11. KAPITEL
Jacen stand an einem Sichtfenster der Kommandobrücke der Anakin Solo und blickte auf das wolkenfleckige Antlitz des Planeten Hapes hinaus. Es war eine Welt des Prunks und des Überflusses, bedeckt mit glitzernden Ozeanen und grünen Inseln, aber Jacen war zu aufgewühlt, um den Anblick genießen zu können. Jemand hatte versucht, Tenel Ka und seine Tochter Allana zu töten. Seine Hände zitterten, sein Magen war verknotet, und während er auf die Ankunft ihrer Raumfähre wartete, sprangen seine Gedanken in einem fort zwischen Fantasien von Massenvergeltung und Ausbrüchen von Selbsttadel hin und her.
Jacen wusste, dass er nicht Allanas erste Verteidigungslinie sein konnte. Bislang war seine Beziehung zu ihr ein Geheimnis geblieben. Wenn er zu viel Zeit im Fontänenpalast verbrachte, würden Tenel Kas Adelige mutmaßen, dass die Erbin des hapanischen Throns einen fremdstämmigen Jedi zum Vater hatte, und das würde Allana bloß noch mehr in Gefahr bringen. Abgesehen davon war Tenel Ka mehr als fähig, ihre vier Jahre alte Tochter zu beschützen, und er konnte seine Antiterroraktivitäten auf Coruscant nicht ruhen lassen, ohne dass die ganze Galaxis darunter zu leiden hatte.
Doch Jacen konnte nicht umhin, sich schuldig zu fühlen. Jeder seiner Instinkte drängte ihn, Allana wegzuschicken, damit sie in Sicherheit aufwachen konnte – vielleicht unter den Fallanassi oder den Jensaarai. Lediglich die Erfahrungen seiner eigenen Kindheit, die wieder und wieder gezeigt hatten, wie falsch ein solches Vorgehen sein konnte, hinderten ihn daran, ernsthaft darüber nachzudenken.
Das – und der Umstand, dass kein Ort wirklich sicher war. Jacen hatte den Großteil seines Lebens versucht, einer brutalen und chaotischen Galaxis Frieden zu bringen, und doch schienen die Dinge nur immer schlimmer zu werden. Es gab immer irgendeinen unbekannten Krieg, der drauf und dran war, vom nächsten System herüberzuschwappen, irgendeinen hasszerfressenen Demagogen, der bereit war, Milliarden abzuschlachten, um das »übergeordnete Wohl« zu schützen. Manchmal fragte sich Jacen, ob er überhaupt irgendetwas bewirkte, ob der Galaxis nicht ebenso gut gedient wäre, wenn er nie zu den Jedi zurückgekehrt und unter den Aing-Tii geblieben wäre, um über die Macht zu meditieren.
Während Jacen darüber grübelte, begannen die hapanischen Ozeane heller zu funkeln. Einige der Glitzerpunkte festigten sich zu Lichtern und leuchteten in hundert schimmernden Farben. Andere wurden rot oder golden und blinkten in regelmäßigen Intervallen. Sie verschmolzen zu schmalen Ringen und umkreisten den Planeten wie die Ströme dahinfließenden Verkehrs, die dereinst Coruscant umgeben hatten.
Jacen nahm drei tiefe Atemzüge und versuchte, seine Gedanken zu beruhigen. Obwohl er noch nicht in der Lage war, auf Befehl Machtvisionen heraufzubeschwören, erkannte er sie, wenn sie kamen. Sie waren ein Ausdruck seiner Einheit mit der Macht, ein Zeichen seiner wachsenden Stärke, und die zunehmende Regelmäßigkeit, mit der sie kamen, bestärkten ihn darin, dass er Erfolg haben würde und er stark genug war, die Galaxis zusammenzuhalten.
Auf dem Planeten weiter unten verdunkelten sich die Regenwälder der Inseln zu einem tiefen, nachtfarbenen Purpur. Im Herzen einer der schattigen Inseln begannen zwei weiße Punkte zu glühen, und Jacen ertappte sich dabei, wie er zu den Lichtflecken hinunterstarrte. Sie waren größer und heller als alle anderen Lichter auf den Ozeanen, und je länger er hinschaute, desto mehr ähnelten sie Augen – weißen, flammenden Augen, die aus einer Quelle der Dunkelheit zu ihm emporblickten.
