Neeeein!“, hallte Zacharels Schrei durch den Thronsaal der Gottheit.
Er hatte versucht, zu entkommen, und war
gescheitert.
Ergebnislos hatte er auf die Flügeltüren eingehämmert. Er hatte
zusehen müssen, wie seine Frau mit seinem Bruder gekämpft hatte. Zu
erkennen, was für ein Monster sein Bruder geworden war, hatte ihn
fast vernichtet, doch seine Angst um Annabelle hatte sich als
stärker erwiesen, hatte ihn weiter um seine Freiheit kämpfen
lassen. Und trotzdem hatte er versagt und schließlich zusehen
müssen, wie seine Frau sich für alle in die Schlacht warf, die sie
liebte, während sein Bruder um Vergeltung kämpfte; wie sie beide
bluteten und Hadrenial fluchte. Hatte zusehen müssen, wie sie beide
starben.
Zum zweiten Mal sah er den Kopf seines Bruders von seinen Schultern rollen. Nur dass es diesmal schlimmer war, weil Zacharels Frau mit ihm starb.
„Nein!“ Mit den Händen versuchte er, sich durch die Wände zu graben, und plötzlich wühlte er in der Luft, der Thronsaal war verschwunden, an seine Stelle trat das Hotelzimmer. Er stand in der Mitte eines verkohlten Kreises, der Rauch hatte sich verzogen und zwei Leichen lagen zu seinen Füßen.
Annabelles Gewand war in Fetzen gerissen, ihr Hals eine einzige klaffende Wunde.
Koldo stolperte aus dem Kreis, als wäre er gestoßen worden, und vielleicht war er das auch. Er versuchte, wieder hineinzugelangen, doch es gelang ihm nicht. Vergebens hämmerten Thane, Björn, Xerxes und er auf eine unsichtbare Mauer ein.
Zacharel fiel auf die Knie, Tränen glitten seine Wangen hinab. „Ist einer von ihnen noch zu retten?“
„Ja.“ Auch wenn die Gottheit nicht hier war – ihre Stimme hallte durch den Raum. „Du musst dich nur entscheiden.“
„Wie kannst du mir das antun? Wie kannst du von mir verlangen, zwischen den einzigen beiden Personen zu wählen, die ich je geliebt habe? Und als Strafe für die Sünden eines anderen! Bist du wirklich so grausam?“
„Grausam? Eines hast du noch immer nicht gelernt. Die Tode, die du verursachst, schmerzen mich auf eine Art und Weise, die du niemals wirst nachempfinden können – und ich bin froh, dass du es nicht kannst. Eine solche Bürde könntest du nicht tragen. Also, bin ich grausam, indem ich dir eine Wahl lasse, anstatt dir beides zu nehmen?“
Ja, hätte Zacharel ihm am liebsten entgegengeschrien. Doch er wusste, dass es eine Lüge wäre. „Es tut mir leid“, sagte Zacharel. „So unendlich leid. Nimm mich an ihrer Stelle. Für ihrer beider Leben gebe ich meins bereitwillig hin.“
„Würde ich das tun, gäbe es für die zwei, die du so liebst, nichts als Qualen. Für den Rest der Ewigkeit würden sie einander bekämpfen.“
Seine Schultern sackten herab, jegliche verbliebene Hoffnung verwelkte, starb. Wie könnte er das tun?
Seine Gottheit fuhr fort: „Du glaubst, ich wüsste nichts über die Liebe, aber in Wahrheit entdeckst du gerade erst, was Liebe wirklich ist. Dein Bruder würde mit Vergnügen all das nehmen, was du gelernt hast, und dich damit zerstören. Deinen Männern würde er großes Leid zufügen. Den Männern, für die du die Verantwortung übernommen hast. Den Männern, die dich brauchen, jetzt mehr denn je. Und trotzdem biete ich dir an, ihm sein Leben zu schenken, wissend, wie viel ich verlieren würde, wenn du annimmst.“
Zacharel öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Er war gefangen in einem Wirbelsturm der Gefühle; jede Empfindung, die er jemals unterdrückt hatte, bäumte sich auf, um ihn mit sich fortzureißen.
Und noch immer war seine Gottheit nicht fertig. „Ich weiß, du willst mit deinem Bruder reden. Du willst ihn fragen, warum er diese Dinge getan hat. Willst ihn um Vergebung anflehen für das, was du ihm angetan hast, was er erleiden musste. Du willst hören, wie er dir Vorwürfe macht, wie er Zeter und Mordio schreit, wie er dir gibt, was du zu verdienen glaubst. Du willst einen Abschluss. Du willst, dass er das Leben bekommt, das er einst verdiente.“
„Ja.“ Ich will ihn umarmen. Ich will an seiner Seite fliegen und seine Züge aufleuchten sehen. Ich will ihn lachen hören, voller Freude statt Grausamkeit.
