19. KAPITEL

Das Einsatzkommando hatte den Hyperraum in perfekter Sichelformation verlassen, und die leuchtende grüne Scheibe des Planeten Relephon wurde im Aussichtsfenster der Brücke der Anakin größer und größer. Die Welt war einer dieser wahrhaft gewaltigen Gasriesen, kurz davor, selbst zu einem Stern zu werden; der gigantische Druck in seinem Kern setzte genügend Energie frei, um die Schar Monde drum herum in einem lebenserhaltenden Schleier aus Wärme und Licht zu baden.

Jacen entdeckte weder die Umrisse winziger Scheiben von Schlachtdrachen vor dem blassen Glühen noch das blaue Band auch nur einer einzigen Abluftspur mit Kurs auf das Einsatzkommando, das Tenel Ka entsandt hatte, um AlGray festzunehmen. Dennoch fühlte er ein kaltes Kribbeln an seinem Rückgrat und eine unbehagliche Leere in seinem Magen. Die Minuten, unmittelbar nachdem eine Flotte den Hyperraum verlassen hatte, waren stets die hektischsten und gefährlichsten, während sich die Sensoroffiziere mühten, ihre Instrumente zu kalibrieren, und die Hangartechniker voller Hast einen Schutzschirm aus Jägern rausschickten. Es war der ideale Zeitpunkt für einen Angriff, und Jacen konnte spüren, dass einer bevorstand.

Leider hatte er keine Ahnung, von wo. Die Späher hatten lediglich ihr alarmierendes Unvermögen eingestanden, die feindliche Flotte zu lokalisieren, und AlGrays Kommandant hatte es mit Sicherheit nicht eilig, ihre Position preiszugeben.

»Major Espara, ich finde das seltsam.« Jacen sprach zu Major Moreem Espara von der königlichen hapanischen Garde, die Tenel Ka ihm zugewiesen hatte, um als seine Beraterin und Verbindungskommandantin zu fungieren. Zusammen mit einer Handvoll Adjutanten standen sie gemeinsam auf dem Observationsbalkon, der die geschäftige Brücke der Anakin überragte. »Müsste Ducha AlGray ihre Flotte mittlerweile nicht in Marsch gesetzt haben?«

»Das hätte sie, wenn sie hier wäre.« Espara, eine große Frau mit seidig schwarzem Haar und alabasterweißer Haut, war in eine mattblaue Uniform gekleidet, die zugleich militärisch und elegant aussah. »Selbst wenn sie unschuldig wäre, müsste unsere Ankunft sie hinreichend beunruhigt haben, um eine Machtdemonstration zu initiieren.«

Jacen schwieg und konzentrierte sich auf das, was er durch die Macht spürte. Er konnte den Ursprung der Gefahr nicht ausmachen, doch das Kribbeln entlang seiner Wirbelsäule fühlte sich an, als wäre er drauf und dran, die Nesselsucht zu kriegen.

»Wir kommen zu spät«, fuhr Espara fort, als wäre Jacen nicht scharfsinnig genug, um zu begreifen, was sie gerade gesagt hatte. »Die Putschisten handeln schneller, als der Königinmutter bewusst ist. Die Usurpatoren werden eine offene Revolte entfesseln.«

Jacen dehnte sein Machtbewusstsein rasant aus, doch die Bevölkerung der Relephon-Monde war zu weit verstreut, um irgendetwas Hilfreiches beisteuern zu können. Der Planet war von mindestens dreißig Hauptwohnzentren und Hunderten kleinerer Siedlungen umringt, und keine davon fühlte sich sonderlich feindselig an.

»Colonel Solo?«, fragte Espara. »Haben Sie gehört, was ich gerade sagte? Die AlGray-Flotte ist vermutlich unterwegs nach Hapes!«

»Ihre Adjutanten?«, fragte Jacen, noch immer beunruhigt von seinen Vorahnungen. »Wie viele haben Sie mitgebracht?«

»Glauben Sie, jemand hat unsere Mission verraten?« Espara warf einen Blick auf die beiden Offizierinnen hinter sich. »Ich versichere Ihnen, Beyele und Roh sind über jeden Verdacht erhaben …«

»Wie viele?« Diesmal legte Jacen die Kraft der Macht hinter seine Worte.

