23. Kapitel
2009, Moose Lake, Cedar Creek Lodge
Während Ondragon den schmalen Waldpfad in entgegengesetzter Richtung am westlichen Ufer des Moose Lake entlanglief, vergewisserte er sich, dass seine Sig Sauer bequem in seinem Hosenbund steckte. Falls sich ihm etwas in den Weg stellen sollte, wäre er gewappnet. 9 mm waren auch für einen Bären eine ernst zu nehmende Einschüchterung.
Der Tag war herrlich warm, Sonnenschein sprenkelte den weichen Waldboden, und die Vögel legten sich mächtig ins Zeug, mit ihrem Gesang die sintflutartigen Regenfälle vom Vortag vergessen zu machen. Obwohl alles friedlich wirkte, behielt Ondragon seine Umgebung genau im Auge. So etwas wie neulich würde ihm nicht wieder passieren. Auch er lernte dazu, auch wenn die boreale Wildnis wohl nie zu seinen Lieblings-Locations zählen würde.
Immer wieder knackten morsche Äste unter seinen Füßen, und jedes Mal vergewisserte er sich, dass er nicht wieder in etwas hineintrat. Einmal sah er einen riesigen Schatten zwischen den Baumstämmen kauern. Das alarmierende Kribbeln in seinem Nacken nahm an Intensität zu. Ondragon tastete nach seiner Waffe. Doch als er kurz anhielt, um den Schatten in Augenschein zu nehmen, stellte er fest, dass es nur das krakenähnliche Wurzelwerk eines umgekippten Baumes war. Seine Nerven vibrierten noch eine ganze Weile, er musste sie regelrecht zwingen, sich zu beruhigen.
Es dauerte länger als gedacht, bis er die Stelle an der Spitze des Sees erreichte. Aber sie sah noch genauso aus, wie er sie in Erinnerung hatte; das dichte Buschwerk, die hohen Nadelbäume und die Stille. Ondragon verlangsamte sein Tempo und ging bis zu der Verengung in dem Gestrüpp, durch das sich der Weg wie ein Tunnel fortsetzte. Er blickte unentschlossen hinein. Das Zwielicht unter dem verfilzten Astwerk wirkte nicht gerade einladend. Doch schließlich gab er sich einen Ruck. Eine dunkle Biegung nach der anderen brachte er mit erhöhter Wachsamkeit hinter sich, versuchte alles auf einmal im Blick zu behalten. War dieses Stück des Weges tatsächlich so lang gewesen? Warum war er auch in solch kopfloser Panik hindurchgefegt? Plötzlich gewahrte er zu seiner Rechten eine Bewegung im Gebüsch. Ondragon blieb stehen. Ihm fiel auf, dass der bestialische Gestank, der noch Tage zuvor hier geherrscht hatte, verschwunden war.
Eine weitere Bewegung erschütterte das Geäst, und es folgte ein derber Schwall Flüche.
Ondragon grinste. Für eine Dame jenseits der Sechzig hatte Dr. Layton ein ungewöhnlich detailliertes Repertoire an Schimpfwörtern, die nicht nur das männliche Geschlechtsteil betitelten. Er räusperte sich laut, um sich zu erkennenzugeben. Augenblicklich verstummte die Schimpfkanonade.
„Wer ist da!“, herrschte ihn der Busch neben ihm an.
„Paul Ondragon, Ma’am. Aus der Cedar Creek Lodge“
„Kommen Sie her!“
Er tat wie geheißen und betrat die kleine Lichtung, die durch die kriminaltechnische Untersuchung am Tatort entstanden war. Hier war es schon bedeutend heller. Dr. Layton hockte auf allen vieren auf dem Boden und hielt einen Ast in der Hand. Sie trug eine Camouflage-Hose, ein grünes T-Shirt mit einem Bären darauf und darüber eine Multifunktionsweste mit gefühlten tausend Taschen. Ihre weißen Haare fielen ihr wirr ins Gesicht. Sie sah aus wie eine Kombination aus Rambo und dem verrückten Professor, nur in weiblich.
„Nun, kommen Sie schon!“ Ungeduldig winkte sie ihn heran. Wieder fielen ihm ihre muskulösen Arme auf.
„Sind Sie ganz alleine hier, ohne Polizeischutz?“, fragte er leicht irritiert.
