37. Kapitel
2009, im Wald sieben Meilen nordöstlich des Moose Lake, Minnesota
„Hast du das gehört?“ Kateri war stehen geblieben und lauschte mit erhobenem Kopf.
„Ja“, flüsterte Ondragon und blickte sich um.
„Das war ein Mensch.“
Der Schrei, den sie beide gehört hatten, wiederholte sich nicht.
„Ich glaube, es kam von dort.“ Ondragon zeigte zum Berg. „War es Lyme?“
„Wenn ja, dann sollten wir keine Zeit verlieren. Ihm scheint etwas zugestoßen zu sein. Am besten, wir teilen uns auf und gehen mit hundert Schritt Abstand zwischen uns in die Richtung, halten aber Blickkontakt. So decken wir eine größere Fläche ab.“ Dagegen gab es nichts einzuwenden, außer, dass Ondragon wenig begeistert davon war, sich allein durch den Wald zu schlagen.
„Beeilung!“, rief Kateri und spurtete los. Ondragon nahm in der besagten Entfernung eine Spur links neben ihr ein. Mit gezückter Pistole vergewisserte er sich beim Laufen immer wieder, ob Kateri noch in der Nähe war. Sie blieb diszipliniert auf Abstand und begann wieder zu rufen: „Mr. Lyme? Wo sind Sie? Brauchen sie Hilfe?“
Sie liefen blindlings bergan und hofften, dass der Schrei wirklich aus dieser Richtung gekommen war. Schon nach kurzer Zeit wurde Ondragon langsamer. Sie waren nun schon seit sechs Stunden unterwegs, und er spürte die Erschöpfung und den Durst. Er sah sich nach Kateri um, die mit zäher Ausdauer immer weiterrannte. Leider achtete er in dieser Sekunde nicht auf den Boden und sein Fuß verfing sich in einer Wurzel. Fluchend fiel Ondragon auf den Bauch und stauchte sich sein Handgelenk bei dem Versuch, nicht die Waffe zu verlieren. Gleichzeitig bohrte sich ein Stein in seine Leiste und sein Kinn traf hart auf den Boden, dass seine Zähne laut aufeinander schlugen.
„Scheiße! Scheißwald!“, brüllte er, während er versuchte, schnell wieder auf die Beine zu kommen. „Kateri, warte, ich bin gestürzt!“ Als er stand, sah er sich um. Keine Spur von seiner Bergleiterin. Sie war einfach weitergelaufen. Soviel zu: Wir halten Blickkontakt. Wütend strich er sich das Blut vom Kinn und setzte sich wieder in Bewegung. Sie konnte noch nicht weit sein. Diesmal sorgsamer darauf achtend, wohin er seinen Fuß setzte, bahnte er sich seinen Weg durch das Unterholz. Von irgendwoher hörte er Kateri nach Lyme rufen. Er rief zurück, erhielt jedoch keine Antwort. Verdammt!
In der Hoffnung, ihren Pfad zu kreuzen, verlagerte er seine Spur weiter nach rechts. Doch als ihm ein wohlbekannter Geruch in die Nase stieg, hielt er abrupt inne. Schnell presste er sich in den Schutz eines Baumstammes und sondierte das Gelände. Der Gestank war nicht so stark wie beim letzten Mal. Es war nur eine Ahnung, aber Ondragon würde ihn unter hundert Gerüchen wiederkennen. Er duckte sich und pirschte sich wie ein Jäger weiter, immer wieder witternd, ob der Gestank sich verstärkte. Aber er wurde schwächer und wich bald ganz den erdigen Ausdünstungen des Waldes. Dafür hörte er ein Plätschern. Der Bach!
Plötzlich hatte er es eilig, zum Wasser zu kommen. Am Bach angelangt, fiel er auf alle viere und tauchte seinen Kopf in das kühle Nass, durchtränkte seine Haare und sog gierig das Wasser ein. Nachdem er seinen Durst gestillt hatte, füllte er auch seine Flasche nach. Das Wasser war sehr humushaltig und rötlichschwarz. Als er den Verschluss zuschraubte, blieb sein Blick an einer frischen Spur am Rand des Bachlaufes hängen. Er beugte sich hinab und fuhr den Umriss mit den Fingern nach. Zuerst dachte er, er hätte Kateris Schuhabdrücke vor sich, doch dann bemerkte er, dass die Fährte zwar länglich wie ein Fuß war, aber ohne jegliche Strukturierung … und ohne Zehen. Auch war sie knöcheltief in die Erde eingedrückt, was darauf hindeutete, dass das Tier, das hier vorbeigekommen war, ein hohes Körpergewicht hatte. Nur, was für ein Tier hinterließ solche Spuren? Ein Bär war es nicht. Und auch kein Elch.
