1. KAPITEL

Die Luft an Bord der Thrackan Sal-Solo roch wie die in einem neuen Schiff – es war das ätzende Beißen von Ventilatoren, die Dichtungsfett verbrannten, die Süße von ausgeströmtem Antriebsgas, das Ozonkribbeln von Frischluftaustauschern. Als Han und Leia Solo durch ein Schott nach dem anderen stiegen, ertappte sich Han wiederholt dabei, wie er die Durastahlschotts berührte, um sich zu vergewissern, dass er nicht träumte.

Die Sal-Solo war das Flaggschiff einer geheimen Angriffsflotte, die die corellianische Regierung vor annähernd zehn Standardjahren in Auftrag gegeben hatten, unter der Leitung von Hans kürzlich verschiedenem Cousin, Thrackan Sal-Solo. Niemand wollte ihnen sagen, was Sal-Solo und seine Gefolgsleute mit der geheimnisvollen Armada im Sinn gehabt hatten, und es kümmerte Han auch nicht. Die Flotte war bereit auszurücken, und groß genug, um die Allianzblockade zu zerschlagen, und das war alles, was zählte. Die Blockade war auf alle fünf Planeten im corellianischen System ausgeweitet worden, erstickte ihre Ökonomie und bedrohte ihre im Orbit befindlichen Fabrikanlagen.

Die Solos erreichten das Kommandozentrum, und Han musste kein Jedi sein, um die Anspannung zu spüren, die in der Luft lag. Die Türwachen inspizierten jedermanns Ausweise mit mehr als dem üblichen oberflächlichen Nicken, und sie führten sogar einen Sicherheitsscan bei C-3PO durch. Drinnen hatten die Bordoffiziere dem Kaffspender den Rücken gekehrt und taten bereits Dienst in ihren Arbeitsnischen, um Datenanzeigen zu studieren und Befehle zu verschlüsseln. Die Einzigen, die nichts zu tun zu haben schienen, waren ein halbes Dutzend zivile Sicherheitsbeamte, die draußen vor dem Taktischen Planungsraum auf Stahlbänken saßen, und selbst sie verharrten in nervösem Schweigen.

Han beugte sich dicht zu Leia und fragte flüsternd: »Geht das für dich in Ordnung?«

Leia blickte auf und zog eine Braue nach oben. Die Fältchen an den Rändern ihrer dunklen Augen machten ihren Blick bloß noch durchdringender.

»Geht was für mich in Ordnung, Han?«

»Mit einem corellianischen Admiral verheiratet zu sein.« Han grinste und fuhr sich mit den Fingern übers Kinn, glattrasiert, nun, da kein Anlass mehr dazu bestand, seine Identität vor den Meuchelmördern seines Cousins zu verbergen. »Sieh dich um. Wedge bereitet sich darauf vor, die Blockade zu sprengen, und er wird mich brauchen, um einen der Dreadnaught-Kreuzer zu befehligen.«

Leia musterte das geschäftige Treiben in der Kabine, ehe ihr Blick schließlich auf den Sicherheitsbeamten draußen vor dem Planungsraum verharrte. »Ich glaube nicht, dass wir uns darüber Sorgen machen müssen, Han.«

Han runzelte die Stirn. »Glaubst du, ich bin zu alt für so ein Kommando?«

»Wohl kaum. Du bist noch nicht einmal siebzig.« Leia senkte die Stimme, dann fügte sie hinzu: »Ich habe da bloß so ein Gefühl.«

»O du liebe Güte«, sagte C-3PO. »Es ist nie gut, wenn Meisterin Leia so ein Gefühl hat.«

Sie erreichten die Tür zum Planungsraum und mussten ihre Unterhaltung beenden. Anstatt sie unverzüglich durchgehen zu lassen, wie sie es am Vortag getan hatte, versperrte ihnen die Türwache – ein Unteroffizier mit kantigem Kinn und in einer blauen Dienstuniform – den Weg.

»Der Admiral wird bei Ihnen sein, sobald es ihm möglich ist, Captain Solo.«

»Sobald es ihm möglich ist?« Han überlegte, ob Leia mit ihrem Gefühl womöglich richtig lag. »Er hat uns hergebeten

»Ja, Sir, dessen bin ich mir bewusst.« Die Türwache musterte Han mit dem überdrüssigen Schmunzeln, das Corellianer für Blender und Aufschneider reserviert hatten. »Admiral Antilles ist ein vielbeschäftigter Mann.«

»Ja?« Han fühlte sich durch seine vormalige Zuversicht zusehends mehr in Verlegenheit gebracht – und nichts machte ihn gereizter, als sich selbst vor Leia in Verlegenheit zu bringen. »Nun, das bin ich auch.«

Bevor sich Han umdrehen konnte, um zu gehen, ergriff Leia ihn am Arm. »Sagen Sie Admiral Antilles, er soll sich Zeit lassen«, sagte sie zu der Wache. »Wir sind uns darüber im Klaren, dass er im Augenblick viel um die Ohren hat.«

Han widersetzte sich nicht, als sie ihn von der Tür wegzog. Gut zehn Standardtage zuvor war Wedge Antilles zum Oberbefehlshaber der corellianischen Streitkräfte ernannt worden – am Tag nach Thrackan Sal-Solos Ermordung –, und Han wusste so gut wie jeder andere, wie hektisch sein Terminplan im Augenblick sein musste.

