28.

Dinahs Weinlokal-Look:

Braun-blaues langärmeliges Minikleid (T-Bags, über Annie)

Brauner Gürtel (Topshop)

Blaue Perlenkette (Schmuckkasten)

Leuchtend blaue Strumpfhose (Topshop)

Ausgeflippte braune Stiefel (Camper-Ausverkauf)

 

Geschätzte Gesamtkosten: 90 £

»Geh erst zum Friseur, wenn du dich wieder besser fühlst!«

Gut, lass mich noch einmal rekapitulieren«, sagte Dinah und kuschelte sich ein bisschen enger an ihre Schwester – glücklich, weil sie ihre Lieblingsnische in ihrem Lieblingsweinlokal ergattert hatten. »Sie haben dir deinen Fernsehstar-Job mir nichts, dir nichts gekündigt. Sie wollen dich aus der Show herausschneiden. Du hast kein Geld. Du musst dir wieder mal aus dem Nichts ein eigenes Unternehmen aufbauen. Dein Partner ist im Babywahn, und du spielst nicht mit. Unsere Mum verliert womöglich den Verstand. Deine Tochter treibt sich mit einem russischen Supermodel beziehungsweise einer Nutte in den Startlöchern herum …«

»22:00 Uhr!«, fiel Annie ihr ins Wort. »Um zehn Uhr nachts sind sie gestern endlich nach Hause gekommen, und erst nachdem wir sie vier Mal angerufen hatten! Und sie rochen nach Rauch. Wenn Elena Lana zum Rauchen verführt, bringe ich sie um. Dann bringe ich alle beide um!«

»Und dann ist da dein Sohn«, fuhr Dinah fort, »der total vernarrt in einen hässlichen Hund ist, den du gern los wärst.« Sie zog die Brauen hoch, verdrehte die Augen und konnte ein Lächeln nicht verhindern. »Hey, ich mache nur IVF. Und ich fühle mich jetzt schon so viel besser dabei«, fügte sie hinzu.

Daraufhin lachte Annie immerhin kurz auf.

»Und ich finde meine Frisur scheußlich«, ergänzte Annie.

»Deine Frisur?« Dinah wandte sich ihr zu und betrachtete den geschmähten Pferdeschwanz. »Die Farbe ist prima. Warum findest du sie scheußlich?«

Annie strich mürrisch mit der Hand über ihren Pferdeschwanz. »Deswegen!«, antwortete sie. »Weißt du, wie viele Jahre ich mein Haar schon so trage?«

»Nein«, musste Dinah zugeben.

»Zwölf!«

»Tja, diese Frisur ist dein Markenzeichen. Jeder kennt dich als die mit dem blonden hüpfenden Pferdeschwanz.«

»Markenzeichen? Nein, alte Gewohnheit, wolltest du sagen.«

»Aber für manche ist die Frisur eben ein Markenzeichen: für Anna Wintour der Bob, für Jerry Hall die blonde Mähne, für Annie Valentine der Pferdeschwanz.«

»Weißt du, was ich mit einer Klientin machen würde, die seit zwölf Jahren die gleiche Frisur trägt? Ich würde sie am Arm packen und zu einem neuen Friseur schleppen.«

»Na ja …« Dinah trank von dem Mineralwasser vor ihr auf dem Tisch. Offenkundig mied sie Alkohol, schließlich befand sie sich im Zustand der von der Klinik empfohlenen Vor-Schwangerschafts-Abstinenz. »Könnte es sein, dass du wegen allem, was passiert, und wegen zu viel Stress all deine Ängste auf dein Haar projizierst?«

»Uuuuh!« Annie versetzte ihr mit dem Ellbogen einen sanften Rippenstoß. »Schon kapiert, Dr. Dinah. Ja, wahrscheinlich hast du recht.«

»Geh erst zum Friseur, wenn du dich wieder besser fühlst! Weißt du noch, damals in der Schule, als du diese Vokuhilafrisur hattest?«

Beide schnaubten, als sie sich daran erinnerten.

»Und es hat sooo lange gedauert, bis sie herausgewachsen war!«, lamentierte Annie.

»Jetzt mal im Ernst.« Dinah griff nach ihrem Wasser, während Annie noch einen Schluck Wein trank. »Zuerst zu Mum. Fehlt ihr was?«

»Hm, du hast sie doch gesehen. Heute Abend wirkte sie völlig okay, gestern auch. Na ja, abgesehen davon, dass sie aus heiterem Himmel bei uns auftauchte. Ich würde sagen, ich gehe mit ihr zum Arzt, wenn sie von ihrer Karibik-Kreuzfahrt oder was auch immer zurückkommt.«

»Das kann ich übernehmen, falls du keine Zeit hast.«

»Ja, ich weiß. Vielleicht sollten wir beide mit ihr gehen. Hören, was der Arzt sagt.«

»Und was willst du unternehmen, um zu Geld zu kommen?«, lautete Dinahs nächste Frage.