Ein Glitzern in einem dieser Abdrücke weckte Ondragons Interesse. Er fischte den Gegenstand aus der weichen, schwarzen Erde und staunte. Es war ein Siegelring!
Zuerst begriff er nicht, was das zu bedeuten hatte. Doch wenige Herzschläge später war es ihm klar. Das war der Siegelring, den Lyme getragen hatte. Er war dem Makler also dicht auf der Fährte. Schnell erhob er sich und suchte nach der Stelle, an der die seltsame Spur vom Bach fortführte. Der Abstand zwischen den einzelnen Abdrücken war außergewöhnlich groß, maß beinahe vier von seinen eigenen Schritten, leider verlor sie sich schon nach wenigen Metern auf dem trockenen Waldboden.
Von irgendwoher drang ein schwacher Laut an sein Ohr, es klang wie ein schwaches Wimmern. Alarmiert hob Ondragon seine Pistole und spähte in den Wald. Woher war das gekommen? Lange brauchte er nicht zu überlegen, denn er entdeckte eine neue, noch viel beunruhigendere Spur. Dankbar für den Adrenalinstoß, den seine Nebennieren augenblicklich durch seine Adern pumpten, lief er los, immer entlang der frischen Blutspur, die feucht im Gras glänzte.
„Lyme?“, rief er. „Wo sind Sie?“ Seine Befürchtungen verdichteten sich noch, als er das Wimmern ein weiteres Mal hörte.
„Lyme, so sagen Sie doch etwas!“ Ondragon bemühte sich, jede Richtung im Auge zu behalten. Er wollte vorbereitet sein, wenn sich ihm etwas näherte.
„Kateri? Bist du hier irgendwo?“
Zur Hölle, wo war sie nur?
Sein Fuß traf auf etwas Nachgiebiges, Feuchtes, und er geriet ins Schlingern. Er konnte seinen Sturz an einem Baumstamm abfangen und blickte zurück auf den Boden. Der Schweiß gefror auf seiner Haut. Wie eine silbrig glänzende Schlange lag da ein Stück Gedärm im Gras. Er war darauf getreten und ausgerutscht, dabei war der Darm aufgerissen und gab seinen bräunlichen Inhalt frei.
Mit einem gefährlichen Schlingern im Magen folgte Ondragon dem sich schlängelnden Eingeweide und … seine böse Ahnung wurde erbarmungslose Realität. Unwillkürlich presste er eine Hand vor den Mund, während er die apokalyptische Szenerie beobachtete.
Das Eingeweide führte zu einem Baum. Zu Lyme.
Blutüberströmt und mit zerfetzter Kleidung hing der Makler dort. Aus seiner offenen Bauchhöhle baumelten die Gedärme wie groteskes Absperrband, mit dem jemand bereits den Tatort abgeriegelt hatte.
Ondragon blickte in Lymes fliegenübersätes Gesicht. Die Augen des Maklers waren schreckensweit und der Mund schmerzverzerrt. Blut, durchsetzt mit gelblichem Schleim, rann ihm zähflüssig aus dem Mundwinkel.
Trotz des Würgreizes, der sich wegen des Gestankes nach frischem Blut und Exkrementen in seiner Kehle manifestierte, trat Ondragon an den Toten heran, die Waffe im Anschlag. Dabei fiel sein Blick unweigerlich auf einen großen Stein, der vor dem aufgeschlitzten Körper lag. Darauf war etwas arrangiert worden wie auf einem Altar. Er betrachtete es näher. Der dunkelrote Klumpen sah aus wie eine Leber.
Jemand hatte davon abgebissen.
Ondragon bezwang seinen Ekel und richtete den Blick wieder auf Lyme.
Unvermittelt drang ein Wimmern an sein Ohr. Die Augenlider des Gemarterten begannen hektisch zu flattern. Sofort stob der Schwarm schwarzer Fliegen mit einem empörten Summen auf, ließ sich aber rasch wieder gierig auf den von frischem Blut glänzenden Eingeweiden nieder. Ondragon sah schockiert auf den Makler. Lyme war noch am Leben!