Das war auch der Grund, warum die Solos so überrascht gewesen waren, als man sie darum gebeten hatte, sich im Kiris-Asteroidenhaufen mit Antilles zu treffen. Die Kiris-Asteroiden waren so weit draußen an den Rändern des Systems, dass sie beinahe frei schwebten, und so unbedeutend, dass selbst Han nach den Koordinaten hatte fragen müssen. Die Solos hatten den Großteil der Reise – die noch weiter verlängert worden war, um der Blockade der Galaktischen Allianz auszuweichen – damit verbracht, darüber zu debattieren, was bei allen Welten Corellias neuer Oberbefehlshabender so weit weg vom Kriegsgeschehen machte?

All ihre Fragen waren beantwortet worden, als sie Kiris 6 umrundeten und die Sal-Solo in ihrem versteckten Dock schweben sahen. Der Dreadnaught-Kreuzer war von typischem corellianischem Design – innovativ, nüchtern und für heftige Kämpfe auf kurze Distanz ausgelegt, mit Turbolastergeschützen und Raketenabschussrohren, die geballt und in gleichmäßigen Abständen auf der eiförmigen blauen Außenhülle angeordnet waren. In dem Moment, in dem er das Schiff sah, hatte Han gewusst, dass das genau das war, was Corellia brauchte: ein Schiff, das imstande war, bis zum Kern der Allianzblockade vorzustoßen und sie von innen heraus zu zerschmettern.

Doch Hans Puls hatte sich erst ein paar Stunden später beschleunigt, als Antilles sie darüber informiert hatte, dass die Sal-Solo zwei Schwesterschiffe hatte und eine gesamte Unterstützungsflotte in den anderen Schiffswerften im Kiris-Haufen versteckt war. Angesichts des offenkundigen Überraschungselements war Antilles zuversichtlich, dass die Flotte stark genug war, um die Blockade zu sprengen und die Allianz davon zu überzeugen, dass es besser war, ihre Kriegspläne noch einmal zu überdenken. Was er von Han wissen wollte, war, ob er und Leia die Möglichkeit eines frühzeitigen Kriegsendes für wahrscheinlich genug hielten, um im corellianischen Militär Dienst zu tun.

Han und Leia hatten die Nacht damit zugebracht, sich über Antilles’ Frage den Kopf zu zerbrechen, besorgt darüber, ob sich Han womöglich am Ende im Kampf gegen seine eigenen Kinder wiederfinden würde. Jaina diente den Jedi statt dem Militär, und Jacen war vermutlich wieder auf Coruscant, um Corellianer zu foltern. Aber Krieg hatte die Angewohnheit, das Unerwartete zur Option werden zu lassen. Falls Han irgendwie für den Tod eines seiner eigenen Kinder verantwortlich wurde, würde ihn das in mehr Stücke zerreißen, als es Sterne in der Galaxis gab.

Die Frage stürzte auch Leia in einen Zwiespalt. Vor vier Jahren, als ihr Meister Saba Sebatyne sie zur Jedi-Ritterin erhoben hatte, hatte sie geschworen, den Befehlen des Jedi-Rates Folge zu leisten, selbst wenn sie persönlich damit nicht übereinstimmte – und der Rat unterstützte die Galaktische Allianz. Bislang hatten Saba und die anderen Meister ihre Ungehorsamkeit aus Respekt vor ihrer Person toleriert. Aber das würde sich mit Sicherheit ändern, wenn Han öffentlich gegen die Allianz zu den Waffen griff. Der Rat würde keine andere Wahl haben, als von ihr zu verlangen, dass sie sich zwischen Han und den Jedi entschied.

Die einzige andere Alternative war nach wie vor, einfach dabeizustehen und zuzusehen, doch die Solos hatten nie zu denen gehört, die einfach die Hände in den Schoß legten. Letztlich waren sie zu dem Schluss gelangt, dass die beste Vorgehensweise darin bestand, Coruscant zu einer vernünftigeren Geisteshaltung zu verhelfen, indem sie Antilles dabei unterstützten zu beweisen, dass ein Krieg für die Galaktische Allianz ebenso verlustreich sein würde wie für Corellia. Nachdem die Blockade zerschlagen worden war, würde die neue Führung in einer gestärkten Verhandlungsposition sein, und Leia würde den Frieden sichern, indem sie freiwillig als Gesandte fungierte.

