6. KAPITEL
Für gewöhnlich war der Gemeinschaftsplatz im Herzen des Senatsdistrikts, zwischen dem Jedi-Tempel und dem Galaktischen Justizzentrum, nach Einbruch der Dunkelheit verlassen. In dieser Nacht jedoch war Alema keineswegs allein. Jacen und Ben standen lediglich ein paar Meter entfernt und unterhielten sich im Schatten einer Reihe von Blarbäumen.
Und sie war nicht die Einzige, die die beiden belauschte. Zuerst hatte sie Lumiya entdeckt, die hinter einer hohen Trennhecke auf der anderen Seite des Bürgersteigs stand, so ruhig und reglos, dass man unmöglich sicher sein konnte, dass sie noch immer da war. Dann war da der dunkle Schemen, der nach Bens Ankunft durch den Nebel geschlichen kam. Er war ungefähr zwanzig Meter entfernt, kauerte hinter der Hecke auf Alemas Seite des Gehsteigs und richtete durch die Blarbäume etwas auf die Stelle, wo Ben und Jacen standen und miteinander sprachen, das wie eine kleine Parabolschlüssel wirkte. Wer auch immer es war, bei dem Schatten musste es sich um einen Jedi handeln – und um einen ziemlich erfahrenen noch dazu. Genau wie Lumiya und Alema hatte er – oder sie – sich so weit in sich selbst zurückgezogen, bis er überhaupt keine Machtpräsenz mehr zu besitzen schien.
»… wie sind die Sparringrunden gelaufen?«, fragte Jacen. »Versucht er dich immer noch dazu zu bringen, die Beherrschung zu verlieren?«
Alema glaubte zu sehen, wie Ben den Kopf schüttelte. Die beiden Cousins achteten darauf, aus dem Licht zu bleiben, und unter solch nebligen Umständen konnten selbst nachtempfindliche Twi’lek-Augen wenig mehr als Silhouetten ausmachen.
»Nein«, sagte Ben. »Ich glaube, er versucht mir wirklich etwas beizubringen.«
»Du kannst dir keinen besseren Lehrer wünschen«, sagte Jacen. »Aber sei vorsichtig. Dein Vater sucht bloß nach einem Vorwand, dich wieder zurück auf die Akademie zu schicken.«
Ben schwieg einen Moment lang, dann fragte er: »Wird er einen finden?«
»Das liegt an dir«, erwiderte Jacen ruhig. »Glaubst du, die Techniken, die ich dich gelehrt habe, sind dunkel?«
»Das hängt davon ab, wie ich sie einsetze«, erwiderte Ben.
»Exakt.« Jacens Stimme wurde warm, und er klopfte Ben auf die Schulter. »Aber je älter dein Vater wird, desto konservativer wird er. Er fürchtet, dass er es nicht wirklich geschafft hat, die moderne Generation von Jedi auf das vorzubereiten, was auf sie wartet – dass sie nicht stark genug sind, sich sämtliche Aspekte der Macht zunutze zu machen.«
»Was glaubst du?«, fragte Ben.
»Ich glaube, dass er bessere Arbeit geleistet hat, als ihm bewusst ist. Viele Jedi-Ritter sind nicht stark genug, die Macht in ihrer Gesamtheit zu nutzen, aber einige schon.« Jacen legte Ben beide Hände auf die Schultern. »Du bist es.«
Bens Stolz strahlte bis in die Macht. »Bist du sicher?«
»Was glaubst du denn?«, wollte Jacen wissen. »Du fragst ja bloß, weil du willst, dass ich es noch einmal sage.«
»Ich schätze, so ist es.« Bens Tonfall klang verärgert. »Du würdest mich nicht lehren, mich meiner Gefühle zu bedienen, wenn du nicht der Meinung wärst, dass ich stark genug dafür wäre.«
Alemas Herz schwoll von einer Ehrfurcht an, die beinahe religiöse Züge hatte. Sofern sie das, was sie da hörte, nicht missverstand – und das schien unmöglich –, war Luke Skywalker dabei, seinen eigenen Sohn an das zu verlieren, was er am meisten fürchtete: an die Dunkle Seite. Und sein eigener Neffe war der Grund für diesen Verlust.