„All das kannst du haben. Nimm einfach das, was in der Urne ist, und setze es in Hadrenials Körper ein. Nach einer Weile wird er sich von seinen Wunden erholen – ja, selbst von der Enthauptung –, und alles, was du dir wünschst, wird dein sein. Auch wenn es eine Weile dauern wird – er wird wieder der Mann sein, der er war, bevor er zum Dämon Unversöhnlichkeit wurde.“
Neben Zacharel erschien die Urne. „Und wenn ich das tue, was geschieht dann mit Annabelle?“
„Ihr Geist wird seine Reise in die Ewigkeit antreten.“
So sollte es sein. Zwei Körper, reglos zu seinen Füßen, immer langsamer blutend. Mit jeder Sekunde wurden sie kälter. Seine wunderschöne Annabelle, die einzige Freude, die er je gekannt hatte. Sein Bruder, der Mann, den er verraten hatte, dem er etwas schuldig war. Er sah zu seinen Männern, immer noch außerhalb des Kreises, immer noch einhämmernd auf Mauern, die sie nicht sehen konnten.
Sie wollten ihm helfen.
Sie konnten ihm nicht helfen.
Er streckte die Hand in die Urne, warm umschloss die Flüssigkeit seine Finger, kam ihm entgegen. Langsam hob er den Arm ins Licht. Leben und Tod, in seiner Hand vereint.
Nachdenklich wandte er sich den Leichen zu. Was auch geschehen würde, er wusste, seine Gottheit würde ihn nicht einen auswählen lassen und dann den anderen auf wundersame Weise ebenfalls wieder zum Leben erwecken. Ein Opfer war ein Opfer, und genau wie bei Koldos Haar hätte es keinerlei Bedeutung, wäre es leicht zu ersetzen. Zudem reichte der Inhalt der Urne nur aus, um ein Leben zu retten, nicht zwei.
„Ich habe meine Entscheidung gefällt.“ Und eine Entscheidung war es nicht wirklich gewesen, mehr ein Abschied von einer geliebten Person. Zacharel hielt die Hand über Annabelles Herz. Noch etwas, das er gelernt hatte, seit er ihr begegnet war: Nicht Schuld und Scham sollte man erlauben, die Entscheidungen für einen zu treffen. Nur die Liebe sollte einen Mann leiten, und diese Frau liebte er wie niemanden sonst.
Die Flüssigkeit ergoss sich über sie, sank sachte in ihren Leib … ihre Seele … ihren Geist. In ihre totenblasse Haut kehrte Farbe zurück, ihre Wunden begannen zu heilen, ihre Haut fügte sich wieder zusammen.
„Es tut mir leid, Hadrenial“, wisperte er. Genau diese Worte hatte er schon oft gesagt, so viele Male, unzählige Male. Damals wie heute hatte er einen tiefen Schmerz verspürt. Es spielte keine Rolle, wozu sein Bruder geworden war. Trotzdem liebte er Hadrenial immer noch. Würde es auf ewig tun.
Genauso würde er sich immer an den Jungen erinnern, der Hadrenial einst gewesen war. Würde niemals das Band vergessen, das sie miteinander geteilt hatten.
„Was wird mit ihm geschehen?“, fragte er seine Gottheit.
„Es wird dich trösten, zu hören, dass ein Teil von ihm in deiner Annabelle weiterleben wird. Nicht durch das Stück seiner dämonischen Seele, denn jenes Stück ist mit ihm gestorben, sondern durch die Essenz seiner Liebe. Und weil du ihr etwas von dir hinzugefügt hast, wird sie an dich gebunden sein, jetzt und für immer, dein Leben für ihres. Sie muss dir nur noch einen Teil von sich geben, um die Verbindung zu vollenden und deinen spirituellen Tod aufzuhalten.“
„Danke“, hörte er sich sagen. „Für diese Chance mit ihr danke ich dir.“
„Sie war immer für dich bestimmt. Die Frage, deren Antwort ich wissen musste, war, ob du dieses Geschenk auch wertschätzen könntest.“
„Das kann ich. Aus tiefstem Herzen.“
„Ich weiß.“
Mit einem tiefen Luftholen schreckte Annabelle hoch. Während sie noch ihre Brust betastete, vielleicht nach ihrer tödlichen Verletzung fahndete, suchte sie das Zimmer mit Blicken ab. „Was ist passiert?“, fragte sie krächzend. „Warum lebe ich noch?“
„Mir wurde eine Wahl gegeben, und ich habe dich gewählt. Ich werde immer dich wählen.“
„Zacharel?“ Ihr stiegen Tränen in die Augen und sie warf sich ihm in die Arme. „Ich muss dir etwas Schreckliches sagen! Ich hab mit deinem Bruder gekämpft. Er war noch am Leben. Ich … er … Es tut mir so leid. Ich hab ihn umgebracht. Es gab keine andere Möglichkeit und …“
„Ich weiß.“ Er schob sie ein Stück von sich und zog ihr Gewand zurecht, bedeckte ihre Brüste, dann drückte er sie wieder fest an sich. Sie klammerte sich an ihn und weinte, und die ganze Zeit über bebte er bis ins Mark. Wie nah er daran gewesen war, sie zu verlieren … wie viel ihm geschenkt worden war. Ihm war völlig egal, wer ihn in diesem Moment der Schwäche sah.
