KAPITEL 18

Mittwoch, 7. Februar, 23:45 Uhr

Nelea wurde in der Residence Principessa Clotilde an der Porta Nuova untergebracht. Als sie endlich mit der Tüte, in die ihr die Beamten in der Wohnung ihrer ehemaligen Arbeitgeber am Viale Majno alles Notwendige gepackt hatten, auf ihr Zimmer gehen konnte, war sie völlig erschöpft. Ihr Gesicht war geschwollen und verpflastert, aber der Portier, der ihre Anmeldung entgegennahm, würdigte sie keines Blickes. Er war an den Anblick von Leuten in ihrem Zustand gewöhnt: Ehefrauen, die von ihren Männern blutig geschlagen worden waren, vergewaltigte Mädchen, Prostituierte, die von Kunden oder ihren Zuhältern verprügelt worden waren. Polizei und Carabinieri brachten recht häufig Augenzeugen von Verbrechen oder Opfer von Gewalt hier unter: Menschen, die aus dem einen oder anderen Grund nicht in ihre Wohnung zurückkehren konnten und sich dem ermittelnden Staatsanwalt zur Verfügung halten mussten.

Das kleine Apartment, das man ihr anwies, lag im dritten Stock. Ein Zimmer mit Flur, Kochnische und einem fensterlosen Bad. Alles sehr sauber und unpersönlich, wie eben Zimmer in Pensionen so sind. Möbel aus Holzimitat, beliebige Kunstdrucke an den Wänden, nur das nötigste Mobiliar. Alles bequem, aber mit Bedacht so ausgewählt, dass die Gäste sich nicht zu sehr daran gewöhnten.

Nelea achtete nicht darauf. Für sie zählte nur, dass man sie nicht in ihrer Freiheit einschränkt hatte. Und vor allem, dass man sie nicht in das Auffanglager in der Via Corelli gebracht hatte. Dieser Ort hatte einen äußerst schlechten Ruf. Und von dort konnte man nicht verschwinden.

In einer Residence war das anders.

Und sie war frei.

Sie konnte kommen und gehen, wie sie wollte.

Und sie entschied sich zu gehen.