8.
Connor auf seinem Fahrrad:
Sehr knappe weiße Shorts (Nike)
Schwarze Fahrradschühchen (Adidas)
Bluetooth kabelloses Headset (Motorola)
Geschätzte Gesamtkosten: 120 £
»Ich kann reden und Kalorien verbrennen, Baby.«
Connor McCabe, Star der führenden Sonntagnachmittags-Show auf ITV, The Manor, einer der Hauptdarsteller im Kassenschlager Never Sleep von Filmdirektor Sam Knight, saß auf seinem Balkon in der Sonne Kaliforniens auf seinem Heimtrainer.
Kein von London nach LA verpflanzter britischer Schauspieler kann sich jemals richtig daran gewöhnen, dass hier tatsächlich beinahe jeden Tag die Sonne scheint. Ja, gut, es gab hin und wieder schon ein bisschen Smog, Bewölkung und Nieselregen, aber wirklich, dachte er, rückte seine Sonnenbrille zurecht, streckte die Arme aus und ergriff dann wieder den Lenker, es war kein schlechtes Leben! Weiß Gott nicht!
Es war spät am Nachmittag. Gleich am Morgen hatte er seine obligatorischen zwei Stunden im Fitnessraum abgeleistet. Jeder Schauspieler hier verbrachte jeden Tag zwei Stunden im Fitnessraum. Da gab es kein Entrinnen. Es war verpflichtend. Wie Zähneputzen. Sonst bekam ein Muskelprotz, der fitter, schlanker und muskulöser war, deine Rolle. Ganz gleich, wie gut du vor zwei Jahren in Stratford-upon-Avon den Prinz Hal gespielt hast – wenn ein Zentimeter Bauchspeck über deinen Hosenbund quoll, war es aus und vorbei.
Er hatte eine halbe Stunde mit seinem Agenten telefoniert, er hatte sich mit einem Produzenten getroffen, und jetzt wollte er noch ein paar Kalorien mehr verbrennen und ein bisschen Sonne tanken, bevor er am Abend mit Hector, seinem Freund seit … hm … ja … Connor konnte es nicht genau sagen, weil es einmal zum Bruch gekommen war, aber das war Schnee von gestern. Längst vergessen. Jetzt waren sie ganz und gar zusammen und fest gebunden.
Das Telefon in einem Holster an seiner Taille begann zu klingeln, und als er danach griff, sah er zu seiner freudigen Überraschung die Worte »Annie-Schätzchen« auf dem Display.
»Annie, Schätzchen!«, begrüßte er sie vergnügt.
»Connor! Kannst du reden? Du bist nicht gerade auf dem Sprung zu einem hochkarätigen Meeting oder machst dir einen Bohnensprossensalat oder so?«
»Ich sitze auf dem Fahrrad, ich kann reden und Kalorien verbrennen, Baby.«
»Auf deinem Fahrrad? In LA? Und der Verkehr … oder wenn du überfallen wirst?«
»Auf meinem Heimtrainer im Sonnenschein auf meinem Balkon. Keine Sorge, ich bin nicht auf dem Sprung.«
»So.« Annie versuchte zu begreifen. Aber es war auch wirklich zu sonderbar. Für sie war Connor immer noch ein reizender, aber ziemlich fauler Schauspieler, der irgendwo zwischen dem Pub und seiner letzten Bettgeschichte über den Erfolg gestolpert war. Dieser brandneue kalifornische auf Fitness und Karriere konzentrierte Star wollte ihr nicht in den Kopf. So wollte sie ihn nicht sehen, weil sie ihn dann nicht mehr als ihren besten Freund betrachten konnte. Und er war eindeutig, obwohl sie jetzt ein Zeitunterschied von acht Stunden und der endlose Atlantik trennten, immer noch ihr bester Freund.
»Ich habe über dich nachgedacht«, sagte er, nur geringfügig vom Radfahren außer Atem.
»Ach, wirklich«, spöttelte sie, »und deswegen atmest du schwer?«
»Ganz genau. Wie bekommt dir der Ruhm? Wie siehst du auf dem Bildschirm aus? Hat irgendein heißer Typ schon versucht, dich ins Bett zu kriegen? Ich kenne mich mit der aphrodisischen Wirkung des Ruhms aus …«
»Oh ja, Baby, ich muss mich ihrer mit einem Stock erwehren, mit einem Stock!«, scherzte sie und dachte an ihre tägliche Heimfahrt in Bobs Kombi. Die aphrodisische Wirkung des Ruhms!
