3. Kapitel

Einen kurzen Augenblick lang war Lady Roxdale kreidebleich, dann breitete sich eine zarte Röte über ihre Wangen aus. Sie sah zu ihm auf und ihre klaren grauen Augen schienen Feuer zu fangen.

„Sie“, sagte sie mit unglaublicher Verachtung, „sind der neue Lord Roxdale?“

Er verneigte sich. „Wie ich zu meiner Schande gestehen muss.“ Die Art, wie sie ihre Lippen zusammenpresste, zeigt ihm, dass sich seine Sünden bis zu ihr herumgesprochen hatten. Sie lasteten wie ein Makel auf ihm. Seine Anwesenheit kränkte die Witwe offenbar zutiefst.

Mit einem zynischen Lächeln zog er sich zur Anrichte zurück und nahm sein Glas in die Hand. Er ließ die bernsteinfarbene Flüssigkeit im Glas kreisen und wärmte sie mit seiner rechten Hand. Vielleicht hätte er sich nicht so schnell zu erkennen geben sollen. Bestimmt war sie auf der Hut vor ihm, wollte ihn vielleicht sogar meiden, wie es sich für eine anständige Dame gehörte.

Er sah auf und begegnete ihrem so beunruhigenden Blick. „Ich habe es versäumt, Ihnen mein Beileid auszusprechen. Frederick war ein ... “ „... ein guter Mensch. Ja.“ Sie stieß diese Worte zwischen ihren zusammengebissenen Zähnen hervor.

Zweifelte sie etwa an dem Bild, das man von ihrem Ehemann hatte? Ihre Augen waren zwar ein wenig verweint, dennoch hatte er nicht den Eindruck, dass sie über Fredericks Tod äußerst bekümmert war. Allerdings wusste man bei englischen Damen nie, woran man war. Manche waren so erstaunlich zurückhaltend, dass man den Fehler beging, sie für kaltherzig zu halten, während sie in Wahrheit heißblütig waren. Neugier war schon immer seine ärgste Schwäche gewesen. Oder eine seiner ärgsten. Constantine lehnte seine rechte Hüfte gegen die Anrichte und kreuzte einen Fuß über den anderen. Solange sie ihm keinen Platz anbot, durfte er sich in ihrer Gegenwart nicht setzen, selbst wenn das Haus jetzt ihm gehörte.

Sie ergriff zuerst das Wort. „Wie gut haben Sie meinen Mann gekannt?“

Frederick hatte ihre gemeinsame Geschichte also nicht erwähnt. „Als Kinder waren wir gut befreundet, Frederick und ich. Aber ich habe ihn in den letzten sieben oder acht Jahren nicht mehr gesehen. Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung, ob er ein guter Mensch war. Damals, als wir klein waren, war er mir jedenfalls ein guter Freund.“

Sie neigte den Kopf und dachte einen Moment lang nach. „Mir war er auch ein guter Freund, aber das liegt lange Zeit zurück.“

Bei den letzten Worten klang ihre Stimme seltsam hohl. Verdammte sie Frederick etwa mit diesem lauwarmen Lob, oder machte sie ihm das größte Kompliment? Es war nicht einfach für Constantine Black, das zu unterscheiden. Janes Gesichtsausdruck gab nichts von ihren Gedanken und Gefühlen preis, doch ihre Hände wanden sich wie zwei gequälte Seelen.

Sie war so widersprüchlich, ein wahres Rätsel, und er verspürte das dringende Bedürfnis, die verschiedenen Schichten dieser Frau zu ergründen.

Vorsicht. Das ist gefährliches Terrain, mein Junge, sagte er sich. Trotz all dem schlüpfrigen Getratsche über Fredericks Tod im Ehebett, der so, ehrlich gesagt, wirklich jeden treffen konnte, war Fredericks Witwe eindeutig eine ehrbare Dame. Sie gehörte zu jenem erlauchten Zirkel von Frauen, mit denen der berüchtigte Constantine Black nichts zu schaffen hatte. Er hatte nicht das Recht, mit ihr zu verkehren. Er sollte sie hier nicht aufhalten. Man stelle sich nur vor, welche Aufregung es geben würde, wenn man ihr ein Tete-a-tete mit einem so unbotmäßigen Schuft wie ihm nachsagen würde. Und das ausgerechnet an dem Tag, an dem ihr Ehemann zu Grabe getragen wurde.

Dennoch widerstrebte es ihm, das Zimmer zu verlassen, ehe er ein wenig mehr über sie erfahren hatte. Er wollte den Raum überhaupt nicht verlassen. Die Bibliothek war immer der schönste und angenehmste Raum im Haus gewesen. Dazu kam der Vorteil, dass sie der einzige Ort war, an dem sich die anderen Trauergäste nicht aufhielten. Warum sollte er also nicht hierbleiben, wenn er es wollte? Wenn sie ihn so unangenehm fand, konnte sie ja gehen.

