21 . Kapitel

Wer auf Lazenby Einsamkeit suchte, hatte meist in den Gärten Glück. Jane reckte ihr Gesicht in die Sonne. Sie spürte die Frühlingsluft um sie herum beben und summen. Das Sonnenlicht tanzte auf ihrem Gesicht.

Angenehm erhitzt, trat sie in das kühle Wäldchen ein und reckte sich genüsslich. Sie war ein wenig wund vom ausgedehnten Liebesspiel der letzten Nacht. Es war, als hätte Constantine ihre unausgesprochene Bitte um Bestätigung gehört und sein Bestes gegeben, ihr zu zeigen, was er für sie empfand.

Ich bin dein Sklave. Wenn er sie so zärtlich und so leidenschaftlich liebte, wenn er sie in die lasterhaftesten Dinge einführte und sie einfach beim Schlafen beobachtete, fiel es schwer zu glauben, dass Constantine nicht nur sie allein in seinem Bett haben wollte. Vielleicht liebte er sie. Vielleicht wusste er es nur noch nicht.

Nur Mut, Jane. Es wäre fatal, ihn in die Enge zu treiben. Wenn er nicht bereit war, über seine Gefühle nachzudenken, würde sie ihn nicht dazu zwingen. Nichts würde ihn mehr abschrecken, als ihn um seine Liebe anzuflehen.

In London würde sie den anderen Frauen nicht das Feld überlassen. Sie war eine Westruther und Constantines zukünftige Frau. Das sollte genügen, um ihr das Rückgrat zu stärken. Wenn nötig, würde sie um ihn kämpfen.

„Jane. Ich dachte mir, dass ich Sie hier finde.“

Sie fuhr zusammen. „Oh, Mr Trent! Sie haben mich erschreckt.“

Besorgt sah sie sich um. Constantine würde Trent den Kopf abreißen, wenn er sie zusammen im Wäldchen entdeckte. Auch wenn sie Constantine weiterhin nicht das Recht zugestand, über ihre Besucher zu bestimmen, wollte sie keine neuerliche Konfrontation zwischen den beiden Männern. Außerdem war Trent in letzter Zeit kein angenehmer Gast.

„Sie sollten nicht hier sein“, sagte sie rasch. Sie versuchte an ihm vorbeizugehen, damit sie wenigstens aus dem Wäldchen heraus auf offenes Gelände traten.

Er fasste ihren Arm, nicht gewaltsam, aber doch so fest, dass sie nicht an ihm vorbeikam. „Ich weiß, aber ich habe gehört, lieber Gott, Jane, ich habe gehört, dass Sie ihn heiraten wollen! Wie konnten Sie nur.“ Er unterbrach sich, schüttelte ungläubig den Kopf.

Dann sprach er mit leiser leidenschaftlicher Stimme weiter. „Ich habe mich offenbar zu lang gescheut, Ihre Ohren mit dieser Geschichte zu besudeln. De Vere hat mich gewarnt, mit Ihnen darüber zu reden, und ich würde es bei Gott lieber unterlassen, wenn es nicht notwendig wäre.“

„Sir! Kein Wort mehr.“ Wütend versuchte sie sich aus seinem Griff zu befreien. „Lassen Sie mich los! Mr Trent, Sie werden das Anwesen umgehend verlassen!“

Jane versuchte sich loszureißen, doch er hatte sie nun fest am Oberarm gepackt und riss sie zu sich herum. Er war ihr so nah, dass sie die Schweißperlen auf seiner Oberlippe sehen konnte und die Poren seiner rötlichen Haut.

Rau sagte er: „Hören Sie sich doch wenigstens an, was ich zu sagen habe.“

„Nehmen Sie die Hände weg, Sir! “, stieß sie zwischen den Zähnen hervor. Ihr Herz pochte wild in ihrer Brust. Wenn er sie hier belästigte, würde ihr niemand zu Hilfe eilen können.