Espara zuckte zurück. »Nur Beyele und Roh.«

»Was ist mit Ihren Piloten?«, forschte Jacen. »Gehören die zu Ihrem persönlichen Stab?«

Espara schüttelte den Kopf. »Sie gehören zum königlichen Transport-Kader.«

Das Gefühl der Leere in Jacens Magen verwandelte sich in einen eisigen Hohlraum. Was auch immer schiefgelaufen war, es hatte seinen Anfang mit den Piloten genommen.

»Aber ich verstehe nicht, wie sie uns hätten verraten können«, fuhr Espara fort. »Selbst wenn sie Verräter wären, war das Einzige, was sie getan haben, mich in die Umlaufbahn zu fliegen. Vielleicht ist ihnen dabei aufgefallen, dass die Anakin Vorkehrungen traf aufzubrechen, aber sie konnten unmöglich wissen, wohin.«

»Das hat vielleicht schon genügt«, saget Jacen. Er wandte ich an seinen Adjutanten, einen Jenet namens Orlopp. »Fordern Sie einen Gefahrenreport von Commander Twizzl.«

»Ich habe den Status die ganze Zeit über im Auge behalten.« Mit einer rosa Schnauze, feuchten Nasenlöchern und einer grienenden Oberlippe, die seine gelben Fangzähne nicht gänzlich bedeckte, und in seiner schwarzen GGA-Uniform wirkte Orlopp bedrohlich. »Es scheint keinerlei Gefahr zu geben. Eine junge Garnisonskommandantin verlangt, über unsere Absichten unterrichtet zu werden, doch bislang hat sie ihre Verteidigungssysteme nicht aktiviert.«

»Sie will uns keinen Anlass zum Angriff geben«, vermutete Espara. »Das bestätigt, dass die Hauptflotte aufgebrochen ist. Colonel Solo, wir müssen unverzüglich nach Hapes zurückkehren. Falls die Königinmutter nicht bereits angegriffen wird …«

Den Rest von Esparas Kommentar hörte Jacen nicht mehr, da er sich bereits umgedreht hatte und den Observationsbalkon im Stechschritt verließ. Die Bedrohung schien gegenwärtiger als je zuvor – und wenn sie nicht von außerhalb der Anakin kam, dann musste sie von innen ausgehen.

»Colonel Solo?«, rief Espara und folgte ihm. »Wir befinden uns mitten in einem Einsatz!«

Esparas Verwirrung war verständlich. Selbst sie wusste nicht, dass Tenel Ka ihre Tochter Allana an Bord der Anakin gelassen hatte, und sie war mit Sicherheit nicht darüber unterrichtet, dass Jacens Eltern Informationen übermittelt hatten, die nahelegten, dass das Kind Aurra Sings primäres Ziel war.

Als er zur Liftröhre eilte, meldete sich Jacens Kommlink. Er löste es vom Gürtel und öffnete den Kanal.

»Wissen Sie, wer hier spricht?«, fragte eine dünne Stimme.

»Doppel-X«, entgegnete Jacen. »Was gibt’s?«

»Sie haben mich angewiesen, Sie zu unterrichten, falls irgendjemand versucht, die Kabine des Mädchens zu betreten«, erwiderte der Sicherheitsdroide. »Hiermit unterrichte ich Sie darüber.«

Jacens Magen sackte nach unten. »Das hatte ich befürchtet.«

»Wie lauten meine Befehle?«, fragte SD-XX. »Soll ich sie vaporisieren?«

»Nein« Jacens Nachforschungen über Aurra Sing zufolge würde der Sicherheitsdroide nichts gegen sie ausrichten können. »Bleib außer Sicht, und behindere ihre Versuche, sich Zutritt zu verschaffen. Ich bin unterwegs.«

