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Baz springt von der Straßenbahn
und eilt hinüber auf die schattige Seite der Straße. Eine kleine
Menschentraube hat sich vor einem Geschäft gebildet, in dessen
Schaufenster lauter Fernsehapparate stehen. Im Vorbeigehen sieht
sie Bilder des niedergewalzten Barrio. Eine Reporterin steht neben
dem Brunnen, hinter dem eine Reihe von Polizeibussen zu sehen ist,
und spricht ohne Ton in ihr Mikrofon. Die Kamera macht einen
Schwenk auf die Skyline über dem Barrio: nichts als Rauch und
Flammen. Dann ist ein Polizist im Bild, das Visier hochgeklappt,
mit entspanntem Gesicht nickt er und sagt ein paar Worte.
Sie geht rasch die Straße entlang,
vermeidet jeden Blickkontakt. Sie ärgert sich, dass sie sich nicht
sauber gemacht hat, als sie auf dem Markt war. Niemand nimmt einen
wahr, wenn man sauber ist.
Sie findet einen Trinkbrunnen und
wäscht sich das Gesicht. Setzt dann einen Teil von Señora Doluccas
Geld ein, um sich ein sauberes Shirt zu kaufen: weiß und schlicht,
wie sie von Kindern getragen werden, die auf eine gute Schule
gehen. Zurück auf der Straße, entsorgt sie das alte, schmutzige
T-Shirt in einer Mülltonne und macht sich dann ohne weitere Umwege
auf zum Krankenhaus.
Es ist drei Uhr nachmittags. Wenn
Señora Dolucca da ist und ein bisschen mit dem Wachmann plaudert,
dann, so rechnet Baz sich aus, dürfte es nicht allzu schwierig
sein, Demi durch den Flur zur Hintertür zu schleusen, dann die
Treppe hinunter und nach draußen. Reflexartig überzeugt sie sich
davon, dass der Schlüssel noch in ihrer Tasche steckt. Alles, was
sie brauchen, ist ein bisschen Glück und fünf Minuten Zeit. Fünf
Minuten auf der Straße, das reicht, um zu verschwinden, selbst wenn
Demi sich wegen seiner Wunde und dem verknacksten Bein nur langsam
bewegen kann. Und falls Lucien das Motorrad findet und es zu ihnen
bringt, gibt es nichts mehr, was sie aufhalten kann, auf der ganzen
weiten Welt nicht. Diesen Ausdruck hat sie schon mal gehört. Mama
Bali hat ihn irgendwann benutzt, und Baz glaubte damals, damit
seien die Straßen außerhalb des Barrio gemeint. Das war, als sie
noch klein war. Heute steht der Ausdruck für Freiheit, er steht für
»fort von hier«, steht für ein neues Leben.
Der Wächter am Eingang ist
derselbe, der auch Dienst hatte, als sie mit Señora Dolucca hier
war. Der Mann gibt ihr mit einem Nicken zu verstehen, dass er sie
wiedererkennt, öffnet die Schranke, und sie geht zügig hindurch und
betritt das Hauptgebäude, wo sie am Empfang ein Besucherschildchen
erhält und anschließend zum Sicherheitsflügel geführt wird. Dort
wird ihr gestattet, allein durch den öden grünen Flur zu gehen, an
dessen Ende sich das Büro des dicken Wachmannes befindet.
Offensichtlich ist heute nicht viel los, denn sie kann durchs
Fenster sehen, dass er gerade seine Siesta hält. Der Kopf liegt
flach auf dem Tisch, das Gesicht dem Besucher ab- und dem kleinen
Fernseher zugewandt, der immer noch läuft. Sie klopft ans Fenster,
aber er rührt sich nicht. Sie probiert das Tor, auch wenn sie nicht
damit rechnet, dass es unverschlossen ist, doch zu ihrer
Überraschung schwingt es auf, und sie schlüpft hindurch.
Wir spazieren jetzt einfach raus,
denkt sie. Dass alles so leicht ist, das passiert nur einmal im
Leben. Wenn du so eine Gelegenheit geboten kriegst, dann greifst du
zu. Wärst schön blöd, wenn du’s nicht tätest.
