Teil 2:
Außerhalb des Betts sind Yakuza
nur wertlose Blutsauger

Nach vielen Monaten Arbeit an diesem Fall dachte ich immer öfter an meinen ersten Tag bei der Yomiuri zurück, als ein Vorgesetzter gesagt hatte, dass es ein Jahr dauern könne, bis eine Story reif sei. Damals hatte mir das gefallen, aber jetzt brauchte ich unbedingt eine Pause, denn ich war am Ende meiner Kräfte.

Ich informierte Sekiguchi darüber, dass ich mir eine Woche frei nehmen wollte.

Er lachte. »Daraus wird sicher nichts werden.«

Und er hatte recht, denn nach nur vier Tagen war ich wieder an der Arbeit. Ein Mitglied der Takada-gumi, ein chinpira namens Shimizu, hatte Sekine in seinem Geschäft attackiert, und Sekiguchi verhörte jetzt den Verdächtigen.

Ich aß gerade Eis mit den Mädchen, als der Ermittler nach Hause kam, die Schuhe auszog und sich zu uns an den Tisch setzte. Anscheinend fand er es ganz natürlich, dass ich dort saß.

»Glaubt Shimizu, dass Sekine der Mörder von Endo ist?«, platzte ich heraus, obwohl die Kinder da waren, aber die achteten nicht auf uns.

»Ja, das glaubt er. Er hat zugegeben, Sekines Gesicht, aber nur das, mit einem Teppichmesser bearbeitet zu haben. Wir haben sein Geständnis zu Protokoll genommen, dann hat er es unterschrieben. Danach habe ich ihn beiseitegenommen und ihn gebeten, mir ehrlich zu sagen, ob er das auf Anordnung von Takada getan habe.
Aber Shimizu hat es vehement bestritten.«

Sekiguchi fuhr fort: »Ich wollte das auch von Takada selbst hören, also habe ich ihn besucht – das mache ich oft, um die Dinge im Griff zu behalten. Als ich ihn direkt darauf ansprach, ob er diesen Idioten beauftragt habe, zuckte Takada nicht mit der Wimper und meinte nur: ›Wenn ich dem Kerl befohlen hätte, Sekine zu erledigen, und er wäre zurückgekommen, ohne diesen Dreckskerl ernsthaft verletzt zu haben, dann hätte ich ihn aufgeknüpft. Shimizu ist eine totale Niete, er ist kein Yakuza. Wenn er nicht so blöd wäre, hätte er dem Hundemann das Messer in den Bauch gerammt.‹«

An diesem Punkt beschloss Sekiguchi, mir ein paar Hintergrundinformationen zu geben. »Viele Yakuza nennen sich selbst nicht gerne so. Vergessen Sie auch das offizielle Wort boryokudan (wörtlich: »gewalttätige Gruppen«). Sie nennen sich lieber gokudo.« Er schrieb die chinesischen Schriftzeichen auf eine Serviette. »Goku bedeutet extrem, und do Weg. Ein gokudo geht also seinen Weg bis zum Ende, er gibt nicht auf, sondern erledigt seinen Job. Die jungen Burschen von heute haben die Bezeichnung gokudo nicht verdient, sie sind nur Schläger, die Männer werden wollen.

Meine Aufgabe besteht jetzt darin, den Eindruck zu erwecken, als würden wir alles tun, damit Sekine am Leben bleibt. Takadas Jungs sollen glauben, dass das Gesetz sie mit aller Härte verfolgt, wenn sie Sekine etwas antun. Es ist verrückt, aber ich tue das, damit Takada nicht das Gesicht verliert und beschließt, Sekine selbst umzulegen.«

Sekiguchi wandelte auf einem schmalen Pfad. Aber er hielt auch die Ermittlungen am Laufen. Als Endo vermisst worden war, hatten viele gemutmaßt, dass Sekine ihn umgebracht hatte. Doch Takada wollte das nicht hören, er konnte nicht glauben, dass ein normaler Bürger, wie durchgeknallt er auch sein mochte, einen Yakuza ermorden würde. Das hatte es noch nie gegeben. Aber seit Sekiguchi an dem Fall arbeitete, schien Takada seine Meinung allmählich zu ändern. Und ihm gefiel die ganze Sache überhaupt nicht.

Gelegentlich rief Takada Sekiguchi an und sagte dann ganz beiläufig: »Ich werde wohl ein paar Löcher in Sekine pusten. Mit diesem Fall vergeuden Sie doch nur Ihre Talente. Ich werde ihn für Sie beenden, dann können Sie bald an besseren Fällen arbeiten.« Sekiguchi bat ihn dann höflich, den Hauptverdächtigen nicht umzubringen. Nach einer Weile wurde aus diesen Gesprächen eine Art Zwei-Mann-Komödie.

Niemand wusste genau, wie oder wo Endo ermordet worden war. Aber Sekiguchi hatte herausgefunden, was Endo am letzten Abend vor seinem Verschwinden gemacht hatte. Nach ein paar illegalen Glücksspielen hatte er um 21 Uhr Yumi-chan angerufen und ihr mitgeteilt, dass er etwas später kommen werde.