Ein paar Wolkenfetzen trieben über das Antlitz der schattigen Insel, um den Eindruck eines schiefen Munds in einem geisterhaften Gesicht zu erzeugen.
Die Mundwinkel hoben sich. »Mein.«
Das Wort klang belegt und kalt und voller Macht der Dunklen Seite – und die Stimme war ihm vertraut. Sie klang wie Jacens. Er lehnte sich dichter zu dem Sichtfenster, studierte die feinen Züge unter sich und versuchte zu entscheiden, ob er sein eigenes Gesicht sah oder nicht.
Doch die Wolken waren unkooperativ. Die Fetzen trieben zu einer neuen Anordnung zusammen, und buschige Brauen erschienen über den Augen. Die Wangen waren eingefallen und zerschunden, während der Mund aufklaffte und sich verzerrte. Dann dehnte sich das gesamte Gesicht aus, zog einen schattigen Schleier über den Rest des Planeten und verdunkelte das Meer funkelnder Lichter.
Ein Mundwinkel hob sich, und das Lächeln wurde zu einem spöttischen Grinsen. »Mein.«
Diesmal war die Stimme zu tief und rau, um die von Jacen zu sein. Er fühlte sich erleichtert, weil das verzerrte Gesicht keine Vision seiner Zukunft sein konnte, da ja die Stimme nicht die seine war.
Der schattige Kopf dehnte sich weiter aus, über die Ränder des Planeten hinaus, und verschlang die hapanischen Monde. Das Gesicht wurde länglich und hager, die Züge von Mustern des halb verdunkelten Lichts definiert, das von der Oberfläche des Planeten hindurchschien.
»Mein.«
Diesmal war das Wort forsch und befehlend, und der Kopf wuchs weiter, um rund und grobschlächtig zu werden. Er ging über das hinaus, was Jacen durch sein Sichtfenster ausmachen konnte, verfinsterte die Sterne zu allen Seiten von Hapes und umschloss – soweit Jacon das sagen konnte – die ganze bekannte Galaxis. Der Großteil des Gesichts verschwamm zu unkenntlichen Mustern aus Licht und Schatten, aber die Augen blieben, um zu einem Paar flammender weißer Sonnen anzuwachsen.
»Mein!«
Die weißen Augen erloschen mit der ganzen blendenden Helligkeit zweier explodierender Novas, und Jacen hatte das Gefühl, in seinem Kopf wäre eine Brandbombe detoniert. Unwillkürlich stöhnte er auf und wandte sich abrupt ab, die Hände vor sein Gesicht geschlagen.
Aber ein Kopf war nicht explodiert. Der Schmerz verschwand so schnell, wie er gekommen war, und als er seine Hände fortnahm, starrte er auf den beruhigenden, perlmuttartigen, luxuriösen Resikret-Bodenbelag der Kommandokabine hinab. Vor seinen Augen tanzten nicht einmal irgendwelche Sterne.
»Ich hoffe, dieser Gesichtsausdruck bedeutet nicht, dass Ihr irgendetwas auf Coruscant vergessen habt«, sagte Lumiya. Sie saß auf er anderen Seite der geräumigen Kabine an Jacens mit Geräten vollgestopfter Infostation und hatte die jüngsten Daten über Tenel Kas launenhafte Adelige studiert. »Wir haben die Gelegenheit, Euch als Retter der Galaktischen Allianz zu positionieren – aber bloß, wenn wir rasch handeln.«
»Mich zu positionieren ist nicht das, was hier von Belang ist.« Jacen wollte nicht, dass Lumiya sah, wie aufgewühlt er war – zumindest nicht, bis er verstand, was die Macht ihm zu sagen versuchte. »Die Terroristen zu fangen, die die Königinmutter angegriffen haben – das ist wichtig. Dafür zu sorgen, dass so etwas nicht noch einmal geschieht – das ist wichtig.«
Lumiya runzelte die Stirn. »Was seht Ihr dort unten?«
Sie erhob sich und durchquerte die Kabine. Sie trug einen schwarzen Flugoverall in exakt derselben Farbe wie der Schal, der die untere Hälfte ihres Gesichts bedeckte, und wenn sie sich in öffentlichen Bereichen aufhielt, erlaubte der Overall ihr überdies, ihr entstelltes Gesicht hinter einem abgedunkelten Visier zu verbergen. Auf jedem anderen Sternenzerstörer hätte ein Pilot, der seine Identität unter einem Helm verbarg, die Alarmglocken läuten lassen, doch die Anakin Solo war ein GGA-Schiff – und die meisten GGA-Besucher hatten berechtigte Gründe, ihre Identitäten zu verschleiern.
