21.

Maria im Dienst:

Blaues Baumwollkleid (Harveys Berufskleidung)

Weiße Schürze (dito)

Stützende weiße Spitzenunterwäsche (Rigby & Peller über Svetlana)

Weiße Lederclogs (Ward Walker)

Stützstrumpfhose (Elbeo)

 

Geschätzte Gesamtkosten: 120 £

»Oh, Mr. Harry!«

Es war ein heller Morgen mit blauem Himmel in Mayfair. Die Hauswirtschafterinnen hatten bereits die Fenster geputzt und die marmornen Eingangshallen und Treppen gefegt und gewischt. Handlanger hatten Rasen gemäht, Hecken millimetergenau kunstvoll getrimmt und die Fensterkästen und Lorbeerbäumchen an den Türen gewässert.

Ein schwarzes Taxi hielt vor der Nummer 7, und Harry stieg aus. Er trug eine farbenfrohe braunrote Tweedjacke, rote Cordhosen und einen mächtigen Blumenstrauß. Das Bouquet war so überladen mit exquisiten, luxuriösen Blüten, dass Harry es mit beiden Händen hochhalten musste. Vor der glänzenden Haustür angelangt, hatte er einen Moment lang Mühe, die Blumen mit nur einer Hand auszubalancieren, damit er die Klingel betätigen konnte.

Er rief seinen Namen in die Sprechanlage, und nach einigen langen, angespannten Minuten, in denen er sorgenvoll auf der obersten Stufen hin und her lief, wurde die Tür von Svetlanas adrett gekleidetem Hausmädchen geöffnet.

»Guten Morgen, Mr. Harry«, begrüßte das Mädchen ihn lächelnd. »Miss Wisneski lässt bitten.«

»Sehr freundlich von Ihnen«, sagte Harry.

»Ich nehme die Blumen?«, erbot sich das Mädchen.

»Sie sind furchtbar schwer«, warnte Harry. »Ich glaube, ich selbst sollte sie ihr überreichen.«

»Wie Sie wünschen. Wunderschöne Blumen!«, fügte sie hinzu.

»Maria, bei meinem nächsten Besuch bringe ich Ihnen einen noch viel größeren Strauß mit.«

»Oh, Mr. Harry!«, lachte sie.

Maria führte Harry, wie angewiesen, in den Salon im Erdgeschoss, wo er auf dem antiken Parkettboden – aus einem verfallenden französischen Château gerettet und unter ungeheuerlichem, astronomischem Kostenaufwand nach London W. importiert – auf und ab schritt.

Er atmete den berauschend würzigen Duft von Svetlanas Zuhause ein und wünschte sich, das Rad der Geschichte auf den gestrigen Morgen zurückdrehen zu können, als alles noch völlig in Ordnung gewesen war. Als er noch geglaubt hatte, dieses faszinierende Geschöpf in wenigen Wochen zu seiner Frau machen zu können.

Er hatte noch immer keine Ahnung, was er getan hatte oder was schiefgegangen war. Er wusste immer noch nicht, warum sie ihn am Freitagmorgen plötzlich angerufen hatte, um ihm zu sagen, dass sie nicht nur die Hochzeit »auf Eis legen« musste, sondern ihre Beziehung insgesamt. Sinnlos, ihr das ausreden zu wollen, hatte sie versichert, sie habe lange darüber nachgedacht und ihren Entschluss gefasst.

Wegen einer unausweichlichen beruflichen Verpflichtung hatte er am Vorabend nicht zu einem Umstimmungsversuch herkommen können, doch dies hatte ihn nicht daran gehindert, sie alle zwanzig Minuten anzurufen. Jetzt, am Sonnabendvormittag, war er gekommen, sobald er damit rechnen konnte, dass sie schon aufgestanden war.

Ihm war gleich, was er tun musste oder wie lange es dauern würde. Für Harry stand fest, dass er Svetlana zurückerobern musste.

Harry musterte sich in dem riesigen Spiegel mit dem verschnörkelten Goldrahmen über dem Kaminsims. Auf seiner breiten weißen Stirn glänzte Schweiß, und während er den Blumenstrauß umständlich auf seinem hochgezogenen Knie balancierte, zog er ein frisches gebügeltes weißes Taschentuch aus der Hosentasche und wischte ihn ab.

