17

Als Anne um halb neun am Samstagmorgen die Augen aufmachte, war sie sofort hellwach. Der Blick aus dem Fenster verriet ihr, dass es draußen ungemütlich sein musste. Es hatte in der Nacht geregnet, und der Himmel war grau. Sie beschloss, den Tag mit einem guten Frühstück zu beginnen. Schnell schlüpfte sie in Laufhose und Sweatshirt. Sie würde zum Bäcker joggen und so gleich etwas für ihre Gesundheit tun. Ein letzter Blick auf die Uhr: gleich neun! Aber Mark würde sicher nicht so früh bei ihr auftauchen, dachte sie und lief los.
Als Mark um Viertel nach neun an der Haustür klingelte, war Anne noch nicht zurück. Ob sie noch schlief?, überlegte er und drückte erneut auf den Klingelknopf. Nichts. Er suchte nach ihrem grünen Jeep auf dem Parkplatz. Der Wagen war da. Vielleicht duschte sie gerade und hörte die Klingel nicht? Er versuchte es noch einmal. Plötzlich wurde die Haustür aufgerissen und Daniela Böhmer stand vor ihm. »Wollen Sie zu Anne?«, fragte sie, Mark von oben bis unten musternd.
»Ja.«
»Ich hab’ die Klingel gehört«, sagte sie entschuldigend und schob sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Ich bin ihre Nachbarin.«
»Ah, ja! Dann wissen Sie sicher, ob sie zu Hause ist?«
»Sie ist nicht da. Vor zwanzig Minuten ist sie joggen gegangen.«
»Das wissen Sie ja sehr genau«, tat Mark erstaunt.
Daniela fühlte sich ertappt und blickte auf ihre Fußspitzen. »Ich hab’ sie zufällig durchs Fenster gesehen.«
»Ach so, na dann.«
Mark musterte sie interessiert. Sie war ziemlich dünn, fand er. Ihre braunen, glatten Haare waren seitlich gescheitelt und hingen formlos bis zum Kinn herunter. Ihr viel zu langer Pony reichte ihr bis über die Augen. Sie hielt den Kopf leicht geneigt, um überhaupt etwas sehen zu können. Hübsche braune Augen hatte sie, aber ihre Lippen waren für ihr schmales Gesicht viel zu voll.
»Sind Sie ihr neuer Freund?« Danielas Blick blieb an Marks Ehering hängen.
»Warum interessiert Sie das?« Amüsiert beobachtete er sie.
»Nur so!« Sie zuckte mit den Schultern und schob erneut ihren Pony mit den Fingern zur Seite. »Wollt nur wissen, ob ich Sie jetzt öfter sehe.«
»Lassen Sie sich überraschen.«
»Soll ich Anne was ausrichten, falls ich sie heut seh’?«
»Nein, danke. Das brauchen Sie nicht. Ich werde hier auf sie warten.«
Daniela machte ein griesgrämiges Gesicht.
»Kann ich vielleicht vor der Wohnungstür auf sie warten?«, fragte Mark und deutete in Richtung Treppenhaus.
»Meinetwegen«, brummte Daniela. Bevor sie in ihrer Wohnung verschwand, bedachte sie Mark noch mit einem herablassenden Blick.
Lange musste Mark nicht warten, bis er einen Schlüssel in der Haustür hörte und Anne triefend nass vor ihm stand.
»Du bist schon da?« Sie strich sich mit der Hand die nassen Strähnen aus dem Gesicht.
»Ich und dein Blazer.« Er stand auf und lächelte sie an.
»Ich hatte nicht so früh mit dir gerechnet.«
»Das sehe ich. Gehst du gern im Regen joggen?«
»Es gibt nichts Schöneres.« Sie lachte und sah an sich herunter. »Nein, als ich loslief, war es noch trocken, aber jetzt hat’s mich voll erwischt und meine Brötchen auch.« Sie hielt die durchweichte Papiertüte hoch. »Was soll’s! Komm rein!« Sie schloss ihre Tür auf und lief voraus in die Küche. Mark folgte ihr, nachdem er ihren Blazer an der Garderobe aufgehängt hatte.
»Es sieht so aus, als hättest du auch noch nicht gefrühstückt?«, fragte er.
»Gut kombiniert. Du auch nicht?«
Er schüttelte den Kopf. Anne riss die nasse Tüte auseinander und verzog das Gesicht. »Lecker! Feuchte Brötchen und matschige Croissants. Ich hätte dich ja gern zum Frühstück eingeladen, aber ich fürchte, ich kann dir nichts bieten.«
Mark trat dicht an sie heran. »Da wäre ich nicht so sicher.« Seine Stimme war warm und zärtlich.