»Das Gleiche wie immer«, antwortete Annie. »All die treuen alten Mädels anrufen und ihnen einen Einkaufsbummel mit mir zur ›saisongemäßen Auffrischung‹ vorschlagen, meinen Freund Mr. Timi Woo anrufen und fragen, ob er mir ein paar von seinen schicken Schuhen verkauft, um sie bei eBay zu verkloppen – und so weiter. Das kenne ich schon, damit hab ich mich früher auch schon durchgeschlagen …«

Trotz Annies Bemühungen, Begeisterung zu zeigen, spürte Dinah, dass sie dieses Mal nicht mit dem Herzen dabei war.

»So ein Mist, diese Fernsehsache!«, bedauerte sie.

»Ja«, stimmte Annie zu. »Ich dachte, ich würde etwas wirklich Neues, wirklich Aufregendes anfangen. Ich mochte Finn nicht, und diese Wonder-Women-Idee hat mich auch nicht vom Hocker gerissen … aber etwas daran war schon toll, hat mich richtig heißgemacht. Und jetzt ist es vorbei, bevor es überhaupt angefangen hat.«

»Lohnt es sich, irgendwelche TV-Agenten aufzusuchen?«, schlug Dinah vor. »Die Sache mit ihnen durchzusprechen?«

»Ich besitze nicht mal ein Demoband!«, klagte Annie. »Aber vielleicht könnte ich Bob bitten … Ach, ich weiß nicht«, murrte sie, »immerzu an Türen klopfen und um eine Chance betteln. Meinst du nicht auch, dass für jede schlaffe alte Annie fünfundzwanzig jüngere, blondere, auffälligere Miss Marlises auf der Matte stehen?«

»Ach, Kopf hoch!« Jetzt war es Dinah, die Annie in die Rippen boxte. »Als persönliche Einkaufsberaterin warst du echt gut. Arbeite mit deinen Klientinnen, mach deinen eBay-Shop, und dann wird sich schon etwas Gutes ergeben! Willst du zurück zu The Store?«, fragte sie vorsichtig.

»Zurück? Zum zweiten Mal mit eingekniffenem Schwanz?« Annie trank einen großen Schluck Wein. »Ich weiß nicht«, gab sie zu.

»Der Personalrabatt«, erinnerte Dinah sie.

»Ich weiß … Ohne diesen Rabatt werde ich für immer und ewig in Kaufhausketten shoppen.«

»Was meint Ed?«, wollte Dinah wissen.

»Tja, wie du dir verdammt noch mal sicher vorstellen kannst, ging es bei unserem gestrigen Bettgeflüster in erster Linie um den Hund«, berichtete Annie. »Die Frage, was ich jetzt tun soll, kam gar nicht aufs Tapet, weil Ed wohl immer noch glaubt, ich würde seinen Überredungskünsten erliegen und jeden Moment meinen Mutterschaftsurlaub antreten.«

Als Dinah leicht das Gesicht verzog, musste Annie sich entschuldigen. »Tut mir leid, ich komme mir so gemein vor, wenn ich sage, wie sehr ich kein Baby will, während du dir Medikamente in die Nase und den Hintern schieben musst, um endlich eines zu bekommen.«

»Na ja, jedem das Seine«, erwiderte Dinah heldenhaft.

»Wie ging es Nic, als du sie das letzte Mal gesehen hast?«, fiel Annie ein, nach ihrer älteren Schwester zu fragen, die jetzt für ein vier Monate altes Baby verantwortlich war.

»Sie ist sehr glücklich«, berichtete Dinah. »Wirklich sehr, sehr glücklich. Du sollest es tun«, fuhr Dinah zu ihrer eigenen Überraschung fort, »tu’s für Ed! Er liebt Kinder abgöttisch, er würde den besten, zupackendsten Vater aller Zeiten abgeben. Schenk ihm sein Kind, Annie! Lass ihn den Hausmann spielen, und du legst los und baust dir dieses Handtaschen-Imperium auf, nach dem du letztes Jahr so verrückt warst.«

Annie sah ihre Schwester verblüfft an. Das hatte sie nicht erwartet. Von Dinah hatte sie immer nur absolut loyale und unerschütterliche Unterstützung in allen Dingen erhalten.

