15. KAPITEL
Nach dem übereilten Aufbruch von der Telkur-Station stieß der Falke durch seinen ersten Hyperraumsprung in ein Gebiet des Realraums, das auf den Karten als »Astlöcher« verzeichnet war. Soweit Leia das sagen konnte, war der Name eine Anspielung auf die Dutzende schmaler Hyperraumbahnen, die durch die schwarzen Untiefen der Vergänglichen Nebel stießen und dabei ein Gebilde zerklüfteter, sternenerfüllter Formen schuf, wie Löcher in einem Vorhang. Han, der im Co-Pilotensessel saß, während Leia flog, deutete auf eine Sternensichel auf der Steuerbordseite des Sichtfensters.
»Da … lang.« Han schwitzte vor Schmerz und war außerstande, seine verwundete Schulter zu bewegen, aber er weigerte sich, nach hinten in den Sanitätsraum zu gehen, bis eine sichere Entfernung zwischen ihnen und der Telkur-Station lag. Er warf einen Blick zu Lady Morwan, die hinter Leia im Navigationssessel saß, dann fügte er hinzu: »Fliegen wir zurück ins Innere?«
»Korrekt?«, erwiderte Morwan. Ihre Stimme wurde ein bisschen lauter, als sie den Rest ihrer Antwort an Leias Hinterkopf richtete. »Ich hoffe, das macht keine Umstände, Prinzessin.«
»Überhaupt nicht.« Leia drückte den Steuerknüppel in die Richtung, in die Han gedeutet hatte, und ertappte ihn dabei, wie er die S-Signalanzeige betrachtete, zweifellos, um die Signalstärke zu überprüfen. Sobald sie herausgefunden hatten, für wen Lady Morwan arbeitete, mussten sie sich ins HoloNetz einklinken und die gesammelten Informationen so schnell wie möglich weiterleiten. »Wir stehen Ihnen gänzlich zu Diensten. Seit der erste Attentatsversuch gescheitert ist, waren wir auf uns allein gestellt.«
»Attentat.« Morwans Stimme haftete ein unleugbarer Klang von schlechtem Gewissen an, als sie das Wort wiederholte. »Amtsenthebung klingt so viel angenehmer … Aber ich nehme an, ›Attentat‹ trifft es eher, oder? Wenn das Gremium nicht wollen würde, dass Tenel Ka getötet wird, hätten sie nicht Aurra Sing angeheuert.«
Der Name sorgte dafür, dass Leia eine Braue hob. Aus historischen Aufzeichnungen wusste sie, dass Aurra Sing zu Zeiten der Alten Republik ruchlos Jedi-Ritter ermordet hatte. Bevor sie jedoch fragen konnte, ob das Nashtahs richtiger Name war, verdrehte Han sich, um Morwan unverwandt anzusehen.
