7. KAPITEL

Die Halle der Meister war so lang und luxuriös eingerichtet wie all die anderen Korridore, durch die die Solos bisher geschlichen waren, mit einem roten Qashmelteppich am Boden und einigen der großartigsten Kunstwerke der Galaxis an den Wänden. Zwischen zwei Meisterwerken befand sich stets ein verschnörkelter Dreipassbogen, durch den man in einen gleichermaßen opulenten Korridor gelangen konnte, während zu beiden Seiten des Gangs jeweils eine weiße Alabastertreppe durch ein rundes Türmchen hinauf in die höheren Gefilde von Tenel Kas gewaltigem Palast führte.

»O Mann«, sagte Han. »Wo jetzt lang?«

»Gute Frage.«

Han sah finster drein. »Kannst du nicht einfach der Macht folgen oder so was?«

»Das könnte ich, wenn ich wollte, dass Tenel Ka spürte, wie ich nach ihr suche.« Leia warf einen Blick auf die Sicherheitskarte, die sie der Wache im Wartesalon der Königinmutter gestohlen hatte, dann setzte sie sich den Korridor entlang in Bewegung. »Aber ich habe eine bessere Idee.«

Han folgte ihr zum Ende des Gangs, und dort stießen sie auf ein kleines Datenterminal, das unter einer der Treppen verstaut war. Leia führte die Sicherheitskarte ein und wählte aus dem Menü, das daraufhin erschien, den Punkt SCHAUGEPRÄNGE DER KÖNIGIN: ÖFFENTLICHES PROGRAMM IHRER MAJESTÄT aus.

Tenel Ka hatte die »Erste Muskelbegutachtung« vor einer halben Stunde beendet und sollte in zwei Stunden ein Bankett geben, aber im Augenblick war nichts anberaumt.

»Such nach einem privaten Terminkalender«, schlug Han vor. »Das hier verrät uns gar nichts.«

»Gewiss tut es das«, sagte Leia. Sie rief eine Karte des Palastes auf, dann deutete sie auf einen geschwärzten Bereich, der lediglich mit KÖNIGLICHE RESIDENZ gekennzeichnet war. »Dort werden wir sie finden.«

»Ich will ja nicht skeptisch klingen, aber …«

»Sie wird eine Stunde brauchen, um sich für das Bankett anzukleiden«, sagte Leia. »Und sie ist den ganzen Tag damit beschäftigt, die Anwärter des Gepränges zu begutachten. Was glaubst du wohl, wo sie ihre terminfreie Stunde verbringen wird?«

»Bei ihrem Kind«, stimmte Han zu. Er hätte es besser wissen müssen, als an Leia zu zweifeln. Sie war selbst in einem Palast aufgewachsen und hatte vermutlich ein instinktives Verständnis für Tenel Kas Leben. »Also, wo ist das Spielzimmer?«

»Gute Frage.« Leia zog die Datenkarte aus dem Terminal, dann wandte sie ihr Gesicht der Decke zu und schloss einen Moment lang die Augen. »Die Treppe ist frei.«

Han und Leia stiegen Seite an Seite nach oben, passierten ein Porträt von Tenel Kas königlichen Ahnen nach dem anderen. Die Treppe war breit genug, um einem Landspeeder Platz zu bieten, mit genügend Raum übrig für Passanten, und sie schien ewig in die Höhe zu führen. Nach einer guten Minute des Aufstiegs begann aus einem unsichtbaren Durchgang auf dem Treppenabsatz weiter oben gedämpftes Gemurmel hervorzusickern.

In der Annahme, dass sie sich einen anderen Weg suchen mussten, ergriff Han Leia am Arm und wollte sie die Stufen wieder hinunterziehen.