»Was ist los?«, wollte Lumiya erneut wissen. Sie blieb neben Jacen stehen und blickte auf den Planeten Hapes hinaus, der wieder sein normales, beschauliches Aussehen angenommen hatte. »Ich sehe nichts Beunruhigendes.«
»Es ist vorüber.« Jacen machte sich seinen Reim auf die dunklen Gesichter, die er gesehen hatte. Von der Indoktrination seiner Kindheit war genügend in ihm zurückgeblieben, um beim Gedanken an die Sith-Dynastie zu erschauern. »Mach dir keine Gedanken darüber.«
»Keine Gedanken worüber?«, drängte Lumiya.
»Nichts.«
Jacen sah weiterhin aus dem Sichtfenster, verfolgte, wie ferne Rauchspuren aufstiegen und hinuntersanken, als der interplanetare Flugverkehr in die hapanische Atmosphäre eintrat und sie verließ. Wollte ihm die Macht sagen, dass er einen schrecklichen Fehler machte, dass der Weg der Sith die Galaxis in eine lange Ära der Dunkelheit und Tyrannei stürzen würde?
»Kommt schon, Jacen. Zwischen uns darf es keine Geheimnisse geben.« Lumiya schob ihre Hand unter Jacens Arm und drehte ihn sanft zu sich herum. »Sagt mir, was Ihr gesehen habt. Ich spüre, dass es Euch beunruhigt.«
»Ich bin nicht beunruhigt«, beharrte Jacen. Er ging quer durch die Kabine auf die Infostation zu. »Hast du herausgefunden, wer hinter dem Angriff auf die Königinmutter steckt?«
»Dummer Junge – Ihr könnt mich nicht ablenken, indem Ihr das Thema wechselt.« Lumiya drehte ihn wieder herum, sodass er sie ansehen musste, diesmal mit mehr Gewalt. »Ich weiß, wie aufgewühlt Ihr seid.«
»Das bezweifle ich sehr«, sagte Jacen. Wie alle Jedi-Ritter hatte man ihn von Kindesbeinen an darauf trainiert, jede Hinweise auf seine Gefühle zu verbergen – und er war wesentlich besser darin als die meisten. »Ich bin in keiner Weise aufgewühlt.«
»Oh – das sehe ich«, spottete Lumiya. »Dann müssen Eure Pupillen erweitert sein, weil Ihr so freudig aufgeregt seid.« Sie schaute zum Sichtfenster hinaus und ließ ihren Blick über das Antlitz des Planeten schweifen. »Gibt es irgendeinen Grund dafür, dass Euch ein Besuch auf Hapes derart erfreut?«
»Ich freue mich immer, einer alten Freundin zu Hilfe kommen zu können«, antwortete Jacen vorsichtig. Das Letzte, was er wollte, war, dass Lumiya weiter bohrte und seine Gefühle für Allana und Tenel Ka entdeckte. »Tenel Ka und ich waren Klassenkameraden auf der Jedi-Akademie.«
»Ich verstehe.« Lumiyas Stimme nahm einen wissenden Tonfall an. »Jetzt begreife ich, warum Ihr so besorgt seid.«
Jacen stieg das Herz bis zum Hals, und er fragte sich, ob er bereits zu viel preisgegeben hatte. Er hatte Tenel Ka versprochen, dass er das Geheimnis um Allanas Vater niemals irgendjemandem gegenüber preisgeben würde – und in Bezug auf Lumiya betrachtete er dieses Versprechen als doppelt bindend. Für die Sith war Liebe ein Segen, der geopfert werden musste, um einen Ausgleich für das Erlangen von Macht zu schaffen, und es gab einige Dinge, die zu opfern Jacen niemals bereit sein würde.