»He!«, sagte sie. »Du weißt schon, dass du mit mir flirtest?« Sie wollte sich um keinen Preis von seinem Lächeln gefangen nehmen lassen, merkte aber, dass sie den Kampf im Grunde bereits verloren hatte.
»Wie kommst du darauf?« Unschuldig blickte er sie an. »Ich bin nur ziemlich sicher, dass du mir zum Frühstück was bieten kannst.« Aus einer Tasche zog er eine Tüte mit Brötchen und hielt sie ihr unter die Nase.
»Willkommen im Fettnäpfchen«, murmelte sie.
Er lachte laut. »Also, gemeinsames Frühstück?«
»Gern, aber ich muss mich erst trockenlegen.«
»Gute Idee. Du siehst erbärmlich aus.« Er grinste.
»Danke für das Kompliment.« Sie fuhr sich mit der Hand durch die nassen Haare. »Wenn du willst, kannst du schon mal Kaffee kochen und den Tisch decken.« Sie zeigte ihm, wo er was finden konnte und verschwand im Bad. Nach einer schnellen Dusche setzte sie sich erfreut an den perfekt gedeckten Tisch.
Sie bestrich sich das erste Brötchen mit Marmelade und Quark, während Mark ihr Kaffee einschenkte. »Wie ist denn euer Gespräch mit Beltz gelaufen?«, wollte er wissen.
Anne berichtete ausführlich, wie sympathisch und interessiert Herr Beltz war. Gestikulierend schilderte sie die verschiedenen Varianten, die sie durchgesprochen hatten und wie zufrieden ihr Chef mit ihr gewesen war. Mark hörte lächelnd zu. Ihm gefiel, was er sah, und die Art, wie sie erzählte.
»Aber jetzt habe ich genug von beruflichen Dingen geredet. Ich habe Wochenende.«
Zur Erheiterung erzählte Mark nun von seiner Begegnung mit Daniela. Beide brachen in schallendes Gelächter aus, als Mark versuchte Daniela zu imitieren.
Wenig später räumten sie gemeinsam den Tisch ab. Dann standen sie sich in der kleinen Küche gegenüber.
»Schade, dass ich dich jetzt nicht fragen kann, ob du noch auf einen Kaffee bleibst.«
»Möchtest du denn, dass ich noch bleibe?«
»Ja«, antwortete sie fest.
»Du hast wirklich Glück, dass es regnet.« Er trat einen Schritt näher zum Fenster und blickte in den grauen, wolkenverhangenen Himmel. »Da muss ich wohl oder übel auf meine Motorradtour verzichten. Also hab’ ich noch Zeit.« Verschmitzt lächelte er.
»Fein! Möchtest du noch was anderes trinken oder etwas Obst zum Nachtisch?«
»Nachtisch klingt gut.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Aber ich bevorzuge eigentlich eine andere Art von Nachtisch.«
»Ach ja?« Sie machte einen Schritt auf ihn zu und stand nun ganz nah vor ihm. »Vielleicht so?«
Anne hob ihm ihr Gesicht entgegen und ihre Lippen fanden die seinen. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und zog ihn dichter zu sich. Während sie sich küssten, fanden seine Hände den Weg unter ihr T-Shirt. Zärtlich streichelte er ihren Rücken und öffnete gekonnt den Verschluss ihres BHs. Als er ihre Brust berührte, legte sie ihren Kopf in den Nacken und stöhnte. Mark bedeckte ihren Hals mit kleinen Küssen, und Anne wusste, dass sie diesen Mann wollte. Sie fühlte sich ausgehungert und sehnte sich nach seiner Berührung. Anne öffnete die Knöpfe seines Hemdes und erkundete mit geschlossenen Augen die festen Muskeln seines Oberkörpers, während er am Reißverschluss ihrer Hose zog. Erneut küsste er sie auf den Mund und streifte die Jeans von ihren Hüften. Anne wölbte sich ihm entgegen und versuchte den Knopf seiner Hose zu öffnen. Plötzlich ließ er von ihr ab.
»Ich kann nicht!«, sagte er hastig und trat einen Schritt zurück.
»Was kannst du nicht?«
Er schüttelte nur den Kopf.
»Du kannst nicht mit mir schlafen, weil du Saskia nicht betrügen willst«, nahm Anne ihm die Antwort ab und zog sich die Hose wieder hoch.
