13

Annabella hatte beschlossen, sich von Custos Gegenwart nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen, aber das war leichter gesagt als getan. Es erforderte Übung. Ihre Motivation: Selbstschutz. Außerdem fühlte sie sich immer noch wütend, verletzt und gedemütigt. Die Kombination dieser drei Gefühle bestärkte sie in ihrer Haltung gegenüber Custo.

Sobald sie wieder auf dem Bürgersteig standen, ließ sie den Blick prüfend über die Straße gleiten und verließ sich nicht darauf, dass der große starke Mann an ihrer Seite Wolf zuerst entdeckte. Obwohl sie ihn nicht sehen konnte, verrieten ihr die kleinen Härchen in ihrem Nacken, dass Wolf in der Nähe sein musste. Er beobachtete sie. Wartete. Verfolgte sie. Die Wut war stärker als ihre Angst, sodass sie es schaffte, über den Bürgersteig auf die Straße zu gelangen. Custo versuchte, ihren Arm zu fassen und murmelte: »Wir müssen reden.« Doch sie mied sorgsam seinen Griff. Es gab nichts zu sagen, und für ihre Sicherheit reichte es aus, dicht neben ihm zu bleiben, ohne dass er sie anfasste.

Sie öffnete die Tür, nahm auf dem Beifahrersitz Platz und verwies Custo auf die Rückbank. Dass der Wagen immer noch im tosenden Verkehr parkte, musste etwas mit göttlicher Intervention zu tun haben. Immerhin schien der Turm zu etwas gut zu sein.

Sobald sie losfuhren, berichtete Custo das Wesentliche von seiner Unterredung mit Luca. Ganz offensichtlich endete die göttliche Intervention bei dem Wagen. Sie waren auf sich allein gestellt.

»Das reicht nicht!« Adam klammerte sich an das Lenkrad, seine Fingerknöchel traten weiß hervor. Es war das erste Mal, dass Adam in Annabellas Gegenwart laut wurde. Das erste Mal, dass Herr Oberkontrolle die Fassung verlor. Die Vene an seiner Schläfe pulsierte so heftig, als würde sie gleich platzen.

Zweifellos war auch sie selbst etwas gereizt gewesen. Custos Kollegen wollten offenbar auch ihr nicht helfen. Doch der Beginn der Theatersaison stand bevor. Eine neue Chance, ihr Leben zurückzubekommen, war nur wenige Tage entfernt. Wenn sie das nächste Mal tanzte, würde sie einen klaren Kopf behalten und Wolf mithilfe ihrer Magie aus der Welt drängen. Ihr Leben würde zwar nie mehr so normal sein, aber zumindest hätte sie es dann wieder selbst in der Hand und würde nicht mehr Achterbahn fahren. Und Custo konnte dorthin gehen, wohin Engel eben gingen, wenn sie ihre Arbeit getan hatten flogen sie davon?

Wie auch immer. Sie wollte es einfach nur hinter sich bringen.

»Sie wollen uns überhaupt nicht helfen?«, fragte Adam noch einmal, obwohl Custo die Frage bereits zweimal beantwortet hatte.

»Luca hat gesagt, sie hätten andere, dringendere Angelegenheiten zu erledigen«, erwiderte Custo. »Sie müssen die Toten durch die Zwielichtlande geleiten, sich um Grenzüberschreitungen zwischen den Welten und die gefährlichen Wesen kümmern, die in die sterbliche Welt gelangt sind. Er meinte, du würdest bei den Geistern allein enorm viel erreichen.«

»Dann musst du aufhören«, folgerte Annabella an Adams Stelle. »Wenn du aufhörst zu kämpfen, müssen sie sich selbst um die Geister kümmern.«

»Talia kann nicht aufhören«, erklärte Custo ruhig hinter ihr. »Sie ist Teil der sterblichen Welt und des Schattenreichs. Und selbst, wenn sie es könnte, würden die Geister sie nie in Ruhe lassen, weil sie ihren Schöpfer getötet hat. Adam ist auf ewig in den Krieg verstrickt und ich auch.«

Annabellas Blick zuckte zwischen den beiden hin und her. Custo sah zu Adam, der tief Luft holte und anscheinend einen Großteil seiner Wut ausstieß.

»Ich weiß«, sagte Adam, »und ich weiß wirklich zu schätzen, was du bereits alles getan hast. Aber Talia hat eine Menge erlebt, und es macht mich wütend, dass jemand helfen könnte, es aber nicht tut.«

»Und was nun?«, fragte Annabella.

Schweigen.

Okay, verdammt, jemand musste einen Plan fassen. »Vernünftig wäre, wenn wir es bei meiner nächsten Vorstellung noch einmal mit Wolf versuchten und Adam dicht bei Talia bliebe, um sie bis zur Geburt vor den Geistern zu schützen.«

Ganz einfach. Sie drehte sich wieder um, lehnte sich in ihrem Sitz zurück und machte sich im Geist eine Notiz, dass sie ihre Mutter anrufen musste, sobald sie sich wieder in Segue befanden. Ihre Mutter war bestimmt außer sich, weil sie sie gestern Abend nach der Vorstellung im Theater verpasst hatte.