Das war der Grund, warum Han so enttäuscht gewesen war, dass man ihnen den Zugang zum Planungsraum verwehrt hatte. Leia und er hatten sich dafür entschieden, alles zu riskieren, um Antilles zu helfen, diesen Krieg rasch zu beenden. Jetzt hatte es den Anschein, als würde man ihre Hilfe nicht mehr länger wollen.

Die Warterei war kürzer, als Han erwartet hatte. Er hatte kaum begonnen, einen Abstecher zum Kaffspender in Erwägung zu ziehen, als Wedge Antilles in seiner weißen Admiralsuniform eintraf. Sein konisches Gesicht war von Runzeln und Sorgenfalten zerfurcht, und sein adrett geschnittenes Haar war jetzt mehr grau als braun.

»Han, Leia – ich muss mich für die Warterei entschuldigen«, sagte Antilles. Als die Tür hinter ihm zuglitt, erhaschte Han einen flüchtigen Blick auf den Hinterkopf eines Zivilisten, der nachdrücklich nickte, als jemand anders in scharfem Tonfall sprach. »Habt ihr euch entschieden?«

»Ja.« Han fühlte sich schon ein bisschen optimistischer; womöglich hatte Antilles bloß ein schwieriges Treffen mit ein paar einflussreichen zivilen Persönlichkeiten gehabt. »Ich hatte eigentlich daran gedacht, mich zu verpflichten.«

»Gut, das zu hören!« Antilles lächelte und streckte die Hand aus, aber in seinem Gesicht lag mehr Besorgnis, als Wärme. »Wir haben eine wichtige Aufgabe für dich.«

Han schüttelte die dargebotene Hand, doch Leia betrachtete Antilles weiterhin mit einem Ausdruck der Reserviertheit. »Wir sind gespannt darauf, mehr darüber zu erfahren«, sagte sie, »damit wir eine endgültige Entscheidung treffen können.«

Antilles tat sein Bestes, enttäuscht dreinzuschauen, beging jedoch den Fehler, seinen Atem leise durch die Nase entweichen zu lassen. Das war eine alte Sabacc-Geste, von der Han wusste, dass sie stets Erleichterung bedeutete. Was auch immer hier vorging, es stank allmählich wie ein Huttenmagen.

»Das stimmt«, sagte Han. »Warum erzählst du uns nicht, was genau du im Sinn hast?«

»In Ordnung.« Antilles zog sie von der Türwache weg und senkte die Stimme. »Wir brauchen dich, damit du ein Bündnis aushandelst.«

»Verhandeln?« Han blickte finster drein. »Ich dachte, du wolltest mich für den Militärdienst.«

»Vielleicht später.« Antilles klang nicht sehr überzeugend. »Im Augenblick ist das hier wichtiger.«

»Ich muss sagen, dass ich es töricht finde anzunehmen, dass Captain Solo mit irgendetwas anderem als einem Asteroidengürtel zurechtkommen würde«, sagte C-3PO. »Sein Temperament prädestiniert ihn nicht unbedingt für die Diplomatie.«

»Han ist ein Mann voller verborgener Talente.« Antilles hielt den Blick auf Han gerichtet. »Es gibt niemanden sonst, dem ich diese Mission zutrauen würde.«

Han grübelte nur einen Moment lang über das Kompliment nach, bevor er zu dem Schluss gelangte, dass ihn sein Freund mit einer ganzen Ladung Bantha-Poodoo fütterte. »Bei der Sache geht es um Jacen, nicht wahr?«

Antilles runzelte die Stirn. »Jacen?« Er schüttelte den Kopf. »Han, wir haben beide Kinder, die auf der anderen Seite dieses Konflikts kämpfen.«

»Syal foltert aber keine Corellianer auf Coruscant«, hielt Han dagegen. So wütend und beschämt er sich auch fühlte für das, was aus Jacen geworden war, er würde davor nicht die Augen verschließen. »Hör zu, mir gefällt das, was Jacen tut, nicht einen Funken mehr als dir, aber er ist immer noch mein Kind, und ich werde ihn nicht verleugnen. Ich kann verstehen, wenn du ein Problem damit hast.«

»Han, das habe ich aber nicht«, erwiderte Antilles. »Jacen ist vom Weg abgekommen, aber das liegt nur daran, dass er an das glaubt, wofür er kämpft. Früher oder später wird er sich daran erinnern, was Leia und du ihm beigebracht habt, um richtig von falsch zu unterscheiden, und er wird wieder auf den rechten Pfad zurückkehren.«

