19. Kapitel
Jane brauchte eine Weile, bis sie wieder bei Sinnen war.
„Reden?“, sagte sie vage. Jetzt? Wo sie so viel nachzuholen hatte?
„Ja. Ich möchte dir erzählen, was damals wirklich passiert ist.“ Er nahm das Tablett und stellte es auf dem Tisch am Fenster ab. Dann zog er die Breeches aus und kroch zu ihr ins Bett.
Sie versuchte den Blick von gewissen interessanten Körperteilen abzuwenden. Es wäre unhöflich, sie anzustarren. Und natürlich hatte er die Decke bis zur Taille hochgezogen, sodass sie keine Gelegenheit hatte, sich weiter unten umzusehen. Jane seufzte. Sie hatte noch so viel zu lernen.
Ein Zucken um seine Mundwinkel verriet, dass er den Grund für ihren Seufzer erraten hatte. Jane errötete.
„Du wolltest mir etwas erzählen!“, ermunterte sie ihn.
Sein Blick wurde grimmig. „Ich muss.“ Er hielt inne. „Du hast mich gebeten, dir von dem Skandal damals zu erzählen, der zu meinem Ausschluss aus der Gesellschaft geführt hat. Man könnte sagen, es ist eine Variation von ,Wer einmal lügt.“
Verblüfft drehte sie sich auf dem Kissen. „Wie meinst du das?“ Constantine lehnte sich in die aufgetürmten Kissen. Er hatte einen Arm unter den Kopf, den anderen um Jane gelegt.
Er atmete lang aus. „Ich war als junger Mann wirklich sehr wild. Ich langweilte mich. Ich hatte zu viel Geld und viel zu früh entdeckt, dass ich die Frauen liebte. Schon in Eton wäre ich wegen diverser Vergehen beinahe hinausgeflogen, deswegen weigerte sich mein Vater auch, mich nach Oxford zu schicken. Er sagte, ich würde dort nur meine Zeit verschwenden, genau wie auf dem Internat.“
Meine Streiche sprachen zwar nicht unbedingt für mich, aber sie waren größtenteils harmlos. Ich wuchs aus ihnen heraus, doch mein Vater war ein strenger, selbstgerechter Mann und hat das nicht erkannt. Er dachte, dass sich mein Charakter mit siebzehn Jahren nicht mehr ändern würde.“
„Das scheint mir ziemlich streng“, sagte Jane. „Meine Cousins haben auf dem Internat und der Universität jede Menge Unsinn
angestellt. Ich glaube nicht, dass es ihnen geschadet hat.“
„Aber dann kam Amanda.“ Er lachte bitter. „Himmel, sie war der Traum eines jeden Mannes und die Schönheit der Saison. Ihre Eltern waren weder adelig noch wohlhabend, doch sie investierten alles, was sie besaßen, um ihrer außergewöhnlichen Tochter Gelegenheit zu einer großartigen Partie zu geben. Sie waren fest entschlossen, dass sich diese Investition lohnen sollte.“
Normalerweise wäre Jane eifersüchtig auf die so angepriesene junge Dame gewesen, doch der beißende Sarkasmus in seinem Ton stellte klar, dass Constantine nichts mehr für sie empfand.
„Was ist passiert?“
„Ich habe mich natürlich Hals über Kopf in sie verliebt“, sagte Constantine. „Ich war nicht die großartige Partie, die ihre Eltern sich für sie gewünscht hatten, doch in den Monaten, die sie schon in London waren, musste ihnen klar geworden sein, dass ein Mädchen, das weder über eine große Mitgift noch über gute Verbindungen verfügt, kaum ein Adelskrönchen erlangen konnte. Die Blacks sind eine alte Familie und der Besitz in Broadmere, den ich einmal erben sollte, war groß und wohlhabend. Vermutlich dachten sie, ich wäre ihre beste Chance. “ Jane hatte das Gefühl, sie wüsste, was nun kam.
