21
Im Haus auf der Insel klingelte das Telefon um zehn vor fünf, nachdem Sam von der Terrasse hereingekommen war, wo er mit Woody gestanden und auf die gar nicht so weit entfernten Sirenen gelauscht hatte. Er hatte versucht, den Ort des Geschehens auszumachen, und hatte sich gefragt, welcher der Fernsehberichte sich wohl als wahr erweisen würde. Natürlich hätte er einfach im Büro anrufen können, aber er war froh, endlich einmal nicht direkt in die Sache verwickelt zu sein.
Grace und Claudia saßen am Küchentisch, als das Klingeln einsetzte. Sie hatten gerade wieder zu Bett gehen wollen.
»Dann war es also eine Bombe«, seufzte Grace, als Sam den Hörer abnahm.
»O Gott!« Claudia dachte an ihre Jungen.
»Ein verdammtes Boot ist in die Luft geflogen«, berichtete Martinez. »Alvarez will uns alle auf der Dienststelle sehen.«
»Wo?«, fragte Sam.
»Biscayne Bay, südöstlich von Treasure Island.«
Das war viel zu nah, verdammt!
»Holst du mich ab?«, fragte Sam.
»Ich bin in fünfzehn Minuten bei dir«, antwortete Martinez.
Sam dachte nach, als er sich ankleidete: Anzug, Holster, Glock – das Übliche, da er im Anschluss ohnehin einen vollen Arbeitstag vor sich hatte.
Er überlegte, womit sie es hier wohl zu tun hatten. Natürlich war es noch viel zu früh, als dass irgendjemand den Grund für die Explosion gekannt hätte, es sei denn natürlich, es hatte ein Bekennerschreiben oder eine Vorwarnung gegeben. In dem Fall würde das Heimatschutzministerium das Kommando übernehmen und vor Ort das FBI und das ATF – das Amt für Alkohol, Tabak, Schusswaffen und Sprengstoffe – die Ermittlungen leiten.
»Ist das kein Job für die Küstenwache?«, fragte Grace und reichte Sam eine Krawatte.
Sam nickte. »Und für die Feuerwehr.«
»Warum werdet ihr dann ins Büro gerufen?«
»Das weiß ich noch nicht«, antwortete Sam, verließ das Schlafzimmer und ging hinunter. »Auch wenn es kein Unfall war, heißt das noch lange nicht, dass wir es mit Terroristen zu tun haben. Es könnte ein ganz altmodisches Verbrechen sein.«
»Wie schön«, bemerkte Grace spöttisch, die hinter ihm herging.
»Oder Alvarez und der Captain befürchten, die Leute könnten durchdrehen, weil sie auf den Gedanken kommen könnten, dass Miami bombardiert wird.« An der Tür küsste ihn Grace. »Pass auf dich auf.«
»Immer«, erwiderte Sam. Grace wünschte sich von ganzem Herzen, dass es stimmte.
»Was?« Daniels Stimme klang verschlafen, was zu dieser frühen Stunde nicht weiter verwunderlich war.
»Ich musste anrufen«, sagte Claudia oben in Cathys Schlafzimmer, »wegen der Bombe.«
»Was für eine Bombe?« Daniel war sofort hellwach. »Was ist denn passiert? Alles in Ordnung?«
»Mir geht’s gut.« Nun, da sie seine Stimme hörte, fühlte Claudia sich schon viel besser, denn er klang besorgt. Offensichtlich hatte er keinen Besuch von Jerome bekommen – noch nicht. »Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe, Dan, aber hier sind alle hellwach, und ich musste einfach deine Stimme hören.«
»Was für eine Bombe, Claudia?«, hakte Daniel nach. »Ich weiß von nichts.«
Sie erzählte ihm das Wenige, was sie wusste. »Es muss schon etwas Großes sein, wenn man Sam mitten in der Nacht ins Büro beordert hat.«
»Das ist für einen Cop doch bestimmt nichts Ungewöhnliches«, entgegnete Daniel.
Offenbar hoffte er, bald wieder schlafen zu können.
»Tut mir leid«, sagte Claudia. »War wohl nur der Schock. Ich wollte bloß wissen, ob es meinem Mann und den Kindern gut geht.«
»Wir sind Tausende Meilen von euch entfernt«, erwiderte Daniel. »Hier ist alles in Ordnung.«
»Dann ist es ja gut«, sagte Claudia.
Sie spürte, wie sich ihr die Nackenhaare sträubten. Sie wünschte sich, er hätte mehr gesagt, hätte sich spürbarer gefreut, mit ihr zu sprechen, egal um welche Zeit. Dann erinnerte sie sich daran, dass die Trennung allein ihre Schuld war.
Nur wusste Daniel das nicht, und er hatte noch nicht einmal nach Grace gefragt.
»Geh wieder schlafen«, sagte Claudia. »Und sag den Jungs, dass ich sie liebe.«
»Wie geht es Grace?«, fragte er.
»Schon ein bisschen besser«, antwortete sie.
»Gott sei Dank«, sagte er. »Was meinst du, wann du nach Hause kommst?«
»Schwer zu sagen«, antwortete Claudia. »Sobald ich kann.«
»Okay«, sagte Daniel. »Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich jetzt gerne wieder die Augen zumachen, bevor bei uns hier der Tag richtig anfängt.«
»Ist klar«, erwiderte Claudia. »Tut mir wirklich leid.«
»Kein Problem.« Daniel legte auf.