»Ich will nicht, dass Ed und du euch trennt«, fügte Dinah hinzu, um ihren Ausbruch zu erklären. »Wegen der Kinderfrage trennen sich so viele Paare. Das passiert ständig.«

»Oh nein – du und Bryan auch?«, erkundigte Annie sich plötzlich sehr besorgt.

»Nein.« Dinah schüttelte den Kopf. »Bei uns ist alles in Ordnung. Wir haben das alles schon einmal durchgestanden, um Billie zu bekommen. Wir sehen klar. Aber Ed … er hat ein Baby verdient, Annie, und viele Frauen da draußen würden über deine Leiche gehen, um einen fürsorglichen, selbstlosen Mann mit Kinderwunsch wie ihn in die Finger zu kriegen.«

»Ja, jetzt, nachdem ich ihn umgestylt habe«, murrte Annie, »nachdem ich ihm neue Sachen gekauft, sein Haar und seine Augenbrauen in Ordnung gebracht und ihn domestiziert habe. Jetzt kommen sie an! Jetzt erkennen sie den Traummann in ihm. Von wegen Frauensolidarität!«

»Annie Valentine!«, schimpfte Dinah. »Dieser Mann war schon Gold wert, bevor du ihn in die Mangel genommen hast.«

»Gold wert.« Annie lächelte.

Das Handy in ihrer Tasche klingelte, und als sie es herausnahm, sah sie zu ihrem Entzücken Connors Nummer auf dem Display.

»Connor ist dran«, ließ sie Dinah wissen, »anscheinend weiß er, dass wir ohne ihn einen Frauenabend veranstalten.«

»Schätzchen!«, rief sie enthusiastisch in den Hörer.

»Mssss Valentine, hier spricht Ihr Agent«, witzelte er, »wie kommst du zurecht? Entgiftest, trainierst und stylst du dich für deine nächste Rolle?«

»Ja, mein Lieber, ich sitze mit Dinah im Pub vor meinem zweiten großen Rotwein und hole mir auf dem Heimweg vielleicht sogar noch Kebab, damit du’s weißt!«, antwortete Annie.

»Nein, Annie, nein!«, stöhnte er theatralisch. »Diese Frau ist so schwer im Zaum zu halten, sie quält mich … nach allem, was ich für dich getan habe! Gut, hör zu, liebe Freundin! Folgendes bringt die Klatschkolumne von Screentalk dank meiner Hilfe mañana über dich. Ja, ich habe Screentalk selbst angerufen, weil ich wusste, dass du viel zu feige dazu bist.«

»Nein!«, kreischte Annie ehrlich entsetzt. »Nein, das hättest du nicht tun dürfen, ich will keinen Ärger heraufbeschwören!«

»Donnie Finnegans neu entdeckter Star«, begann Connor zu lesen, »Annie Valentine, vormals persönliche Einkaufsberaterin bei The Store, hat die Dreharbeiten hingeworfen, weil die Show nach ihrer Meinung trivial und erniedrigend ist.«

Annie konnte nur noch schreien.

»Sei still!«, befahl Connor. »Ms Valentine …«, las er weiter, »mit ihrer jahrelangen praktischen Umstyling-Erfahrung, einer langen Liste von Klientinnen und einer zum Sterben schönen Garderobe, wurde von Set-Insidern als ›absolutes Fernseh-Naturtalent‹ beschrieben und wird, nach den Worten ihres langjährigen Freundes, des Manor-Stars Connor McCabe, ›nicht lange auf einen neuen Traumjob warten müssen‹.«

Connor legte eine kurze Pause ein, bevor er die letzte Zeile des Artikels zum Besten gab: »Ms Valentines verstorbener Ehemann war der bekannte Bühnen- und Fernsehschauspieler Roddy Valentine.«

»Ach.« Annie war ernüchtert. »Du hast ihnen von Roddy erzählt?«

»Na ja … mein Anruf, der Name Valentine, da haben sie eins und eins zusammengezählt. Aber es hilft – das ist etwas, worüber du mit der Presse reden kannst.«

»Wie bitte?« Annie schluckte verkrampft. »Wenn ich ein Interview gebe, müsste ich über Roddy sprechen?«

»Aber ja! Private Tragödie – die Zeitschriften lieben das. Für die gibt es nichts Schlimmeres als eine glücklich verheiratete Mutter von zwei Kindern. Aber lass uns jetzt nicht daran denken! Ganz so weit sind wir noch nicht«, schwadronierte er weiter. »Ich habe Emma angewiesen, dass sie, falls irgendjemand bei Screentalk anruft und etwas über dich wissen will, ihm die Nummer meines Agenten geben soll.«

»Rafie-Boy?« Darüber musste Annie lachen. Connor konnte seinen Agenten nicht ausstehen. Sein richtiger Name lautete Ralph Frampton-Dwight, sein Spitzname Rafie Frightful-Twit.