Mit einem zweiten Blick in den Spiegel sah er das Bild an der Wand in seinem Rücken.

Heiliger Strohsack!, durchfuhr es ihn unwillkürlich. Das ist ein Warhol! Vielleicht spielt diese Frau doch in einer ganz anderen Liga als du.

»Bye-bye, meine Schätzchen!«

Er hörte, dass Svetlana jetzt unten in der Eingangshalle war und ihren beiden Jungen – Petrov, neun, und Michael, sieben Jahre alt – Abschiedsküsschen gab.

 

Was für wohlerzogene, ernste kleine Jungen!, dachte Svetlana, zauste Michaels dunkles Haar und kniff ihm zärtlich mit Daumen und Zeigefinger in die runde Wange.

Sofort erschien Maria, eine Bürste in der Hand, und glättete dem Jungen mit einem Blick auf Svetlana das Haar.

»Ihr werdet mir sonnabends fehlen«, sagte Svetlana zu ihren Kindern. »Seid brav, Schätzchen, wir sehen uns dann am Abend, ja? Vielleicht essen wir zusammen?«

Beide Jungen lächelten angesichts dieser ungewöhnlichen Aussicht.

»Okay, dann geht jetzt!«, wies Svetlana sie an und sah ihnen versonnen nach, als sie die Treppe hinunter und zur Fondtür des väterlichen Wagens gingen, die der Chauffeur bereits für sie offen hielt.

 

Kaum saßen die Jungen im Auto, fuhr Svetlana zur Salontür herum und fegte in einer Wolke von Duft und fuchsiarotem Chiffon in den Raum. »Harrrrrrry!«, rief sie mit ihrem breitesten Lächeln. »Welch herrrrliche Blumen!«

Sie nahm ihm den Strauß ab, legte ihn auf den Kaffeetisch und warf sich in seine Arme.

»Du hast mir gefehlt!«, verkündete sie, presste ihre Lippen auf seinen Mund und übertrug ihm einen Hauch von Chanel-Lippenstift.

»Ich habe dir gefehlt?«, stotterte er, als der Begrüßungskuss vorüber war, »aber ich bin doch hier, ich war hier … Ich habe den ganzen Abend über versucht, dich anzurufen. Ein Wort von dir, und ich wäre zu dir geeilt!«

Die Verwunderung in seiner Stimme war nicht zu überhören. Mit einem so begeisterten Willkommen hatte er nicht gerechnet. Trieb sie nur ein kleines Spielchen mit ihm?

»Ich weiß«, entgegnete Svetlana und ergriff seine Hand, »ich war ein sehrrr, sehrrr dummes Mädchen.«

Mit diesen Worten führte sie ihn aus dem ebenerdigen Salon hinaus und die Treppe hinauf zu ihrem gemütlicheren, nicht so förmlichen Wohnzimmer.

»Müssen wir reden …«, sagte sie, »uns versöhnen …«, schnurrte sie.

Harry trabte gehorsam hinter ihr her, in seliger Unwissenheit über den Umstand, dem er Svetlanas Sinneswandel verdankte, nämlich Uris unerklärlicher Absage ihres Rendezvous in letzter Minute.

 

Während Svetlana und Harry sich auf dem Weg zu dem intimen Wohnzimmer im Obergeschoss befanden, hielt am anderen Ende der Straße ein zweites Taxi. Dieses Mal war es kein schwarzes Taxi, sondern ein zerbeulter alter Kleinwagen, ein silbergrauer Nissan mit Rostflecken und gefährlich tief hängendem Auspuff. Fahrgeld fiel nicht an, da der Fahrer dem Fahrgast einen Gefallen tat, denn sie hatten einen gemeinsamen Freund.

Die Beifahrertür öffnete sich, und der Fahrgast stieg aus. Ihr roter Stiletto-Absatz klackte auf dem Pflaster. Ein sehr langes, sehr schlankes Bein in hautengen Röhrenjeans folgte. Schließlich kamen schmale Hüften, eine schmale Taille und gertenschlanke Arme in einem engen tiefausgeschnittenen Jumper zum Vorschein. Die Kaskade von langem blonden Haar, das glatte Gesicht und die klaren grauen Augen waren atemberaubend. Doch dieses Mädchen strahlte Entschlossenheit aus. Es besaß nicht nur ein hübsches Gesicht. Es sah aus wie ein Mädchen mit einem Ziel. Ein Mädchen mit einer Mission.

