Ich schaue zu, wie die Wolken an meinem Fenster vorüberziehen. Fluffiger Flaum am blauen Himmel. So blau wie das leere Buch von Easy vor mir. Friss es nicht in dich hinein, schreib es dir von der Seele ...
Eine Seite für Eileen, eine Seite für Tibby.
Wie hätte Tibby meine beste Freundin sein können? Zu einer besten Freundschaft gehört auch Geborgenheit und nicht, jeden Tag aufs Neue in Staunen versetzt zu werden. Falls ich tatsächlich eine beste Freundin habe, dann ist das wahrscheinlich Eileen. Aber ohne dass das je ausgesprochen werden musste.
Das wurde mir erst durch Tibby klar. Dass es unterschiedliche Arten von Freundschaft gibt, von denen sich jede anders anfühlt, und dass man darüber sprechen kann. Mit Eileen war das nie ein Thema. Und zu Hause reden wir auch nicht über Gefühle.
Die Gespräche mit Tibby waren etwas Besonderes. Sie fehlen mir sehr.
Ich würde so gern darüber schreiben, aber die Worte verschanzen sich hinter einer Mauer aus Tränen. Ohne Tibby ist alles wieder so kahl und logisch und steril wie früher. Nur hat mich das vorher nie zum Weinen gebracht. Jetzt ertrinke ich fast in Tränen. Wie ein Frühlingsregen prasseln sie auf die Seiten nieder und das nass geregnete Buch scheint zu flüstern.
»Sie ist fort«, raunt es. »Und sie kommt nie mehr wieder.«
Ich höre es ganz deutlich. Ist es ein Gedanke, tief in mir, oder spricht das Buch tatsächlich? Ich schiebe es weg, weil ich mich viel lieber an die ausgelassene Stimmung damals erinnern möchte. An Tibby, wie sie sich ganz selbstverständlich auszog und nackt ins Wasser sprang – etwas, das mir ohne sie niemals in den Sinn gekommen wäre. Und dann denke ich auf einmal wieder an ihre Entscheidung.
»War es nicht auch ein Stück weit deine Schuld?«, flüstert das Buch.
Die Frage lässt mich nicht mehr los. Ich hatte es doch kommen sehen. Warum habe ich nicht mehr dagegen unternommen?
Plötzlich packt mich die Wut. Auf mich, auf das Buch, auf Tibby, auf alle. Das Buch sollte mir helfen, aber es hilft absolut nicht. Ich habe schlimmere Schuldgefühle denn je.
Ich wische mir die Tränen ab, während die Daunenwolken am Himmel ungerührt weiterziehen.
Wie damals.