Jacen hielt Lumiyas Blick stand. »Um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass du das tust.« Er musste ihr irgendetwas anderes geben, worüber sie nachdenken konnte, etwas, das sie sogar noch fesselnder finden würde als die Frage, ob er nun eine Bindung zu Tenel Ka hatte oder nicht. Er atmete langsam aus, dann sagte er: »Ich habe Gesichter gesehen.«
Er fuhr fort, seine Vision wiederzugeben, wie die kapuzentragenden Köpfe jeweils ein bisschen mehr von der Galaxis verdeckt hatten. Als er fertig war, wölbte Lumiya ihre schmalen Augenbrauen.
»Und diese Zukunft ängstigt Euch?«, wollte sie wissen.
»Es fällt mir schwer, eine Sith-Dynastie als etwas Gutes zu betrachten«, gab Jacen zu. »Nenn es familiäre Befangenheit.«
»Die Ansichten Eurer Familie wurden von Darth Sidious geprägt.« Lumiyas Tonfall war überraschend geduldig. »Und seine persönliche Macht war ihm stets wichtiger als seine Verantwortung der Galaxis gegenüber. Das ist nicht der Weg der Sith – was Ihr, wie ich glaubte, mittlerweile eigentlich wissen solltet.«
»Ich weiß, was du behauptest«, sagte Jacen. Trotz seines Tonfalls war er erleichtert darüber, das Thema gewechselt zu haben. »Dass der Weg der Sith der Weg von Gerechtigkeit und Ordnung ist.«
»Der Weg der Sith ist der Weg des Friedens«, korrigierte Lumiya. »Um Frieden zu bringen, müssen wir zuerst Gerechtigkeit und Ordnung bringen. Um der Galaxis Gerechtigkeit und Ordnung zu bringen …«
»Müssen wir sie zuerst kontrollieren«, sagte Jacen. »Ich weiß.«
Lumiya ließ ihre Fingerspitzen an der Innenseite von Jacens Arm nach unten fahren. »Warum sorgt Ihr Euch dann wegen dem, was Ihr gesehen habt?«
»Du weißt, warum ich mich sorge.« Jacen zog den Arm weg – nicht abrupt, aber nachdrücklich genug, um sie wissen zu lassen, dass er sich von ihren Spielchen nicht auf andere Gedanken bringen lassen würde. »Du hast gesehen, wozu Palpatine und mein Großvater geworden sind.«
»Und deshalb weiß ich, dass Ihr den Versuchungen nicht erliegen werdet, die sie zu Fall gebracht haben.« Lumiya hielt inne, um nachzudenken, dann fügte sie hinzu: »Vergere hat mit Sicherheit auch nicht so gedacht. Ansonsten hätte sie Euch nicht ausgewählt.«
Jacen hob die Brauen. »Es gab noch andere Kandidaten?«
»Natürlich«, sagte Lumiya. »Glaubt Ihr, wir würden für eine so wichtige Rolle einfach jemanden aussuchen, ohne all unsere Möglichkeiten erwägt zu haben? Kyp Durron ist zu eigensinnig und launenhaft, Mara zu sehr ihren Verpflichtungen ergeben, Eure Schwester zu sehr von Emotionen beherrscht …«
»Ihr habt Mara in Betracht gezogen?«, keuchte Jacen. »Und Jaina?«
»Wir haben jeden in Betracht gezogen. Eure Mutter war von Darth Vaders Vermächtnis zu eingeschüchtert, Euer Onkel war …« Lumiyas Stimme wurde hart und kalt. »Nun, er hätte nicht zugehört. Er war zu sehr dem Jedi-Dogma verhaftet.«
»Und altem Groll« fügte Jacen hinzu. Die lange Geschichte von Bosheit und Verrat zwischen seinem Onkel und Lumiya war einer der Gründe, dass er noch immer Zweifel bezüglich seiner Entscheidung hatte, ein Sith zu werden. Er war sich sehr wohl im Klaren, dass Lumiyas ganzes Gerede darüber, die Galaxis zu retten, womöglich bloß eine List war; dass sie dadurch, dass sie ihn und Ben in Sith verwandelte, auf eine Art und Weise Rache an Luke üben würde, die selbst Mord noch übertraf. »Was ist mit dir oder Vergere? Warum sich die Mühe machen, mich zum Sith zu machen, wo ihr doch Sith seid?«
»Weil uns kein Erfolg vergönnt gewesen wäre«, sagte Lumiya. »Ich bin ebenso sehr Maschine wie Mensch, und Ihr wisst, wie mich das einschränkt.«