»Keine Zeit«, flüsterte sie. »Wenn Tenel Ka uns überhaupt empfängt, dann nachdem sie Allana besucht hat und bevor sie sich für das Bankett ankleidet.«

Leia zog Han dicht an die Wand und stieg weiter nach oben, langsam und leise. Als sie sich dem Treppenabsatz bis auf wenige Stufen genähert hatten, blieb sie stehen und deutete auf die Leere auf der anderen Seite des Geländers. Eine Sekunde später hallte ein lautes Kloing durch den Turm, als wäre in der untersten Etage irgendetwas auf den Boden gefallen.

Zwei königliche Wachen eilten auf den Absatz, um nachzusehen. Als sie über die Balustrade spähten, drückten sich Han und Leia mit dem Rücken gegen die Wand und schlichen die letzten paar Stufen lautlos empor, dann schlüpften sie in einen extravaganten Warteraum voller Hapaner, und alle schienen in Rasierwasser gebadet zu haben. Sie waren mit eleganten Schimmerseidetuniken und edlen Tavella-Wamsen bekleidet. Alle hielten Plastiklarbehältnisse in Händen, die Orchideen aus allen Winkeln der Galaxis enthielten – manchmal mehr exotisch, als schön.

Leia schob ihre Hand durch Hans Armbeuge. »Vermutlich sind das Freier, die hoffen, die Königinmutter heute Abend zum Bankett begleiten zu dürfen«, flüsterte sie und führte ihn in den Raum. »Zweifellos gefällt es Tenel Ka, mit ihren Adeligen Spielchen zu spielen.«

»Solange sie keine Spielchen mit uns spielen«, antwortete Han. »Ich wünschte wirklich, du hättest mich nicht dazu gebracht, meinen Blaster an Bord des Falken zu lassen.«

»Das hier ist angeblich ein Freundschaftsbesuch.«

»Wie kommt es dann, dass du dein Lichtschwert trägst?«

»Das ist etwas anderes«, entgegnete Leia. »Das hier ist Hapes, und ich bin eine Frau.«

Als sie weiter in den Raum vordrangen, drehten sich die jungen Adeligen um, um sie zu mustern, grinsten spöttisch angesichts Hans verschlissener Fliegerjacke oder runzelten beim Anblick von Leias Jedi-Gewändern die Stirn. Die Solos schenkten ihnen wenig Aufmerksamkeit und hielten den Blicken der Höflinge gerade lange genug stand, um zu suggerieren, dass sie genauso hierhergehörten wie jeder andere, während Leia diesen Gedanken mit einem Machtschub noch verstärkte.

Offenbar funktionierte der Trick, denn als die Solos den Rand des Sitzbereichs erreichten, wandten sich die Höflinge wieder ihren Sabacc-Partien und privaten Gesprächen zu. Han und Leia schlängelten sich durch die Menge zu einem großen Brunnen mit einem wasserspeienden Rancor, der das Zentrum des Raums beherrschte. Ihnen gegenüber versperrte ein Dutzend königlicher Wachen einen großen Zeremonienbogen, hinter dem ein langer weißer Korridor lag. Der Gang wurde gesäumt von Schaukästen voller antiquierter Waffen und antiker Schutzpanzer, doch das spektakulärste Ausstellungsstück war ein funkelnder Windkristallkronleuchter von der Größe eines A-Flügler-Jägers.

»Schätze, jetzt wissen wir, wo die Königliche Residenz ist«, murmelte Han und wandte den Blick von den Wachen ab. »Aber an diesem Haufen vorbeizukommen wird ein ziemlich großes …«

Leias Finger kniffen in Hans Arm. »Han, sie ist hier.«

»Hier?« Han schaute sich beiläufig im Raum um und sah nichts Außergewöhnliches, bloß ein paar jungen Adelige, die über die Wetteinsätze des Dejarik-Spiels stritten, und einen Junggesellen in mittleren Jahren, der einen käsehäutigen Jüngling darüber belehrte, dass es unschicklich sei, drinnen einen Hut zu tragen. »Wer ist hier?«

