Winter 1983

West Wangallon

Anthony ging zu den Ställen. Er wusste, dass Sarah jetzt die Stute fütterte. Charlotte sollte in den nächsten Monaten fohlen und bekam abends zusätzlichen Hafer. Wenigstens einmal alle vierzehn Tage hielt sich Anthony unter einem Vorwand in der Nähe auf, obwohl er doch in den Cowboy-Unterkünften auf Wangallon wohnte, einige Kilometer von Sarahs Zuhause entfernt. Leise trat er näher und sah zu, wie Sarah mit ihrem Taschenmesser den Futterbeutel aufschnitt. Rasch zog sie den Jutesack auseinander, und während sie den Eimer füllte, schubste Charlotte sie schon ungeduldig mit dem Kopf.

»Ruhig, Mädchen. Lass mich zuerst einmal den Eimer füllen.« Sarah trug den Eimer in den Stall, während Charlotte ihr dicht auf den Fersen blieb.

Anthony hörte das mahlende Geräusch der Pferdegebisse und Sarahs beruhigende Stimme. Es dämmerte schon fast, und die Geräusche des Tages traten langsam zurück. Grillen zirpten, und von den Hügeln drang das anschwellende Summen der Zikaden.

Sie waren nur drei Jahre auseinander, dachte Anthony. Eigentlich nicht viel. Er und Cameron waren schon bald einundzwanzig, während Sarah demnächst ihren achtzehnten Geburtstag feierte. Er steckte die Hände in die Taschen; ein Jahr war er jetzt schon auf Wangallon, das beste Jahr seines Lebens. Angus hatte ihm große Verantwortung übertragen, und mit Cameron war er eng befreundet. Die Tatsache, dass Sarah Gordon seinen kleinen Freundeskreis komplettierte, trug nur noch dazu bei, dass er seinen Aufenthalt auf der Farm jeden Tag aufs Neue genoss. Natürlich war er traurig gewesen, als er die Stelle auf Wangallon hatte annehmen müssen, weil sein älterer Bruder die elterliche Farm erben würde und nicht er, aber mittlerweile konnte er sich schon gar nicht mehr vorstellen, woanders zu leben. Es machte ihn immer noch stolz, dass Angus Gordon ihn eingestellt hatte, und er musste zugeben, dass er zur Arroganz neigte, wenn er mit den anderen Cowboys in der Gegend sprach. Selbst sein eigener Vater hatte ihm gratuliert, weil er von den Gordons »auserwählt« worden war. Freunde fragten ihn, ob der alte Kerl wirklich so ein gemeiner Bastard war, wie es hieß. Gleichzeitig bewunderte man ihn aber auch überall wegen seines scharfen Verstands.

Anthony versuchte, aus Cameron etwas über seinen Großvater herauszubekommen, aber es war unmöglich, die Legende von der Realität zu trennen. Es gab zahlreiche Geschichten und Gerüchte, die Angus’ Vater, Hamish, mit Viehdiebstahl und illegalen Geschäften in Verbindung brachten, über den Tod von Familienmitgliedern und Aborigines, doch selbst Cameron war der Meinung, dass man an solche Dinge besser nicht rührte. Also musste Anthony sich mit den allgemein bekannten Fakten begnügen. Angus stammte aus einer zweiten Ehe. Sein Vater war schon Anfang sechzig gewesen, als er auf die Welt kam, und die Einheimischen hielten ihn für genauso reich und gerissen wie ihn.

»Hi.« Sarah kam mit dem Eimer in der Hand aus den Ställen. Ihr hellblauer Pulli war schmutzig, und ihre Augen strahlten. »Was gibt es?«

»Ich wollte dir das hier zurückgeben.« Er hielt ihr einen weißgelben Umschlag hin.

Sarah warf den Eimer mitsamt dem Futtersack in den Schuppen und verriegelte die Tür. Nervös umklammerte sie die Türklinke. Seit Camerons Begegnung mit den Wildschweinen hatten ihre schulischen Verpflichtungen wegen des bevorstehenden Highschool-Examens so zugenommen, dass sie praktisch keine freie Minute mehr hatte. Und doch gelang es ihr, Anthony mindestens einmal in der Woche zu sehen, und für gewöhnlich war es hier an den Ställen. Sie wischte sich die Hände an der Jeans ab und ergriff den Umschlag. Er enthielt die Fotos, die sie auf ihrem Ausflug ins Guajak-Gehölz gemacht hatte. »Danke.«