Sie beschleunigt ihre Schritte,
rennt jetzt fast, um nur schnell zu Demis Zimmer zu kommen. Die Tür
ist geschlossen, und ganz kurz zögert sie, fragt sich, ob sie
anklopfen sollte, ob er und Señora Dolucca sich vielleicht gerade
unterhalten. Sie ist versucht, ein Ohr an die Tür zu legen, zu
horchen, was sie sagen. Doch sie tut es nicht. Denn das ist etwas,
was jemand wie Miguel tun würde, aber nicht sie, auch nicht Demi
und nicht einmal der arme lärmende Raoul. Sie dreht den Knopf und
drückt die Tür auf.
Die Vorhänge sind aufgezogen,
helles Licht flutet durchs Fenster. Sie nimmt eine Stimme wahr,
nimmt Demi wahr, der auf dem Bett sitzt, und neben ihm die Frau des
Polizei-Captain. Es ist jedoch keiner von diesen beiden, der
spricht. Die Stimme gehört zu einer Gestalt, die auf der anderen
Seite des kleinen Zimmers sitzt, mit dem Rücken zum Fenster. Sie
muss blinzeln, weil das Licht so hell ist, und für einen Moment
kann sie gar nicht richtig sehen. Und dann trifft sie die
Erkenntnis wie eine schallende Ohrfeige von Fay.
Eduardo!
Sie sollte weglaufen, aber sie
kann es nicht. Es ist, als hätte eine dünne Klinge sie durchbohrt
und würde sie genau an dieser Stelle zwischen der halb geöffneten
Tür und dem Zimmer festnageln.
»Komm ruhig rein«, sagt Eduardo.
»Wir haben dich erwartet, nicht wahr, Mutter? Komm rein und mach
die Tür zu.«
Es herrscht eine schreckliche,
geradezu gruselige Unbewegtheit im Zimmer, allein der
Deckenventilator dreht sich langsam. Demis Gesicht verrät keine
Regung – sein Blick zuckt zur Tür, wo Baz steht, und dann zurück zu
der Gestalt im Sessel. Señora Dolucca sieht furchtbar aus, die
Wangen eingesogen, der Mund so fest zugepresst, dass ihre hellen
Lippen einen schmalen roten Strich bilden. Was Eduardo betrifft, so
sitzt er vollkommen entspannt da, die elegant gekleideten Beine
übereinandergeschlagen, das teure Hemd am Hals offen, ein Handy in
der linken Hand, eine flache silberne Automatikpistole im Schoß.
»Komm rein ... Baz.« Es hat den Anschein, als müsse er sich auf
ihren Namen erst besinnen.
Sie macht einen Schritt nach vorn,
worauf die Tür hinter ihr zufällt.
»Gut.« Er klappt sein Handy auf,
drückt auf die Wähltaste. Er trägt dünne Lederhandschuhe, und Baz
fragt sich, was das soll. Wer trägt bei dieser Hitze Handschuhe?
»Komm rauf«, sagt er ins Telefon. »Wir sind bereit.« Er lauscht der
Antwort am anderen Ende der Leitung. »Ja.« Dann klappt er das Handy
wieder zu. »Nun denn«, sagt er, »ist das nicht schön, Mutter? Du
hast gesagt, wie gern du das Mädchen und diesen Jungen magst, und
nun sitzen wir hier alle zusammen, gemütlich und in
Sicherheit.«
»Das kannst du nicht tun,
Eduardo«, setzt Señora Dolucca zaghaft an. »Dein Vater –«
»Mein Vater! Mein Vater, der
Captain«, sagt er und schnippt verächtlich mit seinen
behandschuhten Fingern.
Señora Dolucca sinkt in sich
zusammen, lässt den Kopf hängen. Sie vermeidet es, Baz anzusehen,
die sie ungläubig anstarrt. Diese mächtige Frau, die ihr helfen
wollte, Demi zu befreien, ist ganz klein und unbedeutend, ein
Nichts.
Eduardo lehnt sich in seinen
Sessel zurück. »Vielleicht, ›Mutter‹, werde ich dir dein Haus
lassen, aber von nun an wirst du tun, was ich dir sage.« Seine
Stimme wird sanfter. »Und mein Vater wird auch tun, was ich sage.
