»Mein Gott, was kommen denn da für Wracks.« Galen sah vom Pilotensitz aus zu, wie CIA-Agenten Travis auf einer Trage in den Hubschrauber verfrachteten. »Kaum zu glauben, dass du -«
»Flieg los, Galen«, sagte Travis. »Ich bin nicht an deinen Beschimpfungen interessiert.«
»Banause.« Er schaute Melissa an. »Sie sollten sich in Zukunft besser überlegen, mit wem Sie sich einlassen. Ich hätte verhindert, dass Ihnen was passiert.«
»Machen Sie schon, Galen«, erwiderte Melissa. »Heben Sie ab.«
Im nächsten Moment stieg der Hubschrauber auf und drehte nach Süden ab.
Melissa blickte nach unten und erspähte Andreas und Cassie, die die Stufen hinuntergingen. Cassie hob die Hand und winkte. Melissa winkte zurück.
»Cassie?«, fragte Travis.
Sie nickte. »Ich freue mich, dass er ihr erlaubt hat, sich zu verabschieden.« Sie rümpfte die Nase. »Zumindest wird er, solange sie dabei ist, keine Raketenwerfer auffahren lassen, um uns herunterzuholen.«
»Das würde er nicht tun. Der Einzige, mit dem er ein Problem hat, bin ich.«
»Vielleicht wird sich das ja eines Tages ändern. Wer weiß, vielleicht kannst du ja irgendwann mal eine deiner Quellen anzapfen und ihm einen wertvollen Tipp zukommen lassen.«
»Möglich.«
»Und Cassie wird ihm sicherlich einen gehörigen Schrecken einjagen, wenn er herausfindet, dass sie denselben psychischen Schaden davongetragen hat wie ich. Er wird vielleicht Hilfe für sie brauchen.«
»Wir wissen nicht, ob es bei ihr so ist. Ist es dir, seitdem sie aufgewacht ist, noch einmal gelungen, die Verbindung mit ihr aufzunehmen?«
»Einmal.« Sie überlegte. »Und mir ist aufgefallen, dass sie eine sehr interessante Information aufgeschnappt hat, als sie noch in ihrem Tunnel war. Jetzt, wo sie wieder draußen ist, könnte sich diese Fähigkeit noch ordentlich verstärken.«
»Welche Information?«
»Als du bewusstlos warst, sagte sie: >Wenn ich draußen bleibe, muss er auch draußen bleiben.«« Sie sah ihm tief in die Augen. »Was glaubst du wohl, was sie damit sagen wollte?«
Er erstarrte. »Du wirst es mir ganz sicher erklären.«
»Vergangene Nacht habe ich lange darüber nachgedacht.«
»Tut mir Leid, dass ich dich am Schlafen gehindert habe.«
»Vielleicht sollten wir Dr. Dedrick fragen.«
»Das wäre eine Möglichkeit.«
»Nur dass es leider keinen Dr. Dedrick gibt, stimmt’s? Du hast ihn dir ausgedacht. Was hättest du getan, wenn ich deinen Bluff hätte auffliegen lassen, als du mir sein Buch angeboten hast?«
»Ich fand es ziemlich unwahrscheinlich. Du warst viel zu beschäftigt mit Jessicas Problemen.« Er zuckte die Achseln. »Und ich wollte dir helfen.«
»Das hätte ich mir denken können. Du hattest verdämmt schnell begriffen, was mit mir los war. Du hattest nicht dieselben Informationsquellen wie Galen. Du wusstest von dem Anschlag auf Vasaro, aber nichts von Deschamps. Und du warst in der Lage, Cassie zu helfen, als sie jeden anderen ablehnte. Wir gingen immer davon aus, dass es deshalb war, weil du sie in Vasaro gerettet hast, aber es gab da noch etwas anderes, hab ich Recht?«
»Ich weiß nicht. Ich bin kein Experte darin, wie diese Dinge funktionieren. Es hätte auch ganz andere Gründe haben können.«
»Kein Wunder, dass du so interessiert an Cassie warst. Du hast dich mit ihr identifiziert. Als dein Vater starb, hattest du einen Schlag auf den Kopf abbekommen und monatelang bewusstlos im Krankenhaus gelegen. Wo warst du in jener Zeit, Travis? In einem Tunnel, einer Höhle, einem Wald?«