Jacen aktivierte eine Verbindung zur Brückensicherheit. »Unverzüglich eine Stufe-eins-Abriegelung durchführen.« Er hielt sich nicht damit auf, sich zu identifizieren, da sein Name ohnehin bereits auf dem Datenschirm des diensthabenden Offiziers angezeigt wurde. »Dies ist keine Übung.«

»Stufe eins, Colonel?«

»Bestätigt.« Jacen erreichte die Liftröhre und trat hinein, ohne sich die Mühe zu machen, den forschen Salut der beiden GGA-Wächter zu erwidern, die hier stationiert waren. »Sofort!«

»Es tut mir leid, Sir«, erwiderte der Offizier. »Wir können das Schiff nicht abriegeln, während wir uns auf Gefechtsstation befinden. Die Mannschaft muss sich frei bewegen können.«

»Dann gehen Sie auf Stufe zwei!«, befahl Jacen.

Er hätte die Gefechtsbereitschaft aufgehoben, doch diese Anweisung hätte von Commander Twizzl erfolgen müssen, der dafür eine Bestätigung und eine Erklärung verlangt hätte, die zu geben Jacen keine Zeit hatte. Die Attentäterin – vorausgesetzt, Sing war die Bedrohung, die er gespürt hatte – hatte den Zeitpunkt gut gewählt: Die Priorität der Besatzung war es, den Sternenzerstörer kampfbereit zu machen, und das hatte Vorrang selbst vor der Sicherheit ihres wichtigsten Passagiers.

Über das Lautsprechersystem der Anakin begannen Alarmsirenen zu schrillen, die belegten, dass die Stufe-zwei-Sicherheitsprotokolle, die Jacen angeordnet hatte, in Kraft traten. Bewaffnete Wachen bezogen an jeder Liftröhre und jedem Schott Stellung, mit dem Befehl, jeden festzunehmen, der nicht die erforderliche Identifikation aufwies, und jeder, der sich widersetzte, wurde erschossen. Doch Jacen ging nicht davon aus, dass diese Vorsichtsmaßnahmen für Aurra Sing auch nur den geringsten Unterschied machte.

Als er auf dem Kommandodeck eintraf, lagen die Liftwachen am Boden, und Rauch stieg von ihren blasterversengten Gesichtern auf. Ein Dutzend Schritte den Korridor hinab lagen zwei weitere Wachen draußen vor den Sovv-Gästeunterkünften – den Quartieren, die für Würdenträger auf Besuch reserviert waren –, und Rauch drang aus der Kabine. Er löste sein Lichtschwert vom Gürtel und stürmte vorwärts.

In Jacens Verstand wirbelten dunkle Ängste und schwarzer Zorn. Zum ersten Mal seit seiner Gefangenschaft bei den Yuuzhan Vong wollte er jemandem wirklich Schaden zufügen, sie mit Schmerz und Qual für ihre niederträchtigen Machenschaft bezahlen lassen. Falls Allana starb, wusste er nicht, woher er die Kraft nehmen sollte, seine Mission weiterzuführen. Wollte er wirklich eine Galaxis retten, die den Mord an seiner eigenen unschuldigen Tochter zuließ?

Als sich Jacen dem Sovv-Gästequartier näherte, jammerte eine der Wachen um Hilfe. Der Oberkörper des Burschen war von etwas Heißem und Langem fast senkrecht gespalten worden, und seine schwindende Machtpräsenz belegte, dass er sterben würde, wenn er nicht umgehend versorgt wurde. An dem Schließfeld über seinem Kopf hing ein zurückgelassener Schlossknacker, und ein noch immer knisternder Bogen hatte die Doppeltüren durchtrennt.