Schon sehr bald wird er erkennen, dass er tun muss, was ich
sage.« Er lächelt. »Weißt du, alles zu wissen, bedeutet Macht, und
eine Sache, die ich sehr genau weiß, ist die, dass jeder ein Dieb
ist. Es ist ganz simpel: Manche sind schlau und manche sind gierig.
Dein Mann, mein ›Vater‹, ist gierig. Ich, ›Mutter‹, bin schlau und
aus diesem Grunde sitz ich hier. Man braucht nichts weiter, als
bestimmte Dinge zu wissen. Ich weiß zum Beispiel, dass dieser
kleine Mann hier, der sich Demi nennt, ein guter Dieb ist, deshalb
werde ich ihn behalten.« Er wendet sich Baz zu. »Was dich angeht –
bei dir weiß ich nicht recht. Du könntest mir Probleme machen. Ich
glaub es aber nicht. Du magst Demi, und Demi ist jetzt in
Sicherheit, nicht wahr, Demi?« Demi antwortet nicht, aber davon
lässt Eduardo sich nicht beirren, er lächelt nur und redet weiter.
»Ich bringe ihn hier raus, du kommst auch mit und keiner wird mich
aufhalten. Wir sind sicher.«
Baz’ Kehle ist zugeschnürt, sie
spürt ein Brennen hinter den Augen. »Sie können uns zu nichts
zwingen! Wir schrein einfach, dann kommen Wachleute. Was machen Sie
dann?«, sagt sie. »Sag’s ihm, Demi. Wir ham nix mit ihm am Hut.
Besser, die Uniformen schnappen uns als der hier. Der hier ist
Gift.« Sie fühlt Wut in sich aufsteigen, wie die Flut hinter einem
Deich. Sie hat den Schlüssel. Sie hätten entkommen können, wenn er
nicht gewesen wäre, der da so sauber, so selbstgefällig in seinem
Sessel sitzt, und plötzlich ist Baz so wütend, wie sie’s noch nie,
niemals zuvor in ihrem Leben gewesen ist, und alle hässlichen
Wörter, die sie jemals im Barrio gehört hat, strömen aus ihr heraus
wie ein Sturzbach aus verfaultem Brunnenwasser.
»Baz, du machst es nur noch
schlimmer!«
Jemand lacht. Eduardo.
Jemand anderes nimmt ihre Hand,
hält sie fest, aber ihre Wut ist wie ein Sturm, und sie kann nicht
aufhören.
Und dann fliegt die Tür hinter ihr
plötzlich auf und knallt ihr voll ins Kreuz, sodass sie auf die
Knie sinkt und keine Luft mehr bekommt, und da versickert die Flut
des Hasses, während sie unter Schmerzen, schockiert, am ganzen
Leibe zitternd, um Atem ringt. Vorübergehend sind Füße das Einzige,
was sie wahrnimmt: Señora Doluccas gelbe High Heels, Eduardos weiße
Halbschuhe. Eine Hand packt sie grob am Nacken, tut ihr weh, drückt
ihr Gesicht auf den Boden. Sie zwingt sich, keinen Widerstand zu
leisten.
»Ich habe versucht zu helfen«,
sagt die Frau. »Eduardo war vor mir hier. Was sollte ich
tun?«
Es ist Baz egal. Sie fragt sich
nur, warum der Wachmann nicht angelaufen kommt.
»Du kannst sie jetzt hochlassen,
Domino«, sagt Eduardo.
Der Druck in ihrem Nacken lässt
nach, der Griff jedoch bleibt: nur dass der Mann sie jetzt
hochzieht.
»Und nun siehst du, wie sie
wirklich sind, ›Mutter‹.« Das Wort »Mutter« klingt bei ihm wie
Hohn, wie ein Witz. »Sie sind Diebe, meine Diebe. Sie
gehören jetzt mir. Stimmt’s, Demi?« Er erhebt sich, wickelt die
Pistole in ein Taschentuch und lässt sie in seine Sakkotasche
gleiten. Dann zieht er die Handschuhe aus. »Steh auf, Demi. So
schlimm ist deine Verletzung nicht.« Er wirft Demi dessen Kleidung
zu.