„Kehren Sie heute Abend noch nach London zurück, Mylord, oder wollen Sie sich in einem Gasthof einmieten?“ Anscheinend interessierte sich die Dame auch für ihn.

Er hielt inne. Zugegeben, die Situation war ein wenig heikel. Er war nach Lazenby aufgebrochen und hatte dabei nichts als Fredericks Beerdigung im Sinn gehabt. Doch inzwischen war sein Stand ein gänzlich anderer. Jetzt war er der Herr in diesem Haus. Obwohl er an Lady Roxdales Gesicht ablesen konnte, dass sie eine andere Bezeichnung für ihn hatte: die des Eindringlings.

Dieser Gedanke verlieh seinem Entschluss ungewohnte Festigkeit. „Ich bleibe hier.“

Erschrocken riss sie die Augen auf. „Ich fürchte, das wird nicht gehen.“

„Warum nicht?“

Diese Lippen sind viel zu sinnlich, als dass sie derart zusammengepresst werden sollten, durchfuhr es ihn. „Das Personal ist nicht auf Ihre Ankunft vorbereitet.“

Constantine lächelte. „Ich bin nicht so anspruchsvoll. Ich brauche nur ein Bett und etwas Verpflegung, dann bin ich schon zufrieden.“ „Sie werden feststellen, dass wir die Dinge auf Lazenby anders handhaben.“

Als er darauf nur eine Augenbraue hob, neigte sie den Kopf. Sie sah aus wie eine Königin, die einen Erlass bekannt gab. „Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass es nicht darum geht, Sie zufriedenzustellen.“

Ihr wichtigtuerischer Ton amüsierte ihn nicht so, wie er es eigentlich hätte tun sollen. „Da ich Herr in diesem Haus bin, geht es nur darum, mich zufriedenzustellen.“ Na, wer klingt jetzt wichtigtuerisch? fragte er sich.

Sie winkte ungeduldig ab und fuhr beharrlich fort: „Sie müssen an die Gefühle Ihrer Dienstboten denken. Sie möchten sich auf Ihre Ankunft vorbereiten, Ihren Anforderungen gerecht werden und eigene Maßstäbe setzen.“ Sie biss die Zähne zusammen. „Auch wenn Sie keine haben.“

Er blinzelte und begann lauthals zu lachen. Die letzte Bemerkung war unverzeihlich rüde, aber sie scheute sich offenbar nicht, ihn zu beleidigen.

Natürlich nicht. Sie war eine gebürtige Westruther und die Westruthers waren schon immer über billige Höflichkeiten erhaben.

Sein Gelächter schien sie zu überrumpeln. Verwirrt runzelte sie die Stirn, als könnte sie sich seine Erheiterung nicht erklären. Sie wirkte, als würde sie niemals über sich selbst lachen! Das war bedauerlich. Es wäre gewiss gut, wenn man sie hin und wieder von ihrem hohen Ross herunterholen würde.

Constantine Black wurde ernst. Es war offenbar an der Zeit, die Fronten zu klären! „Das Personal wird mit meinen Gewohnheiten zurechtkommen müssen. Ich bin sprunghaft. Wenn ich irgendwohin gehen möchte, dann gehe ich. Ich frage nicht um Erlaubnis und ich kündige mein Vorhaben auch nicht Wochen vorher an.“

Und, hätte er am liebsten hinzugefügt, wie kommen Sie eigentlich auf die Idee, Sie hätten ein Mitspracherecht bei meiner Haushaltsführung? Aber Constantine fand es herzlos, sie daran zu erinnern, dass sie hier nichts mehr zu sagen hatte, und verkniff sich den Gedanken. Hätte Frederick ihn nicht zu sich bestellt, hätte er einen Monat gewartet, statt sie so zu überrumpeln. Jetzt konnte er unmöglich nachgeben.

Sie sog die Luft zischend zwischen ihren Zähnen ein und ihre Wangen röteten sich auf höchst kleidsame Art. Es schien ihr Schmerzen zu bereiten, weiter über dieses Thema zu sprechen. „Dann wollen Sie also tatsächlich heute hier übernachten?“

Er verneigte sich. „Wenn es Ihnen recht ist, Madam.“ Die Bemerkung diente nur ihrer Beschwichtigung. Es stand nicht in ihrer Macht, ihn aus seinem eigenen Haus zu vertreiben, und das wusste sie genau.

Lady Roxdale wandte langsam den Kopf von ihm ab und verbarg ihr Gesicht vor ihm. Das schwache Licht von einem Kerzenleuchter zauberte einen rötlichen Schimmer auf ihr Haar, der ihm zuvor nicht aufgefallen war. Seine Augen folgten der Spur einer langen Locke, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte. Constantine Black strich in Gedanken darüber, bis er ihren Hals erreicht hatte. Er stellte sich vor, wie er mit seiner Fingerspitze in den Schatten ihres Schlüsselbeins eintauchte ...

Bei Gott, sie war trotz ihrer Verschlossenheit, ihrer missbilligenden Blicke und ihrer altjüngferlich steifen Haltung eine schöne und begehrenswerte Frau.