»Hör auf, ihn Wolf zu nennen«, meldete sich Custo von der Rückbank. »Das macht mich verrückt. Namen verleihen Macht. Gib ihm nicht noch mehr davon.«

Gut. Der Wolf. Was war mit dem Plan?

»Deine Strategie funktioniert nur, wenn sowohl der Wolf als auch die Geister sich vorhersehbar verhalten. Davon gehe ich aber nicht aus. Das ist nicht in ihrem Interesse. Der Wolf wird versuchen, sich auf anderem Weg Zugang zu dir zu verschaffen. Und die Geister wissen jetzt, dass es noch andere gibt, die sie töten können. Da sie von Natur aus aggressiv sind, werden sie nicht davonlaufen und sich verstecken, sondern zuerst angreifen. Und zwar heftig. Wenn wir ihnen voraus sein wollen, müssen wir uns etwas Neues einfallen lassen.«

Okay, Mist. Annabella sah ihn über ihre Schulter hinweg an und fragte: »Und was?« Dann fuhr sie herum, um sich am Armaturenbrett festzuklammern, weil Adam eine plötzliche Kehrtwende machte.

»Abigail«, erklärte Adam. »Sie kann Talia zwar nicht helfen, aber vielleicht ist sie in der Lage, Annabella zu sehen.«

»Mich zu sehen?«, fragte Annabella. Adam redete Unsinn.

»Sie ist «, hob Adam an, »Ich weiß nicht, was sie ist. Eine Visionärin? Ein Medium? Ein Orakel? Jemand, der wie du von der Magie der Schatten berührt wurde, aber auf andere Art. Die Schatten wallen in Abigails Körper; die Dunkelheit wabert in ihren Augen, als würde in ihrem Kopf ein Sturm herrschen. Das hat ihre Alterung beschleunigt und sie Jahrzehnte ihres Lebens gekostet. Sie kann die Zukunft voraussagen oder was sie so Zukunft nennt, denn jede Entscheidung hat Einfluss auf den Lauf der Dinge.« Er schwieg, dann fügte er hinzu: »Ich weiß nicht, ob sie helfen kann. Das letzte Mal hat sie meine Zukunft vorausgesehen, und ich war nicht in der Lage, irgendeine verdammte Sache daran zu ändern.«

Adam wirkte so unglücklich, dass Annabella nicht wusste, ob sie wirklich erfahren wollte, was damals geschehen war.

»Es ist zwei Jahre her«, sagte Adam mit rauer Stimme.

Als Custo gestorben war.

Okay, Custo ging es jetzt gut, und Annabella hatte genug von ihm und der Weltuntergangsstimmung. Noch mehr Dramen, und sie wurde verrückt. Noch mehr Angst, und sie fing an zu schreien. Noch mehr Custo, und sie konnte nicht mehr.

Ein bisschen Essen wäre auch nicht verkehrt. Sie spürte, wie ihr Blutzuckerspiegel sank. An einem normalen Tag wäre sie dadurch nur etwas gereizt. Bei dem ganzen Wahnsinn sollten die starken Männer sich besser in Acht nehmen.

»Vielleicht«, sagte sie stur, »sieht diese Abigail meinen Namen in Leuchtschrift über einem Theater stehen, größer geschrieben als der Name meines jetzigen Balletts. Vielleicht mit dem Wort unvergleichlich in kursiv daneben. Oder vielleicht atemberaubend?« Jetzt redete sie nur mit sich selbst. »Jedenfalls ist es das, was ich sehe, wenn ich an meine Zukunft denke.«

Adam sah sie humorlos an.

»In riesiger Leuchtschrift«, fügte sie für die Spaßbremse hinzu.

Sie weigerte sich, noch einmal über ihre Schulter zu Custo zu blicken, obwohl sie ihn wie eine wärmende Sonne auf ihrer Haut spürte. Sie konnte sich unmöglich gegen das Gefühl schützen, also hielt sie den Blick auf die Straße gerichtet und konzentrierte sich auf die weißen Nummernschilder mit den blauen anagrammähnlichen Buchstaben und Nummern. TIK konnte Trick bedeuten und SFR für Surfer stehen und EGL für eigentlich, aber nicht für Engel. Sosehr sie sich auch dagegen wehrte, Lust und Liebe hatten sie im Griff. Und sie wusste, dass das genauso gefährlich war wie das Schattenwesen, das ihr an den Fersen klebte.

Die widersprüchlichen Gefühle für Custo machten sie verrückt und verlangten nach einer Ausnahme von ihrer Nur-einmal-im-Jahr-Käsekuchen-Regel. Sie brauchte so bald wie möglich ein Stück. Und zwar mit Schlagsahne. Sie musste einmal über die Stränge schlagen, so wie das Ballett es nur selten zuließ.

