hart getroffen ist. In seinem Unternehmen gibt es Kurzarbeit. Er muss mit weniger Geld zurechtkommen und mit der Sorge, wie es nach der Kurzarbeit weitergeht. Wird es sein Arbeitgeber durch die Krise schaffen oder drohen am Ende doch Kündigungen? Genau das erwarten Arbeitsmarktexperten für kommendes Jahr. Die Kurzarbeit, so der allgemeine Tenor, hilft zunächst, Entlassungen zu vermeiden. Aber wenn die Wirtschaft nicht schnell genug in Fahrt kommt, werden die Unternehmen über kurz oder lang doch Leute rausschmeißen.

Ich nehme mir seine Ruhe zum Vorbild und habe fest vor, die Aufregung, die immer wieder hochsteigt, nicht überhandnehmen zu lassen. Wir wissen in diesem Moment beide noch nicht, wie sehr wir bald die Nerven werden bewahren müssen.

Die Dinge gehen unerbittlich ihren Gang. Am nächsten Tag kommt mit der Post ein Brief vom Gewerbeaufsichtsamt. Ich bin Gegenstand eines »Ermittlungsverfahrens« und soll in einem Formular Stellung zu den Kündigungsabsichten meines Arbeitgebers nehmen. Das Amt wird dann entscheiden, ob die Kündigung in meiner Elternzeit zulässig ist. Ich soll unter anderem ein Kreuzchen machen bei der Frage »Sind Sie gegen die Kündigung – ja oder nein«. Das klingt leicht – natürlich werde ich widersprechen –, aber ich vermute heimliche Fallstricke.

Dieses Schreiben ist meine Hoffnung. Ich setze darauf, dass das Amt die Kündigung verbieten wird. Damit wäre das Thema gegessen. Ich könnte meinen Job behalten, das ist das Beste, was ich mir im Moment vorstellen kann. Damit ich mit dem Formular ja nichts falsch mache, rufe ich wieder bei meiner Rechtsberatung an.

Diesmal habe ich eine Anwältin in der Leitung. Ich lege auch ihr meinen Fall dar und frage, ob ich mit dem Formular vorbeikommen kann.

»Sie können es uns auch faxen«, ist die Antwort.

Nein, diesmal lasse ich mich nicht so schnell abwimmeln. Für mich geht es hier um viel. Ich will jetzt eine Auskunft und eine Beratung und gefälligst Unterstützung in meiner Hoffnung, dass alles schon nicht so schlimm werden wird.

»Ich komme lieber vorbei und bringe gleich meinen Arbeitsvertrag mit«, insistiere ich – und ergattere tatsächlich kurzfristig einen Termin.

Die paar Stunden bis dahin reichen mir, um meinen aktuellen Arbeitsvertrag und weitere Unterlagen zu kopieren, die ich für die Lösung meines »Falls« für relevant halte. Es sind vor allem mehrere Arbeitsverträge mit unterschiedlichen Tochterfirmen und Schreiben zu Betriebsübergängen.

Mein Arbeitgeber hatte bereits vor Jahren begonnen, sich in einzelne GmbHs aufzusplitten und damit seine Beschäftigten in verschiedene Klassen aufzuteilen. Beschäftigte der ersten Klasse hatten Tarifverträge mit regelmäßigen Einkommenssteigerungen, geringeren Arbeitszeiten, mehr Urlaubstagen und höherer Jobsicherheit. Beschäftigte zweiter Klasse waren in allerlei Tochterfirmen beschäftigt, in denen keine Tarifvereinbarungen galten. Sie verdienten in der Regel deutlich weniger, hofften (völlig realitätsfern), irgendwann einmal in die erste Klasse wechseln zu können, und setzten darauf, dass bis dahin schon alles gut gehen würde.

Ich war inzwischen eine Beschäftigte zweiter Klasse. Mit jeder neuen Aufgabe, die ich im Konzern im Laufe der Jahre übernommen habe, bin ich in ein anderes Tochterunternehmen gewechselt. Der Konzern hat, sobald er ein weiteres Geschäftsfeld erschloss, eine Firma nach der anderen gegründet. Die Arbeitsbedingungen haben sich dabei von Mal zu Mal verschlechtert. Das Einzige, was sich für mich rechtlich bei all den Wechseln verbesserte, war die Kündigungsfrist. Damit war ich eine Ausnahme unter den Kollegen. Einige konnten zum Monatsende rausgeschmissen werden, bei mir waren es am Schluss sechs Monate. Ich hielt das fälschlicherweise immer für ein gutes Zeichen und interpretierte es so, dass der Konzern Interesse an meiner Mitarbeit hatte. Und jetzt wurde einfach die Tochterfirma, bei der ich angestellt war, geschlossen.