Ohne die Gästequartiere in Augenschein zu nehmen, ließ Jacen den Wachmann dort zum Sterben zurück, wo er lag, und ging weiter den langen Korridor hinab. Das dumpfe Summen eines durch Metall schneidenden Lichtschwerts drang um die Ecke voraus, wo sich der Eingang seiner eigenen Quartiere befand. Er streckte seine Machtfühler in seine eigenen Unterkünfte aus und war erleichtert, die Präsenz seiner Tochter irgendwo in der Nähe der Rückseite der Kabine zu fühlen, schätzungsweise dort, wo der Erfrischer war. Sie wirkte neugierig und überhaupt nicht verängstigt.

Mit einem Mal reagierte Allana auf Jacens mentale Kontaktaufnahme mit Überraschung und Freude. Sie schien seine Berührung zu erkennen und froh darüber zu sein, und das erfüllte ihn mit Stolz und einer noch größeren Entschlossenheit, Sing zu erwischen, bevor sie seine Tochter fand.

Dann jedoch wurde ihr Kontakt vom Eindringen einer kalten Präsenz zerschmettert, die ihre mörderische Absicht vergnügt in die Macht strömen ließ. Allana zog sich vor Entsetzen zurück und verschwand, um Jacen mit der Präsenz der Attentäterin allein zu lassen. Das Summen des Lichtschwerts nahm mit einem Mal eine höhere Tonlage an, und ein lautes Klappern erklang, als ein frisch ausgeschnittenes Stück Sicherheitstür zu Boden fiel.

Im nächsten Augenblick erhellte ein strahlender, orangefarbener Blitz den Korridor weiter vorn, begleitet vom Krachen einer Erschütterungsgranate, zweifellos abgefeuert von Allanas Verteidigungsdroide, DeDe. Jacen blieb einen Moment lang stehen, um sicherzugehen, dass nicht noch eine Granate folgte, dann umrundete er die Ecke im selben Moment, in dem er das Kreischen von DeDes Blasterkanone vernahm.

Der Gang voraus war so voller Rauch und Blasterfeuer, dass er wie das Innere eines Gewittersturms ausah. Sing war ein blasser Geist in einem roten Ganzkörperanzug. Sie kämpfte sich durch das Loch, das sie in Jacens Tür geschnitten hatte, und war von karmesinroten Lichtschlangen umgeben, als sie ihr Lichtschwert dazu benutzte, DeDes Salven beiseitezuschlagen.

Jacen zog seine Handfeuerwaffe und schoss in vollem Lauf, in der Hoffnung, die Attentäterin in den Rücken zu treffen, während sie zu beschäftigt war, sich auch noch gegen ihn zu verteidigen. Sing ließ sich in eine Vorwärtsrolle fallen und verschwand durch die Tür. Einen Moment später wimmerte ihr Lichtschwert ein halbes Dutzend Mal auf, und DeDes Blasterkanone verstummte.

Aurra Sing war allein in Jacens Quartier – und mit ihren Machtfähigkeiten würde sie bloß eine Sekunde brauchen, um seine Tochter zu finden. Er blieb ein paar Schritte von der Tür entfernt stehen und nahm durch die Macht Kontakt zu der Attentäterin auf.

Warte!

Jacen sprach das Wort in seinem Verstand statt mit seinem Mund. Zugleich dehnte er seine Machtpräsenz bis in Sings Denken aus, öffnete sich der Macht zur Gänze, um sich tiefer in ihren Verstand zu drängen, um ihre eigene Präsenz zu zerquetschen und sie bis in den Grund ihres Wesens zu zwingen.

»Warte!«, wiederholte er.

Sing kämpfte dagegen an, versuchte, ihn aus ihrem Verstand zu verdrängen, aber Jacen hatte sie überrumpelt. Hinter ihm stand die Kraft seiner Wut und seiner Furcht und seines Hasses, und sie war einfach nicht stark genug, um dagegenzuhalten.

Jacen setzte sich wieder in Bewegung, dann ließ er seine Blasterpistole fallen und holte einen Kommlink hervor.