Adam hielt vor einem dreistöckigen Haus, das zwischen ähnlichen Gebäuden in einer ziemlich heruntergekommenen Straße stand. Eine Gegend, in der sie sich bereits am helllichten Tag unwohl fühlte. Über den Backsteinen hing ein grauer Schleier, nur die Tür war knallrot angestrichen. Abfall verstopfte die Regenrinne, ein paar Bierflaschen standen ordentlich aufgereiht vor dem Gebäude. Überbleibsel der Nacht. Über der Tür hing ein kleines Schild, schwarze Buchstaben auf schwarzem Untergrund, so dass sie den Namen erst lesen konnte, als sie direkt davor stand. AMARANTH.

War das nicht eine Blume?

Adam klopfte an die Tür, während Custo an ihrer Seite blieb. Er versuchte nicht, sie anzufassen, was sie dankbar registrierte, aber er sah sie traurig und beunruhigt an.

Komm schon, finde dich damit ab.

»Du musst dir keine Sorgen machen, was sie sehen könnte«, murmelte Custo. »Adam hat von ›möglicher‹ Zukunft gesprochen. Nur weil er nicht in der Lage war, etwas an meiner zu ändern, heißt das nicht, dass wir keinen Einfluss auf deine nehmen können.«

Obwohl sie sich keine Sorgen machen wollte, verkrampfte sich ihr Magen. Sie hob ihr Kinn ein Stück höher. »Ich bin nicht nervös.«

»Lügnerin«, flüsterte er ihr ins Ohr.

Adam klopfte noch einmal an die Tür. »Zoe!«, rief er. »Mach auf!«

»Ich dachte, wir treffen Abigail«, wunderte sich Annabella.

»Zoe ist ihre Schwester«, antwortete Custo.

Mit fragendem Blick drehte sich Adam zu ihm herum.

Ja, auch Annabella fragte sich, woher Custo wusste, dass Abigail eine Schwester hatte.

»Engel«, gab Custo beiden als Erklärung.

Das beantwortete immer noch nicht die Frage, woher, aber bevor sie nachhaken konnte, riss jemand von innen die Tür auf.

Im Eingang stand ein Mädchen, das an eine Comicfigur erinnerte. Eine Mischung aus japanischem Animationsfilm und Grufti mit pechschwarzen Haaren, die es zu einem Pony in die Stirn gekämmt trug, während es den Rest vom Mittelscheitel aus zu langen dünnen Zöpfchen geflochten hatte. Das bühnenreif schwarze Make-up betonte die Augen übermäßig stark, während der Rest des Gesichts ultrablass war. Ein enges schwarzes Top endete über der Taille und entblößte den Bauchnabel des Mädchens. Darunter trug es eine tief geschnittene schwarze Jeans, die eng wie eine Strumpfhose saß.

»Ihr kommt hier nicht herein«, sagte die junge Frau und knallte mit ihrem Kaugummi.

»Sag Abigail, dass ich hier bin«, entgegnete Adam.

Zoe grinste höhnisch und ließ erneut eine Kaugummiblase platzen. »Sie weiß, wer hier ist, Kumpel. Sie ist seit dem Morgengrauen auf den Beinen und hat mit ihren Visionen gewartet. Hat sich allein angezogen und alles.«

Adam legte eine Hand gegen die Tür und wollte sie aufstoßen; Zoe drückte ihren Springerstiefel dagegen, damit der Spalt nicht größer wurde.

»Aber ich lasse euch nicht herein«, verkündete Zoe in einer Art Singsang. »Sie hat gesagt, du würdest klopfen und klopfen, bis jemand aufmacht. Und ich bin gekommen, um dir persönlich zu sagen, dass ihr euch verpissen sollt.«

»Hör zu«, sagte Adam zerknirscht. »Talia konnte damals nicht anders handeln. Sie musste dir das antun. Du lebst, und es geht dir gut, also gib dir einen Ruck und lass uns «

»Abigail ist krank«, schaltete Custo sich nachdenklich ein. »Sie stirbt.«

Zoes blasser Schmollmund bebte. Sie richtete ihre schwarzen Augen auf Custo und hob erstaunt die Brauen. »Ich weiß nicht, für wen ihr euch haltet, aber wenn ihr meine Schwester zwingt, ins Schattenreich zu sehen, geht es ihr noch schlechter.«

Annabella erblasste. Sie wollte nicht, dass irgendjemand ihretwegen krank wurde.