Er grinste spöttisch. „Es war so grotesk, so unnötig. Ich wollte ihr einen Heiratsantrag machen, sobald ich den Segen meines Vaters dazu eingeholt hatte. Er machte Schwierigkeiten. Als ungestümer junger Mann dachte ich natürlich, dass er fest entschlossen war, mir in allem Steine in den Weg zu legen. Rückblickend denke ich, dass er Amandas Eltern wohl für geldgierig und habsüchtig gehalten hat. Ich wusste es, Amanda hatte einige Male darüber geklagt, aber es war mir egal. Ich wollte ihr Ritter in schimmernder Rüstung sein.“ Er verzog den Mund. „Aber sie war leider keine Prinzessin.“
Er griff nach dem Weinglas auf dem Nachttisch und bot es Jane an, sie schüttelte den Kopf. Er nahm einen tiefen Schluck. „Du hast sicher gehört, dass ich Amanda auf einer Hausgesellschaft kompromittiert habe. In Wirklichkeit aber, und das ist nur für deine Ohren bestimmt, hat sie mich kompromittiert.“
Er stellte das Glas ab und schnaufte. „Ich war mit zwanzig Jahren noch so grün hinter den Ohren, dass mir der Gedanke, eine vornehm geborene Frau zu verführen, vollkommen fremd war. Ich war vielleicht wild, aber ich war kein Narr. Ich wusste, dass es alle Grenzen des Erlaubten überstieg, eine Dame zu kompromittieren. Ich konnte es nicht fassen, als sie einfach so mitten in der Nacht in meinem Schlafzimmer auftauchte.“
„Und ihr wurdet erwischt“, sagte Jane und nahm seine Hand. „Ja.“ Er streichelte ihre Handfläche mit dem Daumen. „Das war natürlich so geplant. Zwischen uns ist gar nichts passiert, aber ihre bloße Anwesenheit genügte für einen Skandal. Das Lustigste ist, dass ich den Plan überhaupt nicht durchschaut hätte, wenn Amanda sich ihren Triumph nicht gar so sehr hätte anmerken lassen. Sie hat es mir sogar erzählt. Sie hat sich nie etwas aus mir gemacht. Sie war ebenso ehrgeizig wie ihre Eltern und doppelt so schlau, denn im Gegensatz zu ihnen hat sie sich nie auch nur die geringste Blöße gegeben.“ Angeekelt senkte er die Mundwinkel. „Ich war so voller Leidenschaft. Ich habe wirklich geglaubt, dass ich sie liebe. Ich war sogar bereit, mit meiner Familie zu brechen, wenn ich sie anders nicht zur Frau bekommen konnte. Und sie hat mich nur benutzt und ausgelacht.“ Jane tat es in der Seele leid um jenen wilden, leidenschaftlichen jungen Mann. Sie wurde zornig, als sie an Amanda dachte, die mit ihrer Gier seinen guten Ruf zerstört hatte. Sie nahm seine Hand.
Er sah auf sie herab, dann auf ihre ineinander verschlungenen Finger. „Ich war erfüllt von Schmerzen und verletztem Stolz. Ich wusste, dass Amandas Ruf ruiniert war, aber ich konnte mich nicht dazu durchringen, sie nach allem zu heiraten.“
„Vermutlich haben alle auf dich eingeredet.“
„Ich musste mir viele strenge Predigten anhören, ich wurde beschimpft und beleidigt. Sogar gute Freunde haben mich auf der Straße geschnitten. Ich habe so getan, als wäre mir das egal. Ich habe mich mit Menschen angefreundet, denen meine Moral völlig gleichgültig war, aber bei ihnen habe ich mich nie wirklich heimisch gefühlt.“ „Und dein Vater?“
Er biss die Zähne zusammen. „Rückblickend glaube ich, dass er zuerst versucht hat, mich zu verstehen. Zwischen all seinen Zurechtweisungen hat er immer wieder eine Erklärung gefordert. Ich hab ihm keine gegeben. Amandas List zu offenbaren hätte sie gänzlich unmöglich gemacht. Aber es war mehr als das. Es hat mich verletzt, dass mein Vater mir zugetraut hatte, ich könnte Amanda entehren. Er wusste doch, dass ich sie heiraten wollte. Ich dachte, er würde mich besser kennen.“
„Wer einmal lügt...“