»Wollen Sie mir weismachen, dass Sie plötzlich Gewissensbisse kriegen?«
»Die Unabhängigkeit des Konsortiums liegt mir ebenso sehr am Herzen, wie Ihnen die von Corellia.« Morwans Stimme war gerade genug abgekühlt, um ihr Missfallen darüber deutlich zu machen, von einem Mann verhört zu werden. »Das bedeutet nicht, dass mir der Tod der Königinmutter und der Chume’da Freude bereitet.«
»Natürlich nicht«, sagte Leia. Sie betrachtete Morwans Spiegelbild in der Kanzel. Waren Morwans Skrupel stark genug, um sie dazu zu bringen, die Seiten zu wechseln und die Identität der Hintermänner des Putsches preiszugeben? »Solche Entscheidungen zu treffen ist niemals einfach.«
»Vielleicht kann ich Ihnen behilflich sein«, bot C-3PO an. »Falls Sie von der Frau sprechen, die uns auf unserer Flucht vom Fontänenpalast begleitet hat, so verfüge ich über einige Daten, die nahelegen, dass sie unmöglich Aurra Sing sein kann.«
»Bloß, weil sie gesagt hat, ihr Name wäre Nashtah, bedeutet das nicht, dass dem tatsächlich so ist«, sagte Han. »Wenn das deine Daten sind, vergiss es.«
»Ich bin mit der Verwendung von Decknamen bestens vertraut, Captain Solo«, entgegnete C-3PO. »Immerhin ist ein gesamter Bereich meines Speichers den Identitäten gewidmet, die Sie und Prinzessin Leia bereits angenommen haben.«
»Wir sind mehr an Aurra Sing interessiert«, sagte Leia. »Wenn Lady Morwan sagt, dass sie es war, neige ich dazu, ihr zu glauben.«
»Ich fürchte, Lady Morwan muss sich irren«, sagte C-3PO. »Laut der Aufzeichnungen, die Meister Skywalker an Bord der Chu’unthor gefunden hat, war Aurra Sing eine neun Jahre alte Jedi-Novizin, die vor über fünfundsiebzig Standardjahren von Piraten entführt wurde. Offenbar hat sie sich durch das Versagen des Jedi-Ordens, sie zu retten, von ihnen betrogen gefühlt, da sie Jahre später als Kopfgeldjägerin zurückkehrte, die sich auf das Jagen und Töten von Jedi spezialisiert hatte. Am Ende wurde sie von Jedi Aayla Secura gefasst und dann in der Strafkolonie auf Oovo 4 inhaftiert. Es gibt keinerlei Aufzeichnungen über ihre Freilassung.«
»Was vielleicht daran liegt, dass es keine Aufzeichnungen von Oovo 4 gibt«, erwiderte Han. »Als die Yuuzhan Vong den Planeten verwüstet haben, gingen sie zusammen mit den Wachen, den Haftkuppeln und vermutlich dem Großteil der Gefangenen in Flammen auf.«
»Möglicherweise«, entgegnete C-3PO. »Allerdings war der Gefängnisdirektor ein ausgezeichneter Bürokrat. Er hat andernorts eine Sicherungskopie hinterlegt …«
»Dreipeo, Han versucht zu sagen, dass es keinen Entlassungsvermerk gibt«, erklärte Leia. Der Halbmond aus Sternen, auf den Han gedeutet hatte, befand sich nun im Zentrum der Kanzel, um wie ein schiefes Lächeln durch den schwarzen Vorhang der Vergänglichen Nebel zu scheinen. »Wenn Aurra Sing während des Angriffs entkommen ist, war niemand mehr da, der darüber hätte Bericht erstatten können.«
»Oh«, sagte C-3PO, »das hatte ich nicht in Erwägung gezogen.«
»Ich bin neugierig, weshalb ihr euch für Aurra entschieden habt«, sagte Leia. »Ihr Ruf als berüchtigte Jedi-Killerin dürfte heutzutage nicht mehr sehr verbreitet sein.«
»Und selbst wenn dem so wäre, ist das nicht unbedingt die Art von Auftrag, für den man sich eine Achtzigjährige aussucht«, merkte Han an.
»Um ehrlich zu sein, ist sie zu mir gekommen«, erklärte Morwan. »Als mich das Legats-Gremium damit beauftragte, jemanden zu suchen, der in der Lage ist, die Königinmutter vom Thron zu holen, fing ich an, einen Überblick über das überlieferte Ableben von Jedi zusammenzustellen. Als ich dabei auf die Geschichte von Aurra Sing stieß, beschloss ich, über sie ebenfalls Nachforschungen anzustellen in der Hoffnung, dabei etwas zu erfahren, das mir dabei helfen würde, meinen Attentäter mit Bedacht zu wählen.
