Drittes Kapitel
1
Langsam stieg ich die Treppe zu meiner Wohnung in der Rue Catinat hinauf; auf dem ersten Stiegenabsatz hielt ich an, um mich auszuruhen. Die alten Frauen schwatzten, wie sie es immer getan hatten, und hockten auf dem Boden vor dem Eingang zum Pissoir; sie trugen das Schicksal in den Runzeln ihrer Gesichter verzeichnet wie andere in den Linien der Hand. Sie verstummten, als ich an ihnen vorbeikam, und ich fragte mich, was sie mir, wäre ich ihrer Sprache mächtig gewesen, wohl erzählt hätten über das, was sich hier zugetragen hatte, während ich im Lazarett der Fremdenlegion an der Straße nach Tanyin war. Irgendwo, im Wachtturm oder in den Reisfeldern, hatte ich meine Schlüssel verloren, aber ich hatte Phuong eine Nachricht gesandt, die sie erhalten haben mußte, wenn sie noch da war. Dieses Wenn war das Maß meiner Ungewißheit. Ich hatte im Spital keinen Brief von ihr erhalten; aber sie schrieb Französisch nur mit Schwierigkeiten, und Vietnamesisch konnte ich wiederum nicht lesen. Ich klopfte an die Tür. Sie öffnete sich sofort, und alles schien wie früher zu sein. Ich betrachtete Phuong forschend, während sie sich nach meinem Befinden erkundigte, das geschiente Bein befühlte und mir ihre Schulter als Stütze bot, als ob man sich ohne Gefahr an eine so junge Pflanze lehnen könnte. Ich sagte: »Ich bin froh, wieder daheim zu sein.«
Sie sagte, daß sie mich sehr vermißt hätte, und natürlich wollte ich genau das hören: Wie ein Kuli, der Fragen beantwortet, sagte sie mir immer das, was ich hören wollte, es sei denn, sie verriet sich zufällig. Jetzt erwartete ich den Zufall.
»Hast du dich amüsiert?« fragte ich.
»Ach, ich habe öfter meine Schwester besucht. Sie hat bei den Amerikanern eine Stelle bekommen.«
»So, hat sie das? Hat Pyle nachgeholfen?«
»Nein, nicht Pyle – Joe.«
»Wer ist Joe?«
»Du kennst ihn – der Handelsattaché.«
»Ach, natürlich, Joe.«
Er war ein Mensch, den man immer vergaß. Bis heute kann ich ihn nicht beschreiben. Ich erinnere mich nur an seine Beleibtheit, seine gepuderten glattrasierten Wangen und sein dröhnendes Lachen; seine ganze Persönlichkeit entschlüpft mir, bis auf das eine, daß er Joe hieß. Es gibt Männer, deren Namen immer abgekürzt werden.
Mit Phuongs Hilfe legte ich mich aufs Bett und streckte mich aus. »Im Kino gewesen?«
»Ja. Im ›Catinat‹ läuft ein sehr lustiger Film«, und sogleich begann sie mir den Inhalt in allen Einzelheiten zu erzählen, während ich mich im Zimmer nach dem weißen Umschlag eines Telegramms umsah. Solange ich nicht danach fragte, konnte ich mir einreden, daß Phuong vergessen hatte, es zu erwähnen. Vielleicht lag es drüben auf dem Tisch neben der Schreibmaschine oder auf dem Schrank, oder hatte sie es sicherheitshalber in die Lade gelegt, wo sie ihre Sammlung von Seidenschals aufbewahrte?
»Der Postmeister – ich glaube, es war der Postmeister; es kann aber auch der Bürgermeister gewesen sein – verfolgte sie bis nach Hause, und er borgte sich eine Leiter vom Bäcker und stieg zu Corinnes Fenster hinauf, die war aber mit Francois ins Nebenzimmer gegangen. Weißt du, er hörte nicht, daß sich Madame Bompierre näherte; sie kam ins Zimmer, sah ihn auf der Leiter und glaubte …«
»Wer war Madame Bompierre?« fragte ich und drehte den Kopf zur Seite, um zum Waschbecken hinüberzuschauen, wo sie manchmal wichtige Notizen zwischen die Fläschchen und Tiegel steckte.