Leia streckte die Hand aus und drückte die von Antilles. »Vielen Dank, Wedge«, sagte sie. »Ich weiß, dass das stimmt, aber es ist ein gutes Gefühl, es jemand anderen sagen zu hören.«

»Ja, es bringt einen auf den Gedanken, dass man am Ende vielleicht doch nicht verrückt geworden ist.« Han wandte sich ab, sodass er eine Träne aus seinem Auge wegblinzeln konnte. Dann sah er wieder Antilles an. »Also, was soll ich wirklich für dich tun?«

»Wie ich dir schon sagte«, sagte Antilles, »ein Bündnis aushandeln.«

Während er sprach, wanderten der Blick des Amirals zu Leia, und Han erkannte, dass er in Wahrheit wollte, dass Leia das Bündnis aushandelte.

Han schüttelte den Kopf. »Dreipeo hat ausnahmsweise recht: Es ist nicht sonderlich klug von dir, mich darum zu bitten, irgendwelche Bündnisse auszuhandeln. Ich könnte einen Krieg anzetteln oder so was.«

Antilles stieß ein theatralisches Seufzen aus. »Komm schon, Han.« Wieder glitt sein Blick flüchtig zu Leia. »Du weißt, worum ich dich hier bitte.«

»Dann bitte mich darum«, sagte Han. »Du weißt, wie sehr ich Spielchen hasse.«

»Na gut.« Antilles wandte sich an Leia, und seine Augen begannen schneller zu blinzeln – eine weitere alte Sabacc-Geste, die für gewöhnlich bedeutete, dass das Gegenüber versuchte, einen übers Ohr zu hauen. »Ihr müsst euch darüber im Klaren sein, dass dies kein offizieller Auftrag sein kann.«

»Warum nicht?«, unterbrach Han.

»Weil ich keine Corellianerin bin«, sagte Leia. »Und ich bin eine Jedi-Ritterin. Es würde Verdacht erregen, wenn ich die Verhandlungen führte.«

»Dann willst du also, dass ich der Frontmann bin?« Han sah Antilles weiterhin unbeirrt an.

Antilles nickte. »Exakt.«

»Ich bin nicht interessiert«, sagte Han, ohne zuvor auch nur vorzugeben, über das Ansinnen nachzudenken. Er konnte Leia nicht darum bitten, im Namen einer Sache zu verhandeln, von der er wusste, dass sie sie nur zum Teil unterstützte, insbesondere, wenn Antilles selbst so offenkundige Bedenken wegen dem hegte, worum er sie ersuchte. Abgesehen davon beschlich Han der Verdacht, dass sein alter Freund verzweifelt versuchte, die Solos davon abzubringen, den Auftrag anzunehmen. »Ruf mich, wenn du jemanden zum Kämpfen brauchst.«

Er drehte sich um, um zu gehen, aber Leia packte ihn am Arm. »Han, sollten wir Admiral Antilles nicht erst einmal anhören?«

»Wofür?«

»Für Corellia.« Leia bedachte ihn mit einem ernsten Blick, der bei ihm mehr Wirkung zeigte als jede Jedi-Machtsuggestion. »Du sprichst immer davon, wie wichtig es ist, Corellias Unabhängigkeitsgeist zu bewahren. Ist es wirklich so viel verlangt, sich dafür an einen Verhandlungstisch zu setzen?«

Hans Kinnlade fiel nach unten. Leia hatte ihr Amt als Chefdiplomatin im Verlauf des Krieges gegen die Yuuzhan Vong niedergelegt, als zunehmend offensichtlicher geworden war, dass die politischen Bemühungen lediglich die Möglichkeiten der Neuen Republik untergruben, den Krieg zu gewinnen. Dass sie sich jetzt freiwillig dazu bereit erklärte, diese Rolle wieder aufzunehmen – im Namen von Corellia –, war ihm suspekt.

Er starrte sie an. »Du willst das machen?«

»Ich bin gewillt, es in Erwägung zu ziehen.« Leia wandte sich wieder Antilles zu. »Aber wir treffen keine Entscheidung, bevor wir nicht die Einzelheiten gehört haben – alle Einzelheiten.«

»Das erwartet auch niemand.« Antilles lächelte, aber der enttäuschte Ton in seiner Stimme war unmissverständlich – zumindest für jemanden, der ihn seit vierzig Jahren kannte. »Meine Befehle lauten schlicht, in Erfahrung zu bringen, ob ihr die Angelegenheit in Betracht ziehen würdet. Premierminister Gejjen wird euch über alles Weitere ins Bild setzen.«