»Der Attentäter.«

Leias Blick glitt zu dem käsehäutigen Jüngling und verweilte auf ihm. Mit dem hageren, bartlosen Gesicht und einem kahlen Kopf, der von einem modischen, wenn auch lächerlich hohen Zylinder gekrönt wurde, hatte er ein gefährliches, wenn auch feminines Erscheinungsbild. Seine Augen waren dunkel und tief liegend, seine Nase so gerade wie ein Messer, sein Mund ein schmaler Spalt mit rubinroten Lippen. Er trug eine geraffte Anzugjacke, die sechs Nummern zu groß für ihn sein musste, und er achtete sorgsam darauf, seine geballten Hände in den Innentaschen zu halten, als hätte er Angst, was sie tun würden, wenn sie sich verselbstständigten.

»Du meinst ihn?«, flüsterte Han ungläubig. »Er ist bloß ein Kind.«

Die Augen des Kindes glitten langsam von seinem »Dozenten« fort und fanden Leia. Als sie nicht wegschaute, schenkte er ihr ein knappes, beinahe unmerkliches Nicken, ehe er sich wieder seiner Unterhaltung zuwandte.

Leia packte Hans Arm. »Das ist kein Kind.« Sie zog ihn auf die Wachen zu, die unter dem Zeremonienbogen warteten. »Tatsächlich ist sie sogar älter als du.«

»Sie?«

»Das ist jetzt nicht wichtig«, sagte Leia. »Sie arbeitet nicht allein. Wir müssen Tenel Ka warnen.«

Als sie sich dem Bogen näherten, trat ein grobgesichtiger Wachmann vor; er trug die goldenen Manschettenrauten eines Feldwebels der königlichen Garde und versperrte ihnen mit einem voluminösen hapanischen Energieblaster den Weg.

»Die Halle der Windkristalle ist für Besucher nicht zugänglich.«

»Natürlich ist sie das.« Leia hob die Hand, dann sprach sie so leise, dass sich der Feldwebel nach unten beugen musste, um sie zu hören. »Aber die Königinmutter ist in Gefahr. Sie müssen die Kammer abriegeln.«

Die Augen des Feldwebels weiteten sich, und er wiederholte: »Die Königinmutter ist in Gefahr.« Er war allerdings zu gut ausgebildet, um voreilig zu reagieren – selbst unter dem Einfluss einer Machtüberzeugung. »Von wem geht diese Gefahr aus?«

»Von Personen in diesem Raum.« Leias Stimme klang ungeduldig. Sie machte eine weitere kleine Geste. »Die Königinmutter ist in Gefahr. Sie müssen die Kammer abriegeln und jetzt sofort den Alarm auslösen.«

Der Feldwebel nickte. »Die Königinmutter ist in Gefahr.« Seine Augen glitten an Leias Schulter vorbei, und dann drehte er sich zu seinen Untergebenen um. »Verriegelt die Kaaaaaa …«

Der Befehl endete in einem würgenden Keuchen, als irgendetwas Langes und Weißes an Leias Kopf vorbeizischte und sich seitlich in den Hals des Feldwebels bohrte. Han schrie auf und schirmte Leia instinktiv ab, indem er sich auf sie warf – und dabei beinahe einen Arm verlor, als die Klinge ihres Lichtschwerts abrupt zum Leben erwachte.

Sie waren kaum auf dem Boden aufgekommen, als weitere der sonderbaren Projektile über ihre Köpfe hinwegzischten, die aus allen Ecken der Kammer kamen und die Luft mit einem Geräusch wie von reißendem Stoff erfüllten. Einen Moment später stürzten die übrigen Wachen zu Boden, begleitet von einer Kakophonie würgender Aufschreie und scheppernder Körperpanzer.