Ich schleppe also einen beachtlichen Packen Papier mit mir, als ich beim Berufsverband ankomme. Froh, endlich etwas tun zu können, bin ich guter Dinge. Doch als mir die Anwältin gegenübertritt, erhält meine Zuversicht einen Dämpfer. Ich bin etwas enttäuscht. Sie trägt nur einen DIN-A-5-Schreibblock bei sich und lächelt freundlich. Ich hätte mindestens einen Stapel Gesetzestexte und ein knallhartes Pokerface erwartet. Außerdem hat sie weder ein Kostüm an noch hochhackige Schuhe wie all die Anwältinnen, die durchs Fernsehen spazieren.

Wir setzen uns nebeneinander an die Ecke eines überdimensionierten Konferenztisches. Ich lege ihr Kopie für Kopie mit erläuternden Worten vor und sie macht sich hin und wieder Notizen. Ich bin verunsichert. Warum zitiert sie keine Fälle, die dem meinen ähneln und die mit horrenden Abfindungen endeten?

Nachdem alle Papiere übergeben sind und ich weiß, wie ich das Formular auszufüllen habe, damit mein Widerspruch auch korrekt ist, muss ich gehen, ohne einen konkreten Erfolg verbuchen zu können. Beim Verabschieden sagt sie: »Die Kündigung können Sie mir ja dann faxen.«

Leicht irritiert stehe ich im Aufzug und schaue durch mein Spiegelbild hindurch. Ich bin frustriert. Von diesem Termin hatte ich mir deutlich mehr erwartet. Stattdessen bin ich so schlau wie zuvor und soll jetzt wieder heimfahren.

Um mich nicht diesem schrecklichen Gedanken »Wie soll es jetzt nur weitergehen?« auszuliefern, flüchte ich mich in unerhebliche Überlegungen über nebensächliche Beobachtungen. Mir fällt ihre Aufforderung, ihr die Kündigung zu faxen, ein. Ich wusste nicht, dass Anwälte so aufs Faxen stehen. Womöglich ist diese juristische Entwicklung an mir Laien bislang vorbeigegangen. Ich stelle mir vor, dass der Gerichtsalltag inzwischen vom Fax bestimmt wird. In der Mitte jedes Gerichtssaals steht ein Fax und die Anwälte sind nur noch durch dieses Gerät vertreten. Ein alter Gerichtsdiener steht jedes Mal mühsam auf, wenn es klingelt, schlurft zum Fax und trägt das Papier zum Richter.

Auf dem Heimweg summt das Handy. Mein Freund Luc ist dran. Er erzählt, dass er gerne ein »Minderleister« wäre. Ich überlege, was wohl mit ihm los ist. Luc ist, soweit ich weiß, nicht masochistisch veranlagt. Er ist nicht faul und ein Jammerlappen ist er auch nicht.

»Verstehe ich nicht«, sage ich etwas ratlos.

»Minderleister bekommen bei uns jetzt einen Haufen Kohle. Meine Firma will sie loswerden. Sie zahlt jedem, der geht, einen Grundbetrag von 60 000 Euro. Und dann noch mal ein paar Tausend Euro pro Jahr der Betriebszugehörigkeit!«

»Ich wusste gar nicht, dass du deinen Job loswerden willst?«

»Das lohnt sich doch! Wer weiß, wie es mit dem Laden weitergeht!«

Jetzt verstehe ich. Luc will rechtzeitig den Absprung schaffen und dabei noch eine hübsche Summe einstecken. »Und wie stehen deine Chancen?«

»Kannste vergessen. Ich war schon beim Chef. Aber er sagt, damit seien andere Mitarbeiter gemeint. Er hat sich geweigert, mich als Minderleister zu melden.«

Neu ist die Idee seines Arbeitgebers nicht. Der amerikanische Manager Jack Welch, langjähriger Chef des Konzerns General Electric, teilte seine Belegschaft in drei Gruppen. Danach sind 20 Prozent der Mitarbeiter sehr gut und werden mit Boni überschüttet, 70 Prozent der Belegschaft machen einen ordentlichen Job und müssen weiter gefördert werden. Die restlichen zehn Prozent dagegen sind »Low-Performer«. Das einzig Richtige, was Manager mit ihnen machen können, ist laut Welch: rausschmeißen.

Vor ein paar Jahren scheiterte der frühere Infineon-Chef Ulrich Schumacher mit dem Versuch, diese Idee in Deutschland umzusetzen. Er wollte jährlich die schlechtesten fünf Prozent seiner Mitarbeiter loswerden, stieß jedoch auf Widerstand im Unternehmen. Arbeitsrechtlich ist es schwierig, eine Kündigung wegen »Minderleistung« durchzusetzen. Die Mitarbeiter in »spitze«, »geht so« und »unterirdisch« einzuteilen, reicht dafür nicht aus. Der Arbeitgeber müsste dem einzelnen Mitarbeiter die ungenügende Leistung nachweisen können und ihn zuvor abmahnen.