Hans Brauen glitten in die Höhe. Dur Gejjen war an die Macht gelangt, indem er Han und Boba Fett dabei geholfen hatte, Hans größenwahnsinnigen Cousin Thrackan Sal-Solo zu töten. Anschließend hatte Gejjen das Amt des Präsidenten der Fünf Welten abgeschafft, das Sal-Solo allein zu dem Zweck ins Leben gerufen hatte, seine persönliche Herrschaft über das gesamte corellianische System auszudehnen. Hätte Gejjen es dabei bewenden lassen, hätte Han ihn für seine Integrität und Weisheit bewundert. Aber Gejjen hatte sich als nicht besser als Sal-Solo erwiesen, als er seine eigene Position betonierte, indem er dafür sorgte, dass er zum Staatschef des Planeten Corellia und zum Fünf-Welten-Premierminister ernannt wurde.

»Gejjen ist hier?«, fragte Han. »Das muss ’n Witz sein.«

»Ich fürchte, nicht.«

Antilles führte sie in den Planungsraum, eine geräumige Kammer, die von der allerneuesten Kampfkoordinationstechnik gesäumt wurde: Anzeigeschirme, die die halben Wände einnahmen, ein an der Decke montierter taktischer Holoprojektor, automatische Kaffspender in jeder Ecke. Dur Gejjen und zwei andere saßen redend an einem großen, ovalen Konferenztisch, mit einer kombinierten Daten-/Kommstation an jedem Platz.

Sobald Han und Leia den Raum betraten, beendete Gejjen die Unterredung und streckte seine Hand aus. »Captain Solo, willkommen.« Er war jung und gutaussehend, hatte dunkle Haut und schwarzes Haar, das er militärisch kurz trug. »Ich bin so erfreut darüber, dass Sie eingewilligt haben, diesen Auftrag zu übernehmen.«

»Tja, nun, freuen Sie sich lieber nicht zu sehr«, sagte Han. »Bislang habe ich noch in gar nichts eingewilligt.«

Flüchtig drückte er Gejjen die Hand, dann sah er an ihm vorbei zu den anderen. Sie waren älter – der Erste ein Mann mit sandfarbenem Haar, einem klotzigen Kiefer und ergrauendem Schnurrbart, die Zweite eine Frau in mittleren Jahren, mit einem runden Gesicht und kalten grauen Augen. Han war mit der neuen Regierung nicht vertraut genug, um sie vom Sehen her zu erkennen, aber Antilles’ Unmut und den zahlreichen Sicherheitsbeamten nach zu urteilen, die draußen warteten, nahm Han an, dass es sich um Gavele Lemora und Rorf Willems handelte. Zusammen mit Gejjen bildeten Lemora und Willems das Herz der Fünf-Welten-Regierung, in der Lemora als Geheimdienstministerin und Willems als Verteidigungsminister dienten.

Gejjen runzelte in Antilles’ Richtung die Stirn. »Ich dachte, Sie sollten sie hier nicht reinbringen, bis …«

»Admiral Antilles’ Bitte war ausgesprochen vage«, unterbrach Leia. »Han wird einige weitere Einzelheiten wissen müssen, bevor er sich dazu bereit erklären kann, als Ihr Abgesandter zu fungieren.«

»Ah, natürlich.« Gejjen blickte über seine Schulter zu der Frau mit den kalten Augen – Lemora – und wirkte erleichtert. »Es wird uns ein Vergnügen sein, ihn mit den Eckpfeilern des Auftrags vertraut zu machen.«

»Nachdem der Droide gegangen ist«, fügte Lemora hinzu und starrte C-3PO an.

»Ich kann nicht gehen!«, widersprach C-3PO. »Dann wäre ich außerstande, die Einsatzbesprechung aufzuzeichnen.«

»Genau darum geht es, Blechbirne«, sagte Willems. Er hatte eine raue Stimme und ein aggressives Gebaren. »Wir wollen nicht, dass sie aufgezeichnet wird.«

»Sind Sie sicher?«, erkundigte sich C-3PO. »Captain Solos Gedächtnisschaltkreise haben in letzter Zeit Anzeichen von Materialermüdung gezeigt. Gerade neulich hat er zu Prinzessin Leia gesagt, dass sie mit ihrem neuen Kurzhaarschnitt nicht einen Tag älter aussähe als fünfunddreißig.«

»Das meinte ich so«, knurrte Han. »Und hör auf zu lauschen.«

»Er hat keine andere Wahl, Han – er ist so programmiert«, sagte Leia. Sie wandte sich an C-3PO. »Aber ich bin sicher, dass Han immer noch imstande ist, sich ein paar schlichte Fakten zu merken. Du kannst draußen warten.«

»Sehr wohl«, sagte C-3PO beleidigt. »Ich bin in Bereitschaft, falls Sie mich benötigen.«

Nachdem er hinausgegangen war, winkte Gejjen Han und Leia zu den Sesseln. Antilles setzte sich ans Ende des Tisches, eine Platzwahl, die andeutete, dass es ihm wirklich nicht gefiel, an dieser Unterhaltung teilnehmen zu müssen.