Und noch etwas Wichtiges hatte Sekiguchi ermittelt: Ein örtlicher Tierarzt hatte Sekine eine Menge Strychninnitrat verkauft – um kranke Tiere einzuschläfern.

Auch ich hatte versucht, etwas über Endos letzte Stunden herauszufinden, und bald schon tauchte ich jeden zweiten Tag bei Sekiguchi auf, um die Informationen zu überprüfen, die ich erhalten hatte. Wahrscheinlich verstieß ich damit gegen die Gebote der Höflichkeit, aber es schien Sekiguchi seltsamerweise nicht zu stören. Frau Sekiguchi bat mich sogar, auf die Kinder aufzupassen, wenn sie einkaufen ging, und schließlich half ich ihnen auch bei ihren englischen Hausaufgaben.

Eines Tages spürte Sekiguchi Yumi-chan auf, die in einer Bar arbeitete. Als Yoshihara und ich am nächsten Abend dorthin gingen, begrüßte uns die Mama-san und führte uns zu einem Tisch. Yoshihara verlangte nach Yumi-chan.

Das Lokal war ein typischer Hostessenclub: Kronleuchter, ein paar Sofas für intimes Geplauder, eine Karakoe-Maschine, ein großer Kerl hinter der Bar. Die Polster bestanden aus purpurrotem Samt, das Licht war so diffus, dass die Kerzen auf den Tischen wie Scheinwerfer wirkten, und der Barmann, der mich nur kurz musterte, hatte keinen Hals, einen Kurzhaarschnitt und einen hässlichen Anzug, der zu eng war – Yakuza-Alarm!

Yumi hingegen war bezaubernd. Sie hatte ein ovales Gesicht und kesse, schmale Lippen und schien nur etwas kleiner zu sein als ich. Sie setzte sich neben Yoshihara, während ihre Kollegin Kimiko neben mich rutschte.

Während Yoshihara an seinem Whiskey mit Wasser nippte, den Yumi ihm eingegossen hatte, erklärte er leise, wer wir waren und warum wir gekommen waren. Sie erschrak erst, und eine Sekunde lang fürchtete ich, dass sie den Barkeeper auffordern würde, uns rauszuwerfen. Doch irgendwie schien Yoshiharas direkte Art sie schließlich zu beruhigen.

Seufzend sagte sie dann: »Na gut, ich erzähle Ihnen, was ich weiß, aber nicht umsonst. Dies ist eine Bar, und ich arbeite hier. Als Kunde dürfen Sie mich fragen, was Sie wollen. Aber ich erwarte, dass Sie sich wie ein guter Kunde benehmen, der einer Frau eine Flasche Champagner kauft.«

Yoshihara und ich sahen uns an. Konnten wir uns das leisten? Und abgesehen davon, dass wir die Kosten nicht als Spesen verbuchen durften, war es auch streng verboten, Informationen zu kaufen. Und dies hier kam dem schon sehr nahe.

Schließlich bestellten wir eine Flasche Champagner, und als das Prickelwasser floss, sprudelten auch die Informationen. Endo hatte den Club regelmäßig besucht und war ein echter Gentleman gewesen. Er war älter als sie, hatte ihr Wein und Essen bezahlt und sie großzügig beschenkt. Und er strahlte eine gewisse tierische Anziehungskraft aus. Sie hatte aus Neugier mit ihm geschlafen und festgestellt, dass er gut im Bett war.

Das Letzte, was sie von ihm gehört hatte, war besagter Anruf gewesen. Sie hatte keine Ahnung, wen er an dem Abend treffen wollte. Sie hatten selten über seine Arbeit gesprochen. Jetzt, da er tot war, vermisste sie ihn, aber sie war nie wirklich in ihn verliebt gewesen. Eines jedoch hatte ihr an ihm nicht gefallen: Da er ganz mit Tätowierungen bedeckt war, hatte sich seine Haut kalt angefühlt. »Manchmal hatte ich das Gefühl, mit einer Schlange zu schlafen. Gut im Sommer, aber nicht im Winter.«

»Kannten Sie Endo ebenfalls?«, fragte ich nun Kimiko.

»Ja, natürlich, aber nicht so gut wie Yumi. Ich mag Yakuza. Sie wissen, wie man eine Frau im Bett befriedigt. Aber außerhalb des Betts sind sie wertlose Blutsauger.«

»Kennen Sie viele Yakuza?«

»Ich war die Geliebte eines Yakuza, ehe ich hier anfing, aber er ist gestorben.«

»Eines natürlichen Todes?«

»Allerdings, er ist beim Sex abgekratzt.«

Da wir uns nur ein kurzes Gespräch leisten konnten, gab mir Yoshihara bald ein zeichen, dass es zeit war zu gehen. Ich dankte Kimiko für ihre Gesellschaft, dann bezahlten wir unsere Rechnung – 30 000 Yen (etwa 300 Dollar) – und verabschiedeten uns voneinander.

Als ich sicher war, dass Yoshihara mit dem Taxi fort war, kehrte ich um, ging zurück in die Bar und setzte mein Gespräch mit Kimiko fort. Da ich noch nie zuvor eine Yakuzabraut getroffen hatte, wollte ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.

An diesem Abend kehrte ich nicht mehr ins Büro zurück.