„Oh, Zacharel. Ich muss dir so viel erzählen.“
„Es gibt nichts, was ich noch nicht weiß, Liebste. Unversöhnlichkeit ist, war, mein Bruder.“
Heiser und zittrig ging ihr Atem, als sie sich aus seiner Umarmung löste, um ihn stirnrunzelnd anzusehen. „Woher weißt du das?“
„Ich musste eurem Kampf zusehen. Ich habe versucht, zu dir zu gelangen, ja, ich hätte alles dafür gegeben. Es tut mir leid, dass es mir nicht gelungen ist.“ Zärtlich legte er die Hände an ihre Wangen, so froh, die Wärme ihrer Haut zu spüren. „Es tut mir so unglaublich leid, was du alles erdulden musstest.“
„Wag es ja nicht, dich unter Schuldgefühlen zu begraben. Es gibt nichts, was dir leidtun müsste.“
„Versuch wenigstens, ein bisschen sauer zu sein.“ Er drückte einen sanften Kuss auf ihre Lippen. „Damit ich mich besser fühle.“
Liebevoll lächelte sie zu ihm auf. „Ich glaube, das ist die erste Lüge, die du je ausgesprochen hast. Also, äh, warum bin ich geheilt?“
„Ich gab dir die Liebe, die einst mein Bruder in sich trug.“
Das Lächeln verblasste. „Deinen kostbarsten Besitz. Das hättest du nicht …“
„Du bist mein kostbarster Besitz, Annabelle. Daran darfst du niemals zweifeln.“
Wieder füllten ihre Augen sich mit Tränen. „Wie kannst du das sagen? Ich habe geholfen, deinen Bruder umzubringen. Deine andere Hälfte.“
Mit dem Daumen wischte er eine Träne fort. „Wie es auch geendet haben mag, ich habe ihn getötet, damals wie heute. Auch daran zweifle niemals.“ Den Abschluss, nach dem er sich sehnte, würde er niemals bekommen, doch das war in Ordnung. So war das Leben. Er hatte Annabelle, das war alles, was wichtig war. „Ich liebe dich.“
„Ich liebe dich auch. Und danke. Für mich bist du mein kostbarster Besitz.“
„Gut, denn jetzt musst du eine Wahl treffen. Du darfst dich an mich binden, mit mir verschmelzen, deine Lebensspanne an meine binden.“
Ein hoffnungsvolles Glänzen in diesen eis… nein, nicht länger eisblauen Augen, bemerkte er. Augen von der Farbe tiefsten Goldes sahen zu ihm auf, eine kostbarere Nuance als alles, was er je gesehen hatte. „Oder?“
„Oder nichts. Das ist deine einzige Wahl.“
Sie drückte einen Kuss auf seine Lippen, genauso sanft und liebevoll, wie er es zuvor getan hatte. „Ich dachte, du hättest mal gesagt, du wüsstest, wie man handelt. Aber ich bin gerade viel zu glücklich, um dir das anständig beizubringen. Du hast dir soeben eine Frau zugelegt. Oder eine Gemahlin. Oder einen Anhang. Oder wie auch immer du mich nennen willst!“
„Ich denke, du bist von Anfang an meine Frau gewesen. An jenem ersten Tag hast du mich gelehrt, wieder etwas zu empfinden. Du hast mich an meinem persönlichen Tiefpunkt gesehen und mir geholfen, mich zu erholen. Was wir als Nächstes tun werden, schafft ein wesentlich stärkeres Band.“
Um sie herum brach Jubel aus und er wandte sich um. Seine gesamte Armee war im Zimmer. Thane und Koldo mussten den Rest seiner Männer herbeigerufen haben.