Mit einem Ruck schüttelt Baz die
Hand ab, die noch immer ihren Nacken gepackt hält, und huscht zum
Bett hinüber, an Demis Seite. Domino, Eduardos Gehilfe mit dem
ausdruckslosen Gesicht, will ihr nachsetzen, doch Eduardo hebt
beschwichtigend die Hand. »Lass sie. Sie ist sicher.«
›Sicher‹ – Fays Wort.
»Was soll das, Demi? Was meint
er?«
Demi zuckt mit den Schultern,
zieht sich, zwischendurch leicht das Gesicht verziehend, Jeans und
T-Shirt an und schlüpft in ein Paar Laufschuhe.
»Hab keine Wahl, Baz. Muss jetzt
für den hier arbeiten. Hat mich in der Hand.«
So hat Baz ihn noch nie erlebt, so
geschlagen, resigniert. War’s das also?, fragt sie sich. Ist alles
vorbei? Das wird jetzt ihr Leben, so zu sein wie alle anderen im
Barrio und nicht etwas Besonderes wie Mama Bali oder Lucien?
»Das reicht«, sagt Eduardo. »Gehen
wir. Domino, du behältst die beiden im Auge. Mutter, du kommst mit
mir.«
Eduardo verlässt als Erster den
Raum, zusammen mit Señora Dolucca, Mutter und Sohn auf
Krankenhausbesuch. Baz fragt sich, warum er die Pistole in ein
Taschentuch gewickelt hat. Vielleicht will er verhindern, dass sein
teures Sakko mit Öl beschmiert wird.
Domino weist sie beide an, vor ihm
zu gehen. »Kommt nicht auf die Idee, weglaufen zu wollen«, knurrt
er. »Wenn ihr irgenwelche Zicken macht, brech ich euch sämtliche
Knochen, nur damit ihr Bescheid wisst.«
Was können sie noch tun, wenn Demi
schon aufgegeben hat? Alle Großspurigkeit ist von ihm gewichen,
kein König der Straße mehr, nur noch ein kleiner Mann, nicht viel
mehr als ein geprügelter Hund. Baz hält sich dicht neben ihm, ihre
Schultern berühren sich fast.
Sie gehen durch den Flur, am Büro
des Wachmannes vorbei. Der Wachmann sitzt da, regungslos, in genau
derselben Haltung wie vorhin, doch diesmal erkennt sie die dunkle
Nässe in seinen Haaren, den blutgetränkten Kragen. »Demi, hast du
gesehn?«
Domino gibt ihr einen Stoß zur
Warnung, und sie zuckt zusammen, denn ihr Rücken tut noch weh an
der Stelle, wo die Tür sie getroffen hat. Lieber grün und blau als
tot. Flur und Treppenhaus lassen das Klacken von Señora Doluccas
Stöckelschuhen und das leichte Schlurfen Demis, der den rechten Fuß
nachzieht, widerhallen. Ärzte und Krankenschwestern eilen an ihnen
vorbei, doch niemand schenkt Eduardos kleiner Gesellschaft nähere
Beachtung: eine Familie, wird man wohl denken, die machen ja
furchtbar ernste Gesichter – haben wahrscheinlich einen im Sterben
liegenden Verwandten besucht.
Dieser Wachmann, denkt Baz, das
war doch nur ein harmloser dicker Mann, der sein Gebäck liebte,
seine Fernsehsendung. Wer würde ihm so etwas antun?
Eduardo neigt seinen goldenen
Schopf zu seiner Mutter hin, murmelt ihr etwas ins Ohr, und Baz
weiß, dass natürlich er es war.
Dass es Eduardo nichts bedeutet,
ein Menschenleben einfach auszulöschen, das kann sie sich denken,
aber warum er das ausgerechnet in diesem Fall getan hat, ist ihr
unbegreiflich. Dieser dicke Mann hätte jederzeit das Tor
aufgeschlossen für den Sohn und die Ehefrau des Polizei-Captain.
Vielleicht hat er ihn getötet, weil er es konnte, oder vielleicht,
um Señora Dolucca zu demonstrieren, wozu dieser Sohn, den sie bei
sich aufgenommen hat, fähig ist. Und es auch Demi zu zeigen. Ja,
das könnte sein.