„Mr. Lyme!“, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. „Sagen Sie mir, wer das getan hat!“
Doch der Makler verdrehte bloß die Augen und schloss die Lider. Ondragon trat neben ihn und rüttelte ihn an der Schulter. Lyme war sowieso nicht mehr zu retten, aber er musste wenigstens von ihm erfahren, wer oder was dieses schreckliche Gemetzel angerichtet hatte. Der Makler hob mühsam die Lider, seine Zunge formte Worte. Doch außer einem blutigen Schmatzen kam kein Laut aus seinem Mund. Wahrscheinlich war sein Zwerchfell zerstört, und die Lungen konnten nicht mehr vernünftig arbeiten. Es war ein Wunder, dass er überhaupt noch am Leben war.
„Sagen Sie mir, wer das war. Nicken Sie zur Not. War es der Bär?“ Lyme bewegte den Kopf, aber man konnte nicht erkennen, ob es ein Nicken war. Seine Lider senkten sich schwerfällig. Ondragon rüttelte erneut.
„Lyme, bleiben Sie wach! War es ein Mensch?“
Lyme zuckte. Es war ein bizarres Schauspiel, so als würde er über die langen Fäden seiner Eingeweide ferngesteuert. Mit letzter Kraft versuchte er ein Wort herauszubringen.
„Endiiighh …“
„Was, Lyme? Strengen Sie sich an. Los doch!“, drängte Ondragon.
„Uendihghhhooo … mmmonsthhh …“
„Monster?“
Lyme ruckte mit dem Kopf, und Ondragon wurde eiskalt, obwohl um ihn herum sommerliche Temperaturen herrschten. Er wusste mit einem Mal, was der Makler ihm mitteilen wollte. „Sie meinen, es war … der Wendigo?“ Der Name der von den Indianern gefürchteten Bestie verhallte unheilvoll im Wald. Aber anstatt zu nicken, ging ein heftiges Zucken durch Lymes Körper, und als ein feuchtes Gurgeln aus seiner Kehle drang, ahnte Ondragon, dass dessen Herz den letzten Blutstropfen durch seine zerfetzten Venen gepumpt hatte und nun schwieg. Lyme war tot. Ondragon nahm seine Hand von dessen Schulter und erkannte darunter eine tiefe Bissspur im weißen Fleisch. Er schnaufte vor Entsetzen und Abscheu. Welches perverse Schwein hatte diesen armen Mann so zugerichtet und dann wie ein ausgeweidetes Reh an den Baum gehängt? Mit zitternden Knien entfernte er sich von dem Leichnam und wischte seine Hände am Gras ab. An einen Baum gestützt, erholte er sich langsam von dem Anblick, und die Zentrifuge nahm ihren Dienst wieder auf. Er hatte in seinem Leben schon viele schreckliche Dinge gesehen, aber das hier übertraf alles! Am ganzen Körper bebend griff er in seine Hosentasche. Kein Handy! Mist! Wahrscheinlich lag es noch in seinem Nachttisch. Er blickte in das freie Stückchen Himmel hinauf, das hier an der Lichtung zu erkennen war. Die Sonne war weiter dem Horizont entgegengesunken. Auch wenn er sie selbst nicht sehen konnte, verriet ihr rötliches Licht doch, dass es nicht mehr lange bis zur Dämmerung war. Ondragon zwang sich zum Nachdenken. Vom bear’s den aus waren sie hauptsächlich nach Westen gegangen, also musste die Lodge in östlicher Richtung liegen. Nur, wo genau war Osten? Ondragon schaute vom Himmel in den Wald und vermied es, dabei auf Lyme zu sehen. Es waren geschätzte sieben oder acht Meilen bis zur Lodge. Das würde er joggend in einer Stunde schaffen, vorausgesetzt er kannte den Weg! Mit einer fahrigen Bewegung rieb er sich die brennenden Augen. Es war wie verhext, hier im Wald konnte er einfach nicht richtig denken! In der Stadt oder in freiem Gelände wusste er jederzeit instinktiv, wo er sich befand. Er kannte die Himmelsrichtungen, an denen er sich selbst mitten in L.A., Bangkok oder Tokio orientierte. Und ja, er wusste auch, wo er nachts den Polarstern am Himmel finden konnte. Aber hier in diesem Kraut, wo man keine freie Sicht auf den Horizont hatte, war sein Orientierungssinn so gut wie ausgeschaltet. Wütend hieb er mit der Faust gegen den Baumstamm. Flechtenstaub stob auf und rieselte zu Boden. Apropos Flechten. Darüber hatte er doch mal etwas gelesen. Wuchsen diese Flechten nicht vorwiegend an der Nordseite von Baumstämmen? Ondragon kontrollierte weitere Stämme. Tatsächlich war die grünliche Schicht der symbiotischen Gewächse immer nur auf einer Seite stark ausgeprägt. Er blickte auf, wenn Norden genau in seinem Rücken lag, dann war Osten zu seiner Linken. Und wenn er jetzt in diese Richtung ging, würde er hoffentlich bald an dem Moose Lake stoßen, der ihn wiederum zur Lodge führte. Er prüfte seine Waffe. Mit ihr war alles in Ordnung, er hatte noch alle sieben Schuss. Da es langsam kühl wurde, zog er sich seinen Kapuzenpulli über und machte sich auf den Weg.