Wahrscheinlich würde es meinem Image als Mann guttun, wenn ich sagen könnte, dass ich sie überredet hätte, die Nacht mit mir zu verbringen. Aber sie hatte stets das Heft in der Hand. Und im Bett war sie wild, aggressiv und eindeutig erfahrener als ich.

Mit dieser Nacht begann etwas, das ich nur als mehrere Monate lang andauernde Dreierbeziehung bezeichnen kann – allerdings nicht in sexueller Hinsicht. Kimiko lieferte mir Informationen über die Welt der Yakuza, und ich reichte sie an Sekiguchi weiter, der seinerseits die Takada-gumi im Auge behielt und mir ab und zu etwas Neues erzählte.

Eines Nachmittags, als Kimiko und ich in ihrer Wohnung Sex hatten, strich sie mir zärtlich mit den Fingernägeln über den Rücken und fragte, ob ich ein Geheimnis erfahren wolle.

»Klar«, antwortete ich, »verrat mir dein Geheimnis.«

»Rate mal, wo Sekine jetzt ist.«

»Wahrscheinlich arbeitet er in seinem Laden.«

»Das glaube ich eher nicht.«

»Okay, gib mir einen Tipp.«

»Den musst du dir erst verdienen ...«

Als ich meinen Teil des Handels erfüllt hatte, fuhr sie fort: »Takada hat ihn. Wahrscheinlich verhören sie ihn gerade.«

»Wie zum Teufel ...«

»Sie werden die Wahrheit schon aus ihm rauskriegen.«

»Woher weißt du das?«

»Einer von Takadas Jungs war gestern Abend in der Bar und hat damit geprahlt. Er sagte, sie würden sich Sekine schnappen, ihn in Stücke schneiden und an seine eigenen Hunde verfüttern.«

»Kann ich mal telefonieren?«

»Wen willst du denn anrufen?«

»Gib mir einfach das Telefon.«

Ich rief Sekiguchi an, der nur zuhörte, keine Fragen stellte, mir dankte und dann sofort auflegte.

Erst vier Tage später sprach ich wieder mit ihm. In der Zwischenzeit war es mir dank Kimiko gelungen, einen Freund Endos, der kein Yakuza war, aufzuspüren und weitere Informationen zu erhalten. Angeblich hatte Endo den Hundezüchter erpresst und wollte ihm seinen ganzen Besitz wegnehmen – Grundstücke, das Haus und das Geschäft.

Sekiguchi freute sich, mich zu sehen.

»Jake, danke für den Anruf neulich. Ihre Information war sehr gut.«

»Was ist denn passiert?«

»Etwa zehn Minuten nach Ihrem Anruf hat sich Takada bei mir gemeldet. Er wollte mich überraschen, aber ich habe ihm keine Chance gegeben, sondern ihn gleich gefragt, was er mit Sekine vorhabe. Der sollte doch tabu für ihn sein. Takada war sehr beeindruckt davon, dass ich schon Bescheid wusste, und meinte: ›Ja, ich habe den Dreckskerl. Ich werde ihm ein paar Fragen stellen, und Sie dürfen gerne heimlich zuhören.‹ Ein verführerisches Angebot, aber ich habe natürlich abgelehnt. Ich bat ihn, den Mann nicht umzubringen und mir zu sagen, was er von ihm erfahren würde.«

»Sie sind nicht gleich losgerannt, um Sekine zu retten?«

»Nein. Takada hat mir sein Wort gegeben.«

»Und Sie haben ihm geglaubt?«

»Manchmal muss man den Leuten vertrauen, Jake. Sogar Leuten, die nicht vertrauenswürdig sind. Aber dadurch, dass man ihnen vertraut, werden sie vertrauenswürdig. Ich habe Takada vertraut, weil er mir sein Wort gegeben hat. Hätte er mir nicht sein Wort gegeben, dann hätte ich meine Kollegen in Gyoda gerufen, um Sekine zu befreien.«

»Und was haben Sie erfahren?«

»Takada hat erzählt, dass der arme Bastard geheult hat wie ein Baby, aber geschworen hat, dass er Endo nicht angerührt hat. Sie haben ihn drei Stunden lang in die Mangel genommen, und er hat nichts zugegeben. Dann hat Takada ihn am Kragen gepackt und gesagt: ›Vielleicht hast du Endo umgelegt, vielleicht auch nicht. Jedenfalls ist er nicht mehr auf dieser Welt, das spüre ich. Und das Mindeste, was du ihm schuldest, ist ein Gebet für seine Seele.‹ Takada zerrte Sekine dann vor den kleinen Buddhaschrein in seinem Büro. Sekines Hände zitterten so sehr, dass er drei Weihrauchstäbchen zerbrach, ehe es ihm gelang, eines anzuzünden und in die Asche zu stecken. Takada lachte, als er es mir erzählte, und meinte, es sei eine tolle Show gewesen.«

»Wenn Sekine Takada gegenüber nicht plaudert, wird er auch bei der Polizei kein Geständnis ablegen«, gab ich zu bedenken.