Dabei muss ich irgendeinen Alarm ausgelöst haben«, fuhr sie fort. »Ein paar Wochen später ist Sing aufgetaucht und wollte wissen, warum ich über sie Erkundigungen einhole. Da hieß es dann, sie entweder anzuheuern oder zu sterben.«
»Klingt, als hätten Sie keine große Wahl gehabt«, sagte Han mitfühlend. »Ich hoffe, das heißt nicht, dass Sie deswegen jetzt Gewissensbisse haben.«
»Nein, habe ich nicht.« Morwans Tonfall wurde abwehrend. »Aber ich verstehe nicht, warum Sie sich so viele Gedanken wegen meiner Gefühle machen, Captain Solo. Ich bin nicht einmal ein Mitglied des Gremiums. Der Putsch wird stattfinden, ganz gleich, was ich dabei empfinde.«
»In Ordnung – nehmen Sie’s mir bitte nicht übel.« Han drehte sich wieder nach vorn und grunzte, weil bei der Bewegung die Wunde wieder schmerzte. »Ich versuche bloß dahinterzukommen, wer uns im Palast in die Falle gelockt hat, das ist alles.«
»Ich war es nicht.« Morwan erhob sich und trat zwischen den Piloten- und den Co-Pilotensitz, dann schob sie sanft eine Hand unter Hans verletzten Arm. »Höchst Zeit für Sie, in den Mediraum zu gehen.«
»Noch nicht.« Han versuchte, seinen Arm zu befreien, doch das Einzige, was ihm das einbrachte, waren solche Schmerzen, dass er nach Luft rang. »Nicht, bis wir im Inneren sind.«
»Bis wir das Innere erreichen, haben Sie vielleicht schon eine Infektion«, sagte Morwan. Offensichtlich nicht daran gewöhnt, von einem Mann ein Nein zu hören, zerrte sie Han langsam auf die Füße. »Und dass sich Ihr Arm nicht bewegen lässt, ist kein gutes Zeichen. Vielleicht hat die Blasterwunde – Sind Sie verrückt?«
Die letzte Bemerkung kreischte Morwan, als plötzlich die Mündung von Hans Blaster unter ihrer Nase erschien.
»Nein bedeutet nein«, warnte Han. »Hat Ihre Mutter Ihnen das nicht beigebracht?«
Morwan ließ seinen Arm los, weigerte sich aber, einen Rückzieher zu machen. »So zäh sind Sie nicht, Captain Solo. Wenn das Betäubungsspray nachlässt, werden Sie vor Schmerzen schreien.«
»Vermutlich«, sagte Leia. »Und wenn er das tut, wird er genau dort sitzen. Ich habe schon Rontos gesehen, die weniger dickköpfig waren.«
Morwan wandte sich an Leia und sperrte vor Überraschung den Mund auf. »Und Sie lassen sich das gefallen?«
»Ich habe ein Elektrohalsband«, entgegnete Leia, »aber das bringt ihn bloß zum Sabbern.«
Morwans Augenbrauen schossen alarmiert in die Höhe. »Seien Sie vorsichtig. Wenn Sie die Stromstärke zu hoch drehen, kann er aggressiv werden und …« Endlich wurde ihr bewusst, dass Leia scherzte, und sie ließ den Satz verklingen. »Bitte verzeihen Sie mir. Manchmal vergesse ich, dass der Rest der Galaxis ein toleranteres Bild von Männern hat.«
»Manchmal fällt mir das selbst schwer.« Leia blickte stirnrunzelnd auf Hans Blaster und befleißigte sich der hohen Stimme, mit der eine Mutter ihr Kind zurechtwies. »Han, Schatz, warum steckst du nicht diesen hässlichen Blaster weg? Vielleicht könnte Dreipeo die Lady nach hinten in den Mediraum begleiten und ihr dabei helfen, etwas Bakta-Salbe und Verbände zusammenzusuchen, und du kannst solange mit den Erwachsenen hier vorn im Cockpit bleiben.«
»In Ordnung – es ist nicht nötig, dass du so sarkastisch zu mir bist.« Han schob seinen Blaster ins Halfter, dann ließ er sich wieder auf den Co-Pilotensitz fallen und zuckte zusammen. »Ich habe bloß versucht, meinen Standpunkt deutlich zu machen.«