»Das habe ich dir doch schon gesagt. Sie war Corinnes Mutter, und sie war auf der Suche nach einem Mann, weil sie Witwe war …«
Sie saß auf dem Bett und legte ihre Hand unter mein Hemd. »Es war sehr komisch«, sagte sie.
»Küß mich, Phuong.« Koketterie war ihr unbekannt. Sofort erfüllte sie meinen Wunsch und erzählte dann die Handlung des Films weiter. Genauso würde sie sich mir hingegeben haben, wenn ich es verlangt hätte, ohne Frage würde sie ihre lange Hose abgestreift haben; und hernach hätte sie den Faden von Madame Bompierres Geschichte und dem peinlichen Erlebnis des Postmeisters wieder aufgegriffen.
»Ist vielleicht ein Telegramm für mich gekommen?«
»Ja.«
»Warum hast du es mir nicht gegeben?«
»Du sollst noch nicht arbeiten, das ist noch zu früh. Du mußt dich hinlegen und ausruhen.«
»Möglicherweise betrifft es nicht die Arbeit.«
Sie gab es mir, und ich sah, daß es aufgebrochen worden war. Das Telegramm lautete: »Benötigen dringend 400 Worte Situationsschilderung über Auswirkung Abreise De Lattres auf militärische politische Lage.«
»Doch«, sagte ich. »Es betrifft die Arbeit. Weshalb hast du es aufgemacht?«
»Ich dachte, es käme von deiner Frau. Ich hoffte, es wäre eine gute Nachricht drin.«
»Und wer hat es dir übersetzt?«
»Ich zeigte es meiner Schwester.«
»Und wenn es eine schlechte Nachricht gewesen wäre, hättest du mich verlassen, Phuong?«
Beruhigend streichelte sie mir die Brust; sie erkannte nicht, daß ich diesmal auf Worte wartete, mochten sie noch so unwahr sein. »Möchtest du eine Pfeife haben? Es ist ein Brief für dich gekommen. Ich denke, er ist vielleicht von ihr.«
»Hast du den auch aufgemacht?«
»Ich mache deine Briefe nicht auf. Telegramme sind öffentlich. Die Beamten lesen sie.«
Dieses Kuvert lag zwischen den Seidenschals. Sie holte es behutsam hervor und legte es aufs Bett. Ich erkannte die Handschrift. »Wenn es eine schlechte Nachricht ist, was wirst du …« Ich wußte sehr wohl, daß der Brief nur Schlimmes enthalten konnte. Ein Telegramm hätte einen spontanen Akt der Großzügigkeit bedeuten können; ein Brief konnte nur Erklärungen, Rechtfertigungen enthalten … Also brach ich meine Frage ab, denn es ist unfair, ein Versprechen abzufordern, das der andere nicht halten kann.
»Wovor fürchtest du dich?« fragte Phuong, und ich dachte: Ich fürchte mich vor der Einsamkeit, vor dem Presseklub und einem öden Zimmer in einer Pension, ich fürchte mich vor Pyle. –
»Bitte, gib mir einen Brandy und Soda«, sagte ich. Ich blickte auf den Anfang des Briefs, »Lieber Thomas!«, und auf das Ende, »Deine Helen«, und wartete auf den Brandy.
»Ist er von ihr}«.
»Ja.« Bevor ich zu lesen begann, fragte ich mich, ob ich am Ende Phuong belügen oder ihr die Wahrheit sagen sollte.
»Lieber Thomas!
Dein Brief und die Nachricht, daß Du nicht allein bist, überraschten mich nicht. Du bist nicht der Mann, der es lange allein aushält. Die Frauen bleiben an Dir hängen wie der Staub an Deinem Rock. Vielleicht wäre ich imstande, mehr Verständnis für Deine Lage aufzubringen, wenn ich nicht das Empfinden hätte, daß Du Dich bei Deiner Rückkehr nach London sehr schnell trösten wirst. Du wirst es mir wahrscheinlich nicht glauben, aber was mich innehalten läßt und daran hindert, Dir ein klares Nein zu telegrafieren, ist der Gedanke an die arme Frau. Wir neigen eben viel mehr als Du dazu, unser Herz zu verlieren.«
Ich nahm einen Schluck Brandy. Ich hatte nicht gedacht, wie sehr die Wunden der Liebe durch viele Jahre offenbleiben. Unbekümmert – ich hatte meine Worte offenbar nicht sorgfältig genug gewählt – hatte ich die ihren wieder zum Bluten gebracht. Wer konnte ihr einen Vorwurf daraus machen, daß sie Vergeltung übte, indem sie an meinen Narben rührte. Wenn wir unglücklich sind, verletzen wir.