„Jane!“

Überrascht fuhr Constantine Black herum. Er hatte sich so sehr auf ihren Anblick konzentriert, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie sich der große, dunkelhaarige Mann der Bibliothek genähert hatte. Der Mann betrat den Raum und blieb bei Constantines Anblick abrupt stehen.

Lady Roxdale wurde lebendig, als hätte man sie bei irgendeinem Vergehen erwischt. Vor Aufregung sprach sie ganz schnell.

„Beckenham. Darf ich dir Lord Roxdale vorstellen? Mylord, der Earl of Beckenham, ein entfernter Verwandter von mir.“

Während Constantine die Verneigung des Earls erwiderte, spürte er dessen abschätzenden Blick. Der andere Mann wirkte nicht direkt feindselig, eher misstrauisch.

Der Earl of Beckenham stellte sich also nicht in den Kreis jener Gentlemen, die ihn offen mieden. Er verbot sich, Erleichterung zu empfinden, denn es war ihm eigentlich vollkommen gleichgültig, was Beckenham oder sonst wer über ihn dachte.

Natürlich war der Earl durchaus berechtigt, eine Erklärung dafür zu verlangen, was Constantine allein bei Lady Roxdale zu suchen hatte. Merkwürdigerweise forderte er keine.

Stattdessen fixierte er Constantine mit einem dunklen und besorgten Blick. „Sie waren bei der Testamentseröffnung nicht dabei.“ „Nein.“ Er war ihr ferngeblieben, um sich nicht in aller Öffentlichkeit zu präsentieren und dem Klatsch noch mehr Nahrung zu geben. Es wurde schon genug geredet.

Beckenham hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Während er auf und ab ging, schlug er mit einem Handrücken gegen die Innenfläche der anderen Hand. „Dann wissen Sie es noch nicht.“ Constantine verspürte leise Unruhe. „Was denn?“

Beckenhams Gesicht verriet, dass in ihm ein innerer Kampf tobte. „Eine wirklich unglückliche ...“ Er unterbrach sich und räusperte sich kurz. „Aber es geht nicht an, dass ich Ihnen Ratschläge erteile.“ Dann handelt es sich also um schlechte Neuigkeiten, dachte Constantine. Natürlich. Er hätte mit so etwas rechnen müssen, nach all dem, was zwischen ihm und Frederick vorgefallen war.

Constantine biss die Zähne aufeinander. „Ihre Erklärungen würden mir im Augenblick schon genügen.“ Ihm gefiel die Vorstellung besser, die Wahrheit unbeschönigt zu hören, als dem langatmigen juristischen Quatsch zuhören zu müssen, mit dem Fredericks Anwalt ihn wohl überschütten würde.

Constantine Black verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück. Innerlich schüttelte er den Kopf über sich und seinen dämlichen Optimismus. Das Leben hatte es noch immer verstanden, ihn kopfüber ins Verderben zu schubsen, sobald er sich auch nur die geringste Hoffnung machte, endlich ehrbar zu werden.

Jane beobachtete Constantine Black genau, konnte aber nicht das geringste Anzeichen von Bestürzung angesichts von Beckenhams düsteren Worten erkennen. Eine derartige Kälte musste einfach Fassade sein. So gleichgültig konnte niemand sein.

Aber warum betrachtete Beckenham auch sie so ernst? Ihr Wittum war ihr doch sicher. Der Duke of Montford hatte alles im Ehevertrag geregelt. Er hatte es ihr haargenau erklärt. Eines musste man dem Duke lassen: Er gehörte nicht zu denen, die die weibliche Intelligenz unterschätzten.

Beckenham sah sich um und deutete dann auf die Sitzgruppe am Kamin. „Wollen wir uns setzen?“

Jane biss sich auf die Lippen und ließ sich auf einem Sofa nieder. Constantine setzte sich in den Sessel gegenüber und kreuzte ein Bein über das andere. Er fühlte sich offensichtlich wie zu Hause. Der Earl blieb stehen. Er fasste die Lehne des Sessels vor sich und drückte die Arme durch, was seiner Anspannung noch mehr Ausdruck verlieh.

„Zuerst einmal möchte ich Ihnen sagen, dass das nicht richtig war von Frederick. Wenn er mich gefragt hätte, hätte ich ihm davon abgeraten.“

„Wovon?“, fragte Jane. „Beckenham, du sprichst in Rätseln. Wir wissen doch alle, wie er seinen Besitz hinterlassen hat. Es gibt das Fideikommiss mit der Übergabe des ganzen Besitzes an den neuen Lord, dann gibt es mein Wittum und verschiedene kleinere Hinterlassenschaften.“

Er schüttelte den Kopf. „Keineswegs. Das Fideikommiss endet mit Frederick. Bevor der alte Lord Roxdale starb, hat er gemeinsam mit Frederick das Fideikommiss aufgelöst. Dadurch konnte Frederick über den gesamten Besitz nach Belieben verfügen.“

Beckenham fixierte sie mit einem Blick. „Abgesehen von den kleineren Hinterlassenschaften hat Frederick all seine Gelder, seine Wertpapiere und sein Gold dir hinterlassen, Jane. Er hat dich zu einer sehr vermögenden Frau gemacht.“

Jane hatte plötzlich das Gefühl, als würde eine Riesenhand ihre Welt mit aller Macht auf den Kopf stellen und kräftig hin und her schütteln. Ihr wurde schwindelig und die Gedanken schwirrten in ihrem Kopf nur so umher. Natürlich hatte sie damit gerechnet, als Witwe gut versorgt zu sein, aber ein Reichtum dieser Größenordnung war einfach überwältigend.