Zoe sah sie direkt an, das höhnische Grinsen verengte ihre Augen zu Sicheln. »Es stimmt, du würdest sie umbringen.« Sie blickte nach oben, als würde sie intensiv nachdenken. »Hmmm Soll ich jetzt die Killer meiner Schwester durch die Tür lassen, oder soll ich ihnen sagen, dass sie sich verpissen sollen? Hmmm. Mensch, das ist wirklich eine verdammt schwierige Entscheidung.«

»Lass mich euch helfen«, bat Adam. »Ich bringe euch beide nach Segue. Ich verfüge über Mittel, mit denen wir vielleicht «

»Ach, ich glaube, du hast uns schon genug geholfen. Vielen Dank«, sagte Zoe noch eine Spur sarkastischer.

Annabella hob eine Hand, um das Mädchen zu besänftigen. »Sie sind meinetwegen hier, und für mich ist das überhaupt kein Problem. Ich will deine Schwester nicht mit meiner Zukunft belästigen. Ich bestimme gern selbst über mein Leben, deshalb bin ich nicht wirklich erpicht darauf, mein Schicksal zu erfahren. Es würde in gewisser Weise meine Illusionen zerstören, verstehst du?«

Zoe senkte die schwarz umrandeten Lider, um ihre Langeweile zu demonstrieren. Ein reizendes Mädchen.

»Gut, dann «, sagte Annabella. Sie lehnte sich zurück, um den Rückzug anzutreten und Custo in Bewegung zu setzen. Auf keinen Fall würde sie ein sterbendes Medium umbringen. Es war Zeit, zurück nach Segue zu fahren und Plan B auszuarbeiten. Oder C.

Zoe verdrehte erneut die Augen. »Na, gut. Vielleicht hat sie irgendetwas von heute Abend zur Party gehen gesagt. Bitte. Wir sind fertig.«

»Was für eine Party?«, fragte Adam.

»Das weiß ich nicht«, erwiderte Zoe gereizt. »Eine Party. Wo, das müsst ihr schon selbst herausfinden.«

Party, Party, Party Oh, Mist. Das hatte Annabella vollkommen vergessen. »Der Empfang für das Ensemble ist heute Abend. Ich denke mir eine Ausrede aus und sage, dass mir schlecht ist oder so.« Wenn Venroy nicht jetzt schon wütend auf sie war, würde er es dann erst recht sein. Die neue Primaballerina verpasste die Feier zum Auftakt der Saison. Absolut fantastisch.

Auf einmal erstarrte Custo in ihrem Rücken. Annabella spürte, wie er den Arm um ihre Taille legte. Er drückte sie fest an sich, taumelte nach hinten und blieb dann stehen. »Abigail ist « Er zögerte einen Augenblick und hielt die Luft an. »… Adam, Abigail!«

»Aus dem Weg!«, schrie Adam, schlug die Tür zur Seite und drängte Zoe aus dem Weg.

»Halt!«, brüllte Zoe. »Was zum Teu

Von oben ertönte ein Schrei, der kurz darauf erstickt wurde.

»Abby!«, rief Zoe zurück. Sie klang jetzt alles andere als zickig, ihr besorgter Ton war herzzerreißend. Sie verschwand hinter Adam in der Dunkelheit.

Annabella versuchte, ihnen zu folgen, aber Custo hielt sie zurück. »Nein, ich glaube, es ist der Wolf.«

Sie wehrte sich gegen den festen Arm um ihre Mitte. »Dann bist du der Einzige, der helfen kann. Wir müssen hineingehen.« Mit ihrem ganzen Gewicht stemmte sie sich gegen ihn und versuchte, ihm zu entkommen. »Du kannst nicht zulassen, dass er ihr wehtut.«

Sein Griff verstärkte sich, aber Annabella spürte ein leichtes Zögern, als wüsste er nicht, wie er sich entscheiden sollte.

»Verdammt«, sagte Custo. »Du bleibst bei mir. Nimm meine Hand

»Ja! Gut!« Nachdem er sie losgelassen hatte, um ihre Hand zu greifen und sie durch den unteren Bereich des Gebäudes zu zerren, konnte ihr Blut wieder frei zirkulieren und schoss ihr in den Kopf.

Sie stürmten in einen großen fensterlosen Raum, die Wände und der Boden pechschwarz. An der gegenüberliegenden Wand befand sich eine in gruseliges rotes Licht getauchte Bar. Sie eilten über einen scharlachroten Läufer, der zu einem Podium führte. Hinter der Bühne lag eine kleine Halle, in der billige neonfarbene Flugblätter hingen, die seltsame Rockbands ankündigten.

Das war nicht ihre Art von Club.

Sie liefen eine schmale Treppenstiege hinauf und einen Flur wie aus einem Horrorfilm hinunter, dann stießen sie auf Zoe und Adam, die sich in einen Eingang drängten. Mit angsterfülltem Gesicht stand Zoe halb im Raum, halb draußen, als könnte sie sich nicht entscheiden, ob sie zu ihrer Schwester gehen oder, vor was auch immer in dem Raum war, davonrennen sollte. Adam biss wild entschlossen die Zähne zusammen.

Ihre Mienen trieben einen unangenehmen, elektrischen Schauder Annabellas Rücken hinauf, ein kalter Schweißfilm überzog ihren gesamten Körper.