Überall, wo der Boden eben und frei von Unterholz war, joggte Ondragon, aber stets mit erhobenem Kopf und aufmerksam um sich spähend. Als er eine gefühlte Meile zwischen sich und dem Ort mit Lymes Leiche gebracht hatte, blieb er kurz stehen und wagte einen ersten Hilferuf.
„Kateri?“ Seine Stimme klang müde und kraftlos, doch er versuchte es nochmal. „KA-TE-RI!“ Nichts als sein Echo kam zurück. Wo stecke sie nur? So weit konnte sie doch gar nicht von ihm entfernt sein. Er probierte es mit den anderen Namen: „Pete! Frank! Julian! Ist hier jemand?“ Doch es blieb unheimlich still inmitten der hohen Fichtenstämme. Ondragon ließ die Schultern hängen. Als ob sie alle vom Erdboden verschluckt worden waren. Er lief weiter. Nach einer Weile blieb er erneut stehen. Er war völlig außer Atem, litt Hunger und Durst, und außerdem beschlich ihn das vage Gefühl, er würde sich in die falsche Richtung bewegen. Er prüfte die Flechtenschicht an den Stämmen. Aber es stimmte, er hielt sich noch immer strikt im rechten Winkel zu ihnen, genau nach Osten. Doch vielleicht war er zu weit nördlich abgedriftet und verfehlte den See. Er sah auf die Uhr. Verdammt, schon neun Uhr! Wie konnte die Zeit so schnell vergehen? Jetzt hatte er höchstens noch eine Stunde bis zum Einbruch der Dunkelheit. Der Gedanke, bei Nacht hier herumzutappen, mit einem durchgeknallten Killer in der Nähe, war nicht besonders verlockend und verursachte ihm schon wieder Schweißausbrüche. Auch seine Kopfschmerzen waren bis zur Unerträglichkeit angeschwollen. Schnell nahm Ondragon drei kleine Schlucke aus der Flasche. Das Moorwasser schmeckte torfig, wusch aber die noch viel schlechtere Erinnerung an Blut und Eingeweide von seiner Zunge. Nachdem er wiederholt um Hilfe gerufen hatte, setzte er sich mehr hinkend als joggend in Bewegung. Um ihn herum wurde es schneller dunkel, als er vermutet hatte, und bald sah er nur noch graue Schemen vor sich. Als unvermittelt ein stechender Schmerz von seiner Stirn durch seinen Kopf zuckte und sich wie eine eiserne Klaue um seinen Schädel legte, musste er sein Tempo drosseln. Ein heißer Schauer packte ihn. Stöhnend blieb Ondragon stehen und presste sich die Hände an die Schläfen. Mit einem Seufzer legte er seinen Kopf in den Nacken und blinzelte ein paar Mal, bis sein Blick wieder klar war. „Schon gut. Es sind nur Kopfschmerzen. Ich werde es überleben“, sagte er sich und wollte seinen Trott gerade wieder aufnehmen, da bemerkte er einen Schatten zwischen den Bäumen vor sich. Er hob die Waffe. Sein Arm zitterte von der Anstrengung.