»Ich kenne die Theorie«, sagte Jacen. »Die Macht wohnt nur in Lebewesen, weshalb Leute mit größtenteils kybernetischen Körpern nicht ihr volles Potential ausschöpfen können. Aber, offen gesagt, scheinen deine Machtkräfte nicht sonderlich eingeschränkt zu sein.«
»Ebenso wenig wie die Eures Großvaters – im Gegensatz zu denen des Imperators, dessen Macht keine Grenzen hatte«, entgegnete Lumiya. »Ihr habt das Potential, unser Ziel zu erreichen. Ich nicht.«
»Und Vergere?«, fragte Jacen. Er musste wissen, dass Lumiya ihn nicht benutzte, um es Luke heimzuzahlen; dass er tatsächlich der Einzige war, der der Galaxis ein Zeitalter des Friedens und der Ordnung zu bringen vermochte. »Ihr Potential war nicht eingeschränkt.«
»Nicht in dem Sinne, wir Ihr meint, nein. Aber wäre es ihr jemals möglich gewesen, das Vertrauen irgendeiner Regierung zu erlangen?« Lumiya schüttelte traurig den Kopf. »Man hätte sie immer mit Argwohn betrachtet – im besten Fall hätte man sie verdächtig, eine Agentin der Yuuzhan Vong zu sein, im schlimmsten in ihr eine Kollaborateurin gesehen, die ihnen bei ihren Eroberungen geholfen hat.«
Jacen seufzte. »Ich kann mir vorstellen, dass das stimmt.« Er war noch immer nicht sicher, ob Lumiya die Wahrheit sprach oder nicht, aber er konnte in ihren Erklärungen nichts entdecken, das bewies, dass sie es nicht tat. »Also war ich noch übrig.«
»So würde ich es nicht sagen«, entgegnete Lumiya. »Ihr wart eindeutig die beste Wahl. Euer Widerstreben, die Centerpoint-Station gegen die Yuuzhan Vong einzusetzen, hat gezeigt, dass Ihr imstande seid, verantwortungsvoll mit großer Macht umzugehen. Dass Ihr Tsavong Lah persönlich im Kampf bezwungen habt, hat bewiesen, dass Ihr nicht davor zurückschreckt, große Macht einzusetzen, wenn es nötig ist. All das zusammen war für Vergere der Grund, Euch zu rekrutieren.«
»Mich zu rekrutieren?«, spottete Jacen und dachte an seine lange Gefangenschaft unter den Yuuzhan Vong. »Du meinst gefangen nehmen, nicht wahr?«
»Ich meine beides«, sagte Lumiya. »Euer Onkel hätte sich in Eure Ausbildung eingemischt, also mussten wir Euch isolieren. Vergere kehrte zu den Yuuzhan Vong zurück und half ihnen dabei, Euch gefangen zu nehmen, bevor sie sich in eine Position brachte, die es ihr ermöglichte, Eure Gefangenschaft zu überwachen.«
»Du meinst, wie ich gebrochen wurde«, korrigierte Jacen. Er begriff allmählich, auf welch verwickelte Weise die beiden sein Schicksal geplant hatten. Was damals wie ein Unglück und Zufall gewirkt hatte, war Teil einer viel umfassenderen Strategie gewesen – einer Strategie, die er noch immer nicht zur Gänze verstand. »Seien wir ehrlich. Vergere musste zerstören, was ich war, bevor sie mich zu dem machen konnte, was Ihr brauchtet.«
Lumiya neigte das Haupt. »Große Stärke verlangt nach großen Opfern. In diesem Punkt war ich stets ehrlich zu Euch.« Sie sah aus dem Sichtfenster und ließ ihren Blick über Hapes schweifen. »Die Frage ist: Wart Ihr ehrlich zu mir? Seid Ihr bereit, für das übergeordnete Wohl alles zu opfern, was Ihr liebt?«
Jacens Magen zog sich so zusammen, dass er das Gefühl hatte, in seinem Innern habe sich eine Luftschleuse geöffnet. Irgendwie wusste es Lumiya. Er wollte sie fragen, wie sie von der Verbindung erfahren hatte – als ihm klar wurde, dass das lediglich die Tiefe seiner Gefühle für Tenel Ka und Allana offenbart hätte und die Wahrscheinlichkeit erhöhte, dass Lumiya schließlich sie als Opfer verlangen würde, als Ausgleich für seine wachsende Macht.