„Die gravierendsten Folgen betrifft das Landgut“, sagte der Earl of Beckenham an Constantine gewandt. „Kurz gesagt hat Frederick Ihnen, Lord Roxdale, alles Land hinterlassen, das zum Titel gehört, allerdings keine Gelder, um den Besitz zu erhalten.“

Jane hörte kaum den erstickten Laut, der Constantine Black entfuhr. Ihr Magen krampfte sich zusammen. „Was?“, rief sie erschrocken aus. „Aber das kann er doch nicht machen!“

Der Unterhalt des Landguts verschlang gigantische Summen. Ständig mussten Pächtercottages repariert und renoviert werden, für die Landwirtschaft wurden neue Gerätschaften gebraucht, neue Vorhaben mussten finanziert werden. Ganz zu schweigen von dem

Haus. Allein die Gehälter für die Dienstboten verschlangen ein kleines Vermögen.

Jane legte die rechte Hand erschrocken vor den Mund und ließ sie wieder sinken. Oh Frederick! Wie konntest du nur glauben, dass ich das gewollt hätte?

Aber natürlich hatte er es nicht ihretwegen getan. Er hatte es nur getan, um Constantine Black zu bestrafen.

Constantine verschränkte die Arme und lehnte sich im Sessel zurück. „Ist das alles?“

„Leider nein.“ Beckenham seufzte. „Die Weberei ist mit einer hohen Hypothek belastet. Mr Greenslade kann Ihnen die Einzelheiten nennen, aber soweit ich es verstanden habe, wird die Schuld durch Fredericks Tod fällig. Sie haben weniger als zwei Monate Zeit, die volle Summe zuzüglich Zinsen zu begleichen, andernfalls verlieren Sie die Weberei.“

Jane sah Constantine an. Sein an sich so schönes Gesicht war zu einer regungslosen Maske erstarrt. Nur seine grünen Augen blitzten vor Zorn. Sie wollte ihn hier auf Lazenby nicht haben - sie war sich sogar ziemlich sicher, dass sie diesen Mann verabscheute -, aber dennoch empfand sie ein tiefes, ehrliches Mitgefühl für ihn. Er hatte erwartet, ein glanzvolles Vermögen zu erben und nicht eine so schwere Last.

„Gibt es keine Möglichkeit, etwas dagegen zu unternehmen?“, fragte sie. Constantine fügte hinzu: „Aber es stand doch sicher nicht in Fredericks Macht, das Landgut so auf dem Trockenen zu lassen.“ Beckenham löste seinen Griff und begann wieder auf und ab zu gehen. „Ich weiß nicht, Roxdale. In diesem Punkt müssen Sie sich von Ihrem eigenen Anwalt beraten lassen. Vielleicht können Sie gegen diese Entscheidung klagen. Aber derartige Prozesse können Jahre, mitunter ein Leben in Anspruch nehmen. Ganz zu schweigen von den horrenden Anwaltskosten, die auf Sie zukommen würden. Das wäre vielleicht keine sehr brauchbare Lösung.“

„Und was ist mit Luke?“, erkundigte sich Jane. „Hat Frederick für ihn gesorgt?“

Der Earl seufzte laut. „Leider nicht. Aber das ist noch nicht das Schlimmste.“

Er rieb sich den Nacken. „Zum Teufel“, brummte er. „Ich weiß gar nicht, wie ich es dir sagen soll.“

„Was? “, sagte sie scharf und stand auf. „Sag mir sofort, was los ist! “ „Frederick hat Luke unter Lord Roxdales Vormundschaft gestellt.“

Der Schock traf sie wie ein Schlag. Jane fiel in das Sofa zurück und umklammerte die Armlehne. Sie schien nicht in der Lage zu sein, zu atmen. Oh Gott, hat mich Frederick am Ende doch so sehr gehasst? Warum musste er mir das antun?

Welcher halbwegs vernünftige Mensch kam auf die Idee, dass Constantine Black der geeignete Vormund für einen sechsjährigen Knaben sein könnte? Jane hoffte sehr, dass es eine Möglichkeit gab, um Luke vor einem solchen Schicksal zu bewahren.