»Ist es schlimm?« fragte Phuong.
»Ein bißchen hart«, sagte ich. »Aber sie hat das Recht dazu …« Ich las weiter:
»Ich glaubte immer, Du liebtest Anne mehr als uns alle, bis Du Deine Sachen packtest und gingst. Jetzt scheinst Du wieder die Absicht zu haben, eine Frau zu verlassen, weil ich Deinem Brief entnehme, daß Du nicht wirklich eine ›günstige‹ Antwort erwartest. ›Ich werde mein möglichstes getan haben‹ – denkst Du nicht so? Was würdest Du tun, wenn ich ›ja‹ telegrafierte? Würdest Du sie tatsächlich heiraten? (Ich muß ›sie‹ schreiben, weil Du mir ihren Namen verschwiegen hast.) Vielleicht würdest Du es tun. Ich vermute, daß Du, wie wir alle, langsam alt wirst und nicht mehr gern allein lebst. Auch ich fühle mich manchmal sehr einsam. Anne hat, wie ich höre, einen neuen Freund gefunden. Aber sie hast Du ja noch zur rechten Zeit verlassen.«
Sie hatte den getrockneten Schorf über meiner Wunde genau getroffen. Ich nahm noch einen Schluck. Eine Blutfehde – dieser Ausdruck fiel mir ein.
»Laß dir eine Pfeife richten«, sagte Phuong.
»Wie du willst«, meinte ich, »wie du willst.«
»Das ist der eine Grund, weshalb ich nein sagen sollte. (Über den religiösen Grund brauchen wir nicht erst zu sprechen, weil Du den nie verstanden noch anerkannt hast.) Die Ehe hindert Dich nicht daran, eine Frau zu verlassen, nicht wahr? Sie verzögert nur den Prozeß; und in diesem Fall wäre es nur um so unfairer jener Frau gegenüber, wenn Du mit ihr so lange zusammenlebtest wie mit mir. Du würdest sie nach England mitbringen, wo sie verloren und völlig fremd wäre. Und wenn Du sie dann verläßt, wie furchtbar einsam wird sie sich fühlen! Ich nehme an, daß sie nicht einmal mit Messer und Gabel ißt, oder? Ich spreche mit solcher Härte, weil ich mehr an ihr Wohl denke, als an das Deine. Aber, mein lieber Thomas, ich denke wirklich auch an das Deine.«
Ich empfand körperliches Übelsein. Es war lange her, daß ich von meiner Frau einen Brief erhalten hatte. Ich hatte sie zum Schreiben gezwungen, und ich konnte ihren Schmerz aus jeder Zeile herausfühlen. Ihr Schmerz traf den meinen: Wir waren zu unserer alten Gewohnheit, einander weh zu tun, zurückgekehrt. Wenn es doch nur möglich wäre, zu lieben, ohne Leid zuzufügen – Treue allein ist nicht genug. Anne war ich treu gewesen, und doch hatte ich ihr weh getan. Die Verletzung liegt im Akt des Besitzens: Wir sind geistig und körperlich zu armselig, als daß wir einen anderen Menschen ohne Stolz besitzen oder ihn ohne Demütigung von uns Besitz ergreifen lassen könnten. In gewissem Sinn war ich froh, daß meine Frau wieder einmal auf mich losgeschlagen hatte – zu lange hatte ich ihren Schmerz vergessen, und dies war die einzige Sühne, die ich ihr bieten konnte. Leider sind es immer die Unschuldigen, die in jeden Konflikt hineingezogen werden. Immer und überall gibt es eine Stimme, die klagend aus einem Turm ruft.