„Genau. Aufgrund meiner dummen Jungenstreiche haben sie mir das Schlimmste zugetraut. So wurde ich ein Ausgestoßener, ein Halunke, dessen Name nur noch mit Skandalen in Verbindung gebracht wurde. Ich musste aus meinen Clubs austreten. Die Orte, an denen ich noch willkommen war, waren meist Orte, zu denen ich nicht gern ging. Nur mein Bruder George hat zu mir gehalten.“ „Und die anderen?“
Er seufzte. „Meine Schwestern waren überzeugt, dass ich ihre Chancen auf eine gute Partie zerstört hatte. Sie meiden mich seither. Meine Mutter ...“ Jane tat es in der Seele weh, den Schmerz in seinem Gesicht zu sehen. „Nun, sie hat sich schon vor dem Skandal nicht gegen meinen Vater aufgelehnt. Ich habe sie seither nicht mehr gesehen. Mein Vater hat mich verstoßen und von dem Familiensitz vertrieben. Er war gerade dabei, mich aus seinem Testament zu streichen, als er starb.“
„Constantine, das tut mir so leid“, wisperte sie. „Das ist also der Grund, warum du nie mehr dort warst.“
Er zuckte mit den Schultern. „George sollte Broadmere bekommen. Soweit es mich betrifft, kann er das Erbe haben. Die letzten zwölf Jahre habe ich nur die Apanage eines jüngeren Sohnes abgehoben. Vielleicht hätte ich keinen Penny annehmen sollen, so, wie es der Wille meines Vaters war, aber George weigerte sich, das Haus anzunehmen, wenn ich es nicht tat. Jetzt, wo ich Lazenby Hall geerbt habe, möchte ich George dazu überreden, Broadmere auch offiziell in Besitz zu nehmen, ein für alle Mal.“
Kein Wunder, dass Frederick Constantine für einen nachlässigen Gutsherrn gehalten hatte. Jetzt ergab alles einen Sinn. „Dann hast du die ganze Zeit von der Apanage eines jüngeren Sohns gelebt.“ „Zuzüglich der Profite, die ich an der Börse eingestrichen habe.“ Sie starrte ihn an. „Also nicht am Spieltisch.“
Er lachte. „Ich mag ja ein Narr sein, aber ich bin nicht dumm. Wenn ich spiele, dann sorge ich dafür, dass ich nicht jenseits meiner Möglichkeiten setze. Sonst wäre ich längst pleite.“
Sie nickte in Gedanken. „Hast du je bereut, sie nicht geheiratet zu haben?“
Er schüttelte den Kopf. „Damals habe ich natürlich bedauert, was ich alles verloren hatte. Aber nein, ich habe nicht bereut, dass ich Amanda nicht geheiratet habe. Und sie sollte auch froh darüber sein. Ich hätte einen furchtbaren Ehemann abgegeben, nachdem meine Liebe in Hass umgeschlagen war. Manchmal habe ich mich gefragt, ob ich sie hätte heiraten und dann einfach von ihr getrennt hätte leben sollen, so wie es andere Männer tun.“ Er drehte den Kopf und hob ihre Hand an die Lippen. „Aber jetzt bin ich froh, dass ich es nicht getan habe. Wegen dir.“
Freude stieg in ihr auf. Sie strahlte in einem hellen Lächeln aus ihr heraus.
Sein Blick brannte sich in ihren. „Mein Gott, Jane, wenn du mich so anlächelst, bekomme ich keine Luft mehr, so sehr begehre ich dich.“
Sie umfasste sein Gesicht mit beiden Händen. „Ich liebe dich, Constantine. Komm, schlaf mit mir.“
Noch bevor er antworten konnte, küsste sie ihn in der Angst, er könnte ihre Liebe zurückweisen oder ihr eine unpassende Antwort geben. Die einzige Antwort, die sie zufriedenstellen würde, waren jene drei Worte.
Was für eine erschreckende Erkenntnis das war.
Als er sie vorhin genommen hatte, hatte es sich angefühlt, als würde er sie lieben, aber sie wusste, dass sie sich in dieser Hinsicht leicht täuschen konnte. Einem Casanova fiel es sicher leicht, eine Frau glauben zu lassen, er bete sie an.
Constantine strich ihr den Morgenrock von den Schultern und küsste ihre Haut vom Hals abwärts hinab. Er verweilte lange an ihren Brüsten, hielt inne, um sanft ihren Nabel zu lecken. Jane fühlte sich umgeben von sinnlichem Nebel, der sie all ihre Sorgen vergessen ließ.