»Lass sie los«, forderte Adam wen auch immer oder was auch immer auf.

»Aha«, sagte eine Frauenstimme, als bebte sie vor Lust, »So fühlt es sich also an, wenn man sich gruselt.«

»Lass sie los!«, schrie Zoe mit einem kläglichen Tremolo in der Stimme. Durch die Zuneigung zu ihrer Schwester fiel jegliche Maske von ihr ab.

Ihre Angst hallte in Annabella wider. In ihrem Hals bildete sich ein Kloß, zugleich krampfte sich ihr Magen zusammen. Was würden sie in dem Raum vorfinden?

Adam blickte über seine Schulter, entdeckte Custo und trat zur Seite. Annabella stolperte hinter Custo her, der langsam voranschritt und Adams Platz am Eingang einnahm. Sie legte einen Arm um Custos Taille, so dass sein kräftiger Körper zwischen ihr und Wolf stand; dann blickte sie kurz an seiner Schulter vorbei.

In einem Schaukelstuhl saß eine alte Frau und umklammerte mit ihren knochigen Händen die Armlehnen. Ihrem hohen Alter nach zu urteilen, konnte sie nicht wirklich in irgendeiner geschwisterlichen Beziehung zu Zoe stehen. Ihre dünnen, weißen Haare fielen auf ihre teigige Haut, die farblosen Lippen waren zur Parodie eines Lächelns verzogen, und in ihren Augen pulsierten schwarze Schatten.

Annabella stockte das Blut in den Adern.

Das Lächeln erreichte seinen grotesken Höhepunkt. »Du kannst mir nichts antun«, triumphierte sie.

»Wollen wir wetten?« Custo trat vor.

Von hinten kreischte Zoe. »Das ist meine Schwester!«

Custo blieb erneut stehen. »Lass Abigail los. Sie ist es nicht wert. Ihr Körper ist verbraucht, sie wird bald sterben.«

Annabella erschauderte. Sie spürte die Angst heftig und schneidend in sich, denn auf einmal begriff sie. Vorher hatte Wolf einfach irgendeine Gestalt angenommen, wie die des Soldaten oder die von Jasper, jetzt nahm er den gesamten Körper in Besitz, er teilte ihn mit der alten Frau. Wie war offensichtlich: Adam hatte gesagt, die Schatten in Abigail bewirkten einen Sturm in ihren Augen. Jetzt war Abigail erfüllt von dem Schattenwolf, ihr finsterer Blick gierig wie bei einem Raubtier und unnatürlich.

Die Vereinigung war falsch, aber sie konnten nichts dagegen tun. Mit jeder Verletzung, die sie Wolf zufügten, verletzten sie zugleich die Frau, die nach Zoes Aussage bereits krank und schwach war. Zoe hatte sie beschuldigt, ihre Schwester zu töten; dieser Vorwurf schien völlig berechtigt.

Annabella kämpfte gegen eine Welle von Übelkeit an. Sie dachte an ihre Mom und ihren Bruder, die zu Hause in Sicherheit waren. Hätten Custo und Adam an ihre Tür geklopft, sie hätte sie ebenfalls verrammelt.

»Ja, die Verbindung von Schattenwesen und sterblichem Körper ist weniger befriedigend, als ich es mir erhofft hatte« energisch legte die alte Frau den Kopf auf eine Seite; sie schniefte und zog die Nase hoch »aber dennoch mächtig.«

Sie hob eine knochige Hand und streckte sie aus. In ihrem Handteller sammelte sich Licht, während sich ihre Augen noch stärker verdunkelten.

Die Magie pulsierte in Annabella, lief flirrend über ihre Haut, lockerte ihre Gelenke und Muskeln und verschaffte ihren Gliedern Erleichterung. Ihr Innerstes zog sich vor Freude zusammen. Das Gefühl war falsch. Sie wollte so nicht empfinden, nicht hier, nicht jetzt. Nicht bei ihm.

Die Magie in ihr reagierte dennoch: Es war eine Möglichkeit. Eine Gelegenheit. Mit ihrer Hilfe hatte sie mit ihrem Körper und ihrem Geist eine Geschichte gewoben. Annabella gelang es nicht, den Blick von dem Schimmer über der Handfläche der Frau abzuwenden.

Wolf konnte von Natur aus die Gestalt wandeln, aber auch nicht mehr als das. Er konnte nicht zwischen den Welten hin- und herwandern, nicht etwas erschaffen oder sehen oder bewirken wie Leute in der sterblichen Welt, wie sie und Abigail. Aber jetzt hatte Wolf einen Zugang zu sterblicher Macht gefunden; sie hatten ihn direkt hier zu Abigails Türschwelle geführt.

Der Wolf, korrigierte sich Annabella. Nicht Wolf. Er hatte bereits genug Macht über sie.