Leia drückte ihre Hand gegen Hans Brust. »Han, du musst aufhören, das zu machen.« Sie rollte ihn mit überraschender Leichtigkeit von sich herunter und kniete sich hin, dann zupfte sie an ihrer Robe. »Jedi, du erinnerst dich?«

»Tut mir leid – alte Angewohnheit.«

Han richtete sich auf die Knie auf. Die Hälfte der Freier im Raum – ein paar Dutzend – stürmte quer durch die Kammer, sprang über Möbelstücke und warf sie um, und sie alle hielten entweder ein weißes Wurfmesser in Händen oder zogen ein weiteres aus ihren Ärmeln. Han wirbelte herum, griff nach der Waffe des gestürzten Feldwebels und stellte fest, dass das gesamte Wachbataillon im Bogengang lag; die meisten waren bereits tot, doch einige krümmten sich vor Schmerzen, während Plastoidgriffe aus ihren Kehlen oder Gesichtern ragten.

In Hans Magengrube bildete sich ein kalter Knoten. Die Attentäter waren gut – gut organisiert und gut ausgebildet. Er krabbelte vorwärts und packte den voluminösen Energieblaster des Feldwebels, dann fummelte er an der ungewohnten hapanischen Sicherung herum.

»Verflucht! Ist mir egal, was du dazu sagst, aber nächstes Mal bringe ich meinen …«

Hinter ihm summte Leias Lichtschwert, der Geruch von verbranntem Fleisch erfüllte die Luft, und ein Körper schlug auf dem Boden auf. Die übrigen Angreifer stürmten bereits zu beiden Seiten der Solos in den Bogengang. Die meisten achteten überhaupt nicht auf Han, schnappten sich einfach die Waffen der toten Wachen und sprinteten weiter den Korridor entlang. Einer jedoch, ein Mann mit kantigem Kinn und blondem Haar, schaute zu ihm herüber und suchte Hans Blick.

»Sind Sie in Ordnung?«, fragte er.

»Äh, ja«, antwortete Han. Endlich fand er den Sicherheitshebel des Energieblasters – einen kleinen Knopf innen am Abzugsbügel – und drückte darauf. »Danke der Nachfrage.«

Er zog den Abzug durch und pustete dem Mann ein faustgroßes Loch mitten in die Brust. Der Hapaner kippte taumelnd nach hinten um, während seine Brauen noch vor Überraschung in die Höhe gingen.

Han drehte sich um, um Leia hinter sich zu sehen. Sie stand über einem toten Hapaner und blickte finster in Richtung des Mannes, den er soeben umgebracht hatte.

»Hast du auch das Gefühl, dass wir nicht die leiseste Ahnung haben, was hier eigentlich vorgeht?«, fragte Han.

»Da sind wir nicht die Einzigen.«

Leia zog Han auf die Füße und drehte ihn dabei wieder in Richtung des Warteraums. Ein Dutzend junger Adeliger standen über dem Junggesellen in mittleren Jahren, der das käsehäutige »Kind« über den Hut belehrt hatte.

Weitere fünfzehn Freier sahen mit offenen Mündern voller Staunen zu, wie sich das »Kind« über den Boden auf die Tür zurollte, durch die die Solos hereingekommen waren, und dabei knapp einem anhaltenden Hagel von Blasterfeuer von den dort postierten Wachen entging. Die Attentäterin hatte ihre übergroße Jacke abgelegt, und darunter waren ein hautenger Ganzkörperanzug und ein mit Wurfmessern bestückter Allzweckgürtel zum Vorschein gekommen. Es war offensichtlich, dass Leia recht damit gehabt hatte, dass sie eine Frau war. Und sie hatte Haar – zumindest ein bisschen. Der Zylinder war ebenfalls verschwunden, um einen buschigen Dutt freizugeben, der sie wild, unberechenbar und sehr gefährlich wirken ließ.

Han setzte den Energieblaster an die Schulter, aber Leia legte eine Hand auf den Lauf.