Doch statt sie freizugeben, schüttelte er sie. „Ich hatte vor, Ihnen mit Ehrerbietung den Hof zu machen, mich geduldig zu zeigen, aber dieser Schuft hat nicht gewartet! Er hat Sie mit seinem schönen Gesicht und seinem verwegenen Benehmen betört! Sie, Lady Roxdale, die vernünftigste und nüchternste Frau, die ich kenne. Und nicht einmal Sie sehen ihn, wie er in Wahrheit ist.“

„Das reicht. Lassen Sie mich los. Sie machen sich doch nur ...“ Er hörte ihr nicht zu. Plötzlich presste er die Lippen entschlossen zusammen. „Nun, dann will ich Ihnen mal etwas zeigen.“

Trent riss sie in die Arme, ohne auf ihre Proteste zu achten. Sie wehrte sich wie eine Wildkatze, doch seiner Kraft war sie nicht gewachsen. „Aufhören! Nein! Ich will nicht...“

Er presste seinen Mund gewalttätig und ungeschickt auf ihren. Jane wurde blass. Sie fühlte sich völlig hilflos. Angst drückte sich wie ein schwerer Kloß in ihre Brust. Sein Atem ging stoßweise, er schmeckte nach Brandy und irgendetwas Saurem, bei dem ihr ganz übel wurde. Dann schob er seine Zunge in ihren Mund und eine Welle des Ekels überlief sie. Dieser schreckliche Überfall war etwas ganz anderes als ein Kuss von Constantine Black.

Mit den Handballen stieß sie Trent gegen die Schulter in der Hoffnung, ihn so zu überraschen, dass er sie losließ.

Wie durch ein Wunder gelang es ihr. Im einen Moment presste Trent sich in bedrohlich amouröser Weise an sie, im nächsten war es, als wäre er von ihr weggesprungen.

Dann sah sie, wie Constantines Hand Trents Kragen losließ. Ebenjene Hand ballte sich nun zur Faust und holte aus. Jane schrie auf, nachdem Constantines große Faust Trents Kinn getroffen hatte.

Der Schlag fegte Trent von den Füßen und ins Gebüsch.

Beide Hände zu Fäusten geballt, wartete Constantine, doch Trent stand nicht auf. Dann blickte Constantine wütend zu Jane.

„Danke“, brachte sie atemlos hervor. Sie sah zu Trent, der sich immer noch nicht rührte. „Musstest du ihn wirklich so heftig schlagen? “

„Ja.“ Die Aussage war unverblümt und unumwunden. Anklagend zeigte er mit dem Finger auf sie. „Aber ich hätte ihn überhaupt nicht schlagen müssen, wenn du dich von ihm ferngehalten hättest, wie ich es dir gesagt habe. Ich wusste, dass er dich will.“

„Er hat mir einen Heiratsantrag gemacht“, platzte sie heraus.

„Das überrascht mich nicht. Er will an dein Geld, meine Liebe.“

Sie hob das Kinn und fixierte ihn. „Na, dann seid ihr ja schon zu zweit, was?“

Einen Augenblick wirkte er fassungslos. Dann blitzten seine Augen auf und seine Nasenflügel bebten. Er lächelte müde und schüttelte den Kopf, als könnte er es nicht fassen.

„Im Grunde“, beharrte sie, „besteht zwischen euch gar kein Unterschied.“

Der Zorn, der Constantines Lippen schmal und seine Kinnbacken hart werden ließ, hätte sie warnen müssen. Was war nur in sie gefahren? Warum stachelte sie ihn in voller Absicht an? Was wollte sie damit nur erreichen? Dass er ihr seine Liebe erklärte?

„Oh, einen Unterschied gibt es schon“, knurrte er. „Trotz all meiner Sünden habe ich es noch nicht geschafft, mich einer Frau gegen ihren Willen aufzudrängen! Was zum Teufel fällt dir ein, allein mit ihm hierherzugehen?“

Abwehrend gab sie zurück: „Er hat mich hier draußen abgefangen! Woher sollte ich denn wissen, dass er mir eine leidenschaftliche Erklärung machen würde? Ich habe ihn für einen ehrenwerten Gentleman gehalten. Aber wenn meine Rolle als Witwe nicht Schutz genug ist...“

„Nun, natürlich ist das kein Schutz, du süße Unschuld! Und was den Gentleman hier angeht, hast du offenbar noch nichts gelernt. Männer, meine Liebe, sind im Grunde alle gleich.“

Sie betrachtete ihn zweifelnd. „Alle?“

„Ja, alle. Von einer schönen Frau wollen sie immer nur eines, nur können manche das etwas besser verbergen als andere.“

Er hatte sie schön genannt!