»Da irren Sie sich«, sagte Sekiguchi. »Aber verraten Sie mir zuerst, wie in aller Welt Sie erfahren haben, dass Takada ihn geschnappt hat.«

»Ein Vögelchen hat es mir erzählt.«

»Ein Vögelchen?« Sekiguchi sah mich einen Moment sehr ernst an, dann räusperte er sich. »Hören Sie, Jake, wir kennen einander noch nicht sehr lange. Und ich weiß, dass ein Reporter seine Quellen nicht preisgibt, das respektiere ich. Aber ich muss erfahren, woher Sie das wussten. Das ist keine Sache zwischen Reporter und Polizist. Wir reden hier von Mann zu Mann. Es ist wichtig, und ich werde es niemandem sagen. Sie müssen mir vertrauen.«

Ich zögerte, wollte er nur prüfen, ob ich meine Informanten unter allen Umständen schützte, oder meinte er ernst, was er sagte?

»Warum müssen Sie es wissen?«

»Ich muss sicher sein, dass Takada nicht erfährt, was ich Ihnen erzähle. Ich glaube zwar nicht, dass das passiert, aber vielleicht wissen Sie nicht, wer mit wem redet. Also ...?«

»Na schön. Ich habe es von Kimiko erfahren.«

»Kimiko? In der Bar, in der Yumi arbeitet?«

»Genau.«

»Und was zum Teufel haben Sie an einem Freitagabend bei Kimiko gemacht?«

»Ich hatte so eine Art Verabredung.«

Sekiguchi war verblüfft. »Sie treiben es mit Kimiko? Jake, Sie sind wirklich eine Informationshure.«

»Ist das schlimm?«

»Nein, nein, Sie sind ledig, das ist okay. Aber vergessen Sie nicht, dass sie eine Yakuzabraut ist. Und sie nimmt Shabu.«

»Shabu?«

»Speed. Methamphetamin. Sie ist drogensüchtig. Also passen Sie auf, dass Sie sich keine Hepatitis C oder Schlimmeres holen.«

»Das wusste ich gar nicht.«

»Na ja, seien Sie vorsichtig.«

»Soll ich ihr lieber den Laufpass geben?«

»Nein, treffen Sie sich weiter mit ihr. Horchen Sie sie aus. Verdammt, holen Sie alles aus ihr raus, was Sie wollen. Aber sagen Sie es mir.« Dann schüttelte er wieder den Kopf und bot mir eine Zigarette an, die ich dankend annahm.

Ich lernte eine Menge von Sekiguchi, vor allem, dass die Zeit, die man sich für scheinbar unwichtige Dinge nimmt, sehr wichtig ist. Immer wenn Sekiguchi einen Yakuza in den Knast steckte, besuchte er danach dessen Familie, kaufte manchmal sogar Lebensmittel für sie oder half der Frau bei Reparaturen. Er besuchte auch den Yakuza im Gefängnis und berichtete ihm, wie es seiner Familie ging. Sekiguchi nahm Verbrechen und Verbrecher nie persönlich, er tat nur seine Pflicht, und sie taten die ihre.

Diese Mühe zahlte sich meistens aus. Denn wenn der Yakuza entlassen wurde und nach Hause zurückkehrte, war er eher bereit, Sekiguchi mit Informationen zu versorgen. Auch wenn er sich nicht mehr mit dem organisierten Verbrechen einließ, hatte er doch immer noch Verbindungen zur Yakuza und konnte Sekiguchi nützliche Tipps geben. Mit der Zeit hatte dieser sich so sein eigenes kleines Yakuza-Informationsnetzwerk aufgebaut. Und ich beschloss, ihm darin nachzueifern, so gut ich konnte.

Im Juli lud Sekiguchi mich zu einem Grillabend ein. Die Japaner grillen keine Hotdogs oder Rindfleisch, sondern Fisch, kleine, süße, frische Flussfische namens ayu. Sie werden aufgespießt,
mit Salz eingerieben, über Holzkohle gegrillt und in eine grüne Soße getunkt. Einfach köstlich. Als wir auf seiner Veranda saßen, Cola tranken und die Fische aßen, gab er mir noch einen Rat: »Sie müssen säen, wenn der Boden noch halb gefroren ist. Säen Sie im Frühling.«

Da es ungewöhnlich für ihn war, in Metaphern zu reden, bat ich um eine Erklärung.

»Nun, der Hundezüchterfall ist jetzt akut, aber Sie sollten ihm nicht Ihre ganze Zeit widmen, sondern auch mit ein paar anderen Polizisten Kontakt halten. Warum? Weil die derzeit keine guten
Fälle und deshalb reichlich Zeit haben und gegen Ihre Gesellschaft wahrscheinlich nichts einzuwenden haben. Wenn Sie ihnen
etwas bringen würden, an dem sie arbeiten könnten, wären sie
Ihnen dankbar. Besuchen Sie Ihre Informanten, auch wenn
nichts anliegt, dann betrachtet man Sie als Freund oder Kumpel und nicht als gierigen Opportunisten. Vertrautheit schafft Ver-
trauen. Sie sind ziemlich früh auf diesen Fall gestoßen, noch
bevor mein Name bekannt wurde. Darum habe ich Sie hereingelassen.«

Mit einem Spieß kratzte er den Augapfel eines Fisches heraus und bot ihn mir an. Ich schob ihn in den Mund – gar nicht schlecht. Die beiden Mädchen schauten zu und applaudierten. Dann
bot auch Frau Sekiguchi mir den Augapfel ihres Fisches an,
doch ich lehnte höflich ab. Meine Tagesration hatte ich schon
intus.