»Nein, auf einem Boot, einer sehr starken, stabilen Yacht, die mit Lichtgeschwindigkeit vor allem und jedem abhauen konnte.«
»Vor Monstern?«
»Es gab genügend. Aber ich hatte eine Triebfeder, die mich aus dem Trauma herausgekickt hat. Ich hatte mit angesehen, wie mein Vater ermordet wurde, und Wut ist ein sehr mächtiger Ansporn.« Er wandte den Blick von ihr ab. »Dann begannen die Träume. Und eine Weile danach sah ich gelegentlich ... Dinge. Ich habe mich nie mit irgendjemandem verbunden, wie du es mit Cassie getan hast. Es funktioniert offensichtlich nicht bei allen gleich. Im ersten Jahr begriff ich, was für ein Dämon mich beim Wickel hatte. Ich fühlte mich in seiner Gewalt.«
»Hast du Jan je davon erzählt?«
Travis schüttelte den Kopf. »Weder Jan noch sonst jemandem. Ich habe es einfach weggepackt. Manchmal konnte ich das, was ich sah, aufhalten. Manchmal nicht. Manchmal wollte ich es auch nicht. Ich glaubte, dass ich wenigstens ein bisschen davon profitieren dürfte, durch die Hölle gegangen zu sein. Als ich alt genug war, begann ich Antworten zu suchen, und einige wenige fand ich auch, aber wir gehören zu einem ziemlich exklusiven Club. Deshalb war ich auch so fasziniert, als ich erfuhr, was mit Cassie los war ... und mit dir. Das reicht schon beinahe, um an das Schicksal zu glauben.«
»Dass du dich auf Cassie eingelassen hast, hatte doch nichts mit Schicksal zu tun.«
»Stimmt, zuerst war es Neugier, aber dann wurde ich hineingezogen.«
»Warum hast du mir nie etwas davon erzählt? Warum konntest du dich mir nicht anvertrauen?«
»Wir waren ja anfangs nicht gerade dicke Freunde. Nein, das ist eigentlich nicht der Grund. Es ... fällt mir schwer, darüber zu sprechen. Ich habe mich daran gewöhnt, allein damit klarzukommen.« Er verzog das Gesicht. »Okay, du meintest einmal, dass ich möglicherweise im selben Tunnel wäre wie Cassie. Du konntest nicht wissen, wie nahe du der Wahrheit warst. Vielleicht hattest du Recht. Vielleicht habe ich nicht gelernt, damit auf eine Weise umzugehen, die mir helfen würde, geheilt zu werden. Ich habe einfach nur das getan, was ich konnte.«
»Hattest du denn vor, dich mir irgendwann anzuvertrauen?«
»Natürlich. Vielleicht. Das hoffe ich. Es wäre mir nicht leicht gefallen. Ich bin nicht wie du. Du bist offen, und du versuchst, die Menschen zu erreichen.« Ihre Blicke trafen sich. »Wenn du es gebraucht hättest, hätte ich es dir erzählt. Ich würde dir alles geben, was du von mir brauchst.«
»Heißt das, du willst mich wieder aus deinem Leben streichen?« Er sagte es leichthin, aber sein Gesichtsausdruck verriet etwas anderes. »Das wäre schwer für mich.
So schwer, dass ich am liebsten wieder in meinen Traumazustand zurückkehren würde.«
Sie hatte ihn noch nie so verletzlich erlebt. Er hatte noch so viele Seiten, die sie nicht kannte. Ständig war er dabei, über etwas nachzugrübeln, Pläne zu schmieden, Dinge zu organisieren. Er hatte ein Leben geführt, von dem sie keine wirkliche Vorstellung hatte. Dies war möglicherweise nur das Erste von vielen Geheimnisse, die sie noch lüften würde. Travis war kein Engel, so viel stand fest.
Ach zum Teufel. Langweilig würde es jedenfalls mit ihm nie werden.
»Warum sollte ich dich wieder gehen lassen? Du bist wahrscheinlich der einzige Mensch auf der Welt, der mich versteht. Aber du hast nun mal ein paar Macken . « Sie nahm seine Hand und lächelte ihn an. »Nun gut, ich denke mal, wir werden daran arbeiten.«