»Das ist richtig«, sagte Jacen zu Ben. »Ich würde dich nie etwas lehren, das einzusetzen du noch nicht bereit bist. Jetzt möchte ich, dass du Captain Shevu sagst, dass es mir nicht möglich ist, an den Razzien heute Nacht teilzunehmen. Du wirst die Jedi-Pflichten allein erfüllen müssen.«
»Mach ich«, sagte Ben. »Aber Captain Shevu fängt an, sich Sorgen zu machen, dass er nicht genügend Jedi für zwei Teams hat. Vielleicht solltest du dir überlegen, den Rat um etwas Hilfe zu bitten.«
Jacen legte den Kopf in einer zynischen Geste schief. »Und was glaubst du wohl, wie man diese Bitte aufnehmen würde?«
»Ja, ich weiß – Dad steht dem Rat vor.« Bens Tonfall war eher verschwörerisch als entschuldigend. »Aber Captain Girdun wollte, dass ich das vorschlage.«
»Ich verstehe.« Jacen dachte einen Moment lang darüber nach, dann sagte er: »Du solltest Girdun besser sagen, dass ich mir den Vorschlag durch den Kopf gehen lasse. Wir wollen doch nicht, dass sich unsere Untergebenen Gedanken über unser Verhältnis zum Jedi-Rat machen, nicht wahr?«
»Das wäre wohl besser«, stimmte Ben zu. »Sollen wir mit den Verhören auf dich warten?«
Jacen schüttelte den Kopf. »Girdun kann ruhig schon ohne mich anfangen. Ich treffe mich noch mit jemand anderem, und danach habe ich etwas Geschäftliches mit Admiralin Niathal zu besprechen.«
»Wegen des GGA-Sternenzerstörers?«
»Vielleicht.« Jacen deutete in Richtung des Galaktischen Justizzentrums. »Geh ins Hauptquartier. Ich erzähle dir später zu Hause davon.«
»Das will ich hoffen.«
Ben drehte sich um und marschierte den Bordstein entlang, wobei er erst an Lumiyas Versteck und dann an Alemas vorbeikam. Sobald er vorüber war, wandte Alema ihre Aufmerksamkeit der Rückseite der Hecke zu und stellte fest, dass der Lauscher auf sie zuschlich, und noch immer hielt er die Parabolantenne in einer Hand.
Als der Schatten näher kam, schälten sich erst die Umrisse eines Jedi in einem gewöhnlichen Kapuzengewand heraus, dann die Gestalt einer groß gewachsenen Frau mit dem blassen Gesicht und den schweren Brauen einer Chev. Noch ein paar Schritte weiter, und Alema erkannte, dass dies nicht bloß irgendein Jedi war, der Ben folgte. Es war Tresina Lobi, eine der Meisterinnen, die während es Krieges gegen die Yuuzhan Vong in Cal Omas’ Hohem Rat gedient hatte.
Alema ließ ihre Hand auf ihr Lichtschwert fallen, während sie gleichzeitig hoffte, dass Lobi nicht den Fehler machen würde, die Parabolantenne über ihr Versteck schweifen zu lassen. Auf diese Distanz war die Antenne empfindlich genug, Geräusche aufzufangen, die so schwach wie Herzschläge waren, und das Letzte, was Alema wollte, war, dass ihre Anwesenheit entdeckt wurde.
Sie hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Lobi war noch zwei Meter entfernt, als auf der anderen Seite der Hecke Lumiyas schneidende Stimme aufklang. »Jacen, ich bin beeindruckt.«
Alema riskierte es, den Blick von Lobi abzuwenden, und sah, wie Lumiya auf den nebligen Gehsteig hinaustrat. Ihre langen Gewänder schienen aus der Hecke herauszufließen, als wären sie nichts weiter als Schatten.
