Meine Elternzeit ist vorbei. Von heute an wollte ich eigentlich wieder ins Büro gehen, doch ich bin ja jetzt freigestellt. Ab sofort werde ich von meinem Arbeitgeber bis zum Ende meiner Kündigungsfrist fürs Nichtstun bezahlt.
Das ist weniger angenehm, als es klingt. Es setzt mich unter Zeitdruck. Die Monate vergehen so schnell, sie rasen geradezu auf die Arbeitslosigkeit zu. Das macht mich nervös, alles flattert in mir.
Heute nicht in die Exarbeit fahren zu dürfen, macht mich auch melancholisch. Ich hole meine Abwicklungsvereinbarung hervor, sie ist ja so etwas wie der Abschiedsbrief meines Arbeitgebers, um sie ein letztes Mal zu lesen. Ich erschrecke über die Formulierung, dass ich »unwiderruflich« freigestellt bin. Es macht deutlich: Es gibt keinen Weg zurück.
Gestern rief mich eine Kollegin an.
»Und? Kommst du wieder?«, fragte sie mich.
Ich wunderte mich über ihre Frage. »Nein, mir wurde doch gekündigt«, antwortete ich, obwohl sie das doch bereits seit Langem weiß. Es stellte sich dann heraus, dass die Gerüchteküche brodelte. Eine Position, die ich früher einmal innehatte, ist frei geworden und irgendwer fing wohl an zu mutmaßen, ich würde einspringen.
»Nein, ich weiß davon nichts. Bei mir hat sich keiner gemeldet«, antwortete ich nüchtern. Ich fühlte in dem Moment keine Enttäuschung, dafür kam die Neuigkeit zu plötzlich. Doch seither wirbeln Erinnerungsfetzen an vergangene Bürotage durch meinen Kopf. Es scheint mir so lange her, als würde ich Super-8-Filme anschauen.
Was mich noch immer erschreckt, ist, wie schnell man draußen und vergessen ist. Dieses ungläubige Staunen kommt wieder und wieder hoch. Selbst wenn die Kündigung aus Unternehmenssicht aus »betrieblichen Gründen« notwendig war – gab es denn wirklich gar keine Möglichkeit, mich zu halten? Überhaupt keine? Ich kann das einfach nicht glauben. Eine Bekannte schüttelte entsetzt den Kopf, als sie von meiner Kündigung hörte: »Einfach gekündigt? Obwohl du so viele Überstunden gemacht hast?«
»Das hat damit gar nichts zu tun«, erklärte ich achselzuckend, um meine Verletzung zu überspielen. Denn ich denke in manchen Momenten genauso: Du hast dich so sehr eingesetzt, hast sogar auf Urlaube verzichtet und wenn es drauf ankommt, zählt das alles nichts. Im Nachhinein müsste ich mir sagen: »Schön dämlich warst du!« Andererseits – ich habe einfach gearbeitet, so gut ich konnte. Es ist Unsinn, das im Nachhinein aufrechnen zu wollen.
»Schluss mit der Trauerarbeit! Das Kapitel ist beendet. Unwiderruflich«, sage ich mir und stelle den Ordner mit Kündigung und Abwicklungsvereinbarung wieder ins Regal zurück. Plötzlich sehe ich meinen Bruder vor mir, wie er mit seiner riesigen Operationsnarbe auf dem Sofa liegt. »Stell dich nicht so an«, schimpfe ich mit mir. »Das war nur ein Job.«
Später telefoniere ich mit meinem Vater. Offenbar ist es mir nicht gelungen, so schnell mit meiner Entlassung abzuschließen. Denn auf einmal sage ich – im verzweifelten Versuch, ihr etwas Positives abzugewinnen: »Die Kündigung hat auch etwas Gutes. Wenn ich den Job nicht verloren hätte, wäre es mir nicht möglich gewesen, so oft zu kommen und zu helfen.«
»Das sehe ich etwas differenzierter«, antwortet mein Vater ernst. Ich kann ihn ja verstehen und kann doch auch nichts dafür, dass er auf einmal zwei erwachsene Problemkinder hat. Immerhin steht er meiner Selbstständigkeit nicht so skeptisch gegenüber wie meine Mutter. Dabei hätte er Grund dazu. Sein bester Freund ist Freiberufler und arbeitet – trotz Rentenalters – noch immer. Er ist in die typische Selbstständigenfalle getappt: Ihm fehlt die Altersvorsorge. Zwar hatte er fürs Alter gespart, doch musste er schon vor Längerem an das Geld ran, als die Auftragslage so schlecht war, dass nicht genug zum Leben hereinkam.