Als sie zur Eingangshalle
gelangen, nimmt Eduardo Señora Doluccas Arm, hält sie fest, als
müsse sie gestützt werden. Domino treibt Baz und Demi an, dicht
dahinter zu bleiben. Eduardo reicht alle Besucherscheine zusammen
am Empfang ein. Der diensthabende Wachmann ist so gelangweilt, dass
er kaum einen Blick darauf wirft.
Wir sind jetzt unsichtbar, denkt
Baz.
Der Stundenzeiger der Uhr am
Eingang steht gerade auf der Drei, genau die Zeit, zu der Baz am
Wachmann hatte vorbeischleichen wollen, um das Eisentor
aufzuschließen und mit Demi zu entkommen, und jetzt spazieren sie
hier unbehelligt aus der Vordertür heraus. Entkommen sind sie
allerdings nicht, haben nur ein Übel gegen das andere
eingetauscht.
Draußen schlägt ihnen die Hitze so
massiv entgegen, dass es schon Anstrengung kostet, nur zu atmen.
Der Wachhabende am äußeren Eingang bleibt schön in der relativen
Kühle seines Häuschens sitzen. Durchs Fenster sieht Baz, wie er mit
Blick auf Señora Dolucca den Schirm seiner Mütze berührt, bevor er
die Schranke hochgehen lässt. Sie treten hinaus auf die Straße.
Eine Straßenbahn rattert vorbei, Autos, ein Fahrrad. Auf der
anderen Seite der Straße sitzen Männer vor dem Café, wo Baz tags
zuvor gewartet hat, der Zeitungsverkäufer hat sich mit seinem
Hocker auf der Schattenseite des Kiosks platziert. Alltagsleben.
Niemand weiß, dass der smarte junge Mann, der dort über den
Gehsteig spaziert, eine säuberlich in ein Taschentuch gewickelte
Pistole in der Tasche trägt, dass die Frau neben ihm die völlig
eingeschüchterte Gattin des Polizei-Captain ist und der Junge
hinter ihm ein gebrochener Dieb mit einer Schusswunde am Arm.
Eduardos Wagen steht ein Stück die
Straße hinunter, halb auf dem Gehsteig geparkt. Ein Mann sitzt
hinterm Steuer. Offenbar kann er sie in seinem Seitenspiegel sehen,
denn die beiden Türen auf der Gehsteigseite springen auf. Eduardo
beschleunigt den Schritt, und obwohl Domino Demi unter Flüchen und
Verwünschungen vorwärtsschiebt, entsteht eine Lücke zwischen
Eduardo und Señora Dolucca auf der einen und ihnen auf der anderen
Seite. Könnten wir weglaufen?, überlegt Baz. Falls jetzt eine
Straßenbahn vorbeifährt, könnten wir loslaufen und hinten
draufspringen? Könnten wir das schaffen, bevor Domino uns wieder
einfängt oder seine Pistole zieht? Bestimmt ist auch er bewaffnet,
ein Mann wie er, der hat mit Sicherheit eine Pistole, ein Messer
und Hände, die töten können. Dennoch, vielleicht könnten sie es
schaffen. Verstohlen sieht sie zu Demi hinüber, erregt seine
Aufmerksamkeit. Können sie?
Er versteht ihren Blick. Ein
leichtes Kopfschütteln und ein einzelnes Wort, nicht laut
ausgesprochen, aber sie weiß trotzdem, was es sagen soll:
»Lauf.«
Sie wendet den Kopf. Wie könnte
sie – ganz allein? Sie nimmt seine Hand. Was geschieht, wird ihnen
beiden geschehen. Basta.
Drei Schritte noch bis zum Auto,
Eduardo steht abgewandt, damit beschäftigt, Señora Dolucca beim
Einsteigen zu assistieren. »Lass seine Hand los«, kommt es
verächtlich von hinten. »Seid ihr kleine Babys oder was?« Es folgt
ein weiterer Stoß und Demi gerät leicht ins Stolpern. Automatisch
dreht Baz sich zu ihm, um ihn zu stützen, und da sieht sie ein
Auto, das plötzlich in die Mitte der Straße ausschwenkt, und in
entgegengesetzter Richtung ein Motorrad, das von der anderen
Straßenseite, dem Verkehr entgegen, mit aufheulendem Motor
herübergeschossen kommt.