»Wie wird sich dieser Fall Ihrer Meinung nach entwickeln?«, fragte Sekiguchi.

Ich hatte keine Ahnung.

»Die Betrugsgeschichte wird wohl platzen. Aber es gibt zwei Leute, die wahrscheinlich wissen, wie Sekine Endo und Kawasaki, den Direktor der Müllbeseitigungsfirma, umgebracht hat. Das sind Ryoji Arai, sein sogenannter Geschäftspartner, und Shima, Arais Fahrer. Es ist ganz einfach. Wir müssen nur einen Grund finden, diese beiden festzunehmen – und sie haben weiß Gott einiges auf dem Kerbholz. Dann spielen wir sie so lange gegeneinander aus, bis sie die Informationen ausspucken, die wir brauchen. Und dann schnappen wir uns Sekine. Das würde ich tun, wenn ich das Sagen hätte, aber leider habe ich nicht das Sagen.«

»Wer ist Arai, und was hat er mit Sekine zu tun?«

»Das müssen Sie selbst herausfinden, Jake. Ich könnte es Ihnen
sagen, aber das wäre zu einfach. Erkundigen Sie sich, Sie werden es schon herauskriegen.«

Während ich mit Kimiko und mit Sekiguchi beschäftigt war, leisteten die anderen Yomiuri-Reporter vorzügliche Arbeit. Sie fanden eine Menge über Sekines Leben heraus. Offenbar hatte er sich immer im Umkreis der Yakuza bewegt. Schon in seiner Jugend war er oft im Büro der örtlichen Gang und hatte ihr als Laufbursche gedient. Aber es war ihm nie gelungen, ein vollwertiges Mitglied zu werden.

Sein Leben war unauffällig, bis er 1972 anfing, mit exotischen Tieren zu handeln. Das Geschäft blühte zunächst, dann folgten Höhen und Tiefen. 1983 heiratete er und ließ sich in Kumagaya im Norden der Präfektur Saitama nieder. Er senkte seine Unkosten, indem er selbst Schweine und Rinder schlachtete und den Fleischabfall zu Hundefutter verarbeitete. Aber die Nachbarn beklagten sich über das Blut, das aus dem Laden auf die Straße lief, und über die Kadaver, die Sekine zusammen mit anderem Müll einfach wegwarf. Also veränderte Sekine sein Vorgehen, und die Nachbarn gewöhnten sich an ihn.

Im Büro verglich ich meine Notizen mit denen meiner Kollegen. Ich fand heraus, dass Ryoji Arai und Sekine sich seit etwa zehn Jahren kannten. Bis vor Kurzem war Arai für die Werbung der Tierhandlung zuständig gewesen. Dann hatte er sich mit Sekine zerstritten – doch vorher war Arais Frau verschwunden. Wahrscheinlich hatte Arai sie ermordet, und Sekine hatte ihm geholfen, die Leiche zu beseitigen.

Von einem Informanten bei der Polizei erfuhr ich, dass Arai gesucht wurde. Denn er hatte es geschafft, sich Mitglieder der zwei größten Verbrecherorganisationen Japans – Inagawa-kai und Sumiyoshi-kai – zum Feind zu machen. Er hatte den Hund des einen verletzt und den anderen um einen großen Geldbetrag geprellt.

Aus einer anderen Quelle hörte ich, dass ein zetsuenjo auf Arais Namen in Umlauf sei. Wenn jemand eine Yakuza-Gruppe verlässt, verschickt die Organisation zwei verschiedene Arten von Briefen an ihre Mitglieder. Ein hamonjo (»zerbrochenes Tor«) bedeutet, dass der Betreffende nicht mehr mit der Organisation verbunden ist und der Empfänger ihm keinen Schutz gewähren und keine Geschäfte mit ihm machen soll. Die Botschaft eines zetsuenjo lautet: Diese Person hat uns verraten, darf sich nicht mehr Mitglied nennen und wird von uns gesucht. Manchmal wird auch nach dem Aufenthaltsort des Verräters gefragt. Ein zetsuenjo kann zum Beispiel ein Plakat sein, auf dem »Gesucht – tot oder lebendig« steht und das in Verbrecherkreisen zirkuliert. Mein Informant erlaubte mir, den zetsuenjo zu kopieren.

Mit dieser Kopie fuhr ich zu Sekiguchi. Es war sechs Uhr an einem heißen, feuchten Abend. Ich trug meinen Sommeranzug, eine Seidenkrawatte und Ausgehschuhe und sah sehr schick aus. Sogar meine Socken passten zusammen.

Als ich zur Tür ging, öffnete sie sich, und heraus kamen die vier Mitglieder der Familie Sekiguchi, alle in grauen Trainingsanzügen.