»Nicht jetzt«, sagte sie. »Sie ist Macht-empfänglich.«

»Macht-empfänglich?« Han verstand, was Leia damit sagen wollte. Die Frau würde nicht leicht zu töten sein, und sie konnten es sich nicht leisten, sich hier unnötig lange aufzuhalten. »Würde mir bitte mal jemand sagen, was zur Hölle hier vorgeht?«

»Vielleicht später.« Leia lief auf den Korridor zu, den Attentätern nach. »Nachdem ich Zeit hatte, selbst dahinterzukommen.«

Han schnappte sich ein paar zusätzliche Energiezellen von dem toten Feldwebel und eilte Leia nach. Bis er sie eingeholt hatte, waren sie den weißen Steinkorridor zwei Dutzend Meter entlanggelaufen, ohne zu ihren Zielen aufgeschlossen zu haben. Han blieb stehen und kniete sich an der Seite des Korridors hin, um hinter einem Podest Deckung zu suchen, auf dem eine blau glänzende, frühe Durastahlrüstung stand.

»Wir müssen sie stoppen«, sagte er.

»Gute Idee.« Leia rannte weiter. »Versuch, nicht mich zu treffen!«

»Hey!«, rief Han. »So hatte ich das nicht gemeint!«

Aber Leia war schon ein gutes Stück weiter den Korridor hinunter, lief bereits unter dem großen Kronleuchter hindurch und gewann an Tempo. Han verfluchte ihre Tollkühnheit, dann atmete er dreimal tief durch und schulterte den Energieblaster.

Bevor er das Feuer eröffnen konnte, blieben die Attentäter plötzlich stehen und schauten unsicher zu Leia zurück. Selbst ohne Hilfe der Macht konnte Han ihre Verwirrung spüren. Entweder waren sie unerwartet auf eine Sackgasse gestoßen, oder sie hatten nicht gesehen, wie Leia ihre Kumpane angegriffen hatte, und konnten nicht begreifen, warum sie ihnen nachjagte. Vielleicht beides.

»Was, zur Hölle, geht hier vor?«, fragte Han wieder. Er richtete die Waffe auf den Hapaner, der ganz vorn stand, und verpasste ihm einen Schuss zwischen die Schulterblätter. Dann schwang er die Mündung zum nächsten Mann und feuerte erneut. Der Getroffene prallte vom Sockel eines Schaukastens ab, dann torkelte er in die Mitte des Korridors und brach zusammen. Die überlebenden Attentäter gingen hastig in Deckung und erwiderten das Feuer.

Leia schloss zur Rückseite der Gruppe auf und ging zu einer wirbelnden Lichtschwertattacke über, wobei sie sich in einen Kranz aus saphirblauem Licht hüllte und Blasterbolzen wieder zu ihrer Quelle zurückschickte. Han brachte einen weiteren Attentäter zu Fall, und sie erledigte drei. Han schoss einem Mann das Bein weg, der mit einem Überschlag quer durch den Korridor flog; Leia nutzte die Macht, um zwei weitere unter einem Fluganzug aus schwerer Plexoidpanzerung zu zerquetschen.

Dann echote der ohrenbetäubende Knall einer Erschütterungsgranate durch den Korridor. Han wurde vorübergehend von einem gleißenden gelben Lichtblitz geblendet. Leia schrie überrascht auf, und die Luft vibrierte vom durchdringenden Kreischen von Blasterfeuer. Hapaner schrien und verstummten abrupt, und Blasterbolzen jagten so ungestüm den Gang hinunter, dass Han einen Moment brauchte, um zu registrieren, dass sich sein Blickfeld wieder geklärt hatte.

Leia kam auf ihn zu, vollführte Saltos und Drehungen in der Luft, sprang von einer Seite des Korridors zur anderen, schlug Blasterbolzen beiseite und suchte hinter den Schaukästen vorübergehend Schutz. Hinter ihr waren nirgends überlebende Attentäter zu sehen – falls es welche gab –, doch eine Mauer königlicher Wachen stürmte ins hintere Ende des Gangs, und Energieblaster flammten auf.