Selbstständige haben keine soziale Absicherung. Sie haben keine Kündigungsfrist und keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Ich kenne Selbstständige, die nicht einmal krankenversichert sind, um die Beiträge zu sparen. Wer es nicht schafft, selbst aus seinen Einnahmen für das Alter vorzusorgen, schlittert in die Altersarmut. Das trifft auf mehr als ein Zehntel aller Selbstständigen zu, hat das Mannheimer Forschungsinstitut Ökonomie und Demographischer Wandel berechnet. Viele von ihnen sind sogenannte Solo-Selbstständige, das sind Selbstständige, die keine Mitarbeiter haben – so wie der Freund meines Vaters und so wie es bei mir der Fall wäre.
Mit der Post kommt ein großes Kuvert aus der Exarbeit. Es ist die Arbeitsbescheinigung, um die ich gebeten hatte. Sie liegt formlos im Umschlag, ohne Anschreiben oder kurzen Gruß. Ich bin enttäuscht. Gerade heute könnte ich mindestens eine nette Zeile gut gebrauchen. »Was hast du denn erwartet?«, frage ich mich kopfschüttelnd. »Ein herzzerreißendes Bekenntnis, wie sehr sie dich vermissen?« Mir nur die Formulare zurückzuschicken wirkt seltsam schroff, fast unhöflich. Obwohl ich mir sicher bin, dass weniger böse Absicht als Gedankenlosigkeit dahintersteckt, bin ich geknickt.
Als ich die Bescheinigung zu den anderen Unterlagen lege, die ich für den Antrag auf Arbeitslosengeld brauche, fällt mir auf, dass ein Formular fehlt. Eine weitere Bescheinigung, diesmal von der Krankenkasse. Sofort rufe ich bei der Hotline der Arbeitsagentur an. Die Nummer kenne ich inzwischen auswendig. Wieder begrüßt mich der Telefonroboter, der heute besonders laut und unangenehm scheppernd klingt. Die Stimme der Mitarbeiterin, die sich danach persönlich meldet, ist dagegen eine Wohltat. Sie ist so sanft und klingt so sympathisch und ja, selbstverständlich, schickt sie mir das Formular zu. Als ich daraufhin gleich einen Termin beim Antragsservice ausmachen will, blockt sie aber ab.
»Haben Sie die Arbeitsbescheinigung auch schon?«, fragt sie mich ungläubig. Offenbar ist es völlig normal, Wochen zu brauchen, bis man endlich alle nötigen Formulare für den Antrag organisiert hat.
»Ja«, antworte ich ihr. »Die Bescheinigung habe ich bereits.«
Einen Termin will sie mir trotzdem nicht geben und ich habe nicht die Kraft, darauf zu beharren. Erst wenn meine Krankenkasse das neue Formular ausgefüllt hat, darf ich ihn vereinbaren. Dann soll ich noch einmal anrufen. Langsam frage ich mich, ob die Arbeitsagentur an den Hotline-Anrufen verdient. Wahrscheinlich steht irgendwo im Kleingedruckten des Merkblatts: 21 Cent pro Minute.
Schon ein paar Tage später bin ich wieder unterwegs zu meiner Lieblingsbehörde. Kaum hatte ich das letzte noch fehlende Formular, habe ich sofort einen Termin ergattert. Flott sind sie bei der Agentur. Das hätte ich nicht erwartet. Auf dem Weg dorthin ertappe ich mich wieder bei Selbstgesprächen. Mir fällt ein, dass ich vergessen habe, den Elterngeldbescheid zu kopieren. Ich könnte mich in den Hintern beißen, andererseits sollte es kein Problem sein, ihn nachträglich zu faxen.