Annabella stellte sich auf die Zehenspitzen, um Custo ins Ohr zu flüstern. »Können wir ihn zurück in die Schatten treiben?«

Custo schüttelte knapp den Kopf. »Er ist in ihrem Körper verankert. Bis sie stirbt, ist das sein Schutz.«

Annabella musterte den gequälten Gesichtsausdruck der Frau, dann wandte sie den Blick ab. »Das ist kein Schutz, sondern eine Vergewaltigung.«

Sie hatte zugelassen, dass dieses finstere Wesen sie berührte, mit ihr tanzte, ihre Fantasien teilte. Die Erinnerung war ebenso widerlich wie demütigend, sie reichte, um sie wirklich wütend zu machen.

Annabella trat hinter Custo hervor und setzte ihre Angst und ihre Wut in Handlung um. »Du hast gesagt, du würdest niemandem etwas antun.«

»Du hast gesagt, du würdest mitkommen«, jammerte die alte Frau. Das Licht in ihrer Hand löste sich in Luft auf. Ihr Arm sank wie ein Stein in ihren Schoß, die Handfläche war von Blasen übersät.

»Befreit meine Schwester von diesem Monster!« Zoe klang hysterisch.

»Ich gehe, wenn Annabella mitkommt«, bot der Wolf an und lachte, wobei er die Zähne bleckte.

Annabella erschauderte und wich zurück.

»Du kannst sie nicht haben«, ging Custo dazwischen. »Das lasse ich nicht zu.«

»Das entscheidest du, Annabella«, sagte der Wolf, »nicht er. Komm mit mir und mach dem ein Ende. Ich kann dich auf eine Art glücklich machen, die hier niemand beherrscht. Du besitzt einen Körper, der dazu gemacht ist, Magie zu spinnen. Ich bestehe aus Magie. Komm mit mir.«

Eine Welle der Zustimmung strömte durch Annabellas Körper oh, ja! Für den Bruchteil einer Sekunde dachte sie über das Angebot nach, aber ein Blick auf das schwarze Pochen in den glänzenden Augen der Frau sorgte für die Entscheidung.

»Ich kann nicht«, erwiderte sie, obwohl sich ihr bei Zoes Schluchzen vor Mitleid und Schuldgefühlen der Magen umdrehte.

Zoe drängte sich zwischen ihnen hindurch und schob Annabella grob von Custo fort. »Nimm mich. Lass meine Schwester in Ruhe. Sie hat genug durchgemacht. Ich tue alles, was du willst.«

Adam griff Zoe und zog sie zurück. Sie weinte, schwarze Schminke lief ihre Wangen herunter.

»Du kannst die Schatten nicht manipulieren«, erklärte Custo. »Das Wesen will nicht dich.«

Talent war angeboren, und Annabella begriff, dass es sich auf viele Arten zeigte vermutlich bei allem, was mit Visionen zu tun hatte , aber man musste viele Jahre opfern, um es zu fördern und zu verfeinern. Man brauchte nur Abigail anzusehen. Ihr fortwährender Austausch mit den Schatten hatte sie viel zu früh an den Rand des Todes getrieben.

»Annabella, bitte«, säuselte die Frau, »du musst mit mir kommen. Bleib bei mir. Du hast vielleicht keine Fallen aufgestellt, aber du hast mich trotzdem gefangen.«

»Nun gut, hiermit lasse ich dich frei«, entgegnete Annabella bitter. »Geh, du Idiot.«

Abigail legte erneut den Kopf zur Seite, lächelte wissend und machte eine Geste mit ihrer verwundeten Hand. Hinter ihr verdunkelten Schatten den Raum und eröffneten den Blick auf eine mondbeschienene Landschaft aus dunklen Rot- und Blautönen mit bedrohlichen Bäumen unter einem wirbelnden Kosmos. So etwas war nur in Geschichten, Mythen oder durch Magie möglich. Es war die Landschaft aus Annabellas Fantasie, sie musste nur ihren Körper dehnen, um durch den dunklen Wald zu schweben und den topasfarbenen Himmel zu streifen. Sie empfand quälendes Verlangen und Sehnsucht. Auch wenn sie sich noch so gleichgültig gab, war das nicht zu übersehen.

Der Wolf gehörte dorthin, musste unter den dunklen Ästen herumschleichen, aber der Körper der alten Frau hielt ihn tatsächlich in der sterblichen Welt fest. Eine einsame blutige Träne lief über die faltige Wange.

»Hat sie Schmerzen? Leidet sie?«, fragte Zoe und befreite sich aus Adams Griff.

Neben Annabella spannte Custo die Muskeln an.

»Der Wolf ist immer noch in ihr«, erwiderte er. »Sie «

Als Custo den Satz nicht zu Ende sprach, blickte Annabella ihn forschend an. Sein Kiefer war angespannt, jeder der beiden Nasenflügel gebläht, seine Stirn ganz glatt. Was immer er wahrnahm, es musste etwas Furchtbares sein.