»Das ist Ihnen besser gelungen, als Sie sich in Ihren wildesten Träumen auch nur vorstellen können, Captain Solo«, sagte Morwan. »Das nächste Mal dürfen Sie gern brüllen.«
Sie wandte sich ab und folgte C-3PO den Zugangskorridor hinunter. Als die metallischen Schritte des Protokolldroiden verklungen waren, lehnte sich Han näher zu Leia und sprach mit leiser Stimme. »Sobald wir wissen, für wen sie arbeitet …«
»… müssen wir uns ins HoloNetz einloggen und dafür sorgen, dass unsere Informationen zu Tenel Ka gelangen«, brachte Leia den Satz zu Ende. »Ich weiß.«
»Gut. Denn vielleicht bleibt uns dafür nicht viel …«
»… Zeit«, beendete Leia seine Worte erneut. »Ich weiß, Han. Vielleicht solltest du die Überwachungskamera im Mediraum einschalten.«
Han zog grimmig die Augenbrauen zusammen. »Noch nicht. Niemand steckt mich in den Mediraum, bevor wir gelandet sind …«
»Ich will nicht dich im Auge behalten«, sagte Leia. »Was, wenn Lady Morwan nicht ihren richtigen Namen benutzt?«
»Oh … ja.« Han lehnte sich im Co-Pilotensessel zurück und aktivierte die Mediraumkamera. »Ich schätze, ein Bild könnte vielleicht ganz nützlich sein.«
»Vielleicht schon«, sagte sie mit ironischer Stimme.
Selbst in Anbetracht des mäßig scharfen Bildes war Leia sicher, dass der hapanische Geheimdienst – einer der besten in der Galaxis – in der Lage sein würde, Morwan und ihre Auftraggeber zu identifizieren.
Han schaltete die Videoübertragung aus dem Mediraum auf seinen Bildschirm. »Klasse – Dreipeo versperrt die Sicht.«
Leia warf einen Blick herüber, um festzustellen, dass der goldene Droide vor Morwan stand, und sein Kopf war zur Seite geneigt, während er auf eine Schublade deutete. Auf der Koje stand ein Tablett, auf dem sie Ausrüstung sammelte.
»Hab Geduld«, sagte Leia. »Sie wird sich ins Kamerafeld beugen, wenn sie die Salbenschublade öffnet.«
Han grunzte zustimmend und ließ sich wieder in seinen Sitz plumpsen. Er sah erschöpfter und mutloser aus als seit Jahren. Es war, als wären all die Kämpfe und Verluste, die sie in vier Jahrzehnten im Dienste der Galaxis durchgemacht hatten, schließlich selbst für Han Solo zu viel geworden, um sie zu verkraften.
Leia streckte die Hand herüber und berührte seinen Arm. »Wie geht’s dir?«
»Mach dir um mich keine Sorgen.« Er nickte zu der Sternensichel außerhalb der Kanzel hinaus. Sie wurde von Sekunde zu Sekunde größer und klarer; die schwarzen Ränder des Vergänglichen Nebels schienen sich zügiger zurückzuziehen, je näher der Falke kam. »Ich muss bloß noch weitere zehn Minuten durchhalten. Sobald wir im Eingangsbereich dieser Passage sind, haben wir ein gutes Signal.«
»Ich spreche nicht von deiner Schulter, Han. Ich meine, wie geht’s dir?« Nachdem Nashtah – oder besser: Aurra Sing – seit dem fehlgeschlagenen Attentatsversuch ständig in ihrer Nähe gewesen war, konnte sie endlich über ihre Entscheidung sprechen, Tenel Ka zu beschützen, und Leia wollte sicher sein, dass Han klar war, was das für Corellia bedeutete. »Ganz gleich, wie du die Sache betrachtest, wir arbeiten hier gegen Corellias Interessen. Ich kann spüren, wie sehr dir das zu schaffen macht.«
Han blickte finster drein, und Leia dachte, dass er drauf und dran war, sich zum tausendsten Mal darüber zu beschweren, dass seine eigene Frau seine »Gedanken las«. Stattdessen stieß er ein müdes Seufzen aus und ließ frustriert sein Kinn nach unten fallen.