»Das Fernsehen ist …«, setzte sie an. Ja, wie war das Fernsehen? Nicht ganz so, wie sie es erwartet hatte? Viel extremer? Viel billiger? Viel weniger glamourös?
»… nicht ganz so einfach, wie es aussieht«, entschied sie.
»Da hast du verdammt recht!«, pflichtete Connor ihr nur zu gern bei. Er zählte schon lange nicht mehr nach, wie viele arrogante Schauspieler ihn gefragt hatten, warum er etwas so »Einfaches« wie The Manor machte, wenn er stattdessen doch viel »seriösere« Rollen bekommen konnte.
»Nicht zu fassen, wie viel Zeit die Einzelheiten in Anspruch nehmen! Jede Aufnahme, jedes bisschen Stimme aus dem Off muss aus sechzehn verschiedenen Blickwinkeln in den Kasten. Ich könnte schreien! Aber das Schwierige«, fügte Annie hinzu, »die Transformation eines schüchternen Mauerblümchens in eine Ballkönigin, das soll in fünfzehn Sekunden klappen!«
»Tja, Baby, du befindest dich am äußerst harten, zähen Ende des Reality-TV«, bedauerte Connor sie. »An der Steilwand, könnte man sagen. Wer weiß, was als Nächstes kommt? Du kannst durchhalten und in die Fernseh-Ehrenhalle des Moderatoren-Ruhms erhoben werden … oder du gibst auf, stürzt ab in das Meer der gescheiterten Möchtegerns, und man hört nie wieder von dir. Trotzdem«, sein Tonfall wurde lebhaft, »du musst dabei sein, um zu gewinnen.«
»Es ist also keine Karriereleiter, sondern eher ein Lotteriespiel?«
»Genau.«
»Warum habe ich meinen schönen, glanzvollen Job mit Personalrabatt aufgegeben?«, musste Annie fragen. »Bitte sag’s mir noch einmal!«
»Weil du, wie wir anderen Ruhmjäger auch, deine große Chance wahrnehmen wolltest.«
Annie ließ den vergangenen Tag an sich vorüberziehen und stellte sich den folgenden vor: sechs Stunden in einem Einkaufszentrum und der Versuch, Cath mit 250 £ umzustylen. Und Cath war sich nicht einmal sicher, ob sie sich umstylen lassen wollte!
Selbst als die Filmerei vorüber war, blieb immer noch ein umfangreiches Arbeitspensum: die Nachbesprechung mit Finn, dann all die zusätzlichen kleinen Kameraaufnahmen, auf denen Bob bestand. Annie lächelnd, Annie nickend, Annie kopfschüttelnd und besorgt aussehend. »Diese Aufnahme brauchen wir vielleicht beim Schnitt«, erklärte er. »Es zahlt sich immer aus, jede Menge Ersatzkrempel zur Verfügung zu haben.«
»Connor, wenn es bei Produktionen fürs Billigfernsehen so zugeht, wie zum Teufel ist es dann erst beim Film?«, wollte sie wissen.
»Es ist eine Höllenqual«, bestätigte Connor, »und doch auch Ekstase!«
»Hast du von dieser großen Rolle gehört, für die du vorgeschlagen warst?«, fragte Annie.
»Welche?«, erwiderte Connor, allerdings eher besorgt als prahlerisch. »Ich bin für etwa acht Filme vorgeschlagen, kann mich aber wahrscheinlich glücklich schätzen, wenn überhaupt einer zustande kommt. Ich schätze, das ist im Moment die Trefferquote für Filme in Planung. Nur einer von zehn wird realisiert.«
»Machst du dir Sorgen?«, erkundigte sie sich einigermaßen teilnahmsvoll.
»Noch nicht«, antwortete er. »Ich kann jederzeit auf die andere große Industrie in LA zurückgreifen.«
»Drogen?«
»Nein, Pornos. Niemand spricht darüber, aber LA besteht nur zu fünfzehn Prozent aus Filmen, die restlichen fünfundachtzig Prozent sind Pornos. Deshalb sind hier alle so durchtrainiert. Um sicherzugehen, dass sie die Rolle von Miguel, dem verheerend gutaussehenden Pizzalieferanten, spielen können, wenn die Miete mal überfällig ist.«
»Du machst mir Angst!«, beschwerte Annie sich. »Du könntest nach London zurückkommen, weißt du? Es gibt doch eine neue Staffel von The Manor, oder? Und was ist mit West End?«
»Ja … Aber mit eingezogenem Schwanz zurückkommen, das hatte ich eigentlich nicht geplant.«
Ich auch nicht, schoss es Annie unwillkürlich durch den Kopf. Wieder einmal war sie entschlossen, nicht zu The Store zurückzugehen.
