27. KAPITEL

Panisch schreckte Annabelle hoch. Ihr Atem ging hektisch, Schweiß rann ihr über die Brust und den Rücken. Ein furchtbarer Traum hatte sie verfolgt. Wie sie sich in Dämon verwandelt hatte, durch einen Wald gehetzt war, mit Zacharel gekämpft hatte.

Zacharel.

Als sie seinen Namen dachte, durchfuhr sie eine Woge der Angst, die sie sich nicht erklären konnte. Aber sie wusste, dass sie solche Gefühle niederkämpfen musste. Gefährlich, dachte sie.

Was war gefährlich? Ihre Angst? Oder Zacharel?

Suchend flitzte ihr Blick umher. Sie war wieder in einem Hotelzimmer, diesmal allein. Ich sollte fliehen. Ich muss fliehen. Sie stellte den Gedanken nicht infrage, warf einfach die Beine über die Bettkante. Bevor sie aufstehen konnte, erschien Zacharel vor ihr, seine Miene unlesbar.

Hoch loderte ihre Furcht auf.

Bleib ruhig. Du musst ruhig bleiben. Verwirrt und unsicher erstarrte sie. „Was machst du da?“, fragte sie.

Mit einem gepeinigten Stöhnen fiel er auf die Knie, und plötzlich konnte sie seine Züge lesen. Gequält, beschämt, voll Reue, Schmerz und Entsetzen … In diesem Augenblick kniete ein gebrochener Mann vor ihr, die Einzelteile so weit verstreut, dass ihn niemand je wieder zusammensetzen könnte.

„Ich … ich … Zacharel?“

„Es tut mir leid, Annabelle. So furchtbar leid.“

Im nächsten Moment traf die Wahrheit sie wie mit einem Baseballschläger. Woran sie sich erinnerte, war kein Traum. Sie hatte sich in einen Dämon verwandelt. Sie war durch den Wald gehetzt. Sie hatte mit Zacharel gekämpft.

Mit entsetzt geweiteten Augen streckte sie die Arme vor sich aus, doch ein Gewand verhüllte ihre Haut. Sie traute sich erst wieder, zu atmen, als sie die Ärmel hochgerollt hatte und das helle Braun ihrer Haut erblickte.

Die Arme hinter ihren Rücken zu verrenken, erwies sich als schwieriger, doch sie musste es wissen, musste – keine Flügel! Dem Herrn sei Dank! Ihr Rücken war so glatt wie eh und je.

Ohne ein Wort beobachtete Zacharel sie. Immer noch auf Knien, demütig zu ihren Füßen.

Schwer fielen ihre Arme an ihre Seiten. „Du hast mich geschlagen“, stellte sie fest. Von der Furcht war nichts mehr zu spüren. An ihre Stelle war bodenlose Enttäuschung getreten.

Sein Kopf sackte nach vorn, bis sein Kinn auf sein Brustbein traf. „Ich weiß.“

„Und du wusstest nicht, wer ich bin.“

„Nein, ich wusste es nicht.“

Er versuchte nicht einmal, sich zu verteidigen. Er hätte sagen können, dass er von einer solchen Verwandlung bei einem Menschen noch nie gehört hatte. Dass er es für unmöglich gehalten hätte. Er hätte sie an ihre eigene Reaktion auf ihn erinnern können, als er die Gestalt eines Dämons angenommen hatte.

„Warum hab ich mich verwandelt? Wie hast du mich wieder normal gemacht?“

Nicht ein einziges Mal sah er auf. „Erzähl mir zuerst, was in der Wolke geschehen ist. Dann werde ich dir alles sagen, was ich weiß oder auch nur vermute. Ich werde dir kein Detail vorenthalten.“

„Also gut.“

Aufmerksam lauschte er dem, was sie ihm erzählte, und nickte ab und zu. Am Ende ließ sie die Schultern hängen, als läge eine schwere Last darauf.