„Oh“, keuchte sie. „Das ist sündhaft!“
Sein warmer Atem kitzelte sie am Bauch, als er lachte. „Du Unschuld.“ Dann ließ er die Lippen zu ihrer Hüfte wandern und küsste sanft die Außenseiten ihrer Oberschenkel.
Sie bewegte sich rastlos. Sie spürte, wie erwartungsvoll ihre Mitte pulsierte. Als sie plötzlich seine Zunge an der Innenseite ihrer Schenkel spürte, breitete sich die Wärme in ihrem ganzen Körper aus. Sein unrasiertes Kinn kratzte ein wenig, aber auf eine so angenehm prickelnde Art, dass ihre Erwartung nur noch größer wurde.
Sie brauchte ihn. Sie wollte ihn. Sie war bereit. Er brauchte zu lang. Sie legte ihm die Hand auf den Kopf und versuchte ihn zu sich nach oben zu ziehen, damit sie mit dem schönsten Teil beginnen konnten, aber er lachte nur und blieb, wo er war.
„Ich will dich!“ Sie keuchte und wand sich vor Begierde, bis er ihre Oberschenkel packte und sanft auseinanderzog.
Sein Atem fächelte heiß über ihre Knospe, als er die feuchten Lippen sanft teilte. Jane riss die Augen auf. „Oh Gott! Was machst du da?“ Sie rutschte im Bett nach oben, um sich seiner forschenden Zunge zu entziehen.
Constantine zwinkerte ihr lüstern zu und stützte sein Kinn in die Hand. „Es wird dir gefallen, versprochen.“
„Du kannst doch nicht einfach ...“
Er hob die Brauen.
„Das ist unanständig!“
„Anstand hat im Schlafzimmer nichts zu suchen. Jedenfalls nicht in unserem.“ Er umfasste ihre Knöchel und begann, sie nach unten zu ziehen. Jane klammerte sich am Kopfbrett fest, entschlossen, etwas so Ruchloses nicht mit sich machen zu lassen.
Belustigt kniff er die Augen zusammen, doch sein störrisch gestrecktes Kinn verriet, dass er sie nicht würde entkommen lassen. Er stützte sich auf Knie und Ellbogen und kroch auf sie zu wie ein grünäugiges Raubtier. Jane riss die Augen lodernd vor Leidenschaft auf, ihre Brust zog sich vor köstlicher Panik zusammen. Constantine hatte offensichtlich nicht die Absicht, den Gentleman zu spielen und ihren Wünschen zu entsprechen.
Er beugte sich vor, um sie auf die Wange zu küssen, dann leckte er spielerisch über ihr Ohrläppchen. Die Lippen noch an ihrem Ohr flüsterte er: „Du möchtest doch, dass ich dich lehre, Lust zu empfinden, Jane. Ich kann dir so viel beibringen.“
Er küsste sie auf den Hals und biss dann sanft in die zarte Haut. Jane keuchte auf.
„Gefällt dir das?“
Sie nickte.
Er bewegte sich weiter nach unten. „Und das?“ Er nahm ihre linke Brustspitze zwischen die Lippen und saugte daran, bis die Lust von dieser sensiblen Stelle in einem feurigen Strom in ihren Unterleib schoss.
Sie wand sich unter ihm.
Er legte eine Hand auf ihren Hügel, kreiste sanft mit der Fingerspitze um ihre Knospe, ließ die Spannung in ihr anwachsen.
Seine Lippen streiften abwechselnd über ihre Brüste. „Fühlt sich das gut an?“
Sie legte den Kopf in den Nacken. „Oh. Ja.“
„Stell dir vor, wie es wäre, wenn ich dich dort unten küssen würde.“ Sie bekam keine Luft mehr. Sie konnte nicht mehr sprechen. „Wie würde es sich anfühlen, wenn jetzt nicht meine Fingerspitzen, sondern meine Zunge und meine Lippen dich berührten? Ich will dich schmecken, Jane. Ich will dich spüren.“
Hilflos vor Sehnsucht und Verlangen wimmerte sie. Sie wusste nicht, wie sie ihm antworten sollte. Wenn er sie so berührte und diese sündigen Dinge sagte, explodierte ihre Lust. Ihr Widerstand zerfloss.
Er küsste sanft ihren Bauch, während seine langen Finger ihre Knospe liebkosten.
„Vertraust du mir?“
Sie konnte ihm nicht mehr antworten.