»Ich habe mir Abzüge machen lassen. Es sind wirklich großartige Fotos. Vor allem das eine von Cameron, wo er ganz still steht.«

Das war auch Sarahs Lieblingsfoto. »Er sah ziemlich mitgenommen aus.«

»Du solltest mal an einem Fotowettbewerb teilnehmen.«

»Ach was, ich knipse doch nur so herum.«

Das fand Anthony gar nicht. Er hatte die Fotos einem Fotografen in der Stadt gezeigt, der gesagt hatte, Sarah hätte einen guten Blick für Komposition. »Was macht das Lernen?«

»Wegen Englisch und Mathe habe ich das Mustern der Zuchttiere verpasst, aber du weißt ja, wie Mum ist.« Sarah steckte die Hände in die Taschen. Sie fand es aufregend, sich mit Anthony allein zu treffen.

»Ja«, stimmte Anthony zu. Sarahs Mutter war ein bisschen durchgeknallt, und er wusste instinktiv, dass sie es nicht mochte, wenn ihre Kinder mit den Angestellten freundschaftlich umgingen, obwohl auch er aus einer respektablen Grundbesitzerfamilie kam.

Sarah wusste, dass er sie mochte. Na ja, zumindest ein bisschen, denn sonst würden sie sich ja nicht ständig an den Ställen treffen. Er nahm wohl kaum den langen Weg von der Cowboy-Unterkunft auf sich, um mit den Pferden zu sprechen. Bestimmt würde er sie bald einmal fragen, ob sie mit ihm ausgehen wollte. Wenn sie doch nur näher an einer größeren Stadt wohnen würden! Sie hatte ein Auge auf ein violettes Kleid mit Rüschen und einer Art Tulpenrock geworfen. Es würde ihr bestimmt gut stehen. Sie zog den Gummi von ihren Haaren, schüttelte sie aus und band sie erneut zusammen.

Anthony setzte sich auf den Betonblock, der als Stufe in den Futterschuppen diente. Es wurde schon dunkel, und nur noch zwischen den Bäumen in der Ferne war ein dünner, heller Streifen zu sehen. Er winkte Sarah zu sich. Sie zögerte kurz und fuhr sich rasch mit der Zunge über die Lippen, bevor sie sich schließlich neben ihn setzte. Schweigend saßen sie da. Sarah zog die Knie an, weil sie in der kühleren Abendluft fröstelte. Verlegen spürte sie, wie ihre Arme sich berührten.

Wann hatte er sein Herz an dieses Mädchen verloren?, dachte Anthony. Er sah in ihr nicht mehr den Spielkameraden, das Mädchen in geflickten Jeans, an deren geflochtenem Gürtel ein Taschenmesser hing. Fasziniert betrachtete er die rosigen Ovale ihrer Nägel, träumte davon, wie seine Hände auf ihren Hüften lagen, und stellte sich ihr duftendes Haar vor, das durch seine Finger glitt. Verlegen rieb er einen imaginären Schmutzfleck von seinen Jeans.

»Vor ein paar Monaten waren wir noch am Fluss«, sagte Sarah und schob die Hände unter ihren Pulli. Es würde eine kalte Nacht werden.

Anthony dachte an den Nachmittag, den letzten, bevor es im Herbst kühler wurde. Sie hatten im schlammigen Flusswasser gebadet und später auf ihren Handtüchern am Ufer in der Sonne gedöst. Sarahs schlanke, gebräunte Gestalt stand ihm seitdem ständig vor Augen. Natürlich hatte er schon ein paar Erfahrungen mit Frauen gesammelt, aber hier auf Wangallon standen die Dinge etwas anders, schließlich war sie die Enkelin seines Chefs.

»Hast du das von Ronnie Reagan gehört? Er will Satelliten hochschießen, die Raketen abwehren können.«

Sarah blickte zum Himmel. »Das ist nicht dein Ernst.« Am Himmel tauchten die ersten Sterne auf. Sie schimmerten in der Dunkelheit wie Perlen. »Hat er Angst vor den Russen?«

»Scheint so.«

»Hey, das wäre ja so ähnlich wie Star Wars.«

»So nennen manche Leute es auch.«

Sarah schüttelte den Kopf. »Erstaunlich. Da gucken wir uns solche Filme im Autokino an, und es könnte tatsächlich im wirklichen Leben passieren. Gott sei Dank sind wir hier.«

»Du wirst nie hier weggehen, Sarah, oder?«

»Nein, niemals. Wie Großvater schon gesagt hat, wenn man diesen Ort erst einmal im Blut hat, kann man nirgendwo anders mehr leben. Deshalb ist unsere Familie ja auch schon so lange hier. Wenn man von hier weggeht, lässt man sich selbst zurück.« Sie wollte ihm gerne sagen, wie sehr sie ihn mochte, obwohl er sie vielleicht noch ein bisschen jung fand. Vielleicht hatte er sie deshalb noch nie eingeladen, mit ihm auszugehen? Schließlich war sie noch in der Schule.