»Ihr habt ihn sehr gut unter Kontrolle.«
»Das ist keine Frage der Kontrolle.« In Jacens Stimme lag ein unmerklicher Anflug von Feindseligkeit. »Ben ist mein Cousin. Er liegt mir sehr am Herzen.«
Lumiya musterte Jacen hinter ihrem Schleier hervor, dann sagte sie: »Sich etwas zu Herzen zu nehmen ist gut – solange Ihr nicht zulasst, dass es Euch im Weg steht.«
»Es ist ein Unterschied zuzulassen, dass einem etwas im Weg steht, und es sinnlos zu zerstören«, konterte Jacen. »Ich fange an zu glauben, dass ich ihn womöglich zu seinem Vater zurückschicken sollte.«
Lumiyas Stimme klang auf einmal so alarmiert wie missbilligend. »Warum solltet Ihr etwas so Törichtes tun?«
»Um seine Ausbildung abzuschließen«, sagte Jacen. »Es fällt mir schwer, die Zeit zu finden, es selbst zu tun, und das macht ihn verwundbar. Du hast gesehen, wie er versucht hat, mich dazu zu bringen, sein Ego zu streicheln.«
»Das habe ich, und diese Art von Schwäche wird ihn zu einem Diener seiner Emotionen machen«, sagte Lumiya. »Auch wird sie ihn zu Eurem Diener machen, wenn Ihr sie geschickt nutzt.«
»Das ist nicht das, was ich mir für meinen Cousin wünsche«, sagte Jacen; er klang leicht abgestoßen.
»Was Ihr Euch wünscht, spielt keine Rolle!«, erwiderte Lumiya. »Was Ihr braucht, schon – und Ihr braucht einen Schüler.«
»Ich brauche einen Helfer«, konterte Jacen. »Da gibt es Jedi-Ritter, die mir besser dienen und weniger meiner Zeit in Anspruch nehmen würden – zum Beispiel Tahira Veila.«
»Tahira ist kein Nachfahre von Anakin Skywalker«, sagte Lumiya. »Sie hat nicht Bens Potential, und auf lange Sicht wird Sie Euch nicht so gut dienen wie er.«
Jacen schwieg einen langen Moment, ehe er schließlich fragte: »Meinst du nicht eher, dass sie dir nicht so gut dienen wird?«
»Das ist dasselbe«, erwiderte Lumiya rasch. »Wir dienen einem Zweck – obgleich ich da bei Euch meine Zweifel habe, Jacen. Ihr scheint Euch Euren Freunden und Eurer Familie mehr verpflichtet zu fühlen als Eurer Mission.«
»Wenn das bedeutet, sie vor unnützem Schaden zu bewahren, dann ja, das tue ich«, entgegnete Jacen. »Angeblich tun wir dies hier zum Wohle der Galaxis – und zur Galaxis gehören auch meine Freund und meine Familie.«
»Natürlich tun sie das. Ich hatte nicht die Absicht anzudeuten, dass es nicht so wäre.« Obwohl Lumiyas Worte versöhnlich waren, blieb ihre Stimme ernst und fordernd. »Aber die Galaxis ist größer als Eure Familie. Ihr müsst bereit sein, das, was Euch am Herzen liegt, einem größeren Zweck zu opfern.«
»Ich habe bereits bewiesen, dass ich dazu bereit bin«, sagte Jacen kühl. »Ich beweise es jeden Tag.«
»Das tut Ihr in der Tat.« Lumiyas Stimme wurde sanfter, und sie berührte mit der Hand Jacens Ellbogen. »Alles, was ich sage, ist, dass wir Ben in der Nähe behalten müssen. Ich weiß momentan noch nicht, inwiefern, aber ich habe das Gefühl, dass er sich als Schlüssel für unseren Erfolg erweisen wird.«
Jacen dachte einen Moment lang darüber nach, dann ließ er seinen Atem entweichen und nickte. »In Ordnung – fürs Erste. Aber in dem Moment, in dem ich den Verdacht kriege, dass du ihn bloß benutzt, um dich an Onkel Luke zu rächen …«
»Das werdet Ihr nicht, denn das tue ich nicht«, sagte Lumiya. »Alles, was ich tue, tue ich, um der Galaxis Frieden und Gerechtigkeit zu bringen.«
Alemas Bewunderung für die Frau wuchs von Sekunde zu Sekunde. Jacen Solo war nicht leicht zu täuschen. Sie machte sich Jacens eigenen Idealismus zunutze, um ihn und seine Familie zu vernichten. Köstlich.
Lumiya blickte den Gehsteig hinauf und hinunter, während sie ohne Zweifel in der Macht ihre Fühler ausstreckte, um sicherzustellen, dass niemand den Bereich betreten hatte, solange sie sich unterhielten. Dann fragte sie: »Warum wolltet Ihr mich hier treffen?«
»Weil ich keine Zeit hatte, in dein Apartment zu kommen«, sagte Jacen.