Doch Constantine ließ nicht locker. „Vertraust du mir?“
„Ja. Ja.“
„Dann lass es mich tun.“
„Ja.“
Er schob sich zwischen ihre Beine. Mit der Zunge strich er sanft über ihre Haut, teilte die Lippen und umkreiste sie. Er liebkoste ihre Knospe, erforschte und erprobte alles in ihr. Jane fühlte sich wie entflammt und in diesem lodernden Feuer des Verlangens erstarb der letzte Rest ihres Schamgefühls.
Sobald er einen Punkt entdeckte, bei dem sie seinen Namen stöhnte, verharrte er dort gnadenlos. Jane spürte, dass sie vor heißer Begierde vergehen würde, dass sie brennen würde, bis von ihr nichts mehr übrig war als ein Häuflein Asche.
Flüchtig berührte sie seine Haare. Dann ließ sie die Hand sinken, als die Lust wie ein Feuerball in ihr explodierte, ihren Körper erschütterte und ihren Verstand auslöschte.
Im nächsten Moment war er in ihr und entfachte das Feuer aufs Neue, schürte die Flammen und stieß so langsam und so tief in sie hinein, bis sie ein zweites Mal aufschrie. Dann wurde alles um sie herum schwarz und leicht. Im Feuersturm ihres Höhepunkts verlor sie jeden Sinn für die Welt.
Jane lächelte, als er sich neben sie sinken ließ. Sie hatte einen Teil von sich an ihn verloren und sie wollte ihn niemals zurück.
In den darauffolgenden Tagen wurde Janes Liebe zu Constantine nur noch größer. Die Art, wie er die Situation nach dem Dammbruch rund um Bronsons Fabrik gemeistert hatte, nötigte sogar Montford Respekt ab. Jedenfalls sagte der Duke nichts mehr über Constantines mangelnde Eignung, bevor er Lazenby Hall verließ.
Tagsüber ging Constantine seiner Arbeit nach. Er beaufsichtigte die Reparaturen und Renovierung der Cottages, da Mr Trent offenbar zu dringenden Geschäften nach London gerufen worden war. Er hatte das Gut verlassen.
Aufgrund ihrer Verlobung war Constantine zu Geld gelangt. Die Vorbereitungen für die Inbetriebnahme ihrer eigenen Fabrik waren in vollem Gang. All die Weber von Lazenby, die gezwungen gewesen waren, bei Bronson zu arbeiten, wollten unbedingt zurück. Um nicht noch die eigenen Weber zu verlieren, sah sich Bronson gezwungen, seine Löhne an Constantines anzupassen.
Doch auch inmitten all dieser Betriebsamkeit vergaß Constantine nie das Opfer der Flut, jene Frau, die er nicht hatte retten können.
Er bestellte einen Gedenkgottesdienst in der Dorfkirche und legte Blumen auf Hester Martins Grab.
Nachts aber wurde Constantine Janes dunkler und sündiger Liebhaber. Er brachte sie dazu Dinge zu tun, die sie sich nie hätte vorstellen können. Sie entdeckte ungeahnte Gefühle in sich, die sie unendlich genoss. Ihre kleine enge und strenge Welt war plötzlich voller Genuss. Es übertraf alles, was sie sich erhofft hatte, als sie um seine Hilfe gebeten hatte.
Doch die Liebe hatte sie gierig gemacht. Sie wollte, dass er sie liebte. Er hatte diese Worte nie gesagt und hatte nie auf ihre spontane Liebeserklärung reagiert. Er tat so, als habe er nichts anderes als sie im Kopf, als wäre ihr Glück für ihn lebensnotwendig. Doch die Worte sagte er nicht.
„Woran denkst du?“
Sie blickte auf und sah Constantine, der sie über den Tisch hinweg anlächelte.
„Oh, ich war in Gedanken weit weg. Verzeih.“ Sie nahm ihren Löffel und tauchte ihn in die Suppe. Sie hatte nicht die Absicht, ihm ihre Gedanken zu offenbaren.