„Wolken können vieles“, sagte Zacharel, „aber sie können keinen Menschen in einen Dämon verwandeln. In der Hinsicht hat der Dämon gelogen. Und auch er selbst hätte das mit seinem niederen Rang nicht vollbringen können.“

„Aber wie konnte ich mich denn dann verwandeln, wenn es weder die Wolke noch der Dämon waren?“ Eine grauenhafte Furcht breitete sich in ihr aus, glitt kalt bis in ihre Fingerspitzen. „Bedeutet das, ich bin … nicht länger ein Mensch, und dass mein Äußeres sich letztendlich nur meinem Inneren angepasst hat?“

„Ich glaube, dass damals, als du gezeichnet wurdest, mehr mit dir geschehen ist, als irgendjemandem von uns bewusst war. Ich glaube, der Hohe Herr hat einen Teil seines Geistes mit dir ausgetauscht.“

Nein, bestimmt nicht. Das hätte sie gewusst. Nicht wahr? „Wie kann das sein?“, krächzte sie.

„Dazu hätte er mit einer Geisterhand in deinen Körper greifen und einen Teil deiner Seele herausreißen müssen, als würde er einen Arm amputieren. Wahrscheinlich nur ein winziges Stück, so groß wie eine Münze. Dann hätte er an diese Stelle ein Stück seiner eigenen Seele gesetzt und sich so mit dir verbunden … sich mit dir vermählt.“

Weißglühende Rage rauschte durch ihr Inneres, löschte die Furcht vollkommen aus, und plötzlich war sie dabei, auf Zacharels Schultern einzuschlagen. „Zum letzten Mal, ich bin nicht mit dem Dämon verheiratet, der meine Eltern getötet hat! Bin ich nicht!“

Er hob nicht einmal eine Hand, um sie abzuwehren. „Wenn es tatsächlich das ist, was er mit dir gemacht hat, ist dein Leben mit seinem verschmolzen. Solange er lebt, überlebst auch du. Solange du lebst, bleibt er am Leben. Diese Möglichkeit hatte ich noch nicht in Betracht gezogen, aber jetzt scheint es völlig klar.“

Fragen prasselten auf sie ein und ihre Schläge verlangsamten sich … hörten auf. „Aber … aber … Warum hat er dann andere Dämonen auf mich gehetzt? Wäre ich gestorben, hätte es auch ihn erwischt.“

„Irgendetwas hat die Dämonen davon abgehalten, dich zu vergewaltigen. Ich denke, dasselbe Etwas hat sie auch davon abgehalten, dir eine tödliche Verletzung zuzufügen.“

„Aber ich … ich kann einfach nicht mit ihm verbunden sein.“ Und schon wieder flammte das Brennen in ihrer Brust auf, wie jedes Mal, wenn ihre … negativen Emotionen … Besitz von ihr ergriffen.

Natürlich! Aus dem Brennen war ihre Verwandlung entstanden, und ihre Emotionen hatten das Brennen hervorgerufen.

Sie erklärte ihre Erkenntnis auch Zacharel und er nickte. „Das ergibt Sinn. Bleibt nur noch die Frage, warum der Dämon das getan hat. Ohne dein wissentliches Einverständnis, und in diesem Traum war es definitiv nicht wissentlich, verstößt ein solcher Akt gegen das höchste aller himmlischen Gesetze. Den freien Willen.“

Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Etwas in seinem Tonfall … „Und du bist für die Einhaltung dieser Gesetze zuständig, nicht wahr?“ Das hatte er ihr bei ihrer ersten Begegnung erzählt, da war sie sich sicher. Und das konnte nur bedeuten …

„Nein!“, glaubte sie zu schreien, doch das Wort kam nur als Flüstern heraus. „Nein.“

„Ja“, bestätigte er.

„Also wirst du die Strafe dafür überbringen?“

Diesmal nickte er nur.