»Wie auch immer du zurückkommst, Connor, du wirst mit offenen Armen empfangen, von uns allen«, versicherte sie ihm.
»Du bist eine hinreißende Frau!«
»Ich weiß. Was machen deine Nahrungsmittelunverträglichkeiten?« Es sollte klingen, als wäre es ernst gemeint, doch das gelang ihr nicht so recht.
»Hör auf zu grinsen!«, befahl Connor. »Seit ich keine Getreideprodukte mehr esse, muss ich darum kämpfen, nicht abzunehmen.«
»Vielleicht sollte ich das auch mal versuchen …«
»Ich weiß nicht recht, bist du Typ O? Vielleicht solltest du meinen Diätisten anrufen. Er könnte dir sicher telefonisch ein paar Ratschläge geben.«
»Vielleicht solltest du meinen Diätisten anrufen?!«, wiederholte sie ungläubig. »Solche Worte aus deinem Mund, das hätte ich nie gedacht! Aber ist Schnaps nicht auch aus Getreide?«
»Ich darf Champagner und Wodka trinken«, erklärte Connor, »weil beides naturrein ist. Wodka mit Sodawasser ist sowieso das einzige Getränk, das man hier kaufen kann«, fügte er hinzu. »Mit Wodka-Soda kann man sich betrinken, ohne viele Kalorien oder Toxine zu sich zu nehmen, außerdem rehydriert man, während man dehydriert.«
»Und wie heißt Wodka-Soda bei euch? Hollywood Hellraiser?«, witzelte Annie. »Ach, ihr seid verrückt! Du kannst dir also herrlich die Nacht um die Ohren schlagen und trotzdem am nächsten Morgen um sechs zur Spin Class erscheinen.«
»Spin Class? Sooo was von out!«, entgegnete Connor. »Jetzt ist Yoga-Kickboxen angesagt.«
»Aber ich dachte, Yogis wären Pazifisten. Boxen sie ihre negativen Vibrationen nieder?«, zog Annie ihn auf.
»Ja, da lachst du, aber du bist jetzt Fernsehmoderatorin. Du stehst ganz kurz davor, dich genauso zu benehmen«, warnte er sie.
»Gar nicht.«
»Doch.«
»Nein!«
»Absolut.«
»Wie geht’s deinem Lover?«, fragte Annie, um die spielerische Zankerei abzuschließen.
»Prima«, lautete die Antwort. »Er hat kein Arbeitsvisum, deshalb betätigt er sich fleißig als mein Begleiter. Er plant meine Garderobe, organisiert meinen Terminplaner, bucht alle meine Sitzungen, sorgt dafür, dass ich kein Meeting, keinen Maniküretermin versäume.«
Maniküre? Am Telefon konnte Annie nicht erkennen, ob Connor es ernst meinte oder sie hochnehmen wollte. Aber sicher stand nicht einmal der kalifornische Connor auf Maniküre. Oder?
»Er informiert sich über unsere Möglichkeiten, hier ein Baby zu bekommen«, ließ Connor ohne Vorwarnung die Bombe platzen. »Entweder Adoption oder eine Leihmutter.«
»Hallo?!«, fiel Annie über ihn her. »Ein Baby zu bekommen? Ihr zwei wollt ein Baby? Und du hast mir kein Wort davon gesagt?«
Eine Pause folgte. Dann ahnte Connor, dass eine Entschuldigung angebracht war. »Tut mir leid. So lange ist das zwischen uns noch gar nicht im Gespräch. Die Idee ist noch sehr neu«, fügte er hinzu, »aber sie ist phantastisch!«
Annie sagte das, was ihr dazu einfiel: »Na, das ist ja unglaublich aufregend, Schätzchen!«
Aber wirklich, sie fand es zu sonderbar, dass die beiden Männer, die ihr am nächsten standen, Ed und Connor, beide Kinder wollten. Urplötzlich. Aus heiterem Himmel.
»Ed möchte auch ein Baby«, wagte sie sich vor.
»Nein! Das wird so irre, Annie! Glückwunsch!«, setzte er hinzu, ein bisschen verfrüht, gelinde gesagt.
»Nein, Connor. Da gibt’s eine kleine Meinungsverschiedenheit. Ed möchte ein Baby, aber ich nicht.«