Sie konnte und wollte diese Nachricht einfach nicht glauben. „Nein!“, stieß sie atemlos hervor. „Dieser Halunke soll Lukes Vormund sein?“

Constantine Black sprang auf und starrte wütend auf sie herab. „Dürfte ich Sie daran erinnern, dass ich noch im Raum bin, Mylady?“, sagte er eisig. Dann wandte er sich dem Earl zu. „Seien Sie bitte so freundlich mir zu erklären, wer um alles in der Welt dieser Luke eigentlich ist und warum ich sein Vormund sein soll? Das kann doch nicht stimmen!“

„Leider doch.“ Beckenham seufzte. „Luke Black ist ein Knabe von sechs Jahren. Er ist irgendein entfernter Verwandter von Frederick und damit auch von Ihnen, Lord Roxdale. Seine Eltern sind früh verstorben, er kam schon als Baby hierher und seither lebt er auf Lazenby.“

Jane erinnerte sich noch gut daran, wie sie Luke das erste Mal gesehen hatte. Mit seinen dicken Beinchen, seinen hinreißenden braunen Augen und seinem zahnlosen Lächeln hatte er ihr Herz im Sturm erobert. Glücklicherweise hatte Fredericks Vater darauf bestanden, dass er bei ihnen blieb. Frederick hätte den Jungen am liebsten sofort wieder weggeschickt.

Verzweifelte blickte sie Constantine an. „Sie können ihn nicht bekommen. Ich nehme ihn mit nach Harcourt.“ Es war einfach unvorstellbar, dass sie von Luke getrennt sein sollte. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass Frederick ihnen beiden so etwas antun könnte.

Er runzelte die Stirn. „Oh, das glaube ich nicht“, sagte er kühl. „Schließlich kenne ich Sie kaum. Woher soll ich wissen, ob Sie geeignet sind, sich um ihn zu kümmern? Ich würde meine Pflichten vernachlässigen, wenn ich ihn einfach ziehen ließe.“ Zu Beckenham gewandt, sagte er: „Ich nehme an, mein Cousin hat nicht festgelegt, dass Lady Roxdale den Knaben in ihrer Obhut behält?“

Schweigend schüttelte der Earl den Kopf.

Constantine neigte den Kopf und betrachtete Jane. „Ich frage mich, warum er das wohl getan hat.“

Zorn und Schmerz durchzuckten sie. Sie sprang auf und ging auf ihn zu. „Frederick muss verrückt gewesen sein, als er das Testament aufsetzte. Das ist der Grund. Sogar Sie müssen doch zugeben, dass er offenbar nicht klar denken konnte. Das zeigt doch schon die Art und Weise, wie er seinen Besitz hinterlassen hat. Es gibt keine andere Lösung, Sie müssen das Amt niederlegen und mich an Ihrer Stelle einsetzen.“

Er blickte ihr kalt in die Augen. „Nein.“

Sie starrte ihn an. Die unerbittliche Entschlossenheit in seinem Blick war nicht zu verkennen. Janes Brust zog sich ängstlich zusammen. Ihr Herz pochte schwer. Würde er Luke behalten, nur um sie zu ärgern? So herzlos konnte nicht einmal Constantine Black sein.

Der Earl of Beckenham räusperte sich. „Lord Roxdale zu bitten, die Vormundschaft abzulehnen, war auch mein erster Gedanke, Jane. Aber es ist leider unmöglich.“

Sie sah scharf auf. „Warum?“

„Frederick hat für den Fall einen Ersatz bestellt.“

„Wen?“ Jane war bereit, gegen jede Menge Blacks zu kämpfen, wenn sie Luke dafür bekam.

„Lord Endicott.“

Constantine lachte sarkastisch. „Diesen Schwächling? Meine liebe Lady Roxdale, meine Tante würde ihrem verweichlichten Sohn niemals erlauben, dass er Ihnen den Knaben überlässt.“

Er hatte recht. Panische Angst ergriff sie und schnürte ihr die Kehle zu. Endicott war bekannt dafür, fest am Schürzenzipfel seiner Mutter zu hängen. Lady Endicotts einzige Lebensaufgabe bestand darin, sich in die Leben anderer Leute einzumischen und sie ihnen möglichst schwer zu machen. Außerdem besaß sie einen übergroßen Familienstolz. Sie würde eher sterben, als ihrem Sohn zu gestatteten, einen Black einer Westruther zu überlassen, vor allem, wenn es sich dabei um Jane Westruther handelte.

Der Mann, der gerade so erbost und dennoch mit selbstgerechtem Blick vor ihr stand, war offenbar das kleinere der beiden Übel.

Wie aber konnte sie ihn dazu bringen, ihr Luke zu überlassen? Und selbst wenn es ihr gelang, welche Garantie hatte sie, dass er nicht irgendwann später seine Rechte als Vormund geltend machte und ihr Luke doch noch wegnahm?

Jane krächzte schrill. „Für diese Entscheidung könnte ich Frederick umbringen!“

„Eine noch überflüssigere Bemerkung kann ich mir kaum vorstellen“, sagte Constantine kalt.