Oh, im Bett pries er ihre Schönheit jede Nacht, aber irgendwie wirkte diese beiläufige Erwähnung glaubwürdiger. Alberner Kerl. Sie war nicht schön. Sie wusste es, schließlich stand sie schon ihr halbes Leben lang in Rosamunds Schatten.

„Tatsächlich“, fuhr er fort, und sein Gesicht wurde weicher, als er sie in die Arme zog, „kann ich dir aus erster Hand versichern, dass ich dich jetzt will. Jetzt in diesem Moment. Und zu jedem anderen Moment.“ Er fuhr ihr mit den Lippen am Haaransatz entlang und küsste sie auf die Stirn.

Dann hob er ihr Kinn mit den Fingerspitzen an und beugte sich zu ihr. „Jeden Augenblick, den wir nicht zusammen sind, sehne ich mich nach dir und kann es gar nicht erwarten, dich wieder in meinen Armen zu halten.“

Er küsste sie zart, tief und lang. Sie verlor sich in dieser Umarmung. Ihr Wille verschwand. Sie war sein. Wenn er sie hätte nehmen wollen, gleich hier im Gebüsch, sie hätte keine Einwände erhoben.

„Ich will also nur dein Geld?“, murmelte er. Er lachte sanft und sein Atem rauschte warm an ihr Ohr. „Oh, Jane.“

Seine Lippen fanden noch einmal ihren Mund und Jane stöhnte leise, als sie sich gegen ihn drängte. Ihr Körper schien sich an die Freuden der letzten Nacht zu erinnern und die Sehnsucht in ihr wuchs.

Constantine hörte auf, sie zu küssen, und lehnte seine Stirn an ihre. Er atmete tief aus. „Ich habe ganz vergessen, dass wir ja Besuch haben.“

Aus den Büschen ertönte lautes Stöhnen. Constantine wandte sich um. Er beobachtete Trent dabei, wie er sich aufrappelte.

„Dafür geben Sie mir Genugtuung, Black!“

Constantine schnippte sich ein Stäubchen vom Ärmel. „Ich glaube nicht.“

„Soll ich Sie einen Feigling nennen?“

Jane spürte, wie Constantines Arm steinhart wurde vor Anspannung. „Hören Sie, Trent. Sie haben hier keinerlei Handhabe. Ich bin mit der Dame verlobt und kam dazu, wie sie sich gegen Ihre recht ungeschickte Umarmung wehrte. Wenn meine verletzte Ehre dadurch wiederhergestellt wird, dass ich Ihnen die Nase blutig schlage, steht es Ihnen nicht an, mir ein Duell aufnötigen zu wollen.“

Trent zog an seinem Krawattentuch. „Montford wird die Hochzeit verbieten. Der Duke wird das nie dulden!“

Constantine lächelte kühl. „Ich glaube, ich habe Ihnen bereits angeboten, sich zu verabschieden, Trent. Aber wenn Sie unbedingt wollen, bleiben Sie ruhig. Sie zu Brei zu schlagen würde mir eine enorme Befriedigung verschaffen.“

„Constantine!“, sagte Jane.

„Ach, Constantine?“ Die Demütigung verlieh Trents Zorn eine gemeine Note. „Von ihm haben Sie sich vermutlich küssen lassen. Nun, Sie mögen nicht so genau wissen, mit was für einem Charakter Sie es hier zu tun haben. Ich schon. Er hat in diesem Haus ein Dienstmädchen geschwängert und sie dann ihrem Schicksal überlassen. Ja! Ihr kostbarer Luke, Mylady, ist Constantine Blacks Sohn.“

Trents Eröffnung erzielte die Wirkung, die er sich gewünscht hatte. Jane keuchte auf. Sie sah zu Constantine, der beinahe so weiß geworden war wie sein Krawattentuch.