»Jake, Sie kommen gerade richtig. Los, joggen Sie mit!«

»Aber ich habe einen Anzug an.«

»Na und, laufen können Sie doch trotzdem, oder?«

Die Kinder zogen mich am Arm. »Los Jake. Wenn du mit unserem Vater reden willst, musst du rennen.«

Ich hatte keine Wahl, also begann ich zu laufen und versuchte mit Sekiguchi Schritt zu halten. Schon nach zehn Minuten waren wir in den Hügeln, und meine einzigen guten Schuhe wurden zu Opfern der Pflicht.

»Also«, fragte Sekiguchi, »haben Sie etwas über Arai herausgefunden?«

»Ja«, keuchte ich. »Ich habe seinen zetsuenjo dabei.«

»Zeigen Sie her.«

Ich zog ihn aus meiner Tasche und hielt ihn hoch. Sekiguchi las im Laufen.

»Ausgezeichnet, Jake. Gut, dass Sie etwas auf eigene Faust tun. Ich werde Sie nicht ewig füttern können.«

»Das habe ich ... auch nicht ... erwartet.« Allmählich fiel es mir schwer, Sekiguchis Tempo zu folgen, und das, obwohl er zwei Packungen am Tag rauchte.

Auch die Kleinen hatten kein Mitleid mit mir. »Komm schon, Jake, schneller.«

Also versuchte ich, mich nicht ganz zu blamieren, und erhöhte das Tempo, aber Sekiguchi holte mich problemlos ein.

»Außer Form, Jake? Vielleicht überlebe ich Sie ja?«

»Durchaus möglich.«

»Wollen Sie umkehren?«

»Gerne.«

»Okay, dann treffen wir uns vor dem Haus.«

»Kommt nicht in Frage. Ich gebe nicht auf, wenn Sie weitermachen.«

»Na, dann will ich mal gnädig sein«, sagte Sekiguchi, rief seine Truppe zu sich und verkündete: »Wir kehren um. Und Jake zuliebe im Marschschritt.«

Dann gab Sekiguchi mir noch ein paar Informationen: Arai und Sekine waren Geschäftspartner gewesen. Arai hatte einen teuren Hund an den Chef einer Sumiyoshi-kai-Gruppe verkauft und sollte sich um ihn kümmern, während der Mann auf Reisen war. Stattdessen ließ er aber das Tier im Stich und verließ die Stadt mit Geld, das er sich von der Gruppe geborgt hatte, um ein Tierimportgeschäft zu gründen. Angeblich floh er auch mit ein paar Millionen Yen, die Takada ihm geliehen hatte.

Als der Sumiyoshi-Chef zurückkam und seinen Hund halbtot vorfand, schäumte er vor Wut und schwor, Arai aufzustöbern. Jetzt bekam Arai es doch mit der Angst, setzte sich in die Provinz ab, änderte seinen Namen, wurde religiös und begann, buddhistische Bilder zu malen. Erst vor Kurzem war er wieder aufgetaucht und schien wieder für Sekine zu arbeiten. Und dann war er plötzlich verschwunden und unauffindbar. Es war sehr wahrscheinlich, dass er etwas über die Vermissten wusste, die Kontakt mit Sekine gehabt hatten.

Sekiguchi wurde auf einmal sehr ernst. »Hören Sie, Jake, niemand darf von dem, was ich Ihnen jetzt sage, etwas erfahren, klar? Das bleibt unter uns, weil ich diese Sache irgendwie vermasselt habe.«

»In Ordnung.«

»Gut. Arai schuldete Takada ein paar Millionen Yen, als er abhaute. Alle dachten daher, er sei umgebracht worden, nur wir wussten es besser. Als Arai wieder auftauchte und dann verschwand, ging ich zu Takada und fragte ihn, ob er etwas über ihn wisse.

Takada sagte, dass er tot sei. Aber ich belehrte ihn eines Besseren und versicherte ihm, dass er noch lebe. Da wir nicht wussten, wo Arai sich aufhielt, hoffte ich, dass Takada ihn vielleicht finden würde. Schließlich fanden wir aber Arai zuerst. Er ist total pleite und kann seine Schulden bei Takada nicht begleichen. Wenn Takada ihn erwischt, ist er ein toter Mann.

Da ich Arai aber lebend brauche, besuchte ich Takada und überredete ihn, sich zurückzuhalten und dem Typen kein Haar zu krümmen.

Aber dann mischte sich die Sumiyoshi-Gruppe ein, die Arai auch gegen sich aufgebracht hatte, und beschloss, diesen verdammten Hundequäler zu erledigen, bevor Takada es tun würde. Also musste ich auch diese Burschen zu beruhigen versuchen. Innerhalb von ungefähr einer Woche musste ich diesem Dreckskerl zweimal das Leben retten.

Aber es ist echt kein Vergnügen, diese Tiere im Zaum zu halten. Ich habe allmählich genug davon. Wenn die Ermittlungen im Fall Sekine scheitern, kann ich wohl auch nicht mehr viel tun. Ich kann die Yakuza nicht ewig im Auge behalten und versuchen, vernünftig mit ihnen zu reden.«

Ich war überrascht von der Geschichte und meinte: »Wäre es nicht am einfachsten für alle, wenn Sie in Urlaub gehen und Takada und der Sumiyoshi-kai davon erzählen? Wäre das nicht die Lösung?«

»Daran habe ich auch schon gedacht, vielleicht würde ich der Gerechtigkeit damit dienen. Aber das Problem ist, dass wir den Familien von Sekines Opfern etwas schuldig sind. Sie würden immer im Ungewissen bleiben, wenn wir Arai und Sekine der Yakuza überlassen würden. Sie müssen die Wahrheit erfahren.«

Am 2. September war ich mit Kimiko in einem hübschen Hotel in Omiya. Sie massierte mir den Rücken, und ich beklagte mich über die schleppenden Fortschritte im Hundezüchterfall.