Han kam hoch genug, dass sich seine Schultern und sein Kopf über dem Sockel zeigten, den er als Deckung nutzte. »Hört auf damit, ihr Rodder!«, rief er. »Wir sind auf …«

Eine Salve Blasterbolzen machte seinem Protest ein Ende, pustete den Schaukasten mit der Rüstung von seinem Podest und schickte Han unter einer herabstürzenden Lawine aus Durastahl zu Boden.

»Han!« Leias Stimme war über das Kreischen des Blasterfeuers hinweg kaum zu vernehmen, und der Gestank von verbranntem Fleisch war im Korridor so dicht geworden, dass Han würgen musste. »Bleib unten!«

»Als hätte ich eine andere Wahl«, knurrte Han – oder hätte er geknurrt, wäre dafür genügend Luft in seiner Brust gewesen.

Er stemmte die zwanzig Kilo schwere Brustplatte von seinen Schultern und seinem Kopf weg, dann rollte er sich auf die Knie. Er konnte noch immer nicht atmen, aber der Schmerz in seiner Brust war dumpf und allgemein, was darauf hindeutete, dass ihm einfach die Luft aus den Lungen getrieben worden war. Leia befand sich auf der gegenüberliegenden Seite des Gangs, ein Stück weiter vorn, von einem Hagel aus Blasterfeuer hinter einem Schaukasten festgenagelt, das so gleißend und beharrlich war, dass es an die Abgase eines Ionenantriebs erinnerte.

Han sah zurück zu den königlichen Wachen, die bereits den halben Korridor hinunter vorgerückt waren. »In Ordnung«, grollte er. »Euch Kerlen werd ich’s zeigen, auf meine Frau zu schießen.«

Er ließ sich hinter den Schaukasten zurückfallen, richtete seinen Blaster auf die Decke und feuerte ins Zentrum des riesigen Kronleuchters. Es erforderte bloß eine Handvoll Schüsse, um das riesige Gebilde mit dem dröhnenden Krachen von Windkristallen und Metall herabstürzen zu lassen, und der Hagel von Blasterfeuer, der den Korridor hinabjagte, verebbte unverzüglich zu einem Bruchteil seiner bisherigen Stärke. Han hob wieder den Kopf und sah, dass der Kronleuchter direkt inmitten der vorstürmenden Wachen gelandet war. Der größte Teil der Kompanie lag auf dem Boden hingestreckt – verletzt, eingeklemmt oder einfach zu benommen, um sich zu rühren.

Beinahe ein Dutzend Wachen waren jedoch bereits weit genug den Korridor hinunter gewesen, um dem Kronleuchter zu entgehen. Sie konzentrierten ihr Feuer auf Leia und trieben sie jedes Mal wieder hinter den Schaukastensockel zurück, wenn sie versuchte, zu Hans Seite des Gangs durchzubrechen. Und Leia machte die Sache auch nicht viel besser, da sie ihre Salven einfach abwehrte, anstatt sie zu ihren Angreifern zurückzuschicken. Offenkundig wollten sie vermeiden, Hapaner zu verwunden, die Tenel Ka nach wie vor treu ergeben waren.

Han verfluchte ihre Skrupel, dann zielte er auf die Füße der Wachen und ließ Blasterbolzen vom Boden abprallen. Mehr als die Hälfte der Männer wandten ihre Aufmerksamkeit sofort Han zu, einer jedoch – ein Mann mit wütenden Augenbrauen und dem verwitterten Gesicht eines Veterans – zahlte den Solos ihre höfliche Zurückhaltung dadurch heim, dass er eine Erschütterungsgranate von seinem Ausrüstungsgürtel zog.

»Nein!«, rief Han, mehr zu sich als zu jemand anderem. »Nicht …«

Der Wachmann drückte auf den Aktivierungsschalter, und Han blieb keine andere Wahl, als auf die Brust des Mannes zu zielen.