Darum setzt Lucs Firma auf Freiwilligkeit und macht den Abgang mit einem Haufen Geld attraktiv.

»Ach weißt du, Luc. Das sagt sich so leicht, dass man gekündigt werden will. Ich werde es wahrscheinlich wirklich.«

»Was? Wieso?«

»Die haben unser Projekt eingestellt.«

»Scheiße. Ist grad keine gute Zeit.«

»Nein.«

Ein paar Tage später bin ich noch immer nicht viel weiter. Der Sommer hält an, aller schlechter Vorhersagen zum Trotz – wäre die Kündigung nicht, ich würde das Wetter genießen, was Tolles draußen machen. Stattdessen gehe ich wieder und wieder zum Telefon und drücke die Wahlwiederholung. Seit Tagen versuche ich, jemanden beim Gewerbeaufsichtsamt zu erreichen. Nie nimmt einer ab, dabei habe ich die Durchwahl meines zuständigen Sachbearbeiters. Ich will mich nicht aufs Formular verlassen und auch mündlich gegen die Kündigung protestieren. Ich hoffe, dass dieser persönliche Kontakt etwas bringt.

»Ich weiß nicht, wie genau die sich das anschauen«, hatte die Anwältin zweifelnd gesagt. Mit meinem Anruf will ich die Behörde dazu bringen, dass sie sich wenigstens Mühe geben mit meinem Fall. Schließlich bin ich in Elternzeit und stehe damit unter einem besonderen Kündigungsschutz. Eigentlich darf mir der Arbeitgeber – wie auch während der Mutterschutzfristen vor und nach der Geburt des Kindes – gar nicht kündigen. Es sei denn, das Gewerbeaufsichtsamt stimmt zu. Das passiert nur »in besonderen Fällen« und »ausnahmsweise«, informiert das Bundesfamilienministerium. Ein »besonderer Fall« sei es zum Beispiel, wenn der Betrieb stillgelegt wird und der Arbeitnehmer nicht in einem anderen dazugehörenden Betrieb weiterbeschäftigt werden kann. Das trifft meiner Meinung nach bei mir nicht zu. Schließlich hat mein Arbeitgeber genügend Tochterfirmen, bei denen ich unterkommen könnte. Ich hoffe, dass das Gewerbeaufsichtsamt das genauso sieht. Ich bemühe mich hartnäckig, diese Behörde als Joker zu sehen, den ich noch gegen die drohende Kündigung ausspielen werde.

Inzwischen habe ich es schon wieder mindestens zwanzig Mal klingeln lassen und fange an zu glauben, es mit einem Geisteramt zu tun zu haben, das es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Gerade als ich den Hörer auflegen will, nimmt endlich jemand ab.

Es reicht, meinen Namen zu sagen, der Beamte weiß sofort, worum es geht. Das überrascht mich positiv. Allerdings macht er mir wenig Hoffnung.

»Da kann ich wahrscheinlich nichts machen«, warnt er mich schon einmal vor. »Wenn die Firma geschlossen wird, kann das Arbeitsverhältnis nicht bestehen bleiben.«

»Aber ich arbeite doch in einem Konzern …«, wende ich ein.

»Ich hatte schon einmal so einen Fall«, sagt er und klingt resigniert, »da musste man nur über den Gang gehen und war in der anderen Firma. Aber da kann man nichts machen.«

Ich bezweifle, dass man nichts machen kann. Aber ich weiß nicht, wie ich ihn davon überzeugen könnte. Ich kann keine Urteile zitieren, die für mich sprächen. Es ist ein ungutes Gefühl, ihm und seiner Entscheidung ausgeliefert zu sein.

»Ich warte jetzt erst einmal auf die Erklärung vom Betriebsrat«, sagt er noch. »Vom Betriebsrat erhoffe ich mir sehr viel.«

Was erhofft er sich da, wundere ich mich. Der Betriebsrat wird natürlich gegen die Kündigung sein.

»Ich an Ihrer Stelle würde schon mal rausfahren und mich umschauen, dass ich anderswo unterkomme«, höre ich ihn sagen. Er wählt wirklich die Worte »rausfahren« und »umschauen«, als handele es sich um eine Landpartie.

Noch während ich überlege, wie er sich das vorstellt mit dem Rausfahren und ob ich ein Fernglas für die Jobsuche mitnehmen soll, bedankt er sich für das Gespräch und legt auf.