Alema schaute zurück zur anderen Seite der Hecke. Lobi war in die Hocke gegangen und führte ein Kabel von der Antenne zu einem Aufzeichnungsstab an ihrem Gürtel. Auf einmal begegnete Alema dem Gleichgewicht weniger mit Ehrfurcht, sondern fühlte sich vielmehr davon betrogen. Seit ihrem fehlgeschlagenen Angriff auf Jacen hatte sie ihn und Lumiya ausspioniert, und dabei war ihr allmählich aufgegangen, dass Jacen so, wie Luke Ben an das verlor, was er am meisten fürchtete, zu dem wurde, was Leia am meisten hasste: zu einem Sith-Lord.
Aber wenn Lobi das Luke jetzt offenbarte, würde Jacens Ausbildung niemals abgeschlossen werden. Luke würde Lumiya zur Strecke bringen und sie töten, Leia würde ihren Sohn mit ihrer Liebe erretten, und die Solos würden bis ans Ende aller Tage glücklich miteinander leben.
Und wo blieb da das Gleichgewicht?
Jacen lenkte Alemas Aufmerksamkeit mit einem wütenden Widerspruch wieder auf sich.
»Ich habe keine Zeit, heute Nacht derart vorsichtig zu sein. Niathal hat vor, mir meinen eigenen Sternenzerstörer zu geben.« Seine Stimme wurde ruhiger, zugleich aber auch kälter und fordernder. »Eigentlich hätte ich mich schon vor fünf Minuten mit ihr treffen sollen, aber ich will, dass du dich für mich um etwas kümmerst. Sofort.«
»Worum geht es?«, fragte Lumiya. Ihr Tonfall machte deutlich, dass sie nicht bereit war, irgendetwas zu versprechen. »Und vielleicht solltet Ihr versuchen, mich in zivilisierter Art und Weise darum zu bitten.«
Alema hielt ihren Blick fest auf Lobi gerichtet, die weiterhin jedes Wort aufzeichnete.
Nach einem Moment sprach Jacen in ruhigerem Ton. »Tut mir leid. Ich habe heute einen Freund verloren.«
»Ich verstehe.« Lumiyas Stimme barg einen kaum merklichen Anflug von Missfallen angesichts Jacens Betrübnis. »Das muss der Grund dafür sein, warum die Feraler außer Kontrolle sind.«
»Ja. Das Weltenhirn ist heute Nachmittag gestorben.« Jacens Stimme klang tatsächlich brüchig. »Aber die Feraler sind nicht wirklich außer Kontrolle – ohne das Weltenhirn, das sie leitet, haben sie einfach bloß keinerlei Impulskontrolle.«
»Und Ihr wollt, dass ich ihnen welche biete?«
»Nein, darum kann sich der Sicherheitsdienst von Coruscant kümmern«, sagte er. »Ich möchte, dass du diese Liste zu Ende bringst, die ich dir gegeben habe.«
»Die Bothaner?«, fragte Lumiya. »Jacen, Ihr könnt Euch nicht von Euren persönlichen Gefühlen …«
»Das tue ich nicht«, unterbrach Jacen. »Die Corellianer sind dahintergekommen, wie die GGA sie aufgespürt hat. Sie planen, das Weltenhirn auszuschalten.«
»Denn sie wissen nicht, dass es bereits tot ist«, mutmaßte Lumiya.
»Richtig«, sagte Jacen. »Und ich will, dass sie angreifen. Ich will sie aus ihrem Versteck locken.«
»Und die GGA wartet dann schon auf sie?«, fragte Lumiya.
»Die GGA wird sie beobachten«, korrigierte Jacen. »Der Sicherheitsdienst wird den eigentlichen Hinterhalt legen. Unsere Agenten konzentrieren sich auf die Terroristen, die der Falle entkommen. Einige werden in Panik geraten, und mit etwas Glück sind wir in der Lage, ihnen zurück zu ihren Rädelsführern zu folgen.«
»Viele Bothaner müssen sterben, damit Ihr einen Köder für Eure Falle habt«, sagte Lumiya.
»Niemand würde diese Notwendigkeit besser verstehen als die Bothaner«, entgegnete Jacen.