Zoe schluchzte. Ihre Schwester litt. Annabella empfand Scham. Es war ihre Schuld, ihr Problem. Vielleicht sollte sie mitgehen. Alles war besser als das Leid, das sie bei Zoe spürte.

»Ach, tut doch etwas«, flehte Zoe. »Holt das Wesen aus ihr heraus.« Sie warf den Kopf gegen Adams Brust und klammerte sich heftig zitternd an ihn.

»Du traust dich nicht«, sagte der Wolf zu Custo, hob die Oberlippe der alten Frau und fletschte die Zähne.

Annabella wurde eiskalt und erstarrte. Sie wusste, dass Custo sich traute. Er hatte schon einmal aus Liebe getötet.

Er trat in den Raum und schob sie wieder fest hinter sich. »Das ist deine letzte Chance«, erklärte Custo der alten Frau. »Lass sie jetzt los.«

»Du bluffst«, entgegnete der Wolf. »Willst du ihr mit deinen strahlenden Händen den zierlichen Nacken brechen?«

Custos Finger zuckten, aber er sagte: »Nein.«

Dann berührte er die alte Frau an der Braue. Von dieser Stelle stieg eine schmale Rauchwolke auf.

Abigail wich zurück, warf den Kopf zur Seite, war jedoch in dem Schaukelstuhl gefangen. Der Wolf mochte stark sein, doch Abigails Körper war gebrechlich. Das Bild der Zwielichtlande hinter ihr löste sich in einzelne dunkle Fahnen auf, und das unvergleichliche Wandbild des Schattenreichs verschwand. Der Wolf fauchte und bleckte die Zähne neben Custos Handgelenk, wurde jedoch in Form einer schwarzen Staubwolke aus dem Körper der Frau gestoßen. Alle erschraken.

Annabella rührte sich vor Angst nicht vom Fleck. War Wolf endgültig fort, oder nur für den Augenblick, oder überhaupt nicht?

Die Wolke aus schwarzem Staub verdichtete sich, die einzelnen Körner wirbelten über Abigails nun schlaffem Körper flüsternd durcheinander. Der Schaukelstuhl quietschte, während er sich langsam vor und zurückneigte. Wölfische, schwarze Punkte verschmolzen zu einem unförmigen Fleck intensiver Dunkelheit, zu einem Schatten ohne Quelle.

Annabellas Herz schlug bis in ihren Hals, sie griff Custos Handgelenk und folgte der Bewegung des Wolfes. Für einen Augenblick löste sich der Wolf in den dunklen Schatten in Abigails Schlafzimmer auf.

Ihr Herz schlug so laut, dass es ihr Hörvermögen dämmte, was wiederum ihren Sehnerv beeinträchtigte. Ihre Panik war stärker als jede Vernunft. Kauerte der Wolf in den Schatten neben dem Nachttisch? Oder unter dem Bett? An der Wand? Hinter der Tür?

Sie konnte ihn nicht sehen, verdammt. Schatten waren überall.

Annabellas Angst verfestigte sich zu einem Knoten in ihrem Bauch, ihre Kopfhaut kribbelte. Sie überwand sich, den Blick zur Decke zu richten, zu den einzelnen Schatten des Ventilators. Und tatsächlich wie eine Spinne versteckte sich der Wolf dort oben, hatte die Beine unter dem rauen Körper angewinkelt, angeschlagen, aber noch lebendig.

Annabella stolperte, als Custo sie zu sich herüberzerrte. Mit einem Sprung flohen sie an die rückwärtige Seite des Raumes, die der Tür gegenüberlag. Nachdem sie die Luft angehalten hatte, rang sie nun keuchend nach Atem und wich an die Wand zurück.

Die alte Frau bewegte sich und wimmerte. Aber, Gott sei Dank, sie lebte.

Annabella nahm eine Bewegung wahr und blickte kurz zu Zoe, die sich aus Adams Griff löste und zu Abigail stürzte, um sie mit ihrem Körper vor dem Angreifer dort oben zu schützen.

»Schhh, alles ist gut«, sagte Zoe. »Ich bin da. Schhh.«

Annabella schluckte einen Kloß hinunter und drückte Custos Hand. Sie hasste Spinnen. Abgrundtief.

»Wenn du Engelsflügel hättest, könntest du nach oben fliegen und sie zerquetschen«, sagte sie mit zitternder Stimme und Tränen in den Augen.

»Um eine von der Größe zu töten, bräuchte ich einen wirklich großen Schuh«, erwiderte er. Er war deutlich ruhiger als sie und konzentrierte sich ganz auf die Decke. »Adam, setz einen großen Schuh auf die Waffenliste von Segue.«

Adam brummte.

Mit einer fließenden Bewegung beförderte Custo eine Waffe hervor und schoss mit lautem Knallen auf die Decke. Adam feuerte mit seiner Waffe.