Noch ein Herzschlag stockte, als ihr die Antwort dämmerte. „Und diese Strafe ist?“

Es gab eine lange, angespannte Pause. Er sah auf, er sah hinunter, nach links und rechts, als wollte er überall sein, nur nicht hier. Schließlich hörte sie ihn flüstern: „Der Tod.“

Mit jeder Faser ihres Seins lehnte sie sich gegen den Gedanken ihres eigenen Todes auf. Mit dieser gesetzmäßigen Strafe würde Zacharel den Dämon töten, ja – aber gleichzeitig auch Annabelle. „Wie sollte diese … Verschmelzung“, würgte sie hervor, „dazu führen, dass ich mich in einen Dämon verwandle – vier Jahre nach dem Vollzug?“

„Ich habe gesehen, wie die Herren der Unterwelt körperlich ihren Dämonen zu ähneln beginnen, wenn negative Empfindungen sie überwältigen. Es ist genau, wie du beschrieben hast. Sie verlieren die Kontrolle über ihre Menschlichkeit, lassen jede Vernunft fahren. Der Dämon in meiner Wolke wusste, was dir widerfahren war, also war es für ihn ein Leichtes, die Reaktion heraufzubeschwören, die er wollte.“

„Stimmt schon; ich meine, die Sache mit den Emotionen war ja auch meine Idee. Aber ich verstehe nicht, warum ich mich über vier grauenhafte Jahre nicht ein einziges Mal verwandelt habe und dann bumm, auf einmal passiert’s.“

„Du vergisst, dass du vier Jahre lang unter Medikamenten gestanden hast. Diese Medikamente sollten dazu dienen, das Ausmaß deiner Gefühle einzuschränken. Selbst als du begonnen hast, wieder stärkere Emotionen zu spüren, waren diese Medikamente vermutlich noch in deinem Körper und haben deinen Empfindungen die Schärfe genommen.“

„Meine Entzugserscheinungen hab ich aber schon eine Weile hinter mir“, wandte sie ein, klammerte sich an die Hoffnung, sie könnten falsch liegen.

„Dafür warst du immer wieder verletzt oder gerade dabei, dich zu erholen. Geschwächt.“

Das war nicht von der Hand zu weisen. „Aber was ist mit dem Wasser des Lebens?“

„Es hat den menschlichen Teil von dir geheilt, dem dämonischen aber geschadet. Auch das hätte eine Verwandlung unterdrückt.“

Und geschadet hatte es ihr definitiv. Beide Male, als er es ihr gegeben hatte.

Alle Hoffnung war verloren. Ihr zitterte das Kinn und in ihren Augen brannten Tränen, die zu vergießen sie sich weigerte. Ich bin zum Teil ein Dämon. Wispernd bahnte die Wahrheit sich einen Weg in ihren Kopf. Ich bin zum Teil ein Dämon! Diesmal war es ein Schrei der Entrüstung und der Hilflosigkeit.

Ruhig, du musst dich beruhigen. „Werde ich mich wieder verwandeln?“, brachte sie mühsam hervor, obwohl sie die Antwort bereits kannte. Das Brennen in ihrer Brust schon wieder erwachen spürte.

„Unter extremen negativen Empfindungen … Ja. Ich glaube, das wirst du.“

„Kann man dieses Stück Dämon nicht aus mir rausholen? Etwas anderes an seine Stelle setzen?“ Wieder erwachte ein Funken Hoffnung …

„Nein. Es ist zu viel Zeit vergangen.“

… und wurde vernichtet. Ich werde nicht weinen. Werde ich nicht.

„Der Dämon, den du durch den Wald geschleppt hast, hatte die Essenzia meines Bruders in sich aufgesaugt. Auch ein Stück von mir war da drin. Doch ich bin nicht gestorben, als es den Dämon erwischt hat, weil sich nichts in ihm festgesetzt hatte. Und ich konnte alles aus seiner Leiche zurückholen, ohne auf Widerstand zu treffen, weil diese Essenzia mich wiedererkannt hat. Was in dir ist, hat sich festgesetzt und würde Widerstand leisten. Es würde mich nicht erkennen, noch irgendetwas mit mir zu tun haben wollen.“

Auch seine unausgesprochenen Worte hörte sie. Wenn er versuchte, sie zu befreien, würde sie Qualen leiden und wahrscheinlich trotzdem sterben. „Die Schmerzen sind mir egal, selbst wenn ich sterbe. Hol diesen Dämon aus mir raus.“ Jetzt!