„Pah, vor wem sollten diese Witzfiguren mich beschützen? Ich habe keine Angst. Außerdem gibt es nichts in diesen Wäldern, das eine Bedrohung für einen Menschen darstellt, außer seiner eigenen Dummheit. Sehen Sie sich das an.“ Sie hielt ihm den daumendicken Ast unter die Nase.
Er betrachtete ihn, konnte aber nichts Ungewöhnliches daran finden. „Verzeihen Sie, Dr. Layton, aber für mich ist das ein ganz normaler Ast.“
„Den habe ich dort drüben am Wegesrand abgerissen. Sehen Sie nicht die Abriebspuren? Das ist seltsam, als ob daran etwas angebunden gewesen war. Da hinten sind noch mindesten drei weitere solcher Spuren an den Ästen.“
‚Natürlich vom Netz‘, dachte Ondragon, behielt es aber für sich. Er hatte es Pete versprochen. Und daran wollte er sich auch vorerst halten. „Haben Sie noch weitere Spuren gefunden?“
„Nur ein paar alte Raubvogelfedern, und an einem Baum Fellreste eines Elches. Ich habe den Kreis meiner Suche noch einmal erweitert, aber da ist nichts. Wissen Sie, dem armen Opfer wurde nämlich der linke Fuß abgekaut, aber die Polizei konnte ihn bisher nicht finden. Wahrscheinlich wurde er gefressen.“
„Von einem Bären?“
„Nein!“ Ein tadelnder Blick brannte aus Dr. Laytons sonnengegerbten Gesicht. „Die Bissspuren stammen von einem Wolf! Warum habe ich das Gefühl, dass die Bären hier an den Pranger gestellt werden sollen? Wissen Sie eigentlich, wie viele Menschen hier in den Vereinigten Staaten durch eine Bärenattacke ums Leben kommen? Nicht einmal einer pro Jahr. Das heißt, es ist 67mal wahrscheinlicher, von einem Hund getötet zu werden, und 90.000mal Opfer eines Mordes zu werden! Und nun sagen Sie mir, wie gefährlich sind die Bären? Hm?“
Ondragon hob beide Hände. „Es tut mir leid, ich habe weder Ahnung von Bären noch von Wölfen. Und es ist mir auch egal, wer oder was den Mann getötet hat, ich bin nur besorgt.“
„Und deshalb joggen Sie hier so herum!“
„Ertappt. Ich muss gestehen, dass mich der Fall auch interessiert.“ Er schenkte ihr ein Lächeln aus der Ich-bin-ein-kleines-Dummerchen-aber-trotzdem-ganz-nett-Kategorie.
Dr. Laytons Blick verlor an Schärfe, und sie wandte sich wieder dem Ast zu. „Nun gut, dann sage ich Ihnen jetzt was.“ Sie erhob sich zu ihrer vollen Größe und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Dies ist keine Bärengegend. Ich kann in einem Umkreis von einer Meile keinen einzigen Hinweis dafür finden, dass sich hier in den vergangenen Wochen oder Monaten ein Bär aufgehalten hat. Ein Bär hinterlässt immer irgendwelche Spuren. Fußabdrücke, Kothaufen, angefressene Äste und Krallenwetzrillen in Baumstämmen, genauso wie Fellreste vom Schubbern an Sträuchern und Bäumen, wodurch er sein Revier markiert. Das hier“, sie zeigte mit den Ast auf die Stelle, wo noch vor Kurzem die Leiche gelegen hatte, „war mit neunundneunzig prozentiger Sicherheit kein Bär, auch wenn der Deputy und Dr. Tod das gerne glauben möchten.“
„Dr. Tod?“ Ondragon schmunzelte.
„Ja, Schuyler, dieser alte Leichenfledderer.“
„Sie kennen sich?“
„Ja, und leider nicht erst seit diesem Fall. Er ist ein halsstarriger, alter Klugscheißer. Erst holt er sich eine Expertenmeinung und dann weiß er es doch besser, denkt, er wäre eine Koryphäe auf seinem Gebiet!“
„Ist er das nicht?“
Dr. Layton stieß abfällig Luft aus. „Wäre er sonst mit Sechzig noch immer Medical Examiner in irgendeinem Pupsbezirk vom St. Louis County? Gott bewahre! Der sollte sich lieber einen Job als Bestattungsunternehmer suchen, anstatt armen, wehrlosen Toten die Haut vom Leib zu ziehen.“ Dr. Laytons Meinung über Schuyler war eindeutig.