Phuong zündete das Opiumlämpchen an. »Erlaubt sie dir, mich zu heiraten?« fragte sie.
»Das weiß ich noch nicht.«
»Sagt sie es denn nicht?«
»Wenn sie es sagt, dann sagt sie es sehr umständlich.«
Ich dachte: Wieviel hältst du dir darauf zugute, daß du dégagé bist, ein unbeteiligter Berichterstatter, nicht ein Leitartikler, und was für eine Verwirrung stiftest du hinter den Kulissen. Die andere Art des Kriegführens ist viel harmloser als diese. Mit einem Granatwerfer richtet man weniger Unheil an.
»Und wenn ich gegen meine innerste Überzeugung handelte und ja sagte, würde dies überhaupt zu Deinem Nutzen geschehen? Du sagst, Du seist nach England zurückberufen worden, und ich kann mir vorstellen, wie sehr Du das haßt und wie Du alles unternehmen wirst, um Dir diesen Schritt zu erleichtern. Ich kann mir denken, daß Du Dich zum Heiraten entschließt, wenn Du ein Glas über den Durst getrunken hast. Das erste Mal gaben wir uns alle Mühe – Du sowohl wie ich –, und es mißlang. Das zweite Mal gibt man sich nicht mehr so viel Mühe. Du behauptest, der Verlust dieser jungen Frau würde für Dich das Ende des Lebens bedeuten. Genau dieselbe Wendung hast Du einmal mir gegenüber gebraucht – den Brief könnte ich Dir zeigen; ich besitze ihn noch – und an Anne schriebst Du wahrscheinlich dasselbe. Du behauptest, wir hätten uns stets bemüht, einander die Wahrheit zu sagen. Aber, Thomas, Deine Wahrheit ist immer sehr zeitbedingt. Welchen Sinn hat es da, mit Dir zu zanken oder zu versuchen, Dich zur Vernunft zu bringen? Da fällt es schon leichter, so zu handeln, wie mein Glaube mir zu handeln vorschreibt – Deiner Ansicht nach widersinnigerweise –, und einfach zu erklären: Ich halte nichts von einer Scheidung; meine Religion verbietet sie, und deshalb, Thomas, ist die Antwort nein – nein.«
Es folgte noch eine halbe Seite, die ich nicht las, und dann kam: »In Liebe Deine Helen.« Ich glaube, die übersprungenen Zeilen enthielten Mitteilungen über das Wetter und über eine alte Tante von mir, dich ich sehr gern hatte.
Ich besaß keinen Grund zur Klage, und ich hatte auch keine andere Antwort erwartet. Es steckten viele Wahrheiten darin. Mein einziger Wunsch wäre gewesen, daß sie nicht in so ausführlicher Weise laut gedacht hätte, wenn diese Gedanken sie selbst genauso schmerzten wie mich.
»Sie sagt also nein?«
Fast ohne Zögern sagte ich: »Sie hat sich noch nicht entschieden. Es besteht noch Hoffnung.«
Phuong lachte: »Du redest von Hoffnung und machst dabei ein so langes Gesicht.« Sie lag zu meinen Füßen wie ein Hund auf dem steinernen Sargdeckel eines Kreuzfahrers und knetete das Opium, und ich überlegte, was ich Pyle sagen sollte. Nachdem ich vier Pfeifen geraucht hatte, fühlte ich mich gegen die Zukunft besser gewappnet und erzählte Phuong, daß guter Grund zur Hoffnung bestand – meine Frau habe vor, einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen. Jeden Tag könne das Telegramm eintreffen, das mir die Freiheit schenken werde.
»Es würde nicht so viel ausmachen. Du könntest ja Geld auf meinen Namen überschreiben lassen«, sagte sie, und ich konnte die Schwester aus ihr reden hören.