Als er das sagte, zog Lobi ihr Kommlink aus ihrem Allzweckgürtel. Alema verfolgte mit zunehmender Verzweiflung, wie die Chev die Parabolantenne vorsichtig auf den Boden stellte und ihr Headset und das Kehlmikro anlegte. Das alles konnte nicht im Interesse des Gleichgewichts sein – nicht, solange sie selbst Leia noch so viel »schuldete«.
Nach einer kurzen Pause sagte Lumiya: »Ihr wisst, dass Bothawui dazu gezwungen wird, der Allianz den Krieg zu erklären, wenn ich diese Liste zu Ende bringe. Ihr Botschafter steht darauf.«
»Erledige ihn zuerst«, forderte Jacen. »Bothawui wird uns ohnehin den Krieg erklären. Niathal sagt, dass sie bereits drei Kreuzerflotten für corellianische Besatzungen ausstaffieren.«
»Schön«, sagte Lumiya. »Den Botschafter zuerst … Wenn Ihr Euch sicher seid.«
»Mache ich etwa nicht diesen Eindruck?«, schnappte Jacen. Seine Militärstiefel klapperten den Gehsteig entlang, während er davonging. »Tu’s einfach. Ich kann die Admiralin nicht noch länger warten lassen.«
Tresina Lobi griff nach ihrem Kehlmikro und drückte die SENDEN-Taste in rhythmischer Folge, eine stumme Übertragung mittels eines Klickcodes zu demjenigen, wer auch immer sich am anderen Ende der Verbindung befand. Alema konnte die Bewegungen ihrer Finger gerade gut genug erkennen, um einiges von der Nachricht zu verstehen.
»… Skywalker, er war … Lumiya VERFOLGT Ben …«
So weit kam Lobi, bevor Alema den Grund dafür verstand, warum die Macht die Chev so dicht an ihr eigenes Versteck herangeführt hatte.
»… ist mehr …«
Alema riss ihr Lichtschwert von ihrem Gürtel. Sie war eine Jedi – und Jedi dienten dem Gleichgewicht.
»… Lumiya ist …«
Alema sprang aus ihrer Deckung und aktivierte die Lichtklinge, während sie durch die Luft flog. Lobi rollte sich bereits zur Seite, ihre Hand glitt von ihrer Kehle, als sie nach ihrer eigenen Waffe griff.
Alema verlängerte ihren Satz zu einem Machtsprung und ließ ihren zerfleischten halben Fuß zwischen Lobis Schulterblätter krachen – um sodann einen vernichtenden Schmerz zu spüren, als die Chev weiterrollte und ihr den Ellbogen in die Kniekehle donnerte, um ihr die Beine unter dem Körper wegzuschlagen.
Alema landete bäuchlings in einem Chrysanthemenstrauch, überrascht und angeschlagen. Lobi war nie eine sonderlich gute Kämpferin gewesen, aber sie war stark. Alema ließ ihr Lichtschwert herumwirbeln, um sich zu schützen, halb in der Erwartung, den Todesstoß zu spüren, bevor sie die Klinge auch nur halb erhoben hatte, um den tödlichen Streich abzuwehren.
Doch der unerwartete Angriff hatte die Chev verwirrt, und sie versuchte sich etwas Reaktionszeit zu erkaufen, indem sie einen hohen Machtsalto vollführte. Alema wölbte den Rücken, sprang auf die Beine – und stürzte beinahe hin, als ihr schmerzendes Knie einknickte. Anstatt zu einer weiteren Sprungattacke überzugehen, streckte sie die Hand aus und riss Lobi mittels der Macht das Headset vom Kopf.
Die Chev landete. Ihre Augen waren groß vor Wut und Unglauben, doch sie schaltete ihr Lichtschwert ein und stürmte vor, um anzugreifen.
Alema blieb kaum genug Zeit, das Headset in zwei Hälften zu spalten, ehe die Chev bei ihr war und sie mit einer Kombination hoch angesetzter Hiebe und kraftvoller Tritte nach hinten auf die Hecke zudrängte. Der erste Tritt, der traf, trieb Alema die Luft aus den Lungen. Der zweite stieß sie um, was sie zu einem leichten Ziel machte – bis sie die Macht nutzte, um sich von Lobis Fuß weg und tief in die Hecke zu katapultieren, dorthin, wo sie sich noch einen Moment zuvor versteckt hatte.