»Doppel-X, öffne …«

Die Türen zu seinem Quartier glitten auf und knirschten laut, als der beschädigte Bereich des Metalls an den Türpfosten entlangschrammte. Jacen trat in den Vorraum seiner Unterkunft, wo noch immer zischende Perlen aus geschmolzenem Durastahl auf den Steinboden tropften. Rechts von ihm waren die Wände über der Kombüse und dem Essbereich mit Brandmalen übersät. Allanas Verteidigerdroide lag links von ihm, ein Haufen abgetrennter Gliedmaßen und rauchender Schaltkreise, die am Rande des abgesenkten Sitzbereichs verstreut waren.

Sing stand mit dem Rücken zu Jacen, ungefähr fünf Schritte hinter dem Droiden, auf der anderen Seite eines schwelenden Sofas. In einer Hand hielt sie ihr noch immer aktiviertes Lichtschwert. In der anderen lag ein Klasse-C-Thermaldetonator mit einem Sprengradius, der ausreichte, um sie selbst, Jacen, Allana und wahrscheinlich die halbe Besatzung auf den Decks direkt über und unter ihnen zu töten.

Als Jacen auf sie zuging, blickte sie mit einem Ausdruck in ihren blassen Augen über ihre Schulter, in dem sich Hass und Ehrfurcht die Waage hielten.

»Wag es nicht, mich noch einmal auf diese Weise anzugreifen.«

Jacen erwiderte nichts. Sing mühte sich immer noch, sich von seiner Dominanz zu befreien, und seine gesamte Konzentration war darauf ausgerichtet, den Druck aufrechtzuerhalten, bis er nah genug war, um zuzuschlagen.

Sing warf ihm ein kaltes Lächeln zu. »Andererseits glaube ich nicht, dass du noch einmal die Chance dazu haben wirst.«

Ihr Daumen zuckte.

Die Aktivierungsleuchte des Thermaldetonators begann zu blinken, und das genügte, um Jacens Konzentration zu zerschmettern. Er spürte, wie ihm Sing entglitt, und plötzlich war er komplett aus ihrem Verstand und verfolgte entsetzt, wie sie den Detonator zu dem Erfrischer hinüberwarf, in dem sich Allana versteckte.

Jacens Herz sackte ihm bis auf den Grund seines Magens. Sein Arm schoss vor, und der Detonator schwebte in seine Hand, noch bevor ihm so recht bewusst wurde, dass er seine mentalen Finger danach ausgestreckt hatte.

Sing wirbelte bereits herum, stürzte sich auf ihn, und ihre karmesinrote Klinge schoss in Halshöhe heran. Jacen riss automatisch sein Lichtschwert hoch und blockte ab, dann zog er den Daumenschalter des Detonators wieder nach hinten.

Er sah nicht, ob das Aktivierungslicht erlosch oder nicht. Mit einem Mal bohrte sich Sings Knie in seinen Magen, trieb ihm den Atem aus den Lungen und ließ ihn über ein Sofa stürzen. Der Detonator fiel irgendwo in der Kombüse klappernd zu Boden. Jacon krachte auf einen Getränketisch, der unter ihm zusammenkrachte, dann war Sing über ihm, und ihre karmesinrote Klinge sauste auf ihn herab.

Jacen riss sein Lichtschwert herum, um abzublocken, und traf ihre Klinge. Die Luft füllte sich mit einem knisternden Funkenregen. Sing packte den Griff ihrer Waffe mit beiden Händen und begann zu schieben, um die Spitze ihres Lichtschwerts allmählich auf seine Augen zuzutreiben.

Das Leuchten war ebenso blendend wie die Hitze versengend, und Jacens Blickfeld verschwamm zu feurigen roten Schlieren. Er hob die freie Hand, um seinen Waffenarm abzustützen, und versuchte, sich keine Gedanken darüber zu machen, ob seine Augäpfel schmelzen würden oder nicht. Er wagte es nicht, den Kopf zu drehen oder auch nur wegzusehen, aus Angst, einen Fehler zu machen.