»Ich gehe jetzt besser, es ist schon spät.« Zögernd stand Sarah auf. Die Lichter des Hauses leuchteten durch die Bäume. Bald würde es Abendessen geben.

»Sarah.« Anthony erhob sich. Er hätte sie gerne in die Arme genommen und geküsst. Er hätte gerne ihren Duft nach Sandelholz und Lederfett gerochen. Sie war wahrscheinlich noch nie geküsst worden, und ganz bestimmt nicht von jemandem, der schon ein bisschen Erfahrung hatte. Aber er stellte sich das alles nur vor und berührte sie lediglich leicht an der Schulter. Wenn Sarah oder ihre Familie etwas gegen seine Avancen hatten, würde er seinen Job verlieren, und er war so gerne hier. Es war wichtig für ihn, Teil von Wangallon zu sein. »Ja, du gehst jetzt besser nach Hause. In ein paar Tagen fangen wir an zu scheren, deshalb sehen wir uns wahrscheinlich eine Zeit lang nicht.«

»Nein, wahrscheinlich nicht.« Sie blickte ihn an. Seine Haare waren vom Wind zerzaust, er stand lässig da und hatte den Pullover um die Schultern geschlungen. Ein seltsames Gefühl stieg in ihr auf.

»Nein, wahrscheinlich nicht«, wiederholte Anthony und trat einen Schritt auf sie zu. Sein Herz klopfte heftig, als er ihr mit den Fingern zärtlich über die Wange fuhr. Dann zog er sich zögernd zurück. Er musste erst seine Position auf der Farm festigen, abwarten, ob ihre Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhten, und herausfinden, ob Sarah für ihn genauso viel empfand wie er für sie.

Mechanisch wandte sich Sarah zum Haus um, aber in Gedanken blieb sie noch dicht bei ihm. Sie dachte an den Ausdruck in seinen Augen. Sie hatte geglaubt, er würde sie küssen. Kurz drückte sie die Handflächen gegen die raue Rinde einer Tamariske. Bevor sie ins Haus trat und die Vorwürfe ihrer Mutter über sich ergehen ließ, weil sie so spät kam, musste sie erst ihre aufgewühlten Gefühle beruhigen. Sie hörte, wie Anthonys Jeep davonfuhr, und dachte daran, wie Cameron sie neckend gefragt hatte, ob sie Anthony denn etwas zu Weihnachten geschenkt hätte. Und bei einer anderen Gelegenheit hatte er gesagt, dass Anthony jetzt für immer auf Wangallon bleiben würde.

Am Tor hob sie den Riegel. Der kurze Vortrag über Risiken, den ihr Großvater gestern ihrem Bruder und ihr gehalten hatte, fiel ihr ein.

»Du kommst nicht weit, Mädchen, wenn du keine Schulden hast. Bequemes Leben und alles bar bezahlen bedeutet bloß, dass du keine Risiken eingehen willst. Und Leute, die das Risiko scheuen, gehören nicht in den Busch.«

»Risiko«, wiederholte Sarah leise und lief den Betonweg zum Haus hinauf. Es gab verschiedene Arten von Risiken. Es war auch ein Risiko, sich in den Cowboy zu verlieben. An der Hintertür kratzte sie den Dreck von ihren Schuhen.

»Würdest du dich bitte ein bisschen beeilen, Sarah? Dein Vater und dein Bruder möchten gerne noch vor Mitternacht mit dem Essen beginnen.«

Sarah holte tief Luft und betrat die Küche.

Vögel und Eidechsen schwirrten erschreckt davon, als die Kettensäge sich lärmend durch den Buchsbaum fraß. Anthony drückte die Säge fester gegen den Stamm, den Cameron von der anderen Seite mit der Axt eingeschlagen hatte. Ein lautes Knistern ertönte, als der Baum mit raschelnden Blättern schwankte, sich zur Seite neigte und schließlich krachend zu Boden fiel.

