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Martin Sandor saß hinter seinem Schreibtisch und blickte unverwandt auf die vor ihm ausgebreiteten Gegenstände. Es waren die persönlichen Sachen von Marita Janz, die man endlich in ihrem Büro wiederentdeckt hatte. Neben dem üblichen Kleinkram gab es ein Foto von Nils Breitner inklusive seiner Telefonnummer. Wie einfach wäre es vor ein paar Wochen gewesen, ihn dadurch ausfindig zu machen, hätte nicht irgendeine ahnungslose Putzfrau die Kiste in den Keller verfrachtet. Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Wichtig waren hingegen die Briefe, so hoffte Martin jedenfalls. Marita Janz hatte Kopien von anonymen Briefen angefertigt, die sie offensichtlich in einem Zeitraum von drei Monaten erhalten hatte. Es waren fünf, alle aus Zeitungsbuchstaben zusammengesetzt. Sie forderten alle das Ende der Affäre zwischen Marita und Herrn Breitner und drohten bei Zuwiderhandlung eine entsprechende Bestrafung an. Der letzte Brief gab sehr deutlich zu verstehen, dass der Absender keine weiteren Briefe schicken und Marita für ihr Verhalten bestrafen würde. Martin erinnerte sich an den Zettel »Leck mich am Arsch, Briefeschreiber!« an Maritas Wagen. Den musste der Mörder wohl als heftige Provokation empfunden haben.
Martin fragte sich, ob er hier endlich das Motiv für die Morde gefunden hatte. Wenn man davon ausging, dass das Motiv immer das gleiche war, mussten alle Opfer ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann gehabt haben. Das müsste sich doch herausbekommen lassen. Und der Mörder? Was war das für ein Typ? Ein fanatischer Christ vielleicht, für den das Gebot »Du sollst nicht ehebrechen« Gesetz war? Aber warum vergriff er sich immer an den Frauen und ließ die Männer ungeschoren davonkommen? Möglicherweise wies er den Frauen die größere Schuld zu, oder aber er sah in ihnen die leichter zu tötenden Opfer.
Martin besprach das Ganze mit seinem Team und unterrichtete auch seinen Chef über die neusten Erkenntnisse. Endlich gab es etwas zu tun, und Martin hätte am liebsten alles gleichzeitig erledigt. Aber zunächst nahm er sich zum x-ten Mal die Akten aller Morde vor, um sie im Licht der neuen Ermittlungsansätze noch einmal zu durchforsten.
Seine Kollegen sprachen inzwischen mit Nils Breitner und zeigten ihm die Briefe. Er war entsetzt, als er zu dem Schluss kam, dass Marita seinetwegen getötet worden war. Er konnte nicht verstehen, dass sie nie etwas von den Briefen gesagt hatte und auch nicht, dass sie aus ihnen seinen richtigen Namen erfahren hatte.
In der Polizeidirektion wurde im Informationssystem »INPOL« nach Tätern gesucht, die in irgendeiner Hinsicht aus religiösen oder anderen fanatischen Gründen Straftaten begangen hatten. Da gab es einige, die allerdings nicht in unmittelbarer Nähe lebten. Die zuständigen Präsidien wurden unterrichtet und gebeten, entsprechende Befragungen mit diesen Leuten durchzuführen.
Da man annahm, dass die Opfer beobachtet worden waren, bat man alle Privatdetekteien der Umgebung, ihre Unterlagen durchzusehen, ob nicht der Name eines Opfers als Beschattungsobjekt zu finden war. Sollte der Täter die Observationen selbst durchgeführt haben, aber nicht in Wiesbaden ansässig sein, bestand die Möglichkeit, dass er in Hotels untergekommen war. Also überprüfte man auch dies, zumindest für die Namen der religiösen Fanatiker aus der Verbrecherdatei.
Bis die Ergebnisse vorliegen würden, konnte es eine ganze Weile dauern. Dennoch schöpfte das Ermittlungsteam wieder Hoffnung, doch noch die Nadel im Heuhaufen zu finden, nach der sie schon viel zu lange suchten.
Kurz nach Mitternacht beendete Martin die Durchsicht der Akten und seinen Kaffeekonsum. Er hatte zumindest in einem Fall einen Ansatzpunkt gefunden, dem er in ein paar Stunden nachgehen würde.