„Ist er denn nicht kompetent? Ich meine, in Bezug auf diesen Fall. Dr. Schuyler sagt, dass die Bissspuren an der Leiche etwas merkwürdig seien.“
„Da hat er ausnahmsweise mal Recht, die Bisse stammen zwar von großen Fangzähnen, aber nicht von einem Bären!“
„Sicher?“
„Ganz sicher!“
„Und was war es Ihrer Meinung nach dann?“
Hier zögerte Dr. Layton, und das weckte Ondragons Unbehagen auf ein Neues. Dumpf begann es in seinem Hinterkopf zu pochen. Glaubte etwa auch sie, eine Wissenschaftlerin, an diesen Unfug mit dem Wendigo?
Da Layton noch immer schwieg, übernahm er das Wort. „Es gibt da so ein Märchen von einem Waldmonster …“
Layton verzog keine Miene.
„… das Menschen frisst. Das hat mir der Kofferjunge der Lodge erzähl. Er hat auch die Leiche gefunden. Er glaubt, es war das Monster.“
„So ein Blödsinn. Sie meinen den Wendigo? Das ist bloß ein indianisches Sagenwesen. Den gibt es nicht wirklich.“ Dr. Layton steckte den Ast in eine ihrer Westentaschen. „Hier oben im Norden sind die Menschen manchmal etwa wunderlich. Das macht die Einsamkeit und die Dunkelheit im Winter. Da wird so mancher etwas gaga.“ Sie drehte ihr Gesicht mit einem Ruck weg. Wahrscheinlich aus Scham. Ihr war vermutlich aufgefallen, dass sie gerade mit einem Insassen der CC Lodge sprach, welche schließlich auch als gaga galten. „Ich bin hier fertig. Gehen Sie mit mir zurück, Mr. Ondragon, oder joggen Sie noch weiter?“
„Danke, aber ich laufe noch die Runde um den See zu Ende. Passen Sie auf sich auf, Dr. Layton. Ach ja, und schauen Sie sich mal an, was ich Deputy Hase heute Morgen übergeben habe. Könnte interessant für Sie sein.“ Ondragon hob grüßend eine Hand und machte sich auf den Weg, während die Verhaltensforscherin in die andere Richtung davonging.
Nachdem er das Gestrüpp hinter sich gebracht hatte, und das Sonnenlicht wieder durch die Baumkronen fiel, verflüchtigte sich das beunruhigende Pochen in seinem Kopf allmählich und machte ihn wieder frei für das ruhige Kreisen der Zentrifuge. Locker trabend passierte er die Baumstammbrücke über das Bächlein und erreichte die Abzweigung zum bear‘s den. Kurzerhand bog er auf den stark überwucherten Pfad ein, der leicht anstieg und in eine dunkle Fichtenschonung führte. Große Granitbrocken türmten sich links und rechts des Weges und zwangen Ondragon zu abenteuerlichen Kurven. Erschrocken stob ein graues Eichhörnchen davon, das in einem Sonnenfleck die Wärme genossen hatte, und es roch nach feuchter Erde und Pilzen. Plötzlich war der Weg zu Ende. Ondragon stand vor einer Halde aus riesigen Steinblöcken, zwischen denen sich eine schwarze Öffnung so groß wie ein Handballtor auftat. Als er näher trat, spürte er auf seiner schweißfeuchten Haut die Kühle, die der Höhle entströmte. Dr. Layton hatte erzählt, die Höhle hätte schon lange keinen Bären mehr gesehen und diente den Indianern dieser Gegend nur noch als Kultstätte. Warum also nicht mal nachschauen? Er fragte sich, wo die Indianer „dieser Gegend“ lebten. In Orr oder einem der anderen Käffer, oder im Wald wie der alte Joel Parker mit seinen beiden Neffen?
Ondragon betrat die Höhle. Modrige Kälte empfing ihn, und schon nach ein paar Schritten war er umgeben von absoluter Finsternis, in der er nicht einmal mehr die weißen Laufschuhe an seinen Füßen sehen konnte. Da er keine Lampe bei sich hatte, zückte er sein Handy und benutzte das Display als Lichtquelle. Sie reichte nicht weit, gerade mal eine Armeslänge, und tauchte die raue Felswand, an der er sich entlangtastete, in ein diffuses, bläuliches Licht. Immer wieder erschienen vor ihm herabhängende Felsnasen aus dem Nichts. Er duckte sich unter ihnen hindurch und fühlte sich dabei wie ein U-Boot, das blind durch einen Abyss tauchte - fehlte nur noch das Monster aus der Tiefsee.