»Es ist nicht das, was wir tun, das mir zu denken gibt«, sagte er. »Es ist Gejjen. Ich hasse es, wenn man Spielchen mit mir treibt.«
Leia nickte mitfühlend. »Ich auch – aber hier geht es um mehr als um unsere Gefühle. Wenn wir das hier machen, bloß weil Gejjen uns hinters Licht geführt hat, tun wir es aus den falschen Gründen. Ich bin mir sicher, dass er glaubte, keine andere Wahl zu haben. Corellia ist in einer verzweifelten Lage.«
»Ob verzweifelt oder nicht, spielt keine Rolle.« Han drehte sich um, um sie anzuschauen. »Als ich dich hierzu überredet habe – damals, als wir noch ein Leben auf Coruscant hatten –, sah es so aus, als wäre Corellia im Recht.«
»Wir waren uns darin einig, dass Corellia ein Anrecht auf seine Unabhängigkeit hat«, sagte Leia vorsichtig. »Aber Corellia hätte sich als vollkommen unabhängig erklären müssen. Man kann nicht auf die Vorzüge pochen, die eine Mitgliedschaft in der Allianz mit sich bringt, ohne das Gesetz der Allianz zu befolgen.«
»Stimmt«, sagte Han, der ihr kaum zuhörte. »Aber Thrackan hat von Anfang an eigene Pläne gehabt, hat geheime Flotten gebaut und versucht, Centerpoint zu reaktivieren. Und jetzt hat Gejjen uns benutzt, um den Krieg noch mehr auszuweiten.«
»Was willst du damit sagen, Han?« Leia studierte seine Pupillen, suchte nach einer Gefäßerweiterung oder atypischer Pupillengröße oder irgendeinem anderen Hinweis darauf, dass er eine weitere Stimdosis brauchte, um nicht in einen Schockzustand zu verfallen. »Dass wir zur Allianz zurückkehren sollten?«
Han sah sie an, als hätte sie ihn soeben darum gebeten, nackt durch eine Luftschleuse zu treten. »Und Omas dabei zu helfen, das letzte bisschen Unabhängigkeit aus der Galaxis zu quetschen?« Seine Miene wurde wütend. »Auf keinen Fall. Er wird nicht die Chance dazu bekommen, Corellia als Vorwand dafür zu benutzen.«
»In Ordnung – und was willst du dann tun?«
Han zuckte mit der einen Schulter, die er immer noch bewegen konnte. »Ich denke, wir sollten es durchziehen, Leia.«
»Bist du dir sicher?« Leia kannte die Antwort bereits – Han war sich niemals wegen irgendetwas unsicher –, aber sie wollte es ihn sagen hören. »Dir ist klar, dass die Entscheidung, das Konsortium aus dem Krieg herauszuhalten, für Corellia womöglich den Unterschied zwischen Sieg oder Niederlage ausmacht.«
Ein herausfordernder Glanz trat in Hans Augen. »Unterschätz Wedge nicht. Niathal hat keine Ahnung, was es heißt, ausgefuchst zu sein, solange sie nicht …«
»Ich sage nicht, dass Corellia keine Chance hat, Han«, unterbrach Leia. »Bloß, dass es lediglich eine kleine ist – und wir haben vor, sie noch kleiner zu machen.«
»Ja, aber was für eine Wahl bleibt uns sonst? Zuzulassen, dass Gejjen den Mord an Tenel Ka und einem vier Jahre alten Kind arrangiert?« Han schüttelte energisch den Kopf. »Ich will nicht, dass Corellia seine Freiheit auf diese Weise gewinnt. Wenn wir die Sache nicht schaffen, ohne dass wir Hapes und den Rest der Galaxis in einen großen Bürgerkrieg hineinziehen, dann sollte Corellia es gar nicht erst versuchen.«
»Ich schätze, du bist dir sicher«, sagte Leia.