Thane ging auf ein Knie, den Kopf gebeugt.
Koldo tat dasselbe.
Björn und Xerxes ebenfalls, dann Axel, und dann, einer nach dem anderen, tat der Rest es ihnen gleich, bis all seine zwanzig Soldaten ihm gemeinsam ihren Respekt erwiesen.
Zacharel stand auf und half auch Annabelle auf die Beine. Sie schmiegte sich an ihn, den Kopf an seine Schulter gelegt.
„Und denk nicht mal dran, Koldo zu bestrafen“, sagte sie. „Auch wenn er mich rein… Äh, er hat dafür gesorgt, dass alles gut wird. Und er und die unheimlichen Drillinge haben Jamila gerettet, glaube ich.“
Ein Teil von ihm wollte den Mann dafür erwürgen, dass er es gewagt hatte, Annabelle in eine so gefährliche Situation zu bringen, doch ein anderer Teil von ihm verspürte Anerkennung für den waghalsigen Zug, der sie zum Sieg geführt hatte. „Ist das wahr?“
Stumm nickte Koldo.
„Ich glaube, er hat auch noch einen anderen Engel gerettet“, fügte Annabelle hinzu.
Diesmal nickte der Krieger nicht, sondern brach sein Schweigen. „Sie geht niemanden etwas an. Ich werde mich um sie kümmern.“
In seinem Ton lag etwas … Eine Härte, eine Kälte, die auch Zacharel einmal besessen hatte. Wie er, wie auch Hadrenial, befand Koldo sich auf einem Weg der Zerstörung.
Zacharel ließ den Blick über das Meer von Engeln wandern, weiß-goldene Flügel, Haare in einem Kaleidoskop von Farben, von tiefstem Pechschwarz bis zum leuchtendsten Schneeweiß. All diese Krieger waren genau wie einst er. Haltlos, verloren. Sie brauchten einen Anführer.
Einen besseren Anführer, als er es gewesen war.
Von diesem Augenblick an würde er dieser Anführer sein. Mit Annabelle an seiner Seite konnte er alles sein, alles schaffen.
„Erhebt euch“, befahl er, und sie gehorchten. „Wir sind nicht wie andere Armeen, deshalb werde ich euch nicht länger wie eine solche behandeln. Wir balancieren auf der Grenze zur Verbannung, und ich werde niemandem von euch gestatten, zu fallen. Ihr gehört mir. Es wird Veränderungen geben, und ich hoffe, sie werden euch gefallen, aber wenn nicht, wird das für mich keine Rolle spielen.“
Stille.
„Ihr alle spürt den Krieg nahen, der sich im Himmelreich zusammenbraut. Es wird der größte Krieg sein, den wir je erlebt haben – und wir haben viel erlebt. Wann er letztendlich ausbrechen wird, weiß ich nicht. Ich weiß nur, was man sich zuflüstert. Die Engel der Gottheit werden gegen die Titanen und Griechen kämpfen – mehr und mehr von ihnen fliehen aus ihrem Gefängnis der Unsterblichen. All das wird geschehen, trotz der Tatsache, dass eine neue Königin auf dem Thron der Titanen sitzt und auf unserer Seite ist. Vielleicht auch gerade, weil sie auf unserer Seite ist. Fürs Erste: Geht nach Hause. Ruht euch aus. Denn morgen werde ich eure gesamte Welt auf den Kopf stellen.“
Thane, Björn und Xerxes warfen sich nervöse Blicke zu, bevor sie durch die Decke flogen. Koldo sah finster drein. Dann war jedes Mitglied seiner Armee fort und Zacharel war allein mit Annabelle.
Gemeinsam mit ihr glitt er durch die Wand in ein anderes Zimmer, das nicht aussah wie ein Schlachtfeld. „Und dich stelle ich jetzt auch auf den Kopf.“ Er drängte sie rückwärts zum Bett.
Als ihre Kniekehlen an die Bettkante stießen, fiel sie mit einem erschrockenen Luftholen und einem leisen Lachen. Um ihre Schultern fächerte sich ihr blauschwarzes Haar auf. Ihr Gewand klaffte auf und enthüllte eine seiner Lieblingsstellen an ihr.
„So was von unartig, mein Engel. Und schau mal! Deine Flügel sind jetzt durch und durch golden. Und kein Flöckchen Schnee!“
Neugierig betrachtete er den linken, dann den rechten Flügel. „Von jetzt an gehöre ich zur Elite der Sieben.“ Er stützte ein Knie auf die Matratze, dann das andere, dann kniete er über ihren Oberschenkeln. „Aber das werden wir später feiern. Jetzt haben wir eine Verschmelzung zu vollziehen.“
Langsam richtete sie sich auf, ein sinnliches Festmahl für seine Augen. Urplötzlich packte sie ihn bei den Schultern und drückte ihn nach hinten, bis sie oben war.