Sing trat ihm in die Seite. Die Spitze einer kleinen, keilförmigen Klinge kratzte über seine Rippen und ließ einen flammenden Bolzen der Pein durch seinen Körper jagen.

»Bleib …« Sie trat ihn erneut, was einen weiteren Schock der Qual tief in seinen Magen sandte. »… aus …« Sie trat wieder zu. »… meinem …« Noch ein Tritt. »… Verstand!«

Sie trat erneut zu, und diesmal erwischte sie fast eine seiner Nieren. Eine Woge feuriger Qual rollte durch seinen Körper, raubte ihm den Atem, so heiß, dass er nicht einmal zu schreien vermochte. Jeden anderen hätte der Schmerz gelähmt, ihn mit dem stummen Gebet zu Boden geschickt, er möge sterben, bevor er seinen nächsten Atemzug tat.

Doch Schmerz war für Jacen ein alter Freund. Während seiner Gefangenschaft bei den Yuuzhan Vong hatte er gelernt, ihn anzunehmen, und er fürchtete ihn nicht länger. Jetzt machte er ihn sich zunutze.

Er wandte Sing die Handfläche seiner Stützhand zu und stieß mit der Macht vor.

Das Manöver überraschte sie nicht so sehr, wie er gehofft hatte. Als sie nach hinten flog, fuhr Sing mit der Spitze ihrer Klinge über seine, und sein Lichtschwert wirbelte davon. Er hielt seinen Machtstoß aufrecht, bis er hörte, wie sie dumpf gegen die gegenüberliegende Wand krachte, dann sprang er auf die Füße.

Noch immer ließ eine feurige Unschärfe den Blick eines Auges verschwimmen, und vor dem anderen tanzten weiterhin karmesinrote Flecken. Doch er konnte gut genug sehen, um beunruhigt zu sein. Sing war in der Nähe des Erfrischers gelandet, in dem sich Allana versteckt hielt – nah genug, um ihren Kontrakt zu erfüllen, falls sie bereit war, das Risiko einzugehen, dass Jacen sie von hinten angriff.

Jacen ließ ihr keine Chance dazu. Er gab sich ganz seiner Angst und seiner Wut hin, nutzte die Kraft seiner Gefühle, um die Macht in sich strömen zu lassen, und sein Körper begann vor dunkler Energie zu knistern und zu brennen. Er hob die Arme in Sings Richtung, hielt die Hände gleichmäßig ausgestreckt und spreizte die Finger.

Das war der Moment, in dem die Tür des Erfrischers mit einem Zischen aufsprang und ein Paar kleiner grauer Augen nach draußen spähte. Sie waren weit aufgerissen und mit einem Ausdruck auf Jacen gerichtet, der Ehrfurcht oder Angst oder beides sein konnte.

»Nein, Allana!« Jacen brachte es nicht über sich, den Machtblitz zu entfesseln, während sie zusah. Selbst wenn Tenel Ka ihr noch nicht beigebracht hatte, dass die Dunkle Seite böse war, war die Ausbildung seiner eigenen Kindheit tief genug in ihm verwurzelt. Er wollte nicht, dass seine Tochter sah, wie er sie einsetzte. »Schließ die …«

Jacens Aufforderung brach ab, als sich Sing sein Zögern zunutze machte und sich mit einem Satz auf ihn stürzte. Allana im Erfrischer schrie, und Sings Lichtschwert schoss heran, um ihn in der Körpermitte zu erwischen. Jacen hob einen Fuß, wie um sich wegzudrehen, und Sing schluckte den Köder und blieb stehen, wobei sie ein Bein nach hinten schob, während sie ihre Attacke fortsetzte.

Anstatt an ihr vorbeizuwirbeln, wie er vorgetäuscht hatte, schlug Jacen ein Rad über ihre Klinge hinweg und landete auf der anderen Seite. Sing drehte ihren Angriff so schnell um, dass ihm kaum Zeit blieb, ihr Handgelenk zu packen, ganz zu schweigen davon, seine eigene Waffe gegen sie zu richten, wie er es beabsichtigt gehabt hatte.