Vor der Arbeitsagentur anzukommen, ist nicht mehr ganz so schrecklich wie beim ersten Mal. Es stellt sich ein Gewohnheitseffekt ein. Es fühlt sich so an, als würde ich zu einer ungeliebten Arbeitsstelle fahren. Dieses Mal fällt mir auf, dass man niemandem hier die Arbeitslosigkeit ansieht. Die Menschen um mich herum könnten den unterschiedlichsten Berufen nachgehen. Andererseits: Wie sieht ein typischer Arbeitsloser überhaupt aus? Vielleicht sollte ich Frau Mayer im Ohr fragen.
Erst als ich das hässliche Gebäude betrete, ist mir unangenehm zumute. Es ist so eine seltsame Stimmung hier – auf stille Art geschäftig, unnatürlich ruhig, als hätten alle Tranquilizer geschluckt. In der Toilette treffe ich auf eine Frau mittleren Alters, die sich auf Zehenspitzen stehend eifrig bemüht, ihren Mantel auf dem Händetrockner abzulegen.
»Es sind keine Haken da«, sagt sie entschuldigend, als ich dazukomme. »Der Staat gibt für so viel Geld aus, aber für Haken reicht es nicht.« Sie schüttelt den Kopf und wird geradezu philosophisch. »Das wird so bleiben. Hier ist doch das Motto: ›Da muss man eben den Menschen ändern‹, wenn wir nicht in die Paragrafen passen.«
Ich würde mich gerne mit ihr weiter unterhalten. Sie ist die Erste, die das Schweigen bricht, das uns »Kunden« zu überkommen scheint, sobald wir die Arbeitsagentur betreten. Außerdem bedeutet es für mich eine willkommene Ablenkung, ihre Idee weiterzuspinnen. Vielleicht trägt der Arbeitslose der Zukunft Haken?
Aber ich lasse mir keine Zeit für solche Gedankenspiele, ich eile durch die Behörde, damit ich rechtzeitig das Zimmer für meinen Termin finde. Wie ich schnell merke, war die Hektik völlig unnötig: Eine Viertelstunde zu früh stehe ich vor der gesuchten Tür. Ich klopfe trotzdem und strecke kurz den Kopf in den Raum. Es ist ein Zweierbüro. Eine freundliche junge Frau sagt: »Ich rufe Sie gleich auf.« Sie ist meine dritte Sachbearbeiterin. Die erste, Frau Mayer, war für die Jobberatung zuständig. Die zweite, deren Namen mir nicht mehr einfällt, kümmerte sich um meine »persönliche Arbeitslosenmeldung« und diese nun wird meinen Antrag auf Arbeitslosengeld annehmen.
Aber davor muss ich erst einmal brav meine Viertelstunde auf einem roten Metallsitz im Gang vor ihrer Tür absitzen. Ich starre viel auf den Teppich, der schon morgens um 9 Uhr unglaublich dreckig ist, und von dessen braunem Muster eine fast hypnotisierende Wirkung ausgeht. Zwischendurch läuft ein Mitarbeiter eifrig von Tür zu Tür. Dann öffnet eine junge Mitarbeiterin mit rot geschnürten Lackstiefeln ihre Zimmertür. Sie arbeitet bei Musik und beschallt nun auch den Gang mit Lady Gaga. Der Dresscode hier in der Agentur ist schon seltsam. Alles scheint erlaubt. Alte Sweatshirts, Birkenstock, rote Lackstiefel.
Schließlich werde ich aufgerufen. Ich übergebe meinen Ausweis sowie den dicken Packen mit den Formularen und warte. Und warte. Ich sitze an einem kleinen Katzentisch, leicht schräg zu meiner Sachbearbeiterin und sehe zu, wie sie schweigend die Papiere durchblättert, neu sortiert und manches mit einem roten Edding markiert. Dann beginnt sie, Eingabefenster am Computer auszufüllen. Ich bin gespannt, ob sie etwas zur Abfindung sagt oder zum fehlenden Elterngeldbescheid. Aber nein, kein Ton. Ich fühle mich wie ein Kind, das nachsitzen muss, während die Lehrerin Arbeiten korrigiert. Ein kurzer Small-Talk-Versuch von mir (»Schön, dass hier die Sonne reinscheint«) wird mit einem kurzen Lächeln und Schweigen quittiert. Also halte ich die Klappe. Nach etwa zwanzig Minuten wendet sie sich mir zu.