Mit Blick auf Lady Arden ließ Constantine das Thema fallen. Er nahm einen Schluck Wein. „Ich möchte dich nächste Woche mit nach London nehmen, Jane. Würde dir das gefallen?“
„London?“ Ihre Augen weiteten sich erschrocken. „Warum?“ „Mich rufen die Geschäfte. Und ich möchte Trent aufspüren und ihn dazu bringen, sich seinen Verpflichtungen zu stellen. Seine Pächter brauchen ihn.“
Sie zögerte. „Du planst keine Bälle oder Gesellschaften?“
„Da wäre Montfords Ball, schon vergessen? Ich glaube, wir sind die Ehrengäste.“
Sie hatte es vergessen.
Lady Arden mischte sich ein. „Du trägst immer noch Trauer, daher kannst du nicht tanzen, aber du brauchst nicht auf alle Vergnügungen verzichten, meine Liebe. Vielleicht ist es ein wenig ungewöhnlich, dass du so kurz nach Fredericks Tod überhaupt auf einem Ball erscheinst, aber wenn deine Verlobung bekannt gegeben wird, werden es die Leute schon verstehen. Als Constantines Verlobte musst du dich an seiner Seite zeigen.“
Lady Arden blickte sie vielsagend an. Jane erinnerte sich an ihr Gespräch. Constantine konnte nur rehabilitiert werden, wenn sie fest zu ihm stand und dies auch zeigte.
Doch Jane verabscheute gesellschaftliche Ereignisse. Ihre Art war zu direkt, um bei anderen anzukommen, und wenn sie sich in leichter Konversation versuchte, wusste sie meist nicht, was sie sagen sollte. Cecily war bekannt für ihre Exzentrizität und die Leute liebten sie dafür. Janes merkwürdige Art hingegen war weniger liebenswert. Doch es gab noch einen Grund, warum Jane so unwillig war. Sie blickte zu Constantine in all seiner Pracht und Männlichkeit und erkannte, dass sie mit ihm während der letzten Wochen in einem Kokon gelebt hatte. Sie hatten einander genügt und sie war sich seiner Aufmerksamkeiten sicher gewesen. Sie hatte sich geborgen gefühlt.
In London gab es so viele andere interessante Attraktionen, dass jedweder Reiz, den Jane besaß, daneben bald verblassen würde.
Dort gab es weltgewandtere, schönere und erfahrenere Damen. Mit ihnen konnte sie nicht mithalten.
Die Aussicht auf London warf ein gnadenloses Licht auf ihre Beziehung zu Constantine. Er hatte viele warme und zärtliche Dinge zu ihr gesagt, aber nie die Worte ausgesprochen, nach denen sie sich so sehnte.
Plötzlich kehrte sie in die Wirklichkeit zurück. Ihr Atem stockte. Warum machte sie sich dauernd etwas vor über ihn? Warum bestand sie darauf, in einer Fantasiewelt zu leben, wenn eine nüchterne Betrachtung der Fakten jede vernünftige Person dazu bringen würde, die Wahrheit zu sehen?
Constantine hatte nie gesagt, dass er sie liebe. Er hatte ihr auch nie versprochen, treu zu sein. Er war ein Schürzenjäger und obwohl sie sich sicher war, dass er auf Lazenby keine andere Frau hatte, lag das möglicherweise eher an einem Mangel an Gelegenheit als an seiner Treue.
Von Anfang an hatte Constantine die Heirat als geschäftliches Arrangement betrachtet. Er hatte ihr in diesem Punkt nie etwas vorgegaukelt. Natürlich mochte er sie. Er begehrte sie und sie wusste, dass sie ihm etwas bedeutete. Doch zu Beginn ihrer Ehe hatte sie auch Frederick etwas bedeutet. Dennoch hatte es ihn nicht davon abgehalten, sich eine ganze Reihe von Geliebten zu halten. So wurde das in ihren Kreisen nun einmal gehandhabt. Von Frauen erwartete man, dass sie über die Tändeleien ihrer Gatten hinwegsahen. Wenn sie ein oder zwei eheliche Söhne auf die Welt gebracht hatten, konnten sie sich ebenfalls Liebhaber suchen.
War das die Ehe, die sie mit Constantine führen wollte? Bei der Vorstellung verkrampfte sich ihr Magen schmerzhaft.
Plötzlich fühlte sie sich noch verwundbarer, als sie es als Siebzehnjährige gewesen war. Jane sehnte sich danach, an Constantines Liebe und Treue zu glauben. Aber solange er sie in diesen Punkten nicht beruhigte, sah sie der Fahrt nach London mit nichts als Furcht entgegen.