Cannes 14:50

Das Hoteldach.

Möglicherweise das offene Fenster über der Bäckerei.

Oder das Souvenirgeschäft an der Ecke.

Eins von den dreien oder vielleicht auch keins davon.

Travis zog sich weiter in den Schatten zurück. Er hatte die Straße schon früher am Tag eingehend unter die Lupe genommen, aber vor dem Treffen mit Karlstadt am Abend würde er noch einmal nachsehen müssen. Unvorbereitet zu sein konnte tödlich enden.

Hatte sich in der Gasse neben der Bäckerei etwas bewegt?

Galen und Melissa saßen gerade beim Abendessen, als das Telefon klingelte.

Melissa erstarrte.

Galen lächelte. »Es könnte irgendwer sein. Ein wichtiger Mann wie ich muss immer in Kontakt bleiben.«

»Gehen Sie ran.«

Er nickte und schaltete sein Handy an. »Galen.« Sein Lächeln verschwand. »In Ordnung. Ich werde es Travis ausrichten. Natürlich bin ich interessiert. Ich sagte, ich werde es Travis weitergeben. Könnten Sie mir eine Nummer nennen, unter der er zurückrufen kann?« Er schaltete das Gerät ab. »Sie hat aufgelegt.«

Ihr Herz hüpfte vor Aufregung. »Sie?«

»Danielle Claron.«

»Sind Sie sicher? Wie klang sie?«

»Verängstigt. Sehr verängstigt. Und nein, ich kann mir über nichts sicher sein. Aber sie hatte meine Nummer, und sie wusste, dass ich mit ihren Eltern gesprochen hatte.«

»Was hat sie gesagt?«

»Dass sie Geld braucht, viel Geld. Und ein sicheres Versteck. Sie wollte nichts versprechen, bevor wir uns geeinigt haben. Sie will Travis noch heute Nacht treffen.«

»Wo?«

»Bei der alten Kirche am nördlichen Stadtrand. Sie sagte, im Stadtzentrum würde eine neue Kirche gebaut, und die alte stehe jetzt leer. Sie wird kurz nach Mitternacht dort sein.«

»Dann müssen wir hin und sie treffen.«

Er schüttelte den Kopf. »Travis wird hinfahren. Sie will mit ihm verhandeln.«

»Aber Travis ist nicht hier, verdammt noch mal.«

»Ich werde ihn später anrufen.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Er ist in ein paar Stunden mit Karl stadt verabredet, und im Moment könnte die Situation äußerst heikel sein.«

Selbst wenn die »heikle« Situation bereinigt wäre, würde Travis mich niemals mit zur Kirche gehen lassen, dachte Melissa frustriert. Aber sie durfte die Kleine nicht vergessen. »Sie bleiben bei Cassie. Ich werde Danielle Claron treffen. Gut möglich, dass sie sich von einer Frau weniger bedroht fühlt, meinen Sie nicht?«

Galen schüttelte den Kopf. »Sie hat klipp und klar verlangt, mit Travis zu verhandeln. Außerdem ist Deschamps hinter ihr her. Sich in ihre Nähe zu begeben, ist zu gefährlich.«

Melissa ballte die Hände zu Fäusten. »Ich bin doch nicht blöd. Ich werde schon nicht in die Kirche trampeln und laut -«

»Ich weiß, dass Sie nicht blöd sind.« Galen presste die Lippen zusammen. »Aber Sie haben keine Erfahrung mit Spielen wie diesem. Ich teile nicht Travis’ Meinung, dass man Sie im Unklaren lassen sollte, aber bei tollkühnen Aktionen können Sie auf mich nicht zählen.«

Sein Gesichtsausdruck machte ihr unmissverständlich klar, dass sie ihn zu nichts bewegen würde. Sie stand vom Tisch auf und ging zur Tür.

Galen sprang auf. »Wo wollen Sie hin?«

»Ich gehe spazieren. Ich bin stinksauer und muss ein bisschen Dampf ablassen.« Über die Schulter warf sie ihm einen grimmigen Blick zu. »Glauben Sie etwa, ich würde in den Wagen springen und nach St. Ives fahren?« »Der Gedanke liegt nahe.«

»Ich sagte bereits, dass ich nicht blöd bin, Galen. Ich bin mir darüber im Klaren, dass Sie versuchen würden, mich aufzuhalten, und wahrscheinlich sind Sie darin sehr gut.« Sie schlug die Tür hinter sich zu und rannte die Eingangsstufen hinunter. Mit energischen Schritten ging sie davon. Ihre Absätze gruben sich in den weichen Sand. Sie musste wegrennen, bevor sie explodierte.

Am liebsten hätte sie irgendjemanden verprügelt, nein, nicht irgendjemanden, sondern Travis. Er blockte sie bei jeder Gelegenheit ab und wusste genau, dass Galen ihr nicht helfen würde. Dies war der erste Durchbruch, endlich gab es eine Chance, Deschamps zu finden, und sie sollte hier herumsitzen und abwarten, bis jemand anders Jessicas Mörder fand!

Jessica.

Nicht in Tränen ausbrechen. Sie hatte bereits zu viel geweint, und wenn ihre Gefühle die Oberhand gewannen, konnte sie nicht klar denken. Sie blieb stehen und blickte aufs Meer. Sie fühlte sich klein und allein.

Ach was, Schluss mit diesen negativen Gedanken! Sie war allein, aber das hieß noch lange nicht, dass sie nicht tun konnte, was getan werden musste.

Sie musste einfach daran arbeiten.