»Er ist ein guter Agent …«, verteidigte Connor sich. »Ich habe ihm zwar noch nichts von dir erzählt, aber ich glaube nicht, dass er Einwände hat.«

»Du bist sehr lieb«, sagte Annie, »sehr, sehr lieb zu mir. Ich wollte, ich könnte dir auch irgendwie helfen.«

»Aber das kannst du nicht, schon gar nicht, seit du mir keine billigen Sachen mehr von The Store besorgen kannst.« Connor klang beinahe eingeschnappt.

»Billige Sachen! Filmstars können es sich doch wohl leisten, den vollen Preis zu zahlen, oder? Vielleicht kriegst du deinen Kram jetzt ja umsonst, seit du berühmt bist.«

»Ha, ha, ha!«

»Überhaupt, was macht die Arbeit?«

»Ich bin braun wie ein Schokohase und doppelt so durchtrainiert … Mit anderen Worten: keine Arbeit, stinklangweilig alles«, gab Connor seufzend zu.

»Tatsächlich? Was ist passiert?«

»Fang jetzt bloß nicht an, mich zu bemitleiden! In ein paar Wochen beginnen die Dreharbeiten für The Manor. Dann komme ich mit den Taschen voller Knete nach England zurück.«

»Uuuh, wann kommst du?«, wollte Annie wissen. »Ich muss mir Termine frei halten.« Sie schnaubte, denn sie hatte jetzt überhaupt keine Termine mehr. »Pass bloß auf, dass ich dich als Erste zu sehen bekomme!«

»Mach ich«, versprach Connor.

»Und wie geht’s Hector?«, fragte Annie.

»Gut. Redet immer noch von einem Baby. Wie geht’s Ed?«

»Gut. Redet immer noch von einem Baby.«

»Und Dinah?«

»Gut … Versucht, ein Baby zu bekommen.«

»Wir sind alle verrückt, wie? Muss wohl die Midlife-Crisis sein oder so«, bemerkte Connor, kurzzeitig ungewöhnlich ernst, bevor er in seine typische scherzhafte Art zurückfiel. »Richte ihr heiße, klebrige Männergrüße von mir aus.«

 

Nach dem Gespräch sagte Dinah lächelnd: »Ich weiß, was wir tun müssen. Ich habe einen Plan. Du musst Zwillinge bekommen, Annie. Ein Baby gibst du Ed, das andere mir. Dann gehst du los und gründest den Louis Vuitton des einundzwanzigsten Jahrhunderts, und wir alle leben glücklich und traumhaft reich bis an unser seliges Ende.«

»Oh ja!«, stimmte Annie zu und hob schwungvoll ihr Weinglas. »Natürlich! Warum bin ich nicht selbst darauf gekommen? Zwillinge und ein Handtaschenimperium. Kein Problem!«

»Annie!«, rief Dinah und stellte ruckartig ihr Glas ab. »Beinahe hätte ich es vergessen!« Sie kramte wild in ihrer Handtasche. »Zu Eds Geburtstag …«

Annie sah zu, wie sie einen dicken weißen Umschlag aus der Tasche zog.

»Ich habe für zwei Nächte das luxuriöse Lullworth Hotel in den Cotswolds für euch gebucht. Freitag und Sonnabend«, verkündete Dinah.

»Diesen Freitag und Sonnabend?«, fragte Annie staunend.

»Ja! Ist schon alles bezahlt. Freundschaftspreis, weil Bryan für sie gearbeitet hat. Ich spiele Babysitter. Ihr macht einen Miniurlaub!«

Annie vergaß vor lauter Überraschung, ihren Mund zu schließen.

»Du willst auf Owen und Lana aufpassen?«, vergewisserte sie sich. »Und womöglich auch auf Elena? Dinah, hast du eine Ahnung, was für ein Engel du bist?« Annie zog ihre Schwester in eine herzliche Umarmung.

Dinah drückte sie ihrerseits an sich. »Und ihr zwei fahrt aufs Land hinaus, lasst euch ordentlich verwöhnen, findet zueinander und liebt euch leidenschaftlich vor einem prasselnden Kaminfeuer …«

»Ja: ich, Ed und zwei Diaphragmen.«