„Dir mag dein Tod egal sein, aber mir nicht“, sagte er schlicht. „Das werde ich dir nicht antun. Niemals. Verlang das nicht von mir.“

Sie brauchte nur einen kurzen Augenblick, um die Vehemenz seiner Reaktion zu verstehen. Immer noch litt er darunter, dass er dasselbe mit seinem Bruder gemacht hatte, und mehr könnte er nicht ertragen. Nein, sie konnte, sie würde es nicht von ihm verlangen. „Was soll ich dann tun?“

„Ich werde den Hohen Herrn aufspüren. Ich werde ihn wegsperren.“ Zacharel legte den Kopf in ihren Schoß, schlang ihr die Arme um die Taille. Sein Leib begann zu beben. „Das tut mir so leid, Annabelle. So unglaublich leid.“

Sie fühlte etwas Warmes, Feuchtes durch ihr Gewand dringen und zog die Brauen zusammen. Tränen? Nein. Nein, dieser starke, stolze Kriegerengel konnte unmöglich weinen. „Du würdest ihn wegsperren, statt ihn zu töten, trotz eurer Gesetze und deiner Befehle?“

„Für dich werde ich alles tun.“ Mit glänzenden Augen und feuchten Wimpern sah er zu ihr auf. Er weinte tatsächlich. „Und ich gelobe dir hier und jetzt, Annabelle, dass ich dich nicht töten werde. Ich werde keinem anderen Engel gestatten, dich zu töten.“

Und wahrscheinlich würde man ihn dann für seine eigenen Verbrechen bestrafen oder sogar ebenfalls töten. „Tu das nicht.“

Hastig sprach er weiter. „Irgendwie werde ich den Dämon finden, der dir das angetan hat. Ich werde ihn wegsperren.“ Er packte sie fester. „Ich werde immer alles in meiner Macht Stehende tun, um für deine Sicherheit zu sorgen. Und wenn du meinen Anblick nicht ertragen kannst, werde ich es im Geheimen tun.“

„Nein, ich …“

„Endlich verstehe ich, was meine Gottheit mich zu lehren versucht hat“, fiel er ihr ins Wort. „Was ich all diese Jahrhunderte über nicht begriffen habe. Ich dachte, ich hätte es gelernt, aber ich hätte trotzdem noch jederzeit getan, was ich für nötig gehalten hätte.“

„Wovon sprichst du?“

„Kollateralschaden. Die Menschen, die ich getötet habe oder deren Tötung ich zugelassen habe, waren besessen oder liebäugelten mit Dämonen, deshalb hielt ich ihren Tod für gerechtfertigt. Aber was, wenn sie waren wie du? Unschuldig? Was, wenn ich am Ende nicht sie verletzt habe, sondern die Menschen, die sie geliebt und immer noch auf ihre Rettung gehofft haben? Was, wenn es Grund zur Hoffnung gab? Nein, es gibt immer einen Grund. Das weiß ich jetzt.“

Drängend blickte er zu ihr auf, während seine Tränen immer schneller flossen. „Es tut mir leid, Anna. Nicht, weil du von meiner Sünde weißt, sondern weil sie dir so große Pein bereitet hat.“

Ihn so leiden zu sehen, beruhigte sie auf eine Art, wie nichts anderes es geschafft hätte. Sie war ihm wichtig. Er fühlte Reue. Halleluja, er fühlte.

Nun strich sie ihm doch mit den Fingern durch das seidige Haar. Die Tatsache, dass er einen guten Grund hatte, Dämonen ebenso sehr zu hassen, wie sie es tat, und sie doch nicht zurückwies, jetzt, wo er wusste, dass sie … dass sie … Sie konnte die Worte nicht noch einmal denken. Mit dieser Wahrheit würde sie sich später auseinandersetzen müssen. Fürs Erste wollte sie nur diesen Augenblick genießen, und den Mann, der sie liebte.