»Ich nehme an, Sie kennen Ministerin Lemora und Minister Willems.«

Han nickte. »Ich fragte mich bloß, was das gesamte Hochkabinett den ganzen Weg hier rausführen könnte.«

»Wir befinden uns auf einer Inspektionsreise.« Lemora unternahm nicht einmal den Versuch, überzeugend zu klingen. »Was für Sie viel mehr von Belang sein dürfte, ist, dass sich eine einzigartige Gelegenheit ergeben hat.«

Bevor Han damit drohen konnte zu gehen, weil er es nicht mochte, angelogen zu werden, ließ Gejjen die Bombe platzen. »Königinmutter Tenel Ka hat sich dazu bereit erklärt, eine corellianische Delegation zu empfangen.«

»Ja, klar.«

»Das kann nicht Ihr Ernst sein!«

Han und Leia sprachen gleichzeitig, denn das Einzige, das sie vielleicht noch mehr überrascht hätte – oder mehr Zweifel geschürt hätte –, wäre, wenn Gejjen behauptet hätte, dass ihr Sohn Anakin beim Kampf gegen die Yuuzhan Vong gar nicht ums Leben gekommen wäre. Tenel Ka war ein Sprachrohr und eine sehr loyale Unterstützerin der Galaktischen Allianz, und jede Andeutung darauf, dass sie möglicherweise die Seiten zu wechseln gewillt war, war verrückt.

»Ich versichere Ihnen, es ist unser Ernst«, sagte Gejjen. »Das Hochkabinett ist nicht hier herausgekommen, um Ihnen einen Streich zu spielen.«

»Dann hat Sie jemand mit falschen Informationen versorgt«, entgegnete Han. »Es ist undenkbar, dass Tenel Ka Corellia zu unterstützen bereit ist. Sie hat bereits zwei ihrer Kampfflotten dem Kommando der Allianz unterstellt.«

Gejjen zeigte sich unbeeindruckt. »Und wenn sich das ändern würde, wäre die Galaktische Allianz gezwungen, ihre Haltung in Bezug auf Corellia noch einmal zu überdenken.«

»Die Einladung ist echt«, versicherte Lemora ihnen. »Die Königinmutter hat am Zwanzigsten einen halben Tag lang für uns Zeit. Können Sie Hapes bis dahin erreichen?«

»Sicher.« Han blickte zum Ende des Tisches hinüber und stellte fest, dass Antilles in die Ecke schaute, augenscheinlich über die Wunder automatischer Kaffspender sinnierend. »Wenn es irgendwelchen Sinn macht hinzufliegen.«

»Ich glaube, was Han sagen möchte, ist, dass dieses Angebot sonderbar klingt.« Leia sah Han wie um Bestätigung heischend an, doch in Wahrheit signalisierte sie ihm mitzuspielen. »Wir kennen Tenel Ka beide gut genug, um sicher zu sein, dass sie niemals die Seiten wechseln würde.«

»Sehen Sie, genau das ist der Grund dafür, warum Sie für diese Aufgabe so sehr geeignet sind«, sagte Willems. »Wenn überhaupt irgendjemand eine Chance hat, sie zur Vernunft zu bringen, dann Sie zwei.«

Der Tonfall, den er in Willems rauer Stimme hörte, gefiel Han nicht. »Sie sollten uns besser nicht dorthin schicken, um ihr zu drohen«, sagte er. »Denn das würde Tenel Ka genauso erzürnen wie mich.«

Gejjen winkte besänftigend ab. »Niemand droht hier irgendwem, Captain Solo. Aber wir verfügen über gewisse Geheimdienstinformationen, die darauf hindeuten, dass ihre Unterstützung für die Allianz ihr Verhältnis zu ihren Adeligen belastet.«

»Wir nehmen an, dass sie deshalb gewillt ist, mit uns zu reden«, fügte Lemora hinzu. »Vielleicht ist das alles nur Theater, um sie zu besänftigen oder sich etwas Zeit zu erkaufen, aber wir können es uns nicht erlauben, diese Möglichkeit zu ignorieren.«

»Nein, natürlich nicht«, sagte Leia. »Aber Admiral Antilles sagte, dass Sie Han darum bitten wollen, ein Bündnis auszuhandeln. Ihnen ist doch bewusst, dass die Chance, dass dies gelingt, gleich null ist, oder nicht?«