Jane warf ihm einen wütenden Blick zu. Sie hatte den äußerst un-ziemlichen Wunsch, ihn zu ohrfeigen.

Seine Mundwinkel hoben sich. „Na los“, sagte er sanft.

Jane wandte den Blick von seinen spöttischen grünen Augen zu seinen wunderschön geformten Lippen. Ihre Handflächen juckten. Nur zu gerne würde sie ihm dieses schiefe Lächeln aus dem Gesicht wischen.

Die Zeit schien einen Moment lang stillzustehen. Es knisterte zwischen ihnen vor Herausforderung. Einige Minuten verstrichen, bis sich der Earl betont räusperte.

Jane schüttelte sich und wandte sich Constantine zu, wobei sie ihre Worte sorgfältig abwog: „Ich möchte Sie um etwas bitten! Bitte sagen Sie Luke noch nichts von Ihrer Vormundschaft, ehe wir die Sache untereinander geregelt haben. Auch wenn ich nicht sein Vormund bin, kenne ich ihn doch am besten. Ich möchte entscheiden, wann und wie wir ihm die Neuigkeiten beibringen.“

Constantine verneigte sich. „Wie Sie wünschen, Mylady.“ Beckenham ging auf Constantine zu: „Dürfte ich vorschlagen, dass Sie sich mit Fredericks Anwalt, Mr Greenslade, beraten? Er erwartet Sie im Musikzimmer.“

„Das werde ich.“ Constantine stellte sein beinahe leeres Glas sorgfältig auf der Anrichte ab und verneigte sich vor beiden. Jane wandte sich ab, sie war zu verstört für diese gesellschaftlichen Feinheiten. Das scharfe Klicken der Tür verriet ihr, dass er gegangen war.

Sie hob den Blick. „Er könnte mir doch das Sorgerecht überlassen, selbst wenn er weiter sein Vormund bliebe, oder? Es gibt doch keinen Grund, warum er Luke bei sich haben müsste, oder?“

Dieser Halunke wollte sie sicherlich nur provozieren! Wenn er richtig darüber nachdachte, würde Constantine sicher schnell erkennen, dass er sich nicht mit der Erziehung eines kleinen Jungen belasten wollte. Wie könnte sie ihn nur davon überzeugen, ihr das Sorgerecht zu überlassen? Wenn es um Geld ging, würde sie ihm für Luke ihr gesamtes Erbe überlassen.

Sie leckte mit der Zunge nachdenklich über ihre Lippen. „Ich bezahle ihn“, sagte sie laut. „Ich gebe ihm mein ganzes Vermögen, wenn er mir Luke lässt.“

Beckenham schüttelte den Kopf. „Das kannst du nicht, Jane. Frederick hat eine Vermögensverwaltung eingerichtet und festgelegt, dass das Geld für deinen Lebensunterhalt bestimmt ist. Du kannst es nicht einfach weggeben. Die Treuhänder würden es nicht erlauben.“ Der Earl rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Augen. Er sah so ernst aus, dass Jane alle Hoffnung schwinden sah. Ihr verlässlicher Cousin hatte sich immer um alles gekümmert. Wenn er nun glaubte, dass es diesmal keine Lösung gab, dann ...

Beckenham zögerte und senkte den Blick. „Wenn du allerdings heiratest, würde die Vermögensverwaltung auf deinen Ehemann übergehen.“

Die Worte trafen sie wie ein gewaltiger Schlag. Jane fühlte sich benommen.

„H...Heirat?“, wiederholte sie schwach. „Ich soll Constantine Black heiraten?“

Er atmete seufzend aus. „Nein. Natürlich nicht. Niemand würde das ernsthaft von dir erwarten. Es ist nur, Jane, es würde all deine Probleme lösen, und Roxdales auch. Wenn du ihn heiratest, ist der Besitz wieder vereint und du würdest Luke bekommen.“

Wie betäubt suchte Jane Halt am Kaminsims neben ihr. Ihre Knie wurden weich und drohten jeden Augenblick nachzugeben. Vielleicht war eine Heirat wirklich der einzige Weg, Luke zu behalten. Andererseits war sie gerade erst der Ehe mit einem Mann entkommen, der sich nicht das Geringste aus ihr gemacht hatte. Sie wollte sich nicht in eine weitere lieblose Verbindung stürzen! Und noch dazu mit einem Mann wie diesem.

Jane war versucht, sich Luke zu schnappen und zu verschwinden. Aber wovon sollten sie leben? Ihr Geld stand unter treuhänderischer Verwaltung. Selbst wenn sie einen Weg finden konnte, den Lebensunterhalt für sie beide zu bestreiten, wären sie doch ständig auf der Flucht. Nein, unter diesen Umständen wäre Luke selbst bei Constantine Black besser aufgehoben.

