
Prolog
England, 1126
“Ich könnte mich niemals mit ihm vermählen!”
Mit kalten Fingern versuchte Allegra, Lady von Cleonis und Firmain, verzweifelt die Hände ihres Liebhabers zu ergreifen, „ich liebe doch Euch! Euch allein!“
Er strich ihr mit einer Hand an der Wange entlang. Selbst dann noch, als der Schmerz in seinen Schläfen hämmerte. „Liebste, Ihr müsst dem Befehl des Königs Folge leisten. Und Ihr wisst sehr wohl, dass ich nicht frei bin der Eure zu werden, denn ich bin bereits einer anderen zur Ehe versprochen.“
Tränen glitzerten in ihren Augen und er wischte mit dem Daumen eine davon weg, dann streckte er die Arme aus, um ihre Hände mit seinen zu umschließen. Er musste immer wieder blinzeln und presste daher die Augenlider zusammen in dem Versuch, die Schmerzen in seinem Schädel zu verjagen, aber sie waren unerbittlich.
Er durfte das Bild nicht heraufbeschwören, das den Schmerz immer begleitete: das Bild seiner Eltern, wie sie zerschmettert auf der Erde am Fuße des Turmes lagen. Das lag schon lange Zeit zurück und es gab nichts, was er hätte ausrichten können. Nicht damals, nicht heute.
„Was wird wohl geschehen, wenn ich sein Lager teile? Es gibt keinen Jungfernkranz mehr zu pflücken und Lord Merle wird mich sehr wahrscheinlich töten, weil ich ihn zum Narren gehalten habe.“ Allegras Tränen strömten ihr jetzt über das ganze Gesicht, in ihrer Stimme schwang unüberhörbar Panik mit.
Er kämpfte darum, seinen Kopf freizubekommen und einen Weg zu finden, um ihren Tränen Einhalt zu gebieten. Denn wenn er nicht bald Abhilfe schuf, würde er bald von Sinnen sein. Vielleicht war er es bereits.
„Ich lasse Eurer Magd eine Schweinsblase voll Blut zukommen. Diese müsst Ihr unter dem Kopfkissen verbergen und wenn Euer Ehemann seine Rechte einfordert, müsst Ihr vor Schmerzen aufschreien, wie Ihr es seinerzeit mit mir tatet.“ Er packte sie fester am Handgelenk und achtete nicht auf ihr schmerzvolles Aufschluchzen. „Und weil er dann sogleich einschlafen wird, könnt Ihr die Blase mit dem Blut zum Bersten bringen und es über Euren Schenkeln und auf dem Laken verschmieren. Und Lord Merle wird von all dem hier nicht das Geringste ahnen.“
Allegras blaue Augen schimmerten feucht vor Tränen und Kummer. „Das mag sein. Und dann bin ich einem Manne vermählt, den ich nicht liebe, und trage unter dem Herzen das Kind eines anderen, dem auf ewig mein Herz gehört.“