Als er weitere zwanzig Schritte gegangen war, hielt er an. Sein Sinn sagte ihm, dass der steinige Untergrund unter seinen Füßen beständig bergab führte. Er leuchtete mit ausgestrecktem Arm um sich. Nichts als Schwärze.
„Hallo!“, rief er probehalber.
Kein Echo. Seine Stimme wurde vom Fels verschluckt, als sei er mit dickem Samt gepolstert. Er hatte keine Ahnung, wie groß die Höhle war, und konnte er es nicht riskieren, sich zu verirren. Ohne Taschenlampe hier herumzuklettern, war lebensmüde. Er würde nochmal wiederkommen müssen, wenn er den bear’s den erkunden wollte, falls das überhaupt einen Sinn hatte. Es schien eine ganz normale Höhle zu sein. Zumindest war ihm bislang nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Also drehte er sich um und tastete mit seiner rechten Hand nach der Wand, die ihn wieder hinausführen sollte. Nach sieben Schritten bergan fuhren seine Finger plötzlich über einen weichen Untergrund, den er zuvor nicht bemerkt hatte. Er blieb stehen und beleuchtete die Stelle. Dort wo es sich weich und auch irgendwie feucht anfühlte, befanden sich dunkle Striche an der Wand. Ondragon brachte sein Gesicht näher heran, und während seine Finger den Gegenstand weiter betasteten, wurde ihm klar, was er da berührte. Schnell zog er die Hand zurück.
Zum Teufel!
Angestrengt stieß er Luft aus.
Wer hängte ein frisch abgezogenes Fell in eine Höhle? Doch dann kam ihm die Erinnerung. Das hier war eine Kultstätte. Demnach waren vor kurzem die Indianer hier gewesen. Er schwenkte sein Handy weiter nach links und beleuchtete die dunklen Striche auf einem etwas älterem Stück Leder, das neben dem frischen hing. Es war die Haut von einem sehr großen Tier, und es befanden sich naiv gefertigte Zeichnungen darauf.
Mit gewecktem Interesse trat Ondragon näher und stieß dabei mit dem Schienbein an einen Gegenstand, der scheppernd zu Boden fiel. Er leuchtete in die Richtung und fand eine erkaltete Feuerstelle und etwas, das wie ein zerbeulter Topf aussah. Er hob den Gegenstand auf. Es war tatsächlich ein blechernes Gefäß mit einem Henkel aus Draht. Wahrscheinlich hatte hier jemand ein kleines Süppchen gekocht. Er sah hinein. Der Topf war leer, bis auf eine gelblichmilchige Schicht, die den Boden bedeckte. Ondragon strich darüber. Sie hatte eine merkwürdige Konsistenz, hart und doch wieder weich. Er roch an seinen Fingern. Bienenwachs? Stirnrunzelnd stellte er den Topf zurück auf die Feuerstelle und widmete sich wieder den Zeichnungen auf dem Stück Leder an der Wand. Es waren kleine, spiralförmig angeordnete Piktogramme, die eine Bildergeschichte darstellten. Am Anfang - zumindest hielt Ondragon es für einen solchen - war ein Dorf in einem Wald mit drei Lagerfeuern in der Mitte abgebildet. Daneben war in roter Farbe eine Gruppe gekrümmter und ausgemergelter Figuren gemalt worden. Diese dünnen Menschen befanden sich in der folgenden Darstellung im Krieg, zumindest hielten sie Waffen in den Händen und schlugen damit auf andere weißbemalte und blutende Menschen ein. Ein Bild weiter waren diese in Stücke zerteilt worden, und die dünnen Menschen genossen es sichtlich, das Fleisch ihrer Opfer von den Knochen zu nagen.
Ein Piepen ertönte, und Ondragon sah auf das Display seines Handys. Der Akku war demnächst leer. Doch vorher musste er noch diese Geschichte enträtseln. Er widmete sich wieder den Zeichnungen. Nach der Szene mit dem „Festmahl“ kam ein gemalter Wald mit gewellten Strichen über den Wipfeln, wahrscheinlich Wind oder Wolken, und wieder ein Dorf, diesmal bevölkert mit gut genährten Menschen, offensichtlich hatten sie sich satt gegessen.