Beckenham trat zu ihr und umfasste ihre Schulter mit beiden Händen. „Ich kann kaum in Worte fassen, wie leid es mir tut, dass es so weit gekommen ist. Glaub mir, ich würde alles tun, um dir zu helfen. “

Der gute treue Beckenham... Sie nahm seine rechte Hand und legte sie in die ihre. „Danke, Beckenham. Danke, dass du es mir gesagt hast.“

Er winkte ab. Sein Blick war besorgt. „Montford erwartet dich im Grünen Salon“, sagte er sanft. „Ihr habt Wichtiges zu besprechen.“

Jane konnte dem Duke jetzt nicht gegenübertreten. Ihm ging es doch nur um ihre Erbschaft und ihr Geld, aber auf solche Nebensächlichkeiten konnte sie sich jetzt nicht konzentrieren. Sie dachte einzig und allein daran, wie sie Luke behalten konnte.

„Dann wird Seine Gnaden sich wohl noch etwas gedulden müssen“, sagte Jane spitz. Wenn es möglich war, sogar die ganze Nacht.

Ihr Cousin wollte sie überreden, doch sie gebot ihm mit flatternder Hand Einhalt. „Bitte, Beckenham, ich bekomme gerade furchtbare Kopfschmerzen. Ich kann mich jetzt nicht mit dem Duke befassen.“ Er sah sie kurz an und nickte dann. „Ich werde ihm ausrichten, dass es dir nicht gut geht.“

Der Earl beugte sich vor, um sie brüderlich auf die Wange zu küssen. „Ruh dich ein bisschen aus. Morgen können wir uns dann mit allen noch offenen Fragen befassen.“

Sie nickte und rang sich ein dankbares Lächeln ab.

Doch an Ausruhen war wirklich nicht zu denken. Sie musste einen Weg finden, wie sie Luke behalten konnte. Sie brauchte einen Plan.

Constantine Black heiraten? Sie schauderte. Es musste doch noch eine andere Lösung geben.

„Zum hundertsten Mal, George, nein!“ Constantine unterdrückte nur mit Mühe seinen Zorn und zwang sich, verständnisvoll zu lächeln.

Warum konnte dieser edelmütige Idiot von einem Bruder nicht akzeptieren, dass er niemals in Erwägung ziehen würde, Broadmere zu verkaufen? Doch sein sonst so ausgeglichener Bruder konnte regelrecht halsstarrig werden, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.

George funkelte ihn wütend an. „Es ist deine einzige Möglichkeit zu verhindern, dass dieses Anwesen hier verkommt.“

Constantine schüttelte seinen Kopf. „Ich würde lieber alles vor die Hunde gehen lassen, als unseren alten Familiensitz zu verkaufen, schließlich wohnst du dort. Für wen hältst du mich eigentlich?“ Er lächelte kühl. „Nein, antworte lieber nicht.“

Constantine wandte sich langsam zum Fenster und sah hinaus in die regennasse Landschaft. Lazenby gehörte nun ihm. Er hatte sich geschworen, dass er hier einen neuen Anfang wagen wollte. Seine erste Amtshandlung als neuer Besitzer sollte nicht darin bestehen, dass er eine größere Einkommensquelle preisgab. Er würde einen Weg finden, die Weberei zu retten. Er musste es.

Mochte die Not auch noch so groß sein, er würde niemals das Haus verkaufen, das sich seit Generationen im Besitz seiner Familie befand, in dem er und seine Geschwister aufgewachsen waren und in dem Georges Familie und ihre Mutter noch immer wohnten. Das Haus, das Constantine seit jenem Unglücksabend nicht mehr gesehen hatte.

Als sein unehrenhaftes Zusammentreffen mit Miss Flockton bekannt wurde, hatte sein Vater ihn aus Broadmere verbannt und erklärt, er wolle das Anwesen an George weitervererben. Leider war der alte Herr gestorben, bevor er sein Testament ändern konnte. Als älterer Sohn hatte Constantine alles geerbt.

Doch Constantine hatte den Wunsch des Vaters respektiert und Broadmere als den Besitz seines Bruders angesehen. George jedoch erwies sich als störrisch. Er wollte Constantine daran hindern, den Besitz offiziell auf ihn zu übertragen.

George hing der albernen, selbstlosen Hoffnung nach, dass Constantine irgendwann nachgeben und den Letzten Willen ihres sterbenden Vaters ignorieren würde. Stattdessen hatte Constantine alles in den fähigen Händen seines Bruders belassen und sich geweigert, mehr als den Erbteil eines jüngeren Sohnes anzunehmen. Er hatte nie wieder einen Fuß auf den Boden von Broadmere gesetzt.

Und nun sollte er Broadmere verkaufen, um Lazenby zu retten? Niemals! Eher würde er diese griesgrämige Eisjungfer heiraten. Genau das taten Männer in seiner Lage doch! Sie gingen strategische Bindungen ein im Austausch für Stammbaum, Geld oder Ansehen. Warum sollte er es anders halten?