Träge grinste sie ihn an. „Zu der Hochzeit kommen wir noch. Nachdem du gebettelt hast.“ Ein feierlicher Schwur.
Ein Schwur, den sie hielt. Überall spürte er ihre Hände, wie sie ihn auszog, ihn berührte, ihn streichelte, und nur zu bald bettelte er, konnte einfach nicht anders.
Kurz bevor sie über ihm zusammensackte, barsten weiße Flügel aus ihrem Rücken hervor.
Sie keuchte auf und richtete sich wieder auf, besah sich ihre Flügel. „Was zum … Ich hab … Wie ist das …“
Aus ihm brach ein aufrichtiges Lachen hervor, das seinen ganzen Leib schüttelte. „Als du die Essenzia des Dämons in dir getragen hast, ist mit deinen negativen Emotionen deine dämonische Gestalt zum Vorschein gekommen. Jetzt trägst du die Essenzia von Engeln in dir, also rufen positive Emotionen diese Gestalt hervor. So, genug mit der Ablenkung. Ich will dich, Anna.“
„Und ich glaube, jetzt bin ich dran mit Betteln …“
Stunden später, als sie beide ausgiebig Befriedigung gefunden hatten, kuschelte sie sich in seine Arme, strahlend vor Schönheit und sein, sein allein. Dies war das Leben, das er sich nie zu erträumen gewagt hatte. Eines, das er für immer zutiefst wertschätzen würde, weil er wusste, wie kurz er davorgestanden hatte, es zu verlieren.
„Jetzt zu dieser Verschmelzung“, setzte sie an. Ihre Flügel waren verschwunden, doch sie würden wiederkommen.
„Du musstest nur dein Leben dem meinen anversprechen, und das hast du – als ich dich zum Betteln gebracht habe. Für den Rest habe ich gesorgt.“
„Dafür gesorgt – also sind wir schon verschmolzen?“
„Jetzt und in alle Ewigkeit. Sobald ich wusste, dass du es wolltest, und du abgelenkt warst, habe ich ein kleines Stück deines Geistes an mich genommen. Das kann schmerzhaft sein, und ich wollte nicht, dass du leidest.“ Niemals wieder.
„Mein liebevoller Prinz.“ Sie küsste die Stelle, wo sein Herz schlug. „Hey, dein schwarzer Fleck ist weg!“
„Du hast mich gerettet.“
„Ich schätze mal, das heißt, du schuldest mir was. Kommen wir also zum zweiten Punkt auf der Tagesordnung. Ich will dir helfen im Kampf gegen die Dämonen.“
„Daran habe ich nie gezweifelt.“
„Wirklich? Du lässt mich? Ohne zu schmollen wie ein Kleinkind?“
„Erstens: Ich schmolle nie. Ich grüble – und sehe dabei wahrscheinlich ziemlich sexy aus. Zweitens hast du mich einmal auf etwas hingewiesen: Du hast schon zu viel von deinem Leben in einem Käfig verbracht. Ich werde dich nicht von Neuem einsperren.“ Aber das bedeutete nicht, dass er sich zurücklehnen und irgendeinen Dämon seine Annabelle verletzen lassen würde. Zacharel würde bis an seine Grenzen gehen, um sie zu beschützen, in jeder einzelnen Schlacht. Davon abgesehen: Wenn einer von ihnen starb, würde der andere ihm folgen. Nie würde er ohne sie an seiner Seite leben müssen.
„Ich glaube, das ist das Liebste, was du je zu mir gesagt hast.“
„Ich bin ein lieber Mann.“
Jetzt war sie es, die voller kindlicher Begeisterung lachte. Er liebte den Klang und war fest entschlossen, sie jeden Tag für den Rest ihrer gemeinsamen Ewigkeit zum Lachen zu bringen.
„Was denn?“, neckte er sie. „Ich bin ein lieber Mann.“
„Und was sind die Pläne dieses lieben Mannes für seine Armee, hm? Was für Veränderungen willst du auf sie herabhageln lassen?“
„Disziplin, Dominanz und Konsequenzen. Natürlich.“
Wieder lachte sie. „Wie recht du hast. So was von lieb.“
„Das nicht, aber meine liebe Seite ist dir allein vorbehalten. Dir ganz allein.“
–ENDE–