»Ja!« Er lehnte sich gegen die Kante der Arbeitsplatte und versuchte, seine Atmung unter Kontrolle zu bringen. »Es tut mir leid! Ich wollte –«
»Es ist schon gut.« Anne unterbrach ihn. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich verstehe das.«
»Nicht, dass du mir nicht gefällst. Du bist eine tolle Frau. Und ich bin wahrscheinlich ein Idiot, aber …«
»Nein, nein. Es war mein Fehler. Ich bin zu weit gegangen. Ich hätte das nicht tun sollen.«
In diesem Moment schämte sich Anne, dass sie jemals auf diese dämliche Wette eingegangen war. Welch eine irrsinnige Idee!
»Am besten, wir vergessen das Ganze«, schlug sie vor. Er nickte dankbar und begann sein Hemd zuzuknöpfen.
»Komm her«, sagte er und streckte die Arme nach ihr aus. Bereitwillig schmiegte sie sich an seine Schulter. So standen sie eine Weile, ehe er die Stille durchbrach.
»Du hast einen tollen Körper. Die Realität hat meine Vorstellung noch übertroffen.« Er hatte seine Sicherheit wiedergefunden und lächelte sie zärtlich an.
»Danke!« Sie löste sich aus seiner Umarmung. »Wie gut du mir gefällst, brauche ich wohl nicht zu sagen.«
»Nein. Das habe ich gemerkt.« Sie blickten sich an. »Ich gehe jetzt besser.«
Zum Abschied gaben sie sich einen zarten Kuss auf die Lippen. Ohne ein weiteres Wort schloss Anne kurz darauf die Tür hinter ihm.
Sie ging ins Wohnzimmer und goss sich einen Whisky ein. Ein Getränk, das sie normalerweise überhaupt nicht mochte. Aber was war heute schon normal? Einerseits war sie enttäuscht, denn sie hätte nur zu gerne mit Mark geschlafen. Andererseits musste sie Mark Anerkennung dafür zollen, dass er offensichtlich seine Grenze kannte. Wie recht Kelly doch gehabt hatte. Sie schien ihn wirklich gut zu kennen. Vielleicht sollte sie die Freundin jetzt gleich anrufen? Sicher würde sie sich sehr über den Ausgang der Wette freuen. Als Anne zum Telefonhörer griff, klingelte es. Erstaunt ging sie zur Tür. Wahrscheinlich Daniela, die gesehen hatte, dass Mark gegangen war und ganz beiläufig genauere Informationen wollte, dachte Anne genervt. Doch als sie die Wohnungstür öffnete, blickte sie nicht in Danielas, sondern in Marks ernstes Gesicht.
»Ist was passiert?«, fragte sie überrascht.
»Sozusagen!« Schnell schob er sich an ihr vorbei in die Wohnung. Anne schloss die Tür. »Ich hab’ was vergessen«, erklärte er.
»Was denn?«, fragte sie, während sie vom Flur in die Küche spähte. Da packte Mark sie an beiden Armen und drängte sie mit dem Rücken zur Wand. Anne erschrak.
Sie kam nicht dazu etwas zu sagen, denn Mark verschloss ihr den Mund mit einem Kuss. Annes anfängliche Verwirrtheit ertrank langsam in einem Gefühl von Leidenschaft.
»Draußen kam ich zu dem Schluss, dass ich hier ziemlich viel vergessen habe«, flüsterte er ihr irgendwann ins Ohr, um gleich darauf zärtlich hineinzubeißen. Er hob sie hoch und sah sich suchend nach dem Schlafzimmer um. Anne wies ihm den Weg mit den Augen. Während die Regentropfen unaufhörlich gegen die Fensterscheibe prasselten, befreiten sie sich gegenseitig von ihrer Kleidung. Die pure Lust stand in ihren Augen, als sie sich aufs Bett legten. Anne wölbte sich unter seinen Berührungen und Küssen und vergrub ihre Hände in seinen Haaren.
»Ich will dich haben«, flüsterte Mark.
Dann ließen sie sich von einer Welle der Leidenschaft tragen und gaben sich ganz ihren Gefühlen hin, bis sie sich gegenseitig zum Höhepunkt führten. Schwer atmend rollte sich Mark neben sie und zog sie in seine Arme. Aneinandergeschmiegt, ohne etwas zu sagen, lagen sie auf den zerwühlten Decken und blickten, jeder seinen Gedanken nachhängend, aus dem Fenster.
Fünf Minuten später schreckte die Melodie von Marks Handy die beiden unsanft auf.