„Das ist eine Lüge!“, rief sie. „Sag es ihm, Constantine!“

Als Constantine weiterhin wie benommen schwieg, sagte sie schon ein wenig unsicherer: „Es ist doch nicht wahr, Constantine, oder?“ Constantine sah sie schmerzerfüllt an.

„Welches Dienstmädchen?“, fragte er und hielt sich ganz still. Er sah zu Trent. „Etwa Violet?“

Der Schock brach wie eine kalte Welle über Jane herein. Ein erstickter Schrei entrang sich ihr.

„Mein Gott!“, sagte Trent angewidert. „Wie viele Dienstmädchen haben Sie im Lauf Ihrer illustren Karriere denn ins Bett gekriegt? Natürlich war es Violet! Sie haben es unter den Teppich gekehrt. Bestimmt haben Sie ihr ein anständiges Schweigegeld gezahlt. Aber als das arme Mädchen starb, hat ihre Familie das Kind hierhergebracht.“ Höhnisch verzog Trent die Lippen. „Ihr Onkel war schon immer ein leichtes Opfer. Er hat Luke aufgenommen und behauptet, er sei ein entfernter Verwandter.“

Die Geschichte klang immer plausibler. Verzweifelt sagte Jane: „Das ist nicht wahr! Es ist doch nicht wahr, oder, Constantine?“

Er hatte ihr erzählt, dass er als junger Mann sehr wild gewesen sei, dass er sehr früh festgestellt hatte, dass er die Frauen liebte. Aber er hatte seine Jugendsünden als harmlose Streiche hingestellt. Konnte er die Verführung eines Dienstmädchens im Haus seines Onkels ernsthaft als harmlosen Streich abtun?

Constantine antwortete nicht. Er sah sie nicht an. Er starrte grimmig in die Ferne, als hätte er das alles schon einmal gehört. Sie sah, wie er hart schluckte.

Jane stand erschrocken da. Sie kämpfte mit den Tränen. „Constantine! Sag doch was! Warum verteidigst du dich denn nicht, um Himmels willen?“

Er sah Trent lange an, ehe er schließlich sagte: „Mich verteidigen? Was sollte das denn noch für einen Sinn haben?“

Ohne noch einmal in Janes Richtung zu blicken, wandte sich Constantine um und ging davon.

Jane hatte das Gefühl, als stürzte sie von einer Klippe. Die Welt geriet außer Kontrolle. Sie stand einfach nur da und drückte eine Hand auf ihren Bauch. Es dauerte einen Augenblick, bis sie wieder bei Atem war.

Sie ging auf Trent los. „Das ist nicht wahr“, sagte sie mit zitternder Stimme. „Ich glaube es nicht.“

Trent fasste sich vorsichtig an die blutige Nase, doch seine Augen leuchteten vor Triumph. „Glauben Sie es ruhig. Frederick hat es mir selbst erzählt. Black hat es doch so gut wie zugegeben! Haben Sie den Schurken nicht gehört?“

Doch, sie hatte ihn gehört. Er hatte gar nichts zugegeben, doch seine Haltung und die Art, wie er über Violet gesprochen hatte, verrieten ihn.

Dennoch hoffte Jane noch immer, dass es dafür eine Erklärung gab.

Vielleicht würde sie ihm verzeihen, wenn er einsah, dass sein Verhalten damals nicht richtig gewesen war. Aber das hatte er bisher nicht getan. Wie konnte sie einen Mann lieben, dessen moralische Vorstellung der ihren derart zuwiderlief?

„Nein“, wisperte sie. „Es kann einfach nicht wahr sein.“

Sie wandte sich um, um Constantine zu folgen.

„Glauben Sie es nur, Jane“, rief Trent ihr nach. „Opfern Sie sich nicht für ihn!“

Jane schluchzte. Fieberhaft schüttelte sie den Kopf. Sie würde nicht weinen. Wenn sie jetzt weinte, hatte sie für die bevorstehende Konfrontation keinen klaren Kopf mehr.

Sie würde Constantine zwingen, ihr eine Erklärung zu geben. Auch wenn er sie nicht liebte, war er es ihr schuldig.