Bevor er feuern konnte, schoss eine Salve Energiebolzen den Korridor hinter ihm hinauf, die den Wachmann mit voller Wucht trafen und ihn von den Füßen rissen. Die Granate kullerte aus der Hand des Hapaners und rollte davon. Han schwang vor Überraschung herum – oder vielleicht auch aus Furcht – und hatte gerade noch genug Zeit, einen flüchtigen Blick auf die blasshäutige Attentäterin zu erhaschen, die im Bogengang stand und mit jeder Hand einen sperrigen hapanischen Energieblaster abfeuerte.

Hinter ihm detonierte die Erschütterungsgranate, um den Korridor mit Licht und Donner und Feuer zu erfüllen. Die Attentäterin zuckte kaum mit der Wimper. Sie feuerte einfach mit einer ihrer Waffen weiter und benutzte die andere, um die Solos zu sich herüberzuwinken.

»Kommt her!«

Zu verblüfft, um irgendetwas anderes zu tun, sah Han quer über den Korridor zu Leia – die den Blick erwiderte und mit den Schultern zuckte.

Ein paar Wachen, die unter dem runtergekrachten Kronleuchter gefangen waren, feuerten wieder den Gang hinunter, sowohl auf die Attentäterin als auch auf die Solos. Die Attentäterin ließ sich in eine Ausweichrolle fallen, kam schießend wieder hoch und winkte den Solos erneut zu. »Kommt her, wenn ihr leben wollt!«

Han schaute zu Leia hinüber.

Sie nickte nachdrücklich. »Warum nicht?«

Leia erhob sich und rannte wirbelnd und wankend auf den Türbogen zu, während sie die wenigen Blasterbolzen abwehrte, die in ihre Richtung den Korridor entlangschossen. Han folgte ihrem Beispiel, schob sich seitwärts vorwärts und deckte den Kronleuchter mit Sperrfeuer ein. Er hatte noch immer keine Ahnung, was eigentlich abging, aber es wurde zusehends deutlicher, dass das auch für alle anderen galt – und wenn so etwas passierte, lautete die einzige Regel: um jeden Preis überleben.

Als sie durch den Türbogen waren, deutete die blasse Frau mit dem Kinn auf den Eingang, durch den sie vorhin gekommen waren. »Zur Treppe!«

»Von mir aus«, sagte Leia und übernahm die Führung.

Sie trafen auf keinerlei Widerstand, als sie die Kammer durchquerten, da die Freier, die sich nicht an dem Angriff beteiligt hatten, hinter Möbelstücken kauerten oder sich in Ecken verkrochen hatten, nicht gewillt, ihr Leben zu riskieren, ohne selbst bewaffnet zu sein. Nach allem, was Han bislang von der Attentäterin gesehen hatte, war das vermutlich eine kluge Entscheidung.

Auf dem Treppenabsatz außerhalb der Kammer lagen die beiden Torwachen reglos auf dem Boden hingestreckt – genau wie zwei weitere auf einem anderen Absatz auf der gegenüberliegenden Seite des Turms. Bislang gab es keinerlei Hinweise auf irgendwelche weiteren Wachen – aber Han wusste, dass sich das sehr bald ändern würde. Er übernahm die Führung, die Treppen hinunter und in den Korridor, der zurück in den Salon führte, in dem Leia und er sich zuvor aufgehalten hatten.

Hinter ihm rief die Attentäterin: »Warte!«

Han blieb stehen und sah zurück, um sie am Eingang des Turms knien zu sehen. Sie richtete beide Energieblaster auf die Treppe, sah dabei jedoch zu Han und Leia.

»Wo willst du hin?«, wollte sie wissen.

»Zurück zum Hangar«, antwortete Han. »Wir müssen von hier verschwinden.«

»Nein.« Die blasse Frau warf einen Blick in den Turm und feuerte die Stiegen empor. »Wir müssen einen Kontrakt erfüllen!«

»Wir?«, fragte Leia.