Als Alema in die Blarbäume krachte, hörte sie Lumiya auf der anderen Seite Jacen zurufen: »Geht! Ich werde mich darum kümmern!«
Nein!, wollte Alema schreien. Lobi ist zu gefährlich – wir brauchen alle Hilfe, die wir kriegen können!
Aber natürlich wagte sie das nicht. In den frühen Phasen des Konflikts zwischen den Killik und der Galaktischen Allianz hatte ihr Nest – das Dunkle Nest – versucht, Jacens Tochter zu ermorden, und sie war sich ziemlich sicher, dass er mit Freuden zulassen würde, dass Lobi sie tötete. Also trat sie gerade weit genug auf den Gehsteig hinaus, um sich Lumiya zu erkennen zu geben.
Die Sith blickte finster drein und ließ ihre eigene Waffe aufflammen – eine exotische Waffe, die zu gleichen Teilen Peitsche und Lichtschwert zu sein schien, mit langen, biegsamen Strängen aus Metall und greller, zischender Energie.
»Wer bist du?«, verlangte Lumiya zu wissen. »Warum bist du …«
»Keine Zeit!« Alema katapultierte sich durch die Blarbäume wieder nach hinten. Da Lobi ihr bislang nicht gefolgt war, konnte das bloß bedeuten, dass sie floh. »Kommt, bevor die Jedi-Spionin entkommt!«
Alema kam aus der Hecke hervor, um Lobi zwanzig Schritte entfernt zu entdecken, um dort mit der Nacht zu verschmelzen. Alema ließ ihr Lichtschwert sinken und deutete in Richtung der Chev; sie öffnete sich gänzlich der Macht und zog ihren Zorn und ihre Furcht tief in sich hinein. Einen Moment später loderte die Energie, die darin wohnte, grell auf, und Alema entfesselte sie in einem langen knisternden Blitz, der ihr Ziel direkt zwischen die Schulterblätter traf und Lobi zu Boden schickte.
Lumiya tauchte aus der Hecke auf, und ihre Lichtpeitsche brannte ein helles Loch in den Nebel. Sie sah die blauen Blitze aus Alemas Fingerspitzen zucken, dann fragte sie erneut: »Wer bist du?«
»Wir sind eine Freundin.« Während sie weiterhin Machtblitze in Lobis sich am Boden krümmende Gestalt jagte, humpelte Alema auf ihrem pochenden Knie vorwärts. »Eine, die nicht möchte, dass Meister Skywalker erfährt, was Ihr mit seinem Neffen im Schilde führt.«
Lumiya folgte ihr. »Wir? Ich sehe sonst niemanden …«
»Später!«, schnappte Alema. Sie hatten sich Lobi bis auf fünf Meter genähert. »Im Augenblick stecken wir zu sehr in der Klemme, um …«
Mit einem Mal hörte Lobi auf, sich zu krümmen, und streckte eine Hand in Richtung einer nahe gelegenen Terrasse aus. Eine Ziervase schoss aus dem Nebel hervor.
Alema ließ die Machtblitze erlöschen und versuchte, die Vase abzuwehren, aber das Gefäß traf sie wuchtig an der verkrüppelten Schulter und holte sie von den Beinen. Sie landete mehrere Meter entfernt in den Chrysanthemensträuchern, ihr Leib pochend vor Schmerz und ihr Verstand gelähmt vor Benommenheit.
Das Summen und Zischen aufeinanderprallender Waffen brachte sie allmählich wieder zu Sinnen, und sie setzte sich auf, um zu sehen, wie Tresina Lobi herumwirbelte und parierte, Lumiya allmählich rückwärtszwang und versuchte, sich ihren Weg an den knisternden Strängen von Lumiyas exotischer Lichtpeitsche vorbeizubahnen.
Alema ließ ihre eigene Waffe wieder in ihre Hand sausen, dann stand sie auf und humpelte vor.
Lobi sprang hoch, um einen Rückwärtssalto zu vollführen, und glitt über einen knisternden Peitschenhieb hinweg. Dann, noch während sie nach unten sank, streckte sie eine Hand in Alemas Richtung aus und nutzte die Macht, um sie in den Weg der blitzenden Peitschenstränge zu ziehen. Lumiya schaffte es gerade noch, die Waffe auszuschalten, bevor sie traf, dennoch schnitten die heißen Stränge durch Alemas Gewänder, um einen Regenbogen sengender Striemen in ihre Oberschenkel und Rippen zu brennen.