Aber etwas in ihm sträubte sich gegen die bloße Vorstellung. Er hatte einst sehr viel aufgegeben, um eine schlechte Ehe zu vermeiden. Was für eine bittere Ironie, dass ihm das Schicksal diesen Ausweg nun ein zweites Mal bot. Diesmal jedoch stand nicht nur sein eigener Ruf auf dem Spiel.

„Wenn du Broadmere nicht verkaufst, verlierst du die Weberei“, beharrte George. „Willst du deine Pächter etwa deinem Stolz opfern?“

Stolz? Hier ging es nicht um Stolz. Das einzig Gute, was er jemals getan hatte, war, den Familiensitz an George weiterzugeben. Er wollte verdammt sein, wenn er das nun auch noch verdarb.

Er biss die Zähne zusammen. „Ich finde einen anderen Weg.“

In einem Punkt aber hatte George leider recht. Constantine brauchte eine größere Geldspritze. Und zwar sofort.

Laut Greenslade hatte Frederick bei einem gewissen Bronson, einem Fabrikbesitzer aus dem Norden, eine Hypothek auf die Weberei und einige Morgen Land aufgenommen. Mit Fredericks Tod wurde diese Schuld sofort fällig. Schuld und Zinsen erreichten zusammen eine gigantisch hohe Summe und mussten innerhalb von fünfundvierzig Tagen zurückgezahlt werden. Konnte Constantine das Geld in dieser Zeitspanne nicht auftreiben, würde die Hypothek verfallen und Bronson die Weberei übernehmen.

Was zum Teufel hatte Frederick sich nur dabei gedacht, die Weberei so hoch zu belasten? Er hatte damit den Lebensunterhalt aller

Bewohner des Landguts aufs Spiel gesetzt. Schlimmer noch, er hatte Constantine das ganze Schlamassel in den Schoß geworfen und ihm gleichzeitig das Geld vorenthalten, die riesige Schuld zu bezahlen.

Wohin war das Geld aus dieser Hypothek geflossen? In die Schatullen einer gewissen Lady Roxdale? Bei dem Gedanken presste Constantine grimmig die Lippen zusammen.

Und dann war da noch die Sache mit Lucas Black. In diesem Punkt hatte die Eisjungfer allerdings recht: Wie konnte Frederick nur so dumm gewesen sein, zu glauben, Constantine könnte der passende Vormund für einen Sechsjährigen sein?

Constantine war weit davon entfernt, zu glauben, Lady Roxdale wäre geeignet, sich angemessen um einen sechsjährigen Knaben zu kümmern. Bisher hatte er noch keinen sonderlich mütterlichen Zug an ihr feststellen können. Frederick hatte sicher gute Gründe gehabt, sie nicht als Vormund für das Kind einzusetzen.

George biss die Zähne zusammen. „Wenn du es mir nur einfach erlauben würdest!“

„Ich muss mir die Bücher und das Anwesen ansehen“, unterbrach ihn Constantine. Er hatte keine Lust, diesen sinnlosen Streit fortzusetzen. „Es muss einen Weg geben, das Geld zurückzugewinnen und die Schuld zu begleichen. Ich habe in Aktien investiert.“

Er kniff die Augen zusammen. Einige dieser Investitionen mussten sich erst noch rentieren. Wenn er sie jetzt verkaufen würde, machte er vielleicht sogar Verluste. Außerdem waren seine Investitionen für eine so große Schuld bei Weitem nicht ausreichend. Vielleicht war er sogar gezwungen, zu spekulieren. Das würde George nicht gefallen.

Er sah seinen Bruder streng an. „Ich will nichts mehr über einen Verkauf von Broadmere hören. Bei nächster Gelegenheit weise ich meinen Anwalt an, die Dokumente für die Übertragung aufzusetzen.“

George schlug mit der Faust auf den Tisch. „Ich werde dein rechtmäßiges Erbe nicht annehmen. Verdammt, Constantine! Du bist genau wie unser Vater! Du bist so blind vor Stolz, dass du Vernunftgründen nicht mehr zugänglich bist.“

Die Worte seines Bruders trafen Constantine wie Messerstiche. Er sollte nicht anders sein als sein stocksteifer, unversöhnlicher Vater? Normalerweise hätte er gelacht und die Spitze an sich abgleiten lassen. Doch es war George, der vor ihm stand, sein größter und einziger Verbündeter.

Er spürte, wie ein unbändiger Zorn in ihm aufstieg. Mit der brutalen Absicht, seinen Bruder zu beleidigen, verzog Constantine spöttisch die Lippen. „Allmählich finde ich dich noch ermüdender als unsere Tante. Geh heim zu deiner Familie, George. Lass mich meinen eigenen Weg gehen.“

Einen langen Augenblick stand George sprachlos vor Wut und Enttäuschung da.

Constantine hob eine Augenbraue, als wollte er sagen: Na, worauf wartest du noch?

Mit einem scharfen Fluch machte George auf dem Absatz kehrt und eilte zur Tür. „Geh du nur ruhig deinen eigenen Weg“, stieß er hervor. „Aber dann kannst du auch direkt in die Hölle gehen.“