»Ich besitze keine Ersparnisse«, sagte ich. »Pyle kann ich nicht überbieten.«
»Mach dir keine Sorgen. Wer weiß, was kommt. Es gibt immer Mittel und Wege«, meinte sie. »Meine Schwester sagt, du könntest zum Beispiel eine Lebensversicherung abschließen.« Ich sagte mir, wie realistisch es von ihr gedacht war, die Bedeutung des Geldes nicht zu schmälern und nicht großartige und bindende Liebeserklärungen zu machen. Ich fragte mich, wie Pyle auf die Dauer diesen harten Kern ihres Wesens ertragen würde, denn Pyle war sehr romantisch; allerdings würde er eine beträchtliche Summe auf sie übertragen, und die Härte mochte erschlaffen wie ein unbetätigter Muskel, wenn für sie keine Notwendigkeit mehr bestand. Die Reichen sind doppelt im Vorteil.
An jenem Abend erstand Phuong vor Ladenschluß in der Rue Catinat drei weitere Seidenschals. Auf dem Bett sitzend, führte sie sie mir vor und bejubelte die leuchtenden Farben. Mit ihrer singenden Stimme füllte sie eine Leere aus. Dann faltete sie die Tücher sorgsam zusammen und legte sie zu dem Dutzend anderer in die Lade: Es sah aus, als ob sie den Grundstein zu einem bescheidenen Vermögen legte. Und ich legte den verrückten Grundstein zu dem meinen, indem ich noch in derselben Nacht mit der unzuverlässigen Klarheit und Voraussicht, die das Opium verleiht, einen Brief an Pyle verfaßte. Ich schrieb folgende Zeilen – erst neulich fand ich sie wieder; das Blatt steckte in York Hardings Werk »Die Rolle des Westens‹. Er muß das Buch gelesen haben, als mein Brief ankam. Vielleicht hatte er ihn als Lesezeichen benützt und dann nicht mehr weitergelesen.
»Lieber Pyle«, schrieb ich und war zum ersten und letztenmal versucht, »Lieber Alden« zu schreiben, denn eigentlich war dies ein Dankschreiben von einiger Wichtigkeit, und es unterschied sich von anderen Briefen ähnlicher Art nur insofern, als es eine Lüge enthielt:
»Lieber Pyle, ich wollte Ihnen schon vom Lazarett aus schreiben und mich für alles bedanken, was Sie in jener Nacht für mich taten. Ohne Zweifel bewahrten Sie mich vor einem recht ungemütlichen Ende. Ich kann mich jetzt mit Hilfe eines Stocks wieder bewegen – anscheinend brach ich gerade an der richtigen Stelle entzwei, und das Alter hat meine Knochen noch nicht erreicht und sie spröde gemacht. Wir müssen in nächster Zeit einmal zusammen ausgehen und gehörig feiern.« (Bei diesem Wort blieb mir die Feder stecken und nahm dann wie eine Ameise, die auf ein Hindernis stößt, eine andere Richtung, um es zu umgehen.) »Ich habe noch etwas anderes zu feiern und weiß, daß Sie sich darüber freuen werden, denn Sie haben immer wieder betont, wie sehr uns beiden Phuongs Glück am Herzen liegt. Bei meiner Rückkehr wartete ein Brief meiner Frau auf mich. Sie hat so gut wie zugesagt, sich von mir scheiden zu lassen. Sie brauchen sich also um Phuong nicht mehr zu sorgen« – es war ein grausamer Satz, aber die Grausamkeit wurde mir erst bewußt, als ich den Brief noch einmal durchlas, und dann war es für eine Änderung zu spät. Hätte ich diese Worte durchstreichen wollen, dann wäre es besser gewesen, den ganzen Brief zu zerreißen.
»Welcher Schal gefällt dir am besten?« fragte Phuong. »Mir der gelbe.«
»Ja, der gelbe. Geh zum Hotel hinunter und gib diesen Brief für mich auf.«
Sie warf einen Blick auf die Adresse. »Ich könnte ihn zur Gesandtschaft tragen. Da würdest du dir die Marke ersparen.«
»Nein, es ist mir lieber, wenn du ihn aufgibst.«
Dann legte ich mich zurück, und in der Entspannung, die mir das Opium schenkte, dachte ich: Wenigstens wird sie mich nicht vor meiner Abreise verlassen, und morgen, nach ein paar weiteren Pfeifen, wird mir vielleicht irgendein Weg einfallen, wie ich hierbleiben kann.