Es öffnete den Kofferraum und stemmte ihre zwei schweren Rollkoffer heraus, bevor der Fahrer auch nur Zeit hatte, ihr um den Wagen herum zur Hilfe zu kommen, doch sie versicherte ihm, dass alles in Ordnung wäre. Mit starken Armen und Schultern stellte sie die Koffer auf den Gehsteig und zog die Griffe heraus, damit sie sie ziehen konnte.

Hoch erhobenen Hauptes marschierte sie zielstrebig in Richtung Nummer 7. Ihre Absätze klapperten laut auf dem Pflaster.

 

In ihrem gemütlichen Wohnzimmer im Obergeschoss hielt Svetlana Harry bei Laune. Ob von Uri nun etwas zu erwarten war oder nicht: Sie hatte entschieden, dass sie in der Zwischenzeit, bis sie Definitiveres wusste, Harry brauchte.

Harry küsste zärtlich ihren Nacken. »Was soll ich tun?«, fragte er, während er den Gürtel ihres Kleides öffnete, so dass der Stoff ihren Körper lose einhüllte. »Was möchtest du gern?«, hauchte er an ihrem Genick, und sie ließ sich auf den weichen Samt des Sofas sinken. Er öffnete ihr Kleid und streichelte die rosa Seide ihres BHs, bis ihre Brustwarzen vor Erregung kribbelten.

Harry war zweifellos der aufmerksamste Lover, den sie je gehabt hatte. Na ja, seit einigen Jahrzehnten zumindest. Seit sie jung und töricht gewesen war, hatte sie keinen Mann mehr erlebt, der so lieb war wie dieser.

Sie würde, das musste sogar sie selbst sich eingestehen, um ihrer selbst willen mit ihm schlafen, nicht nur seinetwegen. Ihretwegen, denn sie wollte es wirklich, ihr Körper drängte sich jetzt schon ihm und seiner Berührung entgegen.

Im Gegensatz zu allen anderen Liebhabern, die sie vor ihm gehabt hatte, befriedigte ihn anscheinend nichts so sehr wie das Wissen, dass sie gekommen war. Nichts machte ihn glücklicher als das Gefühl, wenn sie mit aller Macht kam, mit ihm zusammen. Ihn umschloss. Mit ihm pulsierte. Immer wenn sie ihm, in ihrer Anfangszeit, einen Orgasmus vorgespielt hatte, hatte er den Kopf geschüttelt und liebevoll gebeten: »Bitte nicht! Ich spüre doch, dass sich da nichts tut. Wir müssen einfach etwas anderes ausprobieren, bis du kommst.«

Das hatte sie überrascht. Und dabei war sie fest überzeugt gewesen, sie würde diejenige sein, die ihm alles beibrachte, was sie gelernt hatte.

Als Harry sein Gesicht an ihren Nabel schmiegte und zart zu knabbern begann, wie sie es so gern hatte … da hörte Svetlana den schrillen Ton der Türglocke.

»Was ist denn jetzt?«, schimpfte sie, schob Harrys Kopf beiseite und richtete sich auf.

Sie erwartete mit Sicherheit keinen Besuch. Ihre Söhne hatten an diesem Vormittag Chinesisch-Unterricht (eine Idee ihres Vaters), und danach speisten sie mit Igor zu Mittag.

Svetlana hörte, dass die Haustür geöffnet wurde und eine kurze Unterhaltung stattfand. Dann wurde die Tür geschlossen, und Maria stieg die Treppe hinauf und näherte sich der Tür zum Wohnzimmer.

Svetlana richtete ihr Kleid und schnallte den Gürtel um. Sie strich ihr Haar glatt und schob die losen Strähnchen hinter die Ohren. Nicht, dass sie etwas darauf gab, was das Hausmädchen dachte … aber vielleicht war jemand an der Tür, der womöglich eingelassen werden musste.

Maria trat ins Zimmer. »Miss Wisneski, entschuldigen Sie Störung. Aber unten ist ein Mädchen, das sagt, es muss sprechen mit Ihnen.«

»Wer ist sie?«, fragte Svetlana.