Und das tat er. Er liebte sie. Es mochte ihm noch nicht bewusst sein, so lange, wie er jegliche Gefühle verdrängt hatte, aber sie war sich sicher – genauso, wie sie wusste, dass sie ihn ebenfalls liebte. Er hatte sie gerettet und beschützt. Er hatte das Gute in ihr gesehen und half ihr, dasselbe zu tun. Niemandem erlaubte er, sie respektlos zu behandeln, und er wollte nur das Beste für sie. Er würde sie niemals verlassen – und sie würde ihn niemals verlassen.

Ja, er war ein schwieriger Mann, ein komplexer Mann, und er war Emotionen oder Sanftheit nicht gewohnt. Doch beides schenkte er ihr, und sie würde ihm ebenso beides schenken.

Er war jetzt ein Teil von ihr, viel mehr als … Egal. Er war ein berauschender Teil, ein willkommener Teil, stark und mutig, und es machte Spaß, ihn zu ärgern. Er war zärtlich und behutsam, und gleichzeitig hart, wenn sie es brauchte.

Sanft murmelte sie tröstende Worte, bis er sich beruhigte, und auch wenn sie es nur mit größtem Widerwillen tat, löste sie sich aus seiner Umarmung. Er ließ keinen Widerspruch hören, hielt den Kopf gesenkt, weigerte sich von Neuem, ihren Blick zu erwidern.

„Ich bin sofort zurück, okay. Bleib genau hier.“

So schnell es ihr möglich war, erledigte sie alles Nötige, putzte sich die Zähne und zog das Gewand aus. Darunter war sie nackt und blitzsauber. Wie auch immer dieses Engelsgewand funktionieren mochte, sie war dankbar dafür.

Und jetzt zurück zu Zacharel. Er brauchte sie, und sie brauchte ihn. Sie mussten beide vergessen, was geschehen war, was noch kommen würde, und wenn es nur für einen kurzen Moment war.

Die Badezimmertür quietschte, als sie hindurchging. Kühle Luft küsste ihre bloße Haut, sandte eine Gänsehaut über ihre Arme und Beine.

Zacharel saß auf dem Bettrand, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, das Gesicht in den Händen verborgen. Herrlich golden waren seine Flügel hinter ihm ausgebreitet, ohne eine Spur von Weiß. Auch nicht in Form von Schnee, bemerkte sie. Erneut hatte er aufgehört, zu schneien.

„Unserer Abmachung zufolge soll ich dich küssen, sobald mich der Drang überkommt, und du sollst den Kuss annehmen, richtig?“

Ruckartig sah er zu ihr auf. Die Tränen hatte er getrocknet, doch das Glänzen in seinen smaragdenen Augen konnte er nicht verbergen. „Annabelle“, murmelte er heiser und ließ den Blick über ihren Leib wandern. „Nach allem, was geschehen ist, kannst du nicht ernsthaft …“

„Doch, genau das.“ Langsam ging sie auf ihn zu. Als sie zwischen seinen Beinen stand, legte sie die Hände auf seine Schultern. Seine Muskeln waren vollkommen verspannt. Er traf ihren Blick, als dürfte er sich nicht weiter erlauben, die Augen auf den Rest von ihr zu richten.

„Ich will mit dir schlafen“, sagte sie und runzelte die Stirn, als ihr ein Gedanke kam. „Außer, du darfst nicht mit einer Frau schlafen, die verschmolzen ist mit einem …“ Sie presste die Lippen aufeinander. Sie wollte es nicht einmal denken, geschweige denn aussprechen. „Es ist okay, wenn du nicht kannst. Ich geh einfach …“

Plötzlich spürte sie Zacharels Arme um ihre Taille, gleichzeitig zog er sie von den Füßen. Sie fiel nach vorn, und er positionierte sie auf seinem Schoß. Um das Gleichgewicht zu halten, musste sie die Beine spreizen.

„Du bist mein“, grollte er mit rauer Stimme. „Mein allein. Ich nehme dich an, mit allem, was du bist, und wir können miteinander schlafen.“

Pure Erleichterung durchströmte sie. „Ich werd dich so glücklich machen, weil du das gesagt hast, geflügeltes Wunder.“ Ganz vorsichtig drückte sie die Lippen auf seine, eine sanfte Verschmelzung, eine zärtliche Erforschung.