»Du nicht?«
»Oh, ich bin sicher«, sagte Leia. »Ich sehe es genauso.«
Han blickte verwirrt drein. »Und warum reden wir dann bis zum Abwinken darüber?« Er wandte sich wieder seinem Bildschirm zu und schwieg einen Moment lang, dann sagte er mit trauriger Stimme: »Ich wünschte bloß, man könnte irgendjemandem in dieser Galaxis vertrauen.«
»Jemandem kann man vertrauen.« Leia lächelte. »Ich sitze neben ihm.«
Ein Ausdruck milder Überraschung huschte über Hans Gesicht, aber er betrachtete weiterhin seine Anzeige und gab vor, es nicht gehört zu haben. Selbst nach allem, was er getan hatte, um den Imperator zu stürzen und den Krieg gegen die Yuuzhan Vong zu gewinnen, weigerte er sich nach wie vor, sich als einen von den Guten zu betrachten. Leia nahm an, dass ein Guter für ihn einfach zu dicht an einem Langweiler dran war.
Auf dem Bildschirm lehnte sich Morwan endlich hinter C-3PO hervor und bot ein klares Profil, als sie nach der Salbenschublade griff. Han fing das Bild ein, dann ein weiteres von ihrem kompletten Gesicht, als sie sich umdrehte, um C-3PO eine Frage zu stellen. Der Droide deutete auf eine andere Schublade, aus der Morwan dann ein Schallskalpell hervorzog.
Han setzte sich auf. »Wofür ist das denn?«
»Vermutlich, um totes Gewebe wegzuschneiden«, sagte Leia.
»Hier oben?«
»Du lässt ihr ja keine große Wahl«, sagte Leia. »Ich würde mir deswegen keine Sorgen machen. Nach allem, was ich bislang gesehen habe, kennt sie sich mit Feldmedizin aus.«
»Klasse«, sagte Han. »Dann weiß sie genau, wo sie schneiden muss, wenn sie mir die Kehle aufschlitzt.«
Leia warf ihm einen Mach-dich-nicht-lächerlich-Blick zu. »Mit einer Jedi und zwei Noghri an Bord?«
Han dachte einen Moment lang darüber nach, dann sagte er: »Trotzdem kommt sie mir mit diesem Skalpell besser nicht zu nahe. Du weißt, wie sie über Männer denkt.«
»Es muss gemacht werden, andernfalls bekommst du womöglich eine nekrotische Infektion. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir Lady Morwan trauen können, aber du kannst natürlich auch Dreipeo bitten, es stattdessen zu tun.«
»Danke«, grummelte Han. »Lieber würde ich einen Hutten küssen.«
»Nein, würdest du nicht«, entgegnete Leia rasch. »Glaub mir.«
Auf Hans Bildschirm nahm Morwan schließlich das Ausrüstungstablett auf, dann kam sie wieder nach vorn. Han speicherte die Bilder, die er gemacht hatte, deaktivierte die Überwachungskamera und ersetzte die Ansicht auf dem Schirm durch ein Temperaturschema des Rumpfantriebs.
Dann beugte er sich erneut zu Leia hinüber. »Weißt du, vielleicht hast du recht damit, Morwan zu vertrauen«, sagte er leise. »Sie ist nicht allzu glücklich darüber, dass Tenel Ka und Alanna umgebracht werden sollen. Vielleicht könnten wir sie davon überzeugen …«
»Das wird nicht funktionieren«, schnitt ihm Leia das Wort ab. »Sie ist eine wahre Verfechterin der Unabhängigkeit des Konsortiums. Sie bedauert vielleicht die Notwendigkeiten, die der Putsch mit sich bringt, aber wir werden sie nie dazu überreden können, die Rädelsführer zu verraten.«
Han ließ sich zurück in seinen Sessel sinken und atmete frustriert aus. »Also müssen wir das Ganze doch auf die harte Tour durchziehen.«
»Ich fürchte, ja«, sagte Leia. »Wir spielen weiter Spione.«
Im Zugangskorridor erklangen C-3POs metallische Schritte, die den scharfen Ton von Morwans ungehaltener Stimme unterstrichen.