»Vielleicht werdet ihr nicht dafür bezahlt, aber ihr seid Teil hiervon.« Die Frau feuerte mit einer Waffe weiter, während sie mit der anderen auf Hans Brust zielte. »Und guckt nicht so überrascht. Dass das Ganze so abläuft, hatte ich mir auch nicht vorgestellt.«

Die Knöchel von Leias Waffenhand wurden weiß, aber zum Glück war Han der Einzige, der es mitbekam. Die königlichen Wachen hatten das obere Ende der Treppe erreicht, und die Attentäterin war damit beschäftigt, sich mit ihnen ein Feuergefecht zu liefern.

»Hör zu«, sagte Leia, »ich weiß nicht …«

»Offensichtlich weißt du, wer wir sind«, unterbrach Han. Er begriff allmählich, warum der Kampf so aberwitzig gewirkt hatte – die Attentäterin hatte ihn und Leia irrtümlich für Leute gehalten, die ihnen dabei helfen sollten, zu Tenel Ka vorzudringen. »Wie wär’s, wenn du so nett wärst, dich kurz vorzustellen?«

Die Attentäterin wandte den Blick lange genug von der Treppe ab, um ihn stirnrunzelnd anzusehen. »Ihr wisst nicht, wer ich bin?«

»Wir sind nicht sonderlich gut auf dem Laufenden«, bekannte Leia und griff Hans Strategie auf. »Wir sind gerade erst von Corellia gekommen.«

Ein Regen von Blasterbolzen zuckte durch den Korridor, um der Attentäterin fast den Kopf wegzupusten. Sie rollte sich einfach aus der Türöffnung und drückte ihren Rücken gegen die Wand, dann ließ sie ihren Blick über Leias Lichtschwert schweifen.

»Warum nennt ihr mich nicht einfach Nashtah?« Sie schien beinahe zu lächeln. »Das würde mir gefallen.«

Aus irgendeinem Grund, den Han nicht recht verstand, jagte ihm der Name einen Schauder über den Rücken – oder vielleicht lag das auch bloß an dem zunehmenden Blasterfeuer, das sich durch den Durchgang ergoss.

»In Ordnung, Nashtah«, sagte er. »Nur für den Fall, dass du es noch nicht bemerkt hast: Jemand hat uns auffliegen lassen.«

»Offensichtlich wusste Tenel Ka über das geplante Attentat Bescheid«, fügte Leia hinzu. »Und das bedeutet, dass wir keine Chance haben, jetzt zu ihr zu gelangen. Alles, was passieren wird, ist, dass wir in die Enge getrieben und getötet werden.«

»Ich glaube nicht, dass sie wusste, dass wir da mit drinstecken, bis das hier angefangen hat«, sagte Han. »Aber jetzt liegen die Dinge anders. Wir haben höchstens zwei Minuten Zeit, um zurück zum Falken zu gelangen – wenn wir Glück haben. Anschließend wird der Hangar so massiv versiegelt sein, dass es uns nicht einmal mit einem Lichtschwert gelingen wird, uns den Weg da hinein freizuschneiden.«

Nashtahs Augen schienen dunkler zu werden und noch weiter einzusinken, als sie über diese Möglichkeit nachdachte. Mit einem Mal ließ sie sich in die Hocke fallen, dann wirbelte sie zurück in den Durchgang und jagte eine Salve Blasterfeuer die Treppe hinauf. Es folgte ein Chor schmerzgeplagter Schreie.

»Geht voraus!« Nashtah erhob sich und winkte sie den Korridor hinunter, dann stieß sie Leias Arm mit einem Blasterlauf an, der so heiß war, dass er den Stoff ihres Gewands versengte. »Und ihr solltet besser kein doppeltes Spiel treiben. Es gibt für mich nichts Schöneres, als Jedi zu töten.«