„Du verzeihst mir?“

„Es gibt nichts zu verzeihen.“

„Danke, Anna. Ich danke dir. Und ich weiß, Worte reichen nicht aus. Ich werde dir zeigen, was ich empfinde. Lass es mich dir zeigen.“

Sie öffnete den Mund leicht, woraufhin er die Zunge über ihre gleiten ließ. Sein köstlicher Geschmack überwältigte sie; er war ein großartig gereifter Wein, Erdbeeren mit dunkelster Schokolade, so erfrischend wie ein Fluss an der Quelle.

Liebevoll und süß dauerte der Kuss an – bis Zacharel sich auf die Matratze zurücksinken ließ und sie mit den Händen erforschte. Unter der Intimität seiner Berührungen erwachte eine tiefe Glut in ihr. Ihre Zungen tanzten wilder, die Lippen drückten fester und sie tranken, tranken, tranken voneinander.

Er leckte und saugte an ihren Brüsten, ertastete ihren Bauch, küsste jeden Zentimeter ihrer Beine, bis sie sich unter seinen Händen wand. Bis er sich unter ihr wand. Bis sie beide verzweifelt waren. Dann drehte er sie um und saugte und leckte ihre Schultern, liebkoste ihren Rücken und küsste von Neuem jeden Zentimeter ihrer Beine.

Als sie es nicht mehr aushielt, die Lust zu groß wurde, zog sie ihm das Gewand aus, drängte ihn wieder auf den Rücken und übernahm das Ruder. Jetzt leckte und saugte, liebkoste und küsste sie seinen Körper. Und oh, der Geschmack seiner Haut … Er war ebenso berauschend wie seine Küsse. Die herrlichste Süßigkeit, wie eine Droge … Und sie wusste, dass sie ihr Leben lang danach süchtig sein würde.

„Anna, ich brauche …“

„Mehr, immer mehr.“ War sie das, die so unverständlich nuschelte?

„Ja.“

Ja. Ein Wort voller Hoffnung. „Dann nimm es dir.“

Er nahm sie unter den Achseln, hob sie hoch und zog sie neben sich, an seinen langen, starken Leib, legte sich auf sie. Mit seinem Gewicht drückte er sie hinab.

„Ich nehme es mir, wie du gesagt hast, aber vorher brauche ich noch einen Kuss.“ Er senkte den Kopf und sie streckte sich ihm entgegen, und dann trafen ihre Zungen sich von Neuem.

Sanft … fest … hart … wild … Der Kuss geriet außer Kontrolle. Er knetete ihre Brüste und spielte mit ihren Brustwarzen, seine Haut war wie Feuer. So anders als die Hitze, die in ihr brannte. Eine Hitze, die bis in ihre Knochen sank, die jede Erinnerung an den Dämon ausmerzte.

„Noch mal“, verlangte er, und er nahm und gab, er forderte und schenkte. Mit den Fingernägeln kratzte sie ihm über das Rückgrat, zwischen seinen Flügeln entlang, und ihre Hüften hoben sich, als sie versuchte, ihm noch näher zu kommen. Sie war absolut überwältigt von diesem Mann und hätte sich nichts Besseres wünschen können.

„Ich liebe es, dich so zu sehen“, raunte er.

„Unter dir?“

„Ganz die Meine.“ Er schob eine Hand zwischen ihre Leiber, zwischen ihre Beine. Und oh, wie er gelernt hatte, mit ihr umzugehen. Er wusste, wann er langsam in sie eindringen und wann das Tempo anziehen musste. Er wusste, wenn sie mehr brauchte … und noch mehr … „Ich kriege einfach nicht genug von dir.“

„Zacharel“, wisperte sie atemlos. „Bitte. Alles.“

Er hielt inne, ein Schweißtropfen rann ihm an der Schläfe hinab. „Du sollst mich niemals um etwas anbetteln, Anna.“

„Dann musst du … Ich brauche …“ Sie biss sich auf die Lippe und drängte sich an ihn. „Bitte.“

Hart spürte sie seine Hand an ihrem Kiefer, als er sie zwang, ihm in die Augen zu sehen. „Mich, du brauchst mich.“

„Ja.“ Immer.