»Ich geh’ nicht ran«, murmelte er und zog Anne noch fester an sich. Das Handy verstummte, begann aber nur eine Minute später erneut zu musizieren.
»Willst du nicht doch rangehen?«, fragte Anne. »Vielleicht ist es wichtig.«
Stöhnend setzte er sich auf und angelte nach seiner Hose, in deren Tasche das Handy nach Aufmerksamkeit heischte. »Linn«, meldete er sich lustlos.
»Sag mal, wo steckst du denn die ganze Zeit?«, fuhr ihn die Stimme seiner Schwiegermutter an.
»Ich bin unterwegs«, antwortete er und lächelte Anne an, die sich aufgesetzt und gegen das Kopfteil ihres Bettes gelehnt hatte.
»Ich hab’ schon mehrfach versucht dich zu erreichen. Ich brauche dich hier.«
»Was gibt’s denn so Dringendes?«
»Mein Wagen springt nicht an, und ich muss unbedingt zu einer Verabredung. Kommst du also bitte und fährst mich?« Mark hasste diesen fordernden Ton.
»Kannst du dir nicht ein Taxi bestellen?«
»Das ist viel zu teuer.« Helga klang ungehalten. »Wo bist du überhaupt?«
Mark ging nicht auf ihre Frage ein. »Wann ist deine Verabredung?«
»In einer Stunde. Also, kann ich mich darauf verlassen, dass du kommst?«
»Ich versuche es.« Er drückte das Gespräch weg und warf das Handy achtlos zu Boden. Stöhnend rutschte er zu Anne. »Helga braucht mal wieder ein Kindermädchen.« Er legte seinen Arm um Annes Schultern. »Es sieht wohl so aus, als müsse ich weg.« Kurze Pause. »Anne. Ich …« Er suchte nach den richtigen Worten. »Es war wunderbar mit dir und ich bereue das auch nicht.«
»Klingt nach einem ›aber‹.« Forschend sah sie ihn an.
»Ich will dir nur sagen, dass ich …«, er lächelte, »dass ich den Nachtisch ausgesprochen lecker fand.«
»Du brauchst nichts zu erklären. Ich wollte dich, genauso wie du mich. Aber wir sollten es bei diesem einen Mal belassen, richtig?«
Er nickte.
»Hast du ein schlechtes Gewissen, Mark?«
»Das nicht mal. Es ist ja nicht so, als hätten wir Saskia etwas weggenommen. Ich bin und bleibe ihr Ehemann, und ich werde wegen heute nicht anders zu ihr sein als sonst. Ich würde sie wegen einer Affäre nicht verlassen.« Unsicher blickte er sie an. »Das wusstest du, nicht wahr?«
»Ja«, sagte sie fest.
»Ist das okay für dich?«
»Ist es! Es wird unser Geheimnis bleiben.«
Wenig später duschte Mark, um sich gleich darauf von Anne zu verabschieden.
»Sag mal«, fragte sie an der Tür, »bist du schon mal mit anderen Frauen fremdgegangen?«
»Nein«, und Anne wusste, dass er die Wahrheit sagte, »das war Premiere.«
Inzwischen war es ein Uhr, und Anne hatte Hunger. In ihren Bademantel gehüllt, ging sie in die Küche. Während sie sich einen Pfannkuchen buk, durchlebte sie in Gedanken noch einmal die vergangenen Stunden. Sie hatte sich so wohl gefühlt wie lange nicht mehr. Sie war nicht traurig, dass es eine einmalige Sache war, sondern glücklich, dass sie sie erleben durfte. Mark war ein toller Mann.
Beim Essen dachte sie an Kelly. Sie würde sie anrufen, aber nicht sofort. Heute Abend vielleicht. Erst wollte sie ihr kleines Geheimnis noch ein wenig für sich alleine genießen.
Nach dem Essen duschte sie. Während sie sich abtrocknete, fiel ihr Blick auf die Ablage unter dem Spiegel. Dort lag Marks Uhr. Sie beschloss, Mark sofort anzurufen und von ihrem Fund zu erzählen.
»Die Momente, in denen du Dinge vergisst, häufen sich allmählich, was?«
»Sieht wohl so aus«, entgegnete er und schickte ein Lachen durch die Leitung.
»Bist du noch mit deiner Schwiegermutter unterwegs?«
»Nein, ich habe sie zu ihrem Termin gefahren und bin jetzt wieder zu Hause.«
»Dann bringe ich dir die Uhr schnell vorbei.«
»Das wäre toll!«
»Gut. Dann bis gleich.«
Während Anne im Auto saß, bekam Mark überraschend Besuch von Bernd Castor. Die Männer hatten sich gerade mit einem Bier auf die Terrasse gesetzt, als Anne an der Tür klingelte.