»Warum besorgst du dir denn nicht das Band von Arai?«, fragte sie.

»Welches Band?«

Kimiko erklärte: Arai hatte vor einem Yakuza-Kumpel mit dem Band angegeben und hatte behauptet, dass er sicher sei, dass ihm niemand etwas anhaben könne, und er nicht Endos Schicksal erleiden werde. Denn Sekine habe die Morde gestanden, und dieses Geständnis sei auf dem Tonband, somit habe er ihn in der Hand. Angeblich hatte Shima, Sekines Fahrer, geholfen, Endos Leiche zu beseitigen.
Ich wusste zwar nicht, welchen Wert dieses Band als Beweismittel hatte, trotzdem erschien es mir sehr wichtig. Deshalb rief ich sofort Sekiguchi an.

»Wenn das stimmt, müssen wir uns Arai schnellstens schnappen. Gute Arbeit, Jake«, lobte er mich.

Sekiguchi wusste zunächst nicht, was er am besten mit der Information über das Tonband anfangen sollte. Sollte er Takada einweihen? Der würde sicher Arai aufspüren, das Band aus ihm herausprügeln und dann sowohl Arai als auch Sekine umlegen. Bisher hatte er ja nur den Verdacht, dass Sekine der Mörder Endos war, das Tonband würde die Sachlage jedoch ändern.

Sekiguchi beschloss, Takadas Stellvertreter einzuweihen, den ich hier nur den Consigliere nennen möchte. Dieser versprach, sich der Sache unauffällig anzunehmen.

Und dann ging alles schnell.

Innerhalb kürzester Zeit fand der Consigliere Arai, der dann auch aus unerfindlichen Gründen gesprächig war. Seinem Chef Takada hatte der Consigliere noch nichts über das Tonband erzählt. Das war auch nicht notwendig.

Arais Enthüllungen änderten den Schwerpunkt der gesamten Ermittlungen. Er war am Verschwinden der letzten vier Opfer nicht beteiligt gewesen, wohl aber Shima, sein Fahrer. Von Shima hatte Arai erfahren, dass Sekine Endo und dessen Fahrer Wakui mit Gift ermordet hatte und dass Shima geholfen hatte, die Leichen zu vergraben. Shima wusste also genug, um Sekine zu überführen.

Die Polizei hatte nun keine Lust mehr zu warten und nahm Arai wegen einer Betrugsgeschichte fest. Sie glaubte zwar nicht, dass er von großem Nutzen sein würde, denn selbst wenn er gestehen sollte, seine Frau umgebracht zu haben, wäre es schwierig, ohne Leiche einen vor zehn Jahren begangenen Mord nachzuweisen. Doch die Polizei hoffte, von Arai etwas über Shima zu erfahren. Wenn aber Shima reden würde, wäre Sekine erledigt.

Niemand, vor allem nicht Sekiguchi, rechnete damit, dass der Consigliere seinem Chef Takada von der Existenz des Tonbandes erzählen würde, und zwar genau an dem Tag, an dem Arai verhaftet wurde. Sofort rief Takada Shima an und riet ihm, das Versteck von Endos Leiche preiszugeben – andernfalls werde er selbst bald ein Begräbnis brauchen.

Shima war gebührend beeindruckt und hätte Takada gerne verraten, wo sich Endos Leiche befand. Das Problem war nur, dass es keine Leiche gab, jedenfalls nichts, was man so nennen konnte. Und konnte Shima einem Yakuza-Boss gegenüber eingestehen, dass er mitgeholfen hatte, dessen Nummer zwei zu zerstückeln und zu verbrennen?

Takada wollte die langsam mahlenden Mühlen der Justiz etwas antreiben und endlich für Gerechtigkeit sorgen, indem er Sekiguchi wasserdichte Beweise lieferte, damit dieser den Mörder festnageln und er dann den toten Endo gebührend ehren konnte.

In einem Gespräch mit Sekiguchi versprach Takada, Shima nicht zu töten. Aber wenn er ein wenig Zeit mit Shima allein verbringen könnte, würde er sicher in Erfahrung bringen, wo der Leichnam sich befand. Dummerweise bewachten Polizisten Shimas Haus – konnte Sekiguchi die nicht abziehen?