»Wenn es irgendeine Hoffnung darauf gibt, dass es dennoch funktioniert, dann sind Sie diese Hoffnung«, entgegnete Gejjen. »Aber wir brauchen kein Bündnis – ebenso wenig wie Königinmutter Tenel Ka.«

»Wenn Hapes bereit wäre, sich in einer offiziellen Verlautbarung als neutral zu erklären und seine Flotte vom Allianz-Kommando abzuziehen«, sagte Lemora, »würde das Corellias Position sowohl militärisch als auch politisch stärken. Andere Regierungen könnten dadurch hinreichend genug ermutigt werden, uns öffentlich zu unterstützen.«

»Und Tenel Kas Adelige hätten keinen Anlass mehr, ihre Entscheidung infrage zu stellen – oder ihr Anrecht auf den Thron«, mutmaßte Leia. »Ist diese Gefahr für sie so akut?«

»Wir hören, dass es rumort.« Gejjen beugte sich vor und suchte bewusst Leias Blick. »Es ist vielleicht keine Übertreibung zu sagen, dass es der Königinmutter ebenso dienlich wäre wie uns, wenn man sie davon überzeugen könnte, in Bezug auf Corellia eine wohlwollende Haltung einzunehmen.«

»Ich verstehe.« Leia musterte Gejjen einen Moment lang, dann wandte sie sich an Han. »Der Premierminister hat recht, Schatz. Wir könnten Tenel Ka und Corellia damit viel Gutes tun.«

»Ja, vielleicht.« Han schaute wieder zu Antilles, der den Kaffspender noch immer so intensiv studierte, als könne dies ihm dabei helfen, die geheimen Pläne der Galaktischen Allianz vorherzusehen. »Aber irgendwas an der Sache stinkt wie Huttenatem.«

»Schön – wenn Ihnen der Auftrag nicht gefällt, suchen wir jemand anderen dafür.« Willems deutete auf den Ausgang. »Vielen Dank für …«

»Minister Willems«, unterbrach ihn Gejjen, »warum hören wir uns Captain Solos Bedenken nicht erst einmal an?« Mit einer erhobenen Augenbraue wandte er sich zu Han um.

»Das alles würde sich gut anhören, wenn wir zu Hause auf Corellia darüber reden würden«, sagte Han. »Was ich nicht verstehe, ist, warum Wedge mich den ganzen Weg hier rausgescheucht hat, bloß damit Sie drei den ganzen Weg hier rauskommen konnten, um uns zu bitten, diesen Auftrag zu übernehmen.«

Zu Hans Überraschung wandte sich Gejjen an Antilles. »Vielleicht sollten Sie das erklären, Admiral.«

»In Ordnung.« Endlich löste Antilles den Blick von dem Kaffspender. »Ihr wart bereits auf dem Weg hierher, als der Premierminister Tenel Kas Nachricht erhielt. Ursprünglich hatte ich die Absicht, dich zu bitten, das Kommando über die Heimatflotte zu übernehmen und einen Gegenangriff auf die Blockade vorzubereiten.«

»Einen Gegenangriff?« Han runzelte die Stirn. Die corellianische Heimatflotte war über die fünf bewohnten Planeten des Systems verstreut, wo sie entweder an ihren Liegeplätzen festgenagelt waren oder Moog und Rancor mit Allianz-Schiffen spielten, die doppelt so viel Feuerkraft wie sie selbst hatten. »Bist du raumkrank? Wir würden die Hälfte der Flotte allein bei dem Versuch verlieren, sie zusammenzuziehen.«

Antilles schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht. Wir sind beinahe so weit, von hier aus den entscheidenden Angriff zu starten.«

Han runzelte die Stirn, dachte über die Sache nach und rief dann empört: »Ich sollte also überhaupt nicht kämpfen?« Er wusste nicht, ob er wütend oder verletzt sein sollte. »Ich sollte den Köder spielen?«

»Tut mir leid, Han«, sagte Antilles. »Ich musste irgendetwas unternehmen.«

»Wir haben Geheimdienstinformationen abgefangen, die darauf hindeuten, dass das Oberkommando der Allianz herauszufinden versucht, wo sich Admiral Antilles aufhält«, erklärte Lemora. »Ich habe vorgeschlagen, dass wir ein Ablenkungsmanöver bräuchten.«

Leia legte eine Hand auf Hans Arm. »Betrachte das als Kompliment, Han«, sagte sie. »Es gibt sonst niemanden, den die Allianz für tollkühn genug halten würde, etwas so Riskantes zu versuchen.«

»Vielen Dank auch.« Während Han das sagte, sah er Antilles an. »Es ist immer ein gutes Gefühl, gebraucht zu werden.«

»Wie es bei Ihnen offenkundig der Fall ist«, sagte Gejjen rasch. »Admiral Antilles ist nicht erfreut darüber, Sie an eine diplomatische Mission zu verlieren.«

»Und das ist der Grund dafür, warum Sie drei mich den ganzen Weg hier rausgescheucht haben?«, fragte Han. »Um Wedge dazu zu bringen, mich ziehen zu lassen?«

»Nicht nur«, gab Lemora zu. »Die Königinmutter hat uns bloß wenig Zeit gegeben, um einen Gesandten auszuwählen. Wenn Sie nicht gehen …«

»… tue ich es«, brachte Willems den Satz zu Ende.