»Hallo, Anne!«, begrüßte Mark sie und bat sie herein.
»Ist Saskia da?«, fragte Anne im Wohnzimmer.
»Nein, keine Angst.«
Sie nickte und reichte ihm seine Uhr.
»Danke. Willst du ein bisschen bleiben und was mit uns trinken?«
»Wer ist ›uns‹?« Neugierig blickte sie sich um.
»Bernd ist draußen auf der Terrasse.«
»Nein. Besser ich fahre gleich wieder.« Damit wollte sie an ihm vorbei zur Haustür. Doch Mark hielt sie am Arm zurück und küsste sie sanft. Bevor ihre Gefühle sie überwältigten, löste sich Anne aus seinem Griff und lächelte ihn an. Gleich darauf war sie verschwunden.
Mark streifte sich die Uhr über sein Handgelenk und ließ den Verschluss zuschnappen. Als er aufblickte sah er, dass Bernd in der Terrassentür stand und ihn erstaunt musterte.
»Was war das denn?«
»Du meinst, wer war das denn. Das war Anne. Du kennst sie doch vom Geburtstag.«
»Ich weiß, wer das war, aber eigentlich meinte ich tatsächlich: Was war das eben?« Mark blickte Bernd fragend an. »Du hast sie geküsst. Und nicht gerade wie eine flüchtige Bekannte.«
Mark schob Bernd zurück auf die Terrasse und drückte ihn in seinen Stuhl. Stöhnend nahm er ebenfalls Platz.
»Ich habe mit ihr geschlafen.« Mark betrachtete Bernds konsterniertes Gesicht und hätte beinahe gelacht.
»Du hast was?«, fragte Bernd gedehnt. »Das glaub ich jetzt nicht.« Er nahm einen langen Schluck aus seiner Bierflasche. Geräuschvoll stellte er sie auf den Tisch zurück. »Sag mal, hast du sie noch alle? Ich hoffe, Saskia weiß nichts davon?«
»He, beruhige dich. Es war eine einmalige Sache, und Saskia weiß nichts.«
»Und du wirst ihr auch nichts davon erzählen!« Bernd wurde laut. »Ist das klar?«
»Jetzt komm mal wieder runter. Natürlich erzähle ich ihr nichts. Hätte ich gewusst, dass du dich so aufregst, hätte ich meinen Mund gehalten.«
»Es ist im Grunde ja auch deine Sache«, gab Bernd zu, »aber ihr seid meine Freunde, und ich will nicht, dass eure Ehe kaputt geht.« Langsam breitete sich ein schelmisches Grinsen auf seinem Gesicht aus. »Hat es sich wenigstens gelohnt?«
»Oh ja! Und wie!«
»He, Alter!« Bernds Blick wurde forschend. »Du guckst so komisch. Bist du etwa verliebt?«
»Quatsch!«, wehrte Mark ab. »Das war nur der Reiz. Sie hat mit mir geflirtet, und ich konnte nicht widerstehen. Sie ist nun mal eine tolle Frau.«
»Das ist sie wohl«, bestätigte Bernd. »Und deshalb wollte ich sie auch anrufen, um mich mit ihr zu verabreden. Aber was macht mein werter Freund? Noch ehe ich dazu komme, steigt er mit ihr ins Bett.«
Mark lachte laut. »Armer Kerl!«
Beide tranken und blickten gedankenverloren vor sich hin.
»Wann war das eigentlich?«, nahm Bernd das Gespräch wieder auf.
»Heute Morgen.«
»Heute Morgen?«, wiederholte Bernd überrascht. »Das wird ja immer besser.«
»Nein, besser kann es eigentlich nicht mehr werden.« Mark grinste.
Nachdem er seinem Freund ein wenig von Anne erzählt und vorgeschwärmt hatte, sagte dieser: »He! Du musst mir versprechen, dass du die Finger von ihr lässt. So was geht auf Dauer nicht gut. Und Saskia hat das nicht verdient.«
»Ich weiß!«
»Glaubst du, Anne wird dich in Ruhe lassen?«
»Ja, ich bin ziemlich sicher.«
»Gut! Aber, wenn ich rauskriege, dass da noch mehr läuft zwischen euch, dann geht’s dir schlecht, mein Freund.«
»Wie gut, dass ich dich habe, um auf mich aufzupassen.«
Mark lachte, und sie prosteten sich zu.