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5. Juli
Claudia und Daniel waren bereits seit drei Tagen in Chicago. Sie wohnten im Hyatt Regency, als Sam und Grace auf dem Flughafen O’Hare landeten.
Die Brownleys waren gekommen, weil Sam bald aus dem Krankenhaus entlassen wurde, und weder Claudia noch Daniel, die sich wieder versöhnt hatten, wollten noch einen einzigen Tag voneinander getrennt verbringen. Ein Pflegeheim für Frank war bereits ausgewählt, und das Haus in Melrose Park – das kein Tatort mehr war – war zum Verkauf freigegeben.
Grace und Sam waren rechtzeitig zum 4. Juli in Chicago eingetroffen und hatten zusammen mit Claudia und Daniel das Feuerwerk am Navy Pier genossen.
David und Saul waren zu Hause geblieben und kümmerten sich um Joshua. David war überdies mit Mildred Bleeker in Verhandlungen getreten und versuchte, sie davon zu überzeugen, wenigstens während ihrer Genesung bei ihm einzuziehen, nachdem man sie aus dem Miami General entlassen hatte.
»Frieden im Nahen Osten auszuhandeln ist leichter«, hatte David in der Woche zuvor Sam gegenüber erwähnt.
»Ja, unsere Mildred kippt nicht so schnell um«, hatte Sam erwidert. »Ich hatte dich ja gewarnt.«
»Sie ist eine stolze alte Dame. Das respektiere ich.«
»Das ist das Einzige, was sie vielleicht doch noch zum Nachgeben bewegen könnte«, hatte Sam gesagt.
»Was? Stolz?« Sein Vater hatte ihn zweifelnd angeschaut.
»Nein. Dein Respekt«, hatte Sam erklärt.
Grace sah Frank zum ersten Mal seit sieben Jahren.
Ein Teil des alten Hasses schmolz angesichts seiner Hilflosigkeit dahin.
»So schlecht ist es gar nicht«, sagte sie später zu Sam, »wenn man einen Teil der Bitterkeit ablegt.«
»Der arme alte Kerl«, sagte Sam.
»Jetzt lass uns mal nicht übertreiben«, erwiderte Grace.
Gemeinsam gingen sie noch einmal zum Haus.
Die Poster in Jeromes Zimmer waren abgehängt.
Trotzdem war nach wie vor genug übrig, um Sam und Claudia einen Schauder über den Rücken zu jagen.
Es gab nichts, was eine der beiden Schwestern zur Erinnerung hätte mitnehmen wollen. Was sie im ersten Luccahaus an schlimmen Dingen erlebt hatten, reichte ein Leben lang.
»Wie wär’s, wenn wir jetzt einfach gehen?«, schlug Daniel vor, nachdem sie die Runde beendet hatten. »Ich weiß ja nicht, wie ihr darüber denkt, aber ich könnte einen Drink vertragen.«
»Hört sich gut an«, schloss Sam sich ihm an.
»Worauf warten wir dann noch?«, sagte Grace.