Er rieb seine Nasenspitze an ihrer. „Darf ich dich nehmen?“

„Alles“, wiederholte sie.

„Alles? Wirklich? Denn ich hatte mir vorgenommen, nicht mit dir zu schlafen, bis ich dir das Versprechen abgerungen hätte, bei mir zu bleiben. Ein solches Versprechen verdiene ich nicht mehr.“

„Vermutlich nicht, aber ich gebe es dir trotzdem.“ In diesem Augenblick war ihr klar geworden, wie sehr sie ihn liebte. Als würde sie ihn je wieder gehen lassen. Gut, früher hatte sie vorgehabt, ihn zu verlassen, bevor er sie verließ. Aber so handelte nur jemand, der in Angst lebte, und Angst war genauso ein Gefängnis wie die Anstalt … und zugleich so viel schlimmer. „Kannst du mir dasselbe versprechen?“

Erfüllt von tiefer Freude, blickte er auf sie herunter und erklärte: „Das kann ich. Und das werde ich. Du bist meine erste, letzte und einzige Liebhaberin, Annabelle Miller. Ich werde niemals mit einer anderen schlafen.“

„Oh, Zacharel.“ Waren je schönere Worte ausgesprochen worden? „Für mich bist du auch der letzte und einzige Liebhaber.“

„Und jetzt mache ich dich zu der Meinen.“ Zentimeter für köstlichen Zentimeter versenkte er sich in sie, nahm sie, zeichnete sie. Als er vollständig in sie eingedrungen war, hielt er inne, und um seine Augen erkannte sie die Anspannung, unter der er stand. „Ich bin … Wie konnte … Ich liebe es.“

„Mmmh“, schnurrte sie. „Ja.“

„Du gehörst mir“, sagte er.

„Dir.“

„Niemandem sonst.“

„Niemandem sonst“, stimmte sie zu.

Seine Lippen fanden ihre, in einem wilden Tanz trafen sich ihre Zungen. Mit den Händen erforschte er von Neuem ihre Brüste, knetete, zupfte.

„Du fühlst dich so gut an.“

„Ja, aber …“

„Mehr?“

„So?“ Anfangs bewegte er die Hüften langsam.

„Ja, bitte, ja, genau so.“

Er bewegte sich schneller. Und noch schneller. Irgendwann konnte sie nur noch die Beine um seine Hüften schlingen und sich festhalten. Wieder und wieder sprach er ihren Namen aus, ein Gebet, ein Fluch, ein Stöhnen, das er nicht ganz unterdrücken konnte. Heiser stöhnte sie ihre Lust hinaus. Jeder Augenblick, jede Bewegung war perfekt, veränderte sie bis auf den Grund ihrer Seele.

„Anna … Ich muss … Ich …“

„Gib mir alles.“

Ein Schrei brach aus seiner Kehle, sein ganzer Körper spannte sich an. Er rammte in sie, so tief er nur konnte, so herrlich tief, und trotzdem bog sie sich ihm entgegen und versuchte, ihn noch tiefer in sich aufzunehmen. Als ein Schauer der Vollendung durch seinen Körper lief, ergriff die Erlösung auch sie; und sie schrie, presste sich an ihn … als wollte sie nie wieder loslassen.

Noch Minuten später, als er auf sie sank, schwer und entspannt, weigerte sie sich, ihn loszulassen. Als er sich von ihr rollte, nahm er sie mit sich, und sie landete an seiner Brust, willenlos auf ihm ausgebreitet.

„Mir fehlen die Worte, Anna“, sagte er leise. „Gut.“ Ihr ebenfalls. Alles, was sie wusste, war: Sie würde nie wieder dieselbe sein. Das hier würde sie für immer verändern.

Es würde ihn für immer verändern.

Andächtig drückte er ihr einen Kuss auf die Schläfe. „Ein Wort ist mir doch noch eingefallen … Danke.“

Ihr entwich ein weiches Lachen. Vielleicht tat ihnen ein bisschen Veränderung gut.