Alema schrie immer noch, als Lobi auf Lumiyas Seite landete. Die Chev ließ ihr Lichtschwert niedersausen, und Lumiyas Waffenarm – eins ihrer vielen kybernetischen Gliedmaßen – fiel zu Boden, eine Spur aus Funken und Hydraulikflüssigkeit hinter sich herziehend.
Lobi zog ihre Klinge sofort zurück und zielte auf Lumiyas Oberkörper, doch Alema sprang bereits vor, um die Attacke der Chev mit ihrem eigenen Lichtschwert abzufangen.
Lobi riss ihr Lichtschwert in einem niedrigen Bogen herum, zielte auf Alemas Knie und zwang sich, nach hinten zu springen.
Alema zeigte auf Lumiyas abgetrennten Arm und nutzte die Macht, um ihn auf Lobis Kopf zuwirbeln zu lassen. Die Chev-Frau duckte sich ohne Mühe darunter hinweg, doch das verschaffte Lumiya Zeit, ihre Lichtpeitsche in ihre verbliebene Hand schnellen zu lassen und erneut zuzuschlagen. Lobi wich dem Angriff durch eine flinke Drehung aus. Alema stürzte sich von hinten auf sie, hieb nach dem kräftigen Hals der Chev – und schrie überrascht auf, als ein großer Fuß ihre Rippen traf und sie nach hinten taumeln ließ.
Lumiya nutzte die Gelegenheit, um ein Speerfeuer von Angriffen zu starten: Sie ließ die Stränge ihrer Peitsche auffächern, um es noch schwieriger zu machen, sie abzublocken, schlug nach links und rechts, um die Chev daran zu hindern, sich erneut durch eine Drehung in Sicherheit zu bringen, und trieb Lobi allmählich nach hinten, auf Alemas summendes Lichtschwert zu.
Endlich geriet Lobi ins Wanken, sammelte sich für einen Machtsprung, zögerte jedoch und wich stattdessen einen weiteren Schritt zurück, noch näher auf Alema zu.
Das war der Augenblick, auf den Alema gewartet hatte.
»Ihr seid gut, Meisterin Lobi – aber nicht gut genug.« Alema sprach mit einem Machtflüstern, so leise, dass es kaum mehr als ein Gedanke war. »Selbst Ihr seid außerstande, zwei von uns zu bezwingen.«
Lobis Kopf ruckte herum, die Augen erfüllt von Verwirrung und Zweifel, und dann drehte sie sich um die eigene Achse und entfesselte einen wirbelnden Sturmangriff aus sichelförmigen Tritten und waagerechten Lichtschwerthieben.
Alema wich nicht von der Stelle, duckte sich unter einem Lichtschwertschlag hinweg und ließ einen Fußtritt von ihrer Schulter abrutschen, ehe sie den Griff ihres Lichtschwerts mit einem Machtstoß in die Magengrube der Chev rammte und erneut mit ihrem Machtflüstern sprach.
»Nicht gut.«
Verblüfft taumelte Lobi einen einzigen Schritt nach hinten – und dieser Schritt war einer zu viel. Lumiyas Lichtpeitsche erwischte sie an den Beinen und durchtrennte beide an den Knien. Zuerst brüllte die Chev vor Wut, dann – als sie auf die Stümpfe fiel und sich nach vorn auf ihre Hände warf – vor Höllenqual.
Es war ein schrecklicher Laut. Alema trat vor und sprach einmal mehr mit ihrem Machtflüstern.
»Es gibt keinen Grund zu leiden.« Sie führte ihre Klinge durch den Hals der Chev, und der Kopf rollte davon. »Euer Kampf ist vorüber.«
Lumiya stand auf der anderen Seite des Leichnams, aber ihr Blick ruhte weiterhin auf Alema, und sie schaltete die Lichtpeitsche nicht aus. »Kenne ich dich?«, fragte sie.
»Noch nicht.« Alema kniete neben Lobis kopflosem Körper nieder und rollte sie herum. Sie zog den Aufzeichnungsstab aus dem Gürtel der Chev und warf ihn Lumiya zu. »Aber wir hoffen, dass wir Euch zu Diensten sein dürfen. Was Ihr mit Jacen im Sinn habt, ist so köstlich – und so wichtig für das Gleichgewicht.«