»Ich weiß nicht. Sagt sie nur, sie muss mit Ihnen sprechen – dringend.«

»Wie sieht sie aus?«

»Jung und ausländisch.« Mehr gab Maria nicht preis. Sie stand abwartend da.

»Ach!« Svetlana zog die Füße wieder aufs Sofa hinauf. »Will sie arbeiten bei mir, wie? Sag ihr, soll sie ihre Bewerbung hierlassen, ruf ich sie an, wenn sie mir gefällt. Hat mich vielleicht im Fernsehen gesehen. Schlau, sich Adresse und so zu besorgen!«, musste Svetlana zugeben.

Aber es war auch ein wenig beunruhigend. Svetlana fragte sich, wie viele Leute sonst noch herausfanden, wo sie wohnte, und dann vor der Tür standen und um den einen oder anderen Gefallen baten.

Maria machte eine knappe Verbeugung, schloss die Tür und stieg die Treppe wieder hinab.

Die Haustür wurde geöffnet, als Harry und Svetlana ihre erregte Umarmung wieder aufnahmen. Doch Svetlana hörte, dass das Gespräch an der Tür länger als erwartet dauerte. Die beiden Stimmen wurden etwas lauter.

Wieder fiel die Tür ins Schloss, und dann waren erneut Marias Schritte auf der Treppe zu vernehmen.

Svetlana schob Harry sanft von sich, als es an der Tür klopfte.

»Ja!«, befahl sie, inzwischen leicht gereizt.

»Miss Wisneski«, das Mädchen wirkte verunsichert, »sie geht nicht! Sie sagt, bleibt sie ganze Nacht vor der Tür – ganzen nächsten Tag auch, wenn sein muss. Hat sie Koffer«, fügte das Mädchen nervös hinzu. »Ich glaube, will sie hierbleiben. Sie müssen ihr sagen, soll sie gehen. Hört sie nicht auf mich. Sieht sie sehr böse aus«, erklärte Maria.

»Tcha!« Svetlana schwang ihre Füße vom Sofa und überprüfte noch einmal den Gürtel ihres Kleides. Entschlossen schritt sie zur Tür und war mehr als neugierig zu erfahren, was da vorging.

Insgeheim bewunderte sie Mädchen, die ein Nein nicht akzeptieren. Hatte sie selbst es nicht ihr Leben lang so gehalten?

»Bleib hier!«, schnauzte sie Harry an, der sich eifrig anschickte, ihr zu folgen.

»Will ich das selbst regeln, bleib!«, befahl sie und hob die Hand wie ein Verkehrspolizist.

»Ich bin gleich zur Stelle, falls du mich brauchst«, versicherte er und trat ans Fenster, um die Szene wenigstens von dort aus zu verfolgen.

Trotz ihrer hochhackigen Pantoletten nahm Svetlana die Treppe in rasantem Tempo. Nach der Biegung zur Eingangshalle hin geriet diese kratzbürstige Besucherin ins Blickfeld. Das Mädchen war groß, sehr schlank, eine auffallend aparte Blondine mit einem blassen zornigen Gesicht.

Jetzt war Svetlanas Neugier erwacht. Dieses Mädchen war viel zu hübsch für eine Hausangestellte: Vielleicht war sie nach London gekommen, um Model zu werden. Svetlana hoffte unvermittelt, dass das Mädchen klug genug war, sich von all diesen fiesen Typen fernzuhalten, die Modelkarrieren versprachen und Mädchen wie dieses zum Lap Dance und viel, viel schlimmeren Dingen verlockten.

»Guten Tag«, ertönte Svetlanas Stimme, als sie sich ihrer Haustürschwelle näherte. »Ich bin Svetlana Wisneski. Warum belästigen Sie mich?«

Das Mädchen antwortete auf Ukrainisch.

Sie sagte nicht viel, aber ein eventueller Passant wäre schockiert über die Wirkung der wenigen Worte auf die atemberaubende Frau im pinkfarbenen Chiffonkleid gewesen. Sie erblasste unübersehbar, taumelte leicht zur Seite und musste sich haltsuchend an den Türrahmen lehnen.

Hätte dieser Passant zufällig auch noch die ukrainische Sprache beherrscht, dann hätte er die verheerenden Worte verstanden, die das Mädchen von sich gab.

»Guten Tag, ich bin Elena, ich bin zweiundzwanzig Jahre alt, und du bist meine Mutter.«