Cameron säuberte mit kräftigen Axthieben den Stamm von allen Ästen, so dass schließlich nur noch ein etwa vier Meter langer, glatter Stamm übrig blieb. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und schob sich den Hut nach hinten. Anthony warf ihm seine Wasserflasche zu, und er fing sie geschickt auf. Er setzte sich auf den Baumstumpf, um einen Schluck Wasser zu trinken, während Anthony mit der Kettensäge einen langen senkrechten Schnitt über den Stamm zog, um die Rinde zu entfernen. Danach rollte er den Stamm mit Camerons Hilfe auf die andere Seite und schnitt auch dort die Rinde ein. Später an den Stallungen konnten sie sie dann ablösen. Wenn der Stamm glatt war, war er wesentlich leichter zu transportieren.

»Jetzt haben wir sechs. Es müsste eigentlich reichen, oder?«, fragte Anthony Cameron, als sie den letzten Stamm auf die Ladefläche des Land Cruiser hievten.

»Ja.«

Vorsichtig manövrierte Anthony den Wagen durch den Busch. Der Boden war so uneben, dass sie heftig durchgeschüttelt wurden. Schließlich erreichten sie den kaum sichtbaren Hauptweg, über den sie in einer halben Stunde zu den Schafställen gelangen würden.

»Und, was für eine Geschichte steckt dahinter?«, fragte Cameron nonchalant. Er schaltete das Radio ein.

»Hinter was?«

»Du weißt schon. Die lahme Entschuldigung, dass Sarah heute früh nicht mit uns zu kommen braucht. Sie wird ganz schön sauer sein, wenn wir zurückkommen.«

»Wahrscheinlich«, erwiderte Anthony. Er stellte das Radio leiser.

»Also erzählst du es mir?«, fragte Cameron. »Ich habe gestern Abend deinen Jeep gehört. Und Sarah ist zu spät zum Abendessen gekommen.«

»Was soll ich dir erzählen?« Anthony versuchte, so gleichmütig wie möglich zu wirken. Ja, sicher, er und Cameron hatten gelegentlich über Sarah gesprochen, aber für gewöhnlich versuchte sein Freund, ihn immer auszuhorchen. Sarah hatte bestimmt nichts von gestern Abend erzählt. Aber es gab ja auch nichts zu erzählen. Angestrengt überlegte Anthony, wie er der Befragung entkommen konnte.

»Wie lange bist du jetzt schon hier?«

»Okay, okay, ich gebe auf.« Er warf Cameron, der ihn amüsiert anblickte, einen Blick zu. »Wenn du etwas zu sagen hast, sag es lieber gleich.« Anthony knirschte mit den Zähnen. Möglicherweise hatte Cameron ja etwas dagegen, dass er hinter seiner Schwester her war. Wenn das der Fall war, sollte er ihm besser gleich sagen, was er davon hielt, denn Anthony hatte keine Lust, seine Position auf Wangallon in Gefahr zu bringen.

»Jetzt reg dich nicht so auf. Ich wollte doch nur wissen, wie lange du schon hier bist?«

»Über ein Jahr, das weißt du doch.«

Cameron setzte sich gerade hin. »Über ein Jahr. Und so lange hast du gebraucht, um an meine Schwester heranzukommen?«

Anthony beschleunigte den Wagen und schaltete in einen höheren Gang. »Hat sie dir das erzählt?«

»Was? Dass du ein ganzes Jahr gebraucht hast, um an sie heranzukommen?«

Anthony warf seinem Freund einen Blick zu. Cameron musste sich offensichtlich das Lachen verkneifen.

»Na, schön, dass du Spaß hast.«

Auf dem Weg zu den Schafsställen hörte Cameron nicht mehr auf zu lachen. Sein normalerweise gebräuntes Gesicht wurde ganz rot.

»Eigentlich bin ich noch gar nicht an sie herangekommen«, antwortete Anthony hastig, als sie begannen, die Baumstämme abzuladen und zu den Weiden zu tragen.

Cameron nickte über die Schulter zu Sarah hin, die auf einem Quad angefahren kam. »Was denn dann?«

»Na, ihr zwei habt ja lange gebraucht. Danke, dass ihr mich alleine gelassen habt.« Sarah kam mit schnellen Schritten auf sie zu.