»So weit ist es noch nicht«, sagte Gejjen. Der Blick, den er und Lemora wechselten, deutete darauf hin, dass sie beide hofften, dass es nicht dazu kommen würde. »Aber angesichts der strikten Kommunikationssperre, die hier gilt, hätten wir auf einen Boten warten müssen, um mit Ihrer Entscheidung nach Corellia zurückzukehren. Es schien einfach sicherer, hier herauszukommen und persönlich mit Ihnen zu reden.«

»Außerdem wollten wir die Kiris-Flotte tatsächlich in Augenschein nehmen, bevor wir den Startschuss für den Überraschungsangriff geben«, fügte Lemora hinzu. »Corellias Zukunft hängt davon ab.«

»Das ist verständlich«, sagte Leia. Sie wandte sich an Han und machte ihren besten Bitte-tu’s-für-mich-Schmollmund. »Zufrieden?«

»Sicher.« Han blickte finster drein und krauste die Lippen – er hasste es, wenn Leia ihre weiblichen Kräfte bei ihm einsetzte. »Ich bin dabei.«

Leia lächelte und tätschelte seine Hand. »Ich auch.«

»Ausgezeichnet.« Gejjen wirkte erleichtert. Er erhob sich und streckte seinen Arm über den Tisch aus. »Die Fünf Welten sind Ihnen zu Dank verpflichtet.«

Während er und Han einander die Hand schüttelten, holte Lemora eine Datenkarte aus ihrer Tasche und reichte sie Leia. »Ich habe mir die Freiheit genommen, Videoinstruktionen vorzubereiten. Sie können sie sich ansehen, wenn Sie zum Falken zurückkehren.«

»Darauf sind unsere Anweisungen?«, fragte Leia.

»Natürlich«, sagte Gejjen. Er deutete mit einer Hand zum Ausgang. »Sie müssen rasch aufbrechen, wenn Sie Hapes rechtzeitig erreichen wollen.«

»Ich begleite euch nach draußen.« Antilles stand auf und führte die Solos in die Außenkabine. Sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, schlug er Han auf die Schulter. »Tut mir leid, alter Kumpel. Ich hatte mich schon darauf gefreut, dich herumzukommandieren.«

»Warum?«, entgegnete Han. »Ich glaube nicht, dass ich gehorcht hätte. Du etwa?«

Antilles lachte. »Ich schätze, nicht.« Er wandte sich an Leia und sagte: »Danke für deine Hilfe. Wenn es überhaupt irgendeine Hoffnung darauf gibt, die Allianz zum Rückzug zu bewegen, bevor dieser Krieg richtig hässlich wird, dann seid ihr das.«

»Ich bin froh, dass ich helfen kann, das weißt du.« Leia musterte Antilles einen Moment lang, dann wurde ihr Tonfall ernst. »Wedge, was verschweigen die uns?«

Antilles blickte zurück zur Tür und schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht – und das gefällt mir genauso wenig wie euch.«

»Nun, was immer es ist, es ist in jedem Fall besser, dass wir mit Tenel Ka sprechen statt Willems«, sagte Han. »Dieser Kerl würde sogar mich in die Arme der Allianz treiben.«

»Ich glaube, genau darauf hat Gejjen gebaut«, sagte Leia. »Er wusste, dass du überhaupt nicht anders konntest als Ja zu sagen, nachdem du die Alternative in Fleisch und Blut gesehen hast.«

»Es hat funktioniert.« Han wandte sich an Antilles. »Das – und zu erfahren, dass meine Alternative darin bestand, dein Köder zu sein.«

»Dann bin ich froh, dass ich dabei behilflich sein konnte, dass du zu einem Entschluss gelangt bist.« Antilles lächelte müde, dann drückte er Han die Hand und küsste Leia auf die Wange. »Ich sollte lieber wieder reingehen, sonst fangen die noch an zu denken, ich versuchte, dir diese Sache auszureden. Möge die Macht mit euch sein.«

»Danke, Wedge«, sagte Leia. »Das können wir gebrauchen.«