Ich bleibe unschlüssig stehen. Die Hoffnung, die ich in das Gespräch gesetzt habe, war vergeblich. Das Ganze war recht enttäuschend. »Er wird doch nicht etwa tatsächlich der Kündigung zustimmen?«, frage ich mich entgeistert. »Dafür ist mein Fall doch zu offensichtlich!« Werde ich also tatsächlich arbeitslos? Und das gerade jetzt! Ständig erfahre ich aus den Medien, dass mit einem heftigen Anstieg der Arbeitslosigkeit gerechnet wird. »Ich will da nicht dabei sein!«, denke ich trotzig. Aber auf einmal werde ich wieder pragmatisch: Wenn es sowieso zur Kündigung kommt, kann ich genauso gut gleich bei der Arbeitsagentur anrufen. Das hätte zudem den Vorteil, dieses Behördentelefonat bereits abhaken zu können. Ich hole meinen Ordner, wo ich schon einmal vorsichtshalber die Nummer abgeheftet habe, und wähle kurz entschlossen 01801 / 555111, die Hotline der Arbeitsagentur.

Ich bin auf der Hut. Seit der Arbeitsmarktreform unter der Regierung Schröder haben sich die Arbeitsagenturen, wie die Arbeitsämter seither heißen, einen Ruf als harte Behörden erarbeitet. Meldet man sich zu spät arbeitslos, gibt es sofort Sperrzeiten, das heißt, dass das Arbeitslosengeld vorübergehend gestrichen wird. Dasselbe ist der Fall, wenn man eine Fortbildung ablehnt oder nicht zu einem Bewerbungstermin erscheint. Die Kollegen haben mich vorgewarnt: Der Verdacht, man suche eigentlich gar keine Arbeit, sondern wolle auf Kosten der anderen Beitragszahler faulenzen, würde den ganzen Kontakt mit der Agentur unterschwellig bestimmen.

Als sich nach einer Telefonroboterschleife endlich eine Mitarbeiterin meldet, sage ich mein Sprüchlein auf. Ich hätte nie gedacht, dass ich diese Worte einmal werde aussprechen müssen. Es ist ein komisches Gefühl. Ich komme mir vor wie eine Schauspielerin, die eine unpassende Rolle übernommen hat, wie eine Fehlbesetzung: »Guten Tag. Ich möchte, äh, muss, mich arbeitslos melden. Ich bin in Elternzeit und habe erfahren, dass ich meinen Job verlieren werde.«

»Wie lange sind Sie denn noch in Elternzeit?«, kommt es prompt zurück.

Ich vermisse ein Wort der Anteilnahme, liefere aber wie verlangt das Datum.

Darauf folgt sofort die nächste Datumsfrage: »Und zu welchem Termin wird Ihnen gekündigt?«

Als die Mitarbeiterin die lange Kündigungsfrist hört, sagt sie sofort: »Sie sind verpflichtet, sich drei Monate vor Ende des Arbeitsverhältnisses arbeitslos zu melden. Soll ich Sie trotzdem aufnehmen?«

Ich zögere. Wer weiß, wenn ich jetzt »Nein« sage, macht sie ein schwarzes Kreuz in ihrem Computer bei »unwilliger Kunde« und nachher wird mir eine Sperrzeit verpasst. Ich entschließe mich zu einer Gegenfrage. Damit bin ich auf der sicheren Seite. »Was empfehlen Sie?«

»Sie sind verpflichtet, sich drei Monate vor Ende …« Ich überlege, ob ich es vielleicht immer noch mit einem Telefonroboter zu tun habe. Aber dann kommt ein neuer Satz: »Wenn Sie Beratungsbedarf haben, schon jetzt.«

Nein, Beratungsbedarf habe ich im Moment keinen, aber das sage ich lieber nicht. Es würde bestimmt schlecht ankommen. Ich vermute eine Falle und frage noch einmal: »Was empfehlen Sie?«

Sie schaltet wieder den Telefonroboter an: »Sie sind verpflichtet …«

Ich sehe ein, dass es so nicht weitergeht, und sage, um der Endlosschleife unseres Gesprächs zu entkommen: »Also, dann jetzt.«

Sie beginnt meine Daten abzufragen: Vorname, Name, Geburtsort, Familienstand, Adresse. Da fällt mir unser anstehender Umzug ein. »Am besten nenne ich Ihnen zwei Adressen, ich ziehe in den nächsten Tagen um.«

Jetzt wird es ihr offensichtlich zu bunt. »Dann melden Sie sich doch wieder, nachdem Sie umgezogen sind. Sonst schicken wir Ihnen alles an die alte Adresse.«

Diese Logik verstehe ich nicht: Kann Sie nicht zwei Adressen eingeben? Hat Sie noch nie etwas von einem Nachsendeantrag gehört? Aber ich willige ein.

Nachdem ich aufgelegt habe, überlege ich, was sie nun mit dem Datensatz macht, den sie offenbar während unseres Telefonats angelegt hat. Hat sie ihn wieder gelöscht? Oder hat sie ihn gespeichert und womöglich mit vielen schwarzen Kreuzchen versehen: »Störrischer Kunde, komplizierter Kunde, zieht jetzt auch noch um!«