Langsam bewegte sich der Schatten nach links. Ondragon zog die Augenbrauen zusammen, um bei dem schlechten Restlicht noch etwas zu erkennen. Es war eindeutig ein Mensch, der da lief. Wut packte ihn. Er hatte keine Lust mehr auf diese Versteckspielchen. Mit ausgestreckter Waffe ging er auf die Person zu und rief: „He! Warte! Stehenbleiben!“
Doch der Schatten hatte sich bereits hinter einen Baum gekauert. Wer zum Teufel war das? Einer vom Suchtrupp?
„Kateri? Pete?“ Als er nur noch zwanzig Schritte von dem Baum entfernt war, sprang die Person plötzlich los, schlug sich mit großen Sprüngen ins dichte Gebüsch und war verschwunden. Ondragon blieb überrascht stehen, denn nicht nur der ihm bekannte Pestgestank drang in seine Nase.
„Mortimer?“, brüllte er dem Jungen mit dem grauen Haarschopf hinterher. Kein Zweifel, es war Petes Bruder gewesen. Nur, warum lief der hier alleine im Dunkeln herum, und das soweit von seinem Zuhause entfernt? Das Knacken der Schritte im Gebüsch erstarb. Hatte Mortimer angehalten?
„He, Momo! Komm heraus. Ich bin ein Freund von deinem Bruder Pete. Kannst du mir helfen? Ich habe mich verirrt.“ Er lauschte angestrengt in die immer dichter werdende Finsternis. Es knackte leise, fast unentschlossen. Der Gestank war wieder fort, wahrscheinlich hatte er ihn sich eh nur eingebildet. Inzwischen war er so durch mit dem Thema, dass er sich auf seine Sinne nicht mehr verlassen wollte. „Momo?“
Was dann geschah, war der Höhepunkt eines alptraumhaften Tages, den man nicht einmal seinem schlimmsten Feind wünschen würde.
Gerade, als Ondragon erneut den Mund öffnete, um nach Momo zu rufen, sprang eine schwarze Masse von links auf ihn zu und prallte mit voller Wucht gegen ihn. Seine Waffe wurde ihm aus der Hand geschlagen, und mit dem Rücken schrammte er gegen einen Baumstamm. Mit glasklarem Entsetzen spürte er, wie seine Haut unter dem Pulli aufriss und eine Rippe knirschte. Schmerz stach ihm in die Lunge, als er zu Boden gerissen wurde. Er wollte aufstehen, doch erneut traf ihn ein schwerer Schlag auf den lädierten Brustkorb und raubte ihm fast die Besinnung. Grelle Sternchen blitzten vor seinen Augen auf, und mit weit aufgerissenem Mund versuchte er Luft zu holen. Jeder Atemzug verursachte ihm höllische Pein. Mit Armen und Beinen wehrte er sich gegen die Kreatur, die rittlings auf ihm hockte und nach ihm schnappte und schlug. Der Gestank, der von ihr ausging, war unbeschreiblich, und ihr Gewicht erdrückend. Ondragon spürte, wie seine Kräfte schwanden. Verzweifelt versuchte er, mit einer Hand an das Klappmesser in seiner Hosentasche zu gelangen, doch aufgrund seiner Schmerzen und der bleiernen Masse des Viehs war es unmöglich. Mit letzter Luft und Hoffnung begann er um Hilfe zu schreien, während er mit seinen Fäusten blindlings zurückschlug. Doch plötzlich ließ die Bestie von ihm ab, streckte ihren Oberkörper und heulte warnend in die Nacht hinaus wie ein Wolf, der sein Revier verteidigte. Ondragon nutzte die Gelegenheit und wich rückwärts kriechend von ihr zurück. Über seinem Kopf erklang ein zischendes Geräusch, das ihm irgendwie bekannt vorkam, und es folgte ein dumpfer Aufschlag. Erneut stieß das Monstrum ein schauriges Heulen aus, diesmal erfüllt von Schmerzen. Es erhob sich auf seine langen Hinterbeine, sah sich unsicher um und schnellte schließlich mit einem wütenden Knurren davon. In der Dunkelheit konnte Ondragon gerade noch erkennen, dass ein langer, dünner Gegenstand aus seiner Schulter ragte. Mit einem erleichterten Lachen ließ Ondragon sich auf den Rücken fallen. Was für ein beschissener, abgefahrener Irrsinn!