Bei jedem Schuss zuckte Annabella zusammen, während Zoe kreischte, sich dichter an Abigail drückte und schützend die Hände über den Kopf hielt.

Sie hatten Waffen?

Die Schatten regneten von der Decke herab und landeten auf vier Pfoten auf der anderen Seite des Schaukelstuhls. Es war ein wütender Wolf, dessen breite Schultern und Rumpf ihr allzu vertraut vorkamen. Er richtete die Ohren auf, fletschte die Zähne und sah sie aus intelligenten Augen an. Verdammter Mist, er starrte sie an.

In Custos Schusslinie kauerten die beiden Schwestern. »Adam!« Adam schoss erneut und der Wolf fiel.

Annabella zitterte und holte hoffnungsvoll Luft, obwohl sie ganz genau wusste, dass man den Wolf nicht töten konnte. Sie streckte die Hand aus und griff von hinten Custos Hemd.

Ihre Zuversicht schwand, als sie bemerkte, wie sich der kraftvolle Schatten durch die Sprossen unter den Schwestern hindurch auf sie zubewegte.

Annabella quetschte sich hinter Custo an die Wand. Wolf würde niemals aufgeben. Nicht, bevor er sie für sich hatte. Nie, nie, n…

Custo schoss wiederholt auf den Boden bei dem Lärm zuckte sie jedes Mal heftig zusammen und hinterließ qualmende Einschusslöcher in dem schlangenähnlichen Körper, was diesem jedoch nichts ausmachte.

Je näher es Custo und ihr kam, desto stärker zischte das dunkle Schattenwesen. Fauliger Rauch stieg von ihm auf, als stünde Wolf, nein der Wolf, in Flammen. Doch er schlich weiter auf sie zu.

Als er dicht vor ihr war, trat Annabella mit dem Fuß nach ihm, aber der Schatten teilte sich, und ein kühler Tentakel wickelte sich um ihren Knöchel. Als er ihre nackte Haut berührte, begann sie, unkontrolliert zu zittern.

Custo sank auf die Knie, griff den dunklen Körper und riss ihn von ihr los. Doch der Schatten löste sich in seinen Händen in Rauch auf. Er musste es noch einmal versuchen, als die Schlange sich vor Annabellas Augen neu bildete.

Ein tiefes Stöhnen, das aus ihr selbst kam, drang an ihre Ohren, denn blanke Panik ergriff sie. Custo konnte ihn nicht aufhalten. Wieso nicht?

Knisternd kroch die Schlange unter den Saum ihrer Hose, glitt ihre Wade hinauf und wand sich um ihren Oberschenkel.

Sie schrie, war außer sich und schlug vergeblich auf ihre Kleidung ein, während die Schlange über ihren Schritt hinwegkroch, sich wie ein großer Stringtanga um sie band oh, bitte, nicht , ihre Taille zusammenschnürte und sich der Mulde zwischen ihren Brüsten näherte. Ihr Körper bebte unter seiner Berührung.

Bei dem Versuch, das Wesen von ihr wegzuziehen, zerriss Custo ihren Slip. Die Lust des Wolfes auf ihrer Haut erregte sie, ihr Körper reagierte auf seine schwarze Magie mit einem heftigen, ungewollten Orgasmus. Er pulsierte in ihr, ihrer Haut, ihrem Blut, ihren Knochen. Begehren und Ekel beherrschten ihre Sinne. Schatten und Magie waren quälend und verheißungsvoll zugleich. Ihr Schreien wich einem erstickten Jammern. Als Custo den Rest des Wolfes von ihr riss, glaubte sie fest, er habe ihre Seele mit herausgerissen.

Ihr Leben, die gesamte Welt war zerstört, Vernunft und Bedeutung schienen in Stücke gerissen.

Schließlich gaben ihre Beine nach, und Custo fing ihr Gewicht mit seiner Schulter auf. Schemenhaft nahm sie wahr, dass die Dunkelheit nachließ und sich der Wolf zurückzog. Ein Teil von ihr sehnte sich danach, ihm zu folgen, in den Schatten aufzugehen und Erfüllung zu finden, selbst in schmerzhafter Ekstase. Aber auch sie war in ihrem Körper gefangen.

»Wo ist er?«, schrie Custo. Seine Brust fühlte sich fest an, sein Arm um sie sicher. Gut, denn sie war am Ende. Custo würde zu ihr halten. Er würde sie nicht fallen lassen.

»Ich kann ihn nicht sehen!«, antwortete Adam von weit her.

Annabella sackte gegen Custo und lehnte den Kopf an seine Schulter, sie nahm nur noch ihren eigenen Herzschlag und das verheißungsvolle Zurückweichen der Magie wahr. Ihre Augen brannten. Die Tränen, die unkontrolliert über ihre Wangen strömten, hinterließen eine glühende Spur. Der Raum erstarrte in Grau, die Geräusche drangen gedämpft an ihr Ohr.

Das Nichts verschlang sie.