Je weiter Ondragon in dieser Bilderspirale kam, desto kälter wurde ihm.
Wie hypnotisiert folgten seine Augen den krakeligen Figuren. Sie befanden sich jetzt im Wald. Sie waren auf der Jagd oder wieder im Krieg, mit Speeren und Bögen bewaffnet und mit schwarzer Farbe bemalt. Sie kamen an das Dorf, das verlassen war, die Feuer in der Mitte erloschen. Wieder Wald, dichter und dunkler als zuvor. Große runde Punkte stellten eine Spur dar, der die Jäger folgten. Und dann standen sie ihm plötzlich gegenüber. Ein Schauer jagte Ondragon über den Rücken, während er die befremdliche Figur betrachtete. Ein gedrungener Rumpf auf langen, stelzenartigen Beinen, darauf ein unförmiger Kopf mit Hörnern und rotglühenden Augen, bedeckt mit struppigem, grauem Fell.
Das musste er sein.
Der Wendigo.
Aber die Spirale war noch nicht zu Ende. Ein erneutes Piepen ignorierend folgte Ondragon den Bildern mit dem Licht vom Handy. Da ertönte hinter ihm ein Scharren.
Seine Hand erstarrte in der Bewegung.
„Hallo? Ist da jemand?“
Stille war die Antwort. Das Licht des Handys schwenkte über ein merkwürdiges Bündel, das neben dem Fell mit den Zeichnungen hing. Es waren mumifizierte Vögel an Schnüren, genau wie in dem Netz.
Es reichte! Doch gerade, als Ondragon den Rückweg antreten wollte, gab das Handy seinen Geist auf. Der Akku war leer. In der plötzlichen Dunkelheit packte ihn das Grauen wie eine kalte Hand. Fahrig tastete er nach der Wand, dabei stolperte er über den Topf am Boden. Ein lauter Fluch schallte in die Stille, als er hart gegen den Fels stieß und sich den Ellenbogen aufschrammte. Er benahm sich wirklich wie ein blutiger Anfänger!
Er drehte den Kopf. In welche Richtung musste er jetzt gehen? Trotz der Dunkelheit schloss er kurz die Augen, um sich zu konzentrieren.
Nach links natürlich. Reiß dich zusammen, verdammt noch mal!
Schnell bewegte er sich an der Wand entlang, bis vor ihm endlich grauer Lichtschein die Konturen der Höhle sichtbar machte. Der Ausgang.
Als er wenig später draußen im warmen Sonnenschein auf einem Stein saß und sich den Ellenbogen rieb, kam ihm seine erneute Panikattacke lächerlich vor. Genervt von sich selbst steckte er das Handy in seine Tasche und erhob sich. Höchste Zeit, zur Lodge zurückzukehren.
In gemächlichem Tempo lief er den holperigen Pfad entlang bis zum Hauptweg. Er wollte gerade linkerhand abbiegen, da drang ein Laut an sein Ohr. Lauschend blieb er stehen. Was war hier im Wald eigentlich los? Oder spielten seine Nerven jetzt endgültig verrückt?
Ondragon sah sich um. Dort, wo er stand, war das Buschwerk zwar etwas dichter, und hohe Nadelbäume schirmten das Sonnenlicht ab, aber es war nichts Auffälliges zu erkennen. Oder doch? War da hinten zwischen den Bäumen nicht eine Bewegung gewesen? Ondragon duckte sich hinter einen Strauch am Wegesrand. Da war jemand, definitiv.
Er hörte verhaltene Schritte im Unterholz und eine männliche Stimme, die einen Namen rief, ganz leise.
„Momo.“
Das war Pete, der nach seinem Bruder rief.
„Momo?“
Ondragon erhob sich und öffnete den Mund, um dem jungen Hillbilly etwas zuzurufen, doch im selben Moment sah er aus den Augenwinkeln etwas Dunkles aus den Ästen über seinem Kopf auf ihn herabfallen. Ein Fauchen drang an sein Ohr, doch ehe er reagieren konnte, traf ihn ein gewaltiger Schlag an der Stirn und riss ihn in eine tiefe Schwärze.