»Ich habe jetzt alles, was ich brauche. Der Bescheid wird Ihnen dann in zwei bis drei Tagen zugesandt.«
Ich wundere mich zwar, dass sie gar keine Fragen hatte und mein Termin so »schweigend« ablief. Es war, als hätte sie mich als Person gar nicht wahrgenommen. Da saß nicht Julia Berger auf ihrem Stuhl, sondern nur eine Nummer, austauschbar. Aber natürlich bin ich froh, so schnell wieder draußen zu sein. Dass ich den Bescheid schon in ein paar Tagen erhalte, hätte ich gar nicht erwartet. Ich sollte mich langsam an das Tempo der Behörde gewöhnen.
Auf dem Weg zum Ausgang sehe ich mir die Plakate an. Die Wände sind voll mit bunten Zetteln, manche sind frisch ausgedruckt, andere schon vergilbt. Mal wird für Jobs im Ausland geworben – seltsamerweise gerade für die Berufsgruppen, die in Deutschland rar werden: Erzieher und Ärzte. Mal informieren Zeitarbeitsfirmen über ihre Ausschreibungen. Im Eingangsbereich steuere ich die Tafel »Veranstaltungen aktuell« an. Es gibt nur ein Poster. Es hat die Überschrift »Terrorismus: Verdächtige gesucht«.
Zwei Tage später erhalte ich tatsächlich schon Post von der Arbeitsagentur. Aber sie ist wenig erfreulich: Die Sachbearbeiterin hat mir eine Sperrzeit verpasst! Zum Beginn meiner Arbeitslosigkeit wird mir das Arbeitslosengeld eine Woche lang gestrichen.
»Sehr geehrte Frau Berger«, schreibt mir die Sachbearbeiterin, »ich muss prüfen, ob eine Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitssuchmeldung eingetreten ist. Eine Sperrzeit tritt ein, wenn Sie ohne wichtigen Grund Ihrer Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuchendmeldung nicht nachgekommen sind. Sie waren verpflichtet, sich innerhalb von 3 Tagen, nachdem Sie von dem Ende Ihres Arbeitsverhältnisses erfahren haben, persönlich oder telefonisch bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden (§ 38 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III).« Außerdem lese ich den fett gedruckten »Hinweis«, dass ich Arbeitslosengeld II für die Sperrzeit beantragen darf, falls mein Lebensunterhalt nicht gesichert ist.
Das ist doch irre! Ich habe mich schließlich Monate zu früh gemeldet! Was soll das denn jetzt? Ich wurde sogar mehrmals darauf hingewiesen, dass ich außerhalb der Frist sei. Ich verstehe das nicht. Können die Mitarbeiter tatsächlich nicht auf meinen Stammdatensatz zugreifen, der beim ersten Telefonat angelegt wurde? Oder toppt die 3-Tage-Regel die 3-Monats-Regel? Oder bringe ich alles durcheinander, weil ich so früh dran war?
Ich lese § 38 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III nach und bin beruhigt. Er beginnt mit dem Satz: »Personen, deren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis endet, sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden.« Sofort setze ich einen Brief an die Arbeitsagentur auf, kopiere das erste Schreiben, das ich von der Agentur erhalten habe und das das Datum nennt, zu dem ich erstmals angerufen habe, und fülle das Formular meiner »Anhörung« aus. Mal sehen, was passiert.
Wieder zwei Tage später liegt der Bewilligungsbescheid im Briefkasten. Auf dem Weg zum Spielplatz reiße ich ihn auf. Ich halte sechs Seiten voller Tabellen, Paragrafen und Erläuterungen in den Händen. Sofort fängt meine linke Schulter an zu schmerzen. Das scheint meine Art zu sein, auf diese schreckliche Behörde zu reagieren. Die Sperrfrist ist noch drin. Eine Woche werde ich kein Arbeitslosengeld erhalten. In dieser Zeit werde ich weder kranken- noch rentenversichert sein, muss die Beiträge also privat zahlen. Der Rest des Bescheids ist zu kompliziert, um ihn auf einen Blick zu erfassen.