Das durfte Sekiguchi natürlich nicht tun. »Wir lassen sein Haus fast die ganze Zeit bewachen. Fast!«

Takada verstand den Hinweis, und als der Polizist seinen Posten verließ, tauchten er und ein paar Schläger vor dem Haus auf. Da Shima gerade aus dem Fenster sah, entdeckte er die ungebetenen Besucher, rannte zur Hintertür hinaus und floh ins nächste Polizeirevier. Weinend fiel er dort auf die Knie und flehte die Polizisten an: »Wenn Sie mein Haus schon bewachen, dann tun Sie es bitte 24 Stunden am Tag!«

Da die Polizei ihm das nicht versprechen konnte, machte sich
Shima aus dem Staub. Weder Takada noch Sekiguchi noch die
Polizei von Saitama wussten, wo er war. Nun hatte die Polizei zwar Arai in Gewahrsam, dennoch kam jetzt erneut alles zum Stillstand.

Doch wieder einmal zahlte sich Sekiguchis Yakuza-Netzwerk aus: Der Consigliere überreichte ihm mehrere Tonbänder. Die Tonqualität war schlecht, aber man konnte hören, dass Arai mit Sekine und Shima sprach. Sie redeten zwar in einer Art Code, dennoch war vieles einwandfrei zu verstehen.

Shima versicherte Arai, dass es keine Probleme gebe. Wahrscheinlich spielte er dabei auf Endos Verschwinden an. »Die Leiche ist nicht mehr zu sehen, sie ist in Gunma.« Dann erwähnte er noch andere Leichen und erzählte, dass er Kawasakis Auto zum Tokioter Bahnhof gefahren und dort auf dem Parklatz stehen gelassen habe. Außerdem deutete er an, dass er dabei geholfen habe, Kawasakis Leiche zu transportieren.

Damit konnte man ihm zwar noch nichts nachweisen, aber es war genug Material für eine Vernehmung. Shima war der Schlüssel des Ganzen, aber ohne Shima gab es kein Verhör und keinen Fall. Also hieß es erneut warten. Im November verließ Sekiguchi das Team und kehrte in die Abteilung für das organisierte Verbrechen zurück. Ich nahm daher an, Shima sei getötet worden und der Fall werde nie aufgeklärt.

Doch ich sollte mich irren.

Takada, der Yakuza-Chef, ließ nicht locker. Ende November gelang es ihm, Shima zu finden, der inzwischen seinen Namen geändert und geheiratet hatte. Er informierte Sekiguchi, der seinerseits die
Polizei von Saitama unterrichtete. Im Dezember wurde Shima dann festgenommen, und als er mit den Tonbändern konfrontiert wurde, packte er aus.

Infolge seiner Aussage durchsuchte die Polizei schließlich ein Grundstück und fand Kawasakis Zähne. Das war Beweis genug. Nur wenige Beamte waren vor Ort, und niemand sonst war informiert, auch nicht die Yomiuri.

Am 5. Januar, gleich nach dem Neujahrsfest, ließ die Polizei von Saitama Shima gegen Kaution frei und gab die Verhaftung von Gen Sekine und seiner Frau Hiroko wegen Mordes an Akio Kawasaki bekannt. Wenige Stunden später gestand Sekine alles. Nach qualvoll langen Ermittlungen war der Fall der verschwundenen Hundefreunde von Saitama endlich abgeschlossen.

Aber hatte ich einen Knüller? Oder die Yomiuri?

Nein.

Ich fühlte mich verraten und besuchte wütend Sekiguchi.

»Jake, warum haben Sie nicht zurückgerufen?«

»Warum ich nicht zurückgerufen habe?«

»Sie haben mir ja nie Ihre Telefonnummer gegeben, deshalb habe ich seit Neujahr dreimal im Büro in Urawa angerufen, ohne Sie zu erreichen. Ich dachte schon, Sie seien in den USA.«

»Haben Sie denn keine Nachricht hinterlassen?«

»Doch, natürlich.«

Ich war schockiert.

Später fragte ich im Büro herum, ob jemand für mich angerufen habe.

»Ach ja, da waren ein paar Anrufe«, räumte einer der Neulinge ein. »Ich glaube, es war eine Versicherung oder etwas Ähnliches. Die
Telefonnummer muss hier irgendwo sein.« Er wühlte in einem Berg von Babyfotos, Sportberichten und Zeitungsausschnitten, bis er das entsprechende Stück Papier fand. Darauf stand Sekiguchis private Telefonnummer.

Am liebsten hätte ich den Burschen erwürgt und ihn angeschrien, dass er mir die Arbeit eines ganzen Jahres vermasselt hatte. Aber ich blieb stumm, denn schließlich hatte ich versagt. Hätte ich an Neujahr Sekiguchi besucht, wäre alles anders gekommen. Ich hatte genau den Fehler begangen, vor dem Sekiguchi mich gewarnt hatte, und hatte nicht vorbeigeschaut, als scheinbar nichts passierte. Ich hatte die laufenden Fälle nicht weiter verfolgt. Und ich hatte ihm nie meine private Telefonnummer gegeben.

Das war also das deprimierende Ende der Geschichte. Ich hatte
einen soliden Vorsprung gehabt, war immer auf dem neuesten Stand der Ermittlungen gewesen und hätte erfahren können, dass man Kawasakis Überreste gefunden hatte. Das hätte für mich die Sensationsgeschichte des Jahres werden können, aber es wurde nichts daraus.

Sekine und seine Frau wurden letztlich wegen Mordes an vier
Menschen verurteilt. Wie viele sie aber wirklich umgebracht haben, wurde nie geklärt.