20:35
»Also, da bin ich«, sagte Karlstadt grimmig, als er am: Tisch des Straßencafes Platz nahm. »Ich kann nur hoffen, dass Sie mir etwas zu bieten haben.«
»Ihre Situation könnte wirklich nicht beschissener sein, stimmt’s?« »Doch, könnte sie. Sie könnten am Ende unserer Begegnung immer noch am Leben sein. Ich schätze es nicht, reingelegt zu werden, Sie Scheißkerl.«
»Ich habe Sie nicht reingelegt. Zumindest nicht absichtlich.« Travis schob den Beutel über den Tisch. »Das sind alle Diamanten, die ich im Moment habe. Leider befindet sich der Rest in Händen der CIA.«
Karlstadt rührte den Beutel nicht an. »Das reicht nicht.«
»Ich werde den Betrag, den Sie auf das Schweizer Konto angewiesen haben, zurücküberweisen. Das heißt, dass Sie für die fehlenden Diamanten auch nichts zahlen.«
»Sie wissen genau, dass es darum nicht geht. Diese Diamanten müssen unbedingt aus dem Verkehr gezogen werden.«
»Ich habe schon ein paar Ideen, wie sich das bewerkstelligen lässt. In der Zwischenzeit, das müssen Sie zugeben, sind sie doch bei der CIA bestens aufgehoben.«
»Ich muss überhaupt nichts zugeben.« Karlstadt musterte Travis mit versteinerter Miene. »Sie haben mich bei meinen Arbeitgebern in Verruf gebracht. Und die haben nichts für Versager übrig.«
»Sie haben nicht versagt. Sie hatten Zeit genug, mit den Russen zu verhandeln. Die wissen doch nicht, dass Sie nicht alle Diamanten haben.«
»Das Herstellungsverfahren habe ich auch nicht. Geben Sie mir die CD, Travis.«
»Sie werden sie bekommen.«
»Ich will sie jetzt.«
»Ich bin kein Narr, Karlstadt. Sie befindet sich an einem sicheren Ort und wird den direkten Weg zur New York Times nehmen, wenn ich sie nicht innerhalb einer angemessenen Zeitspanne anfordere. Ich werde sie Ihnen schicken.« Travis ließ seinen Blick zum Dach des Hotels auf der gegenüberliegenden Straßenseite schweifen. »Sonst kommen Sie am Ende noch auf die Idee, dem Gentleman da oben ein Zeichen zu geben, dass er mich umlegen soll.«
»Sie erwarten doch nicht etwa, dass ich Ihnen noch vertraue. Ich habe Ihnen einmal vertraut.«
»Sie haben mir nicht vertraut. Sie haben getan, was Sie für nötig hielten, um Ihren Arbeitgebern zu gefallen. Ich werde mein Wort halten, weil es das einzig Vernünftige ist. Ich habe schon genug Probleme, auch ohne dass ich Sie am Hals habe.«
»Ich habe davon gehört.« Karlstadt schwieg eine Weile. »Sie hätten eine Kopie der CD machen können.«
»Ich sage Ihnen noch mal, ich will die Geschichte hinter mich bringen und mir keine zusätzlichen Probleme aufhalsen.«
»Wann bekomme ich die CD?«
»Ich werde Sie anrufen und Ihnen mitteilen, wo Sie sie abholen können.« Travis stand auf. »Es wird ein Ferngespräch sein.«
Karlstadt lächelte gequält. »Das ist vernünftig. Ich könnte versucht sein, meine Verluste auf sehr gewalttätige Weise auszugleichen, sollten Sie mir in die Quere kommen.«
»Das werde ich mir merken.« Travis warf noch einen kurzen Blick zum Dach hinüber. »Ich werde jetzt gehen. Bitte machen Sie unserem Freund klar, dass er besser nicht versucht, mir zu folgen. Ich würde es als Vertragsbruch auffassen.«
»Ich gebe Ihnen zwei Tage, mir die CD zukommen zu lassen. Wenn die vorbei sind, werde ich sie mir holen.«
Karlstadt lächelte boshaft. »Ich kann es mir nicht leisten, noch lange zu warten. Sie tanzen auf zu vielen Hochzeiten. Ich möchte nicht, dass ein anderer Sie umlegt, bevor ich dazu die Möglichkeit habe.«
»Das wäre unfair. Ich werde mir Mühe geben, Sie nicht zu enttäuschen.« Travis ging die Straße hinunter bis zur nächsten Hausecke. Er beschleunigte seine Schritte und lief eine halbe Stunde im Zickzackkurs quer durch die Stadt, bis er sicher sein konnte, dass ihm niemand folgte. Dann erst stieg er in seinen Wagen.