»Ich habe dir doch gesagt, sie würde sauer sein«, erklärte Cameron und beobachtete seine Schwester, die ihre langen Beine über den Zaun schwang. »Ihrer Laune nach zu urteilen, scheinst du es auf jeden Fall nicht besonders geschickt angestellt zu haben. Brauchst du ein bisschen Unterstützung?«

»Vielleicht.« Anthony zuckte mit den Schultern und grinste. Sie legten den Baumstamm am kaputten Zaun auf die Erde.

Cameron schlug seinem Kumpel auf den Rücken. »Anthony hat mir gerade erzählt, nun, ach, eigentlich nichts«, schloss er lahm, als er den warnenden Ausdruck in Anthonys Augen sah. »Lasst uns weitermachen.«

Cameron begann, mit der Axt die Rinde vom Stamm zu schälen. Dazu steckte er die Schneide in den vorbereiteten Längsschnitt und brach die Rinde mit einer geschickten Drehung auf. Als die eine Seite fertig war, drehten die beiden Männer den Stamm um und bearbeiteten die andere Seite genauso. Innerhalb weniger Minuten lag der Stamm glatt vor ihnen.

»Man sollte doch meinen, dass sich mal jemand eine schnellere Methode ausdenkt«, rief Sarah aus, als der letzte Stamm entrindet worden war und die beiden Jungs sich daranmachten, die neuen Pfosten aufzurichten.

»Stell dir nur vor, du musst mit dieser Methode ein Haus bauen wie in alten Zeiten«, meinte Anthony.

»Na ja, Wangallon steht immer noch. Der Bau mag ja lange gedauert haben, aber dann hat er auch verdammt lange gehalten.« Cameron schaufelte Erde in das ein Meter tiefe Loch, in dem der Pfosten stand.

Als er fest stand, maß Anthony die Entfernung für den Querbalken ab und sägte mit einer kleineren Kettensäge passende Stücke zurecht, die dann mit Draht an den Pfosten befestigt wurden.

Sarah klopfte auf den neuen Zaun. »Mit der Kettensäge ist es wirklich leichter. Wenn du nur Äxte zur Verfügung hast, um ein Haus zu bauen, ist es sicherlich viel mühsamer.«

Cameron trat einen Schritt zurück und bewunderte das neue Zaunstück. Es war ein schöner Tag, sonnig und klar. Er beobachtete, wie seine Schwester Anthony anschaute, der gerade ein neues Teilstück abmaß. Sie würden wirklich gut zusammenpassen, da war er sich mit seinem Großvater einig.

»Hey, Cameron, gibst du mir mal die Zange?«

»Ja, klar.« Er warf sie Anthony zu, der gerade eine Rolle Draht aufwickelte. »Willst du eigentlich nicht mal mit Sarah ausgehen, Anthony?«

Statt einer Antwort ertönte nur das metallische Knacken des Drahts, der durchgeschnitten wurde. Einen Moment lang dachte Cameron, der Freund würde ihm die Zange an den Kopf werfen, aber Anthony arbeitete schweigend weiter und konzentrierte sich darauf, den Draht fest um den Pfosten zu wickeln.

»Tja, was meinst du denn?«, stieß Anthony schließlich hervor. Er holte tief Luft und drehte sich nach Sarah um.

»Zu langsam«, erklärte Cameron lakonisch, als Sarah wieder aufs Quad stieg und um die Ecke des Schuppens verschwand.

»Woher wusstest du es denn?« Anthony blickte ihr nach.

Cameron überlegte einen Moment lang. »Wie ihr euch anseht. Ihr habt doch für nichts anderes Augen. Außerdem hast du ihr einen hübschen Schal geschenkt, und sie trägt ihn.«

»Komm, lass uns die Zäune fertig machen.«

»Klar.« Cameron packte seinen Freund an der Schulter. »Aber denk vor allem an eines: Lass nicht zu viel Zeit verstreichen, Anthony.«

»Cam, alter Kumpel. Ich bin dir ja dankbar für deinen Zuspruch, aber hast du auch schon mal daran gedacht, dass deine Mutter einen Anfall kriegen würde, wenn zwischen Sarah und mir etwas wäre?« Anthony kratzte sich an der Schläfe. »Und da ist ja auch noch mein Job.« Anthony begann, am nächsten Pfosten zu arbeiten. Er drehte den Draht fest um den Stamm und redete schließlich über die Ausmusterung am nächsten Tag. Es fiel ihm wesentlich leichter, von der Arbeit zu sprechen als über ein Thema, das er noch nicht zu Ende gedacht hatte.