Also trat Jacen ihr in die Kniekehlen, so fest er nur konnte.

Das Gelenk kugelte mit einem widerwärtigen Ploppen aus, und Sing brach kreischend auf dem Boden zusammen. Doch sie ließ ihr Lichtschwert nicht los. Ja, sie hörte nicht einmal auf zu kämpfen, sondern rollte sich gegen ihn, in dem Bemühen, seinen Griff zu durchbrechen und nach ihm zu schlagen. Jacen drehte sich aus dem Weg, in der Absicht, ihr den Arm für einen sauberen Bruch hinter den Rücken zu reißen.

Aber da tauchte Allana plötzlich auf der anderen Seite von Sing auf und schoss mit dunklen, zusammengekniffenen Augen vor, und mit den Händen hielt sie etwas umklammert, das wie ein kleiner Aufzeichnungsstab aussah.

»Allana, nicht!«

Allana stürmte weiter vor.

Entschlossen, Sing daran zu hindern, mit irgendeiner ihrer Waffen nach seiner Tochter zu schlagen, sprang Jacen mithilfe der Macht nach hinten und riss die Attentäterin von seiner Tochter weg. Allana tat zwei weitere Schritte und hob den silbernen Stab über ihren Kopf – dann sprang sie geduckt vor.

Sing hob ihr unverletztes Bein, um Allana einen Tritt mit dem kurzen, dicken Messer in der Spitze ihres Stiefels zu verpassen.

Jacen schrie und riss Sings Arm herum, um sie von seiner Tochter wegzuzerren. Ihr Lichtschwert zuckte so dicht vorbei, dass er beinahe ein Ohr verlor, doch die Beine der Attentäterin schleuderten zusammen mit dem Rest ihres Körpers herum, und das Trittmesser zischte einen halben Meter über Allanas Kopf hinweg.

Allana landete auf Sings anderem Bein und rammte den silbernen Stab in ihr verletztes Knie. Von der Spitze ging das Zischen einer Autoinjektion aus, und Sing schrie vor Erstaunen auf.

»Du kleine Kratzbürste!«

Sing zog ihr Bein zurück, um erneut zuzutreten – dann ließ sie es zu Boden fallen. Ihre Augen weiteten sich vor Zorn. Oder vielleicht war es Angst. Sie reckte den Hals, starrte Allana an und begann, in Krämpfen zu zucken. Jacen riss Sing rasch das Lichtschwert aus ihrer widerstandslosen Hand und richtete die lodernde Klinge auf den Hals der Attentäterin.

»Allana, was …«

»Sie kommt wieder in Oadnung, Jacen.« Allana setzte sich auf und bog das Bein der Attentäterin von sich weg, nicht länger verängstigt – wenn sie das je gewesen war. »Das war bloß mein Notfallstab.«

»In Ordnung.« Jacen war zu benommen und erleichtert, um weitere Fragen zu stellen – oder Allana dafür zurechtzuweisen, dass sie nicht im Erfrischer geblieben war. Er winkte sie einfach von Sings Beinen weg. »Geh runter von ihr. Sie könnte noch immer gefährlich sein.«

»Frau Doktor Meala sagt was anderes.« Trotz ihrer Widerworte kletterte Allana von Sings Beinen herunter. »Sie sagt, dass die Bösen dann so lange nicht mehr gefährlich sind, bis ihnen jemand das Gegenmittel gibt.«

Allana trat an Jacens Seite, dann hockte sie sich hin und schaute in Sings vor Hass wahnsinnige Augen.

»Aber hab keine Angst«, sagte sie. »Jeti bringen nie wehrlose Leute um – nicht mal böse wie dich.«

»Das stimmt.« Jacen nahm Allanas Hand und zog sie hoch, um neben ihm zu stehen, überrascht darüber, wie richtig sich ihre Worte anfühlten. »Wir sperren sie bloß für sehr, sehr lange Zeit ein.«