So weit, so gut. Das war knapp gewesen, ziemlich knapp.
Sein einziger Vorteil war, dass Karlstadt als Geschäftsmann wusste, wie er Schäden begrenzen konnte. Was aber nicht hieß, dass er sich nicht an Travis’ Fersen heften würde, wenn er wegen der restlichen Diamanten unter Beschuss geriet. Das Vernünftigste wäre, aus Europa zu verschwinden und unterzutauchen.
Zum Teufel mit der Vernunft.
Zumindest solange Deschamps noch lebte.
Als Travis den Peugeot startete, klingelte sein Telefon.
»Wir haben ein Problem«, sagte Galen. »Bist du noch in Cannes?«
»Ja. Aber in ein paar Stunden müsste ich wieder in der Hütte sein.«
»Komm nicht erst her. Fahr direkt nach St. Ives. Ich habe einen Anruf von Danielle Claron erhalten. Sie will mit dir verhandeln. Sie wird kurz nach Mitternacht bei der alten Kirche am nördlichen Stadtrand sein.«
»Wann hat sie angerufen?«
»Kurz nach sechs. Ich dachte, ich lasse dich erst mal die Geschichte mit Karlstadt erledigen. Von Cannes bis St.
Ives sind es nur ein paar Stunden Fahrt.« Er schwieg einen Moment. »Aber du solltest dich beeilen. Melissa ist möglicherweise vor dir dort.«
»Wie bitte? Hast du ihr etwa davon erzählt?«
»Ja, ich bin schuld. Aber ich habe sie die ganze Zeit am Strand im Auge behalten. Als sie von ihrem Spaziergang zurückkam, hat sie sich direkt ins Bett gelegt.«
»Himmel Herrgott, hat dich das nicht misstrauisch gemacht?«
»Natürlich. In den letzten Stunden habe ich viermal die Tür geöffnet und nachgesehen. Beim letzten Mal hat sie mit einem Buch nach mir geworfen. Fünf Minuten später hörte ich, wie der Kleinbus angelassen wurde. Sie muss im selben Moment aus dem Fenster geklettert sein, als ich die Tür hinter mir zugemacht hab. Ich rannte sofort raus, aber sie jagte bereits über den Strand.«
»Ich bringe dich um.«
»Vielleicht habe ich bis dahin längst Selbstmord begangen. Das war ziemlich demütigend. Jetzt bin ich vom mächtigen Krieger zum Kindermädchen für Cassie abgestiegen.«
»Du hättest es ihr nicht sagen sollen. Wir haben keine Ahnung, was uns mit Danielle Claron noch blüht.«
»Ich fände es auch nicht toll, wenn man mich im Dunkeln ließe.« Galen schwieg wieder einen Moment. »Immerhin ist sie nicht ganz schutzlos. Du hast ihr eine Waffe gegeben.«
»Das ist die einzige Waffe, die sie hat. Sie ist damit völlig überfordert. Sie weiß nicht -«
»Das habe ich ihr auch klar zu machen versucht. Aber sie hat gar nicht zugehört. Was ich an ihrer Stelle wahrscheinlich auch nicht getan hätte. Ruf mich an, sobald du in St. Ives bist.« Galen legte auf.
Travis warf einen Blick auf seine Uhr. Von Cannes bis St. Ives waren es mindestens drei Stunden.
Er drückte das Gaspedal durch, und der Wagen machte einen Satz.