Ich beuge mich am Abend noch einmal in Ruhe über den Schrieb. Das macht es nicht besser. Ich verstehe zu vieles nicht. Warum wird das Arbeitslosengeld nur »vorläufig« bewilligt? Warum ist der Betrag niedriger als das Elterngeld, beides sollte doch bei 67 Prozent des Nettoeinkommens liegen? Warum schwankt die Höhe von Monat zu Monat? Warum wird mir so viel von meinem möglichen Nebeneinkommen angerechnet? Warum, warum, warum? Mir schwirrt der Kopf. Ich reiße mich zusammen und arbeite mich Zeile für Zeile mühsam durch. Am Ende verstehe ich, dass über die Sperrzeit tatsächlich erst noch entschieden wird. Und ich befürchte, dass ich wegen der Anrechnung des Nebeneinkommens Widerspruch einlegen muss.
Wenn ich mein wirres Paragrafen-Wissen jemandem verständlich machen müsste, hätte ich Schwierigkeiten. Es ist so kompliziert. Bis zu 15 Wochenstunden darf ein Arbeitsloser nebenher arbeiten und monatlich 165 Euro netto hinzuverdienen, ohne Abzüge befürchten zu müssen. Alles, was darüber liegt, wird mit dem Arbeitslosengeld verrechnet. Wer jedoch schon vor der Arbeitslosigkeit neben seinem festen Job ein Nebeneinkommen hatte, dem »können weitere Freibeträge zustehen«, heißt es in der Broschüre »Wissenswertes zum Thema Nebeneinkommen«. Deshalb habe ich im Antrag mein bisheriges Nebeneinkommen angegeben. Und dieser Betrag wird mir nun im Voraus monatlich abgezogen. Das kann doch nicht richtig sein?
Dafür hatte ich mit der Abfindung keinerlei Probleme. Da wurde nichts angerechnet. Soll ich es deswegen dabei belassen? Ich bin unschlüssig und entscheide mich, erst einmal den nächsten Brief zur Sperrzeit abzuwarten und dann meine Anwältin zu kontaktieren. Erschöpft und niedergeschlagen hefte ich den Bewilligungsbescheid im Ordner ab.
Auf den Brief zur Sperrzeit warte ich eine ganze Woche. Das ist für die Agentur ungewöhnlich lange. Wieder ist es ein Bewilligungsbescheid, der den alten Bescheid ersetzt. Wieder habe ich Schwierigkeiten, die Aussage sofort zu erfassen. Zwei, drei Mal lese ich über die Tabellen. Dann bin ich mir sicher: Die Sperrzeit ist draußen. Sehr gut.
Jetzt muss ich mich um die Sache mit dem Nebeneinkommen kümmern. Ich bin unentschlossen, ob ich direkt bei der Arbeitsagentur anrufen soll oder ob ich mich lieber zuvor bei meiner Anwältin erkundige. Auf dem Bescheid suche ich vergeblich nach einem Ansprechpartner oder einer Durchwahl der Sachbearbeiterin in der Arbeitsagentur. Nur die Hotline ist angegeben. Nein danke, diesen Umweg möchte ich jetzt nicht gehen. Also rufe ich die Anwältin an. Sie ist in Kampfeslaune.
»Natürlich steht Ihnen ein höherer Freibetrag für das Nebeneinkommen zu! Schicken Sie mir den Bescheid heute noch zu, dann legen wir Widerspruch ein. Wenn das nichts bringt, gehen wir vors Sozialgericht!«
Ich bin baff. Alle Achtung. Solche Worte hätte ich mir damals bei der Kündigung gewünscht, als es um meinen Job und die Abfindung ging. Jetzt handelt es sich nur um ein paar Hundert Euro monatlich. Das ist zwar auch viel, aber nicht vergleichbar mit meiner Stelle. Ich bin erleichtert, dass sie sich der Sache annimmt und ich mich nicht mit der Hotline auseinandersetzen muss.