»Ich bin eine ausgebildete Feldchirurgin, Dreipeo«, sagte sie gerade. »Ich denke, ich kann mich daran erinnern, wie man einen Spülkolben benutzt.«
»Dessen bin ich mir gewiss«, entgegnete C-3PO. »Es ist wirklich recht einfach, solange man das korrekte Antibiotikum verwendet.«
»Ich weiß, Dreipeo«, sagte Morwan. »Programmiert die Allianz all seine von männlichen Mustern beherrschten Droiden darauf, so herablassend zu sein wie du?«
»Ich fürchte, Ihre Frage basiert auf einer irrigen Annahme, Lady Morwan. Ich habe nicht einmal ein Herablassungsmodul.« C-3PO hielt einen Moment lang inne, dann fügte er hinzu: »Aber bitte machen Sie sich deswegen keine Vorwürfe. Die meisten Menschenfrauen machen diesen Fehler.«
Morwans einzige Erwiderung bestand in einem verzweifelten Stöhnen. Einen Moment später führte C-3PO sie ins Cockpit.
»Ich weiß nicht, wie Sie in einer gleichberechtigten Gesellschaft leben können, Prinzessin Leia«, sagte sie. »Selbst die Egos eurer Droiden sind unausstehlich.«
»Man gewöhnt sich daran.« Leia richtete den Blick ungezwungen wieder nach vorn. Mittlerweile füllte ihr Ziel den Großteil der Kanzelfenster aus, mit einem Rahmen aus dunklem Nebel, der um die Ränder der Sternensichel herumwirbelte. »Habe ich eben richtig gehört, dass Sie Dreipeo erzählt haben, Sie seien Feldchirurgin?«
»Ich war es«, korrigierte Morwan. »Nach dem Qoribu-Streich habe ich … ähm, umgesattelt.«
Leia hob die Brauen. »Sie waren auf Qoribu?« Die Schlacht von Qoribu war kurz, aber brutal, die Folge eines Missverständnisses zwischen einem hapanischen Kommandanten und seinem Chiss-Pendant während der Dunkles-Nest-Krise. »An Bord der Kendall?«
Morwan zögerte, bevor sie antwortete, gerade lange genug, um deutlich zu machen, dass ihr bewusst war, dass sie mehr Informationen über sich selbst preisgegeben hatte, als vermutlich klug war.
»Ich habe tatsächlich an Bord der Kendall gedient«, sagte sie schließlich. »Woher wissen Sie das?«
»Ich habe Sie wiedererkannt, von damals, als wir die Killiks transportiert haben«, log Leia. Die Wahrheit war, dass sie den Namen des hapanischen Flaggschiffs einfach bloß in der Hoffnung in den Raum gestellt hatte, Morwan so dazu zu bringen, das Schiff zu nennen, auf dem sie stationiert gewesen war. »Dann haben Sie also mit Aleson Gray gedient?«
»Ich würde nicht sagen mit.« Die Tonlage von Morwans Stimme war bloß ein bisschen höher als normal, aber es genügte, um das Kribbeln des Unbehagens zu bestätigen, das Leia durch die Macht hindurch spürte. »Ich habe nicht zum Befehlsstab gehört.«
»Lady Morwan, hat Ihnen noch nie jemand gesagt, dass es unmöglich ist, einen Jedi anzulügen?« Leia suchte Hans Blick in der Spiegelung in den Kanzelfenstern, um sicherzugehen, dass er die Wichtigkeit dieser Frage verstand. Hapanische Offiziere neigten dazu, ihren Befehlsstab aus ihren eigenen Häusern zu rekrutieren, also standen die Chancen gut, dass sie soeben den Rädelsführer des Putsches identifiziert hatten. »Aber keine Sorge. Das Geheimnis Ihrer Ducha ist bei uns sicher.«
»Ja«, sagte Han. »Wem sollten wir das schon erzählen?«