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Am nächsten Tag in der großen Pause standen wir wie immer zu viert in unserer Ecke auf dem Schulhof: Jeske und Lianne, Eileen und ich.

»Wie war’s gestern bei Tibby?«, fragte Eileen und warf mir einen neugierigen Blick zu. »Meine Mutter meint, sie wohnen in einem besetzten Haus.«

»Echt wahr?«, sagte Jeske. »Ist ja irre.«

»Ja, das stimmt«, sagte ich. »Und das Haus ist einfach traumhaft. Sie haben vier Katzen und einen Gemüsegarten und die Wäsche hängen sie zum Trocknen nach draußen an die Leine.«

»Iiieh!« Eileen rümpfte die Nase. »Da kacken ja die Vögel drauf.«

»Wie hast du Tibby überredet, dich mitzunehmen?«, bohrte Jeske weiter. »Ich möchte zu gern auch mal ein besetztes Haus sehen.«

»Ganz einfach: Ich hab gefragt, ob ich mitkommen darf, weil ich zu gern mal ein besetztes Haus sehen würde.«

»Im Ernst?«

»Quatsch!«, erwiderte ich. »Ich kenne Tibby von früher, aus dem Kindergarten.«

»Und warum kommt sie mitten im Schuljahr zu uns?«, wollte Lianne wissen.

»Gute Frage«, sagte ich.

»Kennt ihr den neuen Laden in der Einkaufsstraße? Pretty Pearls & More?«, fragte Eileen.

»Klar, die haben tollen Schmuck. Was ist damit?«, fragte Lianne.

»Die stylische Besitzerin ist Tibbys Mutter.«

»Echt wahr?«, staunte ich. Pretty Pearls … wow! Ich wünschte, meine Mutter hätte auch so ein Geschäft statt dieser langweiligen Apotheke.

Tibby stand ein Stück von uns entfernt. Sie trug ein verwaschenes schwarzes Schlabbershirt mit komischen Schleifen an den Ärmeln. Als sie hersah, winkte ich.

Zögerlich kam sie näher.

»He, Tibby«, sagte Lianne. »Cooles Shirt. Wo hast du das her?«

»Aus Mailand«, sagte Tibby.

Wir prusteten los, aber Tibby kaute auf ihren Fingernägeln herum und wirkte mit einem Mal ganz verlegen. Ich dachte, sie hätte einen Witz gemacht. Ich konnte ja nicht ahnen, dass es stimmte, das mit Mailand.

»Gehört der neue Laden tatsächlich deiner Mutter?«, fragte ich. »Pretty Pearls & More?«

Sie nickte.

»Du Glückspilz. Der Laden ist superschön!«

»Geht so«, murmelte sie.

»Ich wär unglaublich stolz, wenn meine Mutter so ein Geschäft hätte.«

»Bin ich auch, aber seit sie dort arbeitet, hat sie für nichts mehr Zeit.«

»Wollen wir nach der Schule hingehen?«, fragte Eileen.

Tibby druckste herum. »Meine Mutter hat ziemlich viel zu tun, glaub ich«, sagte sie schließlich.

»Haben wir doch alle.« Lianne lachte.

Sie musste zum Ballett, Jeske hatte Volleyballtraining und dann trugen die beiden noch irgendein Anzeigenblatt zusammen aus. Eileen hatte Tennisstunde, und ich musste dringend Geige üben, damit Pa und Viola Ruhe gaben. Außerdem sollte bald eine Aufführung unseres Orchesters stattfinden, in dem Eileen und ich mitspielten. Die Hockeysaison war zum Glück schon vorbei. Zu viert in den Laden zu gehen, wäre also gar nicht drin gewesen.

Deshalb gingen Tibby und ich ein paar Tage später allein.