Er trat an Lumiyas Seite. »Ich werde es allmählich überdrüssig, ständig gefragt zu werden, wie viel ich zu opfern bereit bin«, sagte er. »Ich habe bereits bewiesen …«
Von einem kleinen Bildschirm an der Decke in der Ecke klang eine leise Abfolge von Tönen herüber, dann drang Bens Stimme aus dem Lautsprecher der Gegensprechanlage. »Spezialagent Skywalker, Sir. Die Pakete sind angekommen.«
»Das sind keine Pakete, Ben«, sagte Jacen. »Das sind unsere Gäste. Zeig ihnen ihre Quartiere und …«
»Wir würden es vorziehen, uns jetzt zu Ihnen zu gesellen.« Tenel Kas Stimme war weniger deutlich als die von Ben, aber immer noch sehr gut zu hören. »Wir werden uns später frisch machen.«
»Das wäre ausgezeichnet, Eure Majestät.« Jacen warf Lumiya einen Blick zu, um festzustellen, dass sie ihn nachdenklich musterte. »Wäre Ben ein zufriedenstellendes Geleit?«
»Vollkommen«, entgegnete Tenel Ka. »Wir sehen uns in Kürze.«
Die Gegensprechanlage verstummte knackend, und ein wissendes Funkeln trat in Lumiyas Augen. »Kein Grund zur Besorgnis, Jacen – ich weiß, wann meine Gegenwart ein Problem darstellt.«
Sie ging in die Ecke der Kammer und drückte ihre Handfläche auf einen verborgenen Drucksensor. Eine meterbreite Wandpaneele schob sich nach vorn und glitt beiseite. Sie trat durch die Öffnung in einen schmalen weißen Korridor, dann schaute sie über die Schulter zurück. »Ich bin in meiner Kabine, falls Ihr mich braucht.«
»Gut.« Jacen ging zur Infostation und studierte die Daten, die Lumiya über Tenel Kas Adelige zusammengetragen hatte. »Ich lasse dich wissen, was die Königinmuter uns sonst noch über diese Verdächtigen sagen kann.«
»Ich bin sicher, das wäre sehr hilfreich«, sagte Lumiya.
Sobald sich die Wandpaneele geschlossen hatte, rief Jacen seinen Tendrando-Arms-Sicherheitsdroiden, SD-XX, und trug ihm auf, die gesamte Kabine einer Überprüfung zu unterziehen. Er argwöhnte nicht wirklich, dass Lumiya irgendwo ein Abhörgerät angebracht hatte, aber er ging kein Risiko ein. Lumiya wusste eindeutig schon zu viel über seine Verbindung zu Tenel Ka, und er war entschlossen, zu verhindern, dass sie noch mehr darüber erfuhr.
Bis Jacen die Dateien fertig durchgesehen hatte, die Lumiya aufgerufen hatte, hatte auch SD-XX seine Überprüfung abgeschlossen und stand neben der Infostation. Mit der dünnen Panzerung und den blauen Bildrezeptoren, die in einem schwarzen, schädelähnlichen Gesicht saßen, ähnelte er einer abgespeckten Version der Baulinie, aus der er hervorgegangen war – dem mächtigen Tendrando-Arms-YVH-Kampfdroiden.
Jacen wandte den Blick von seinem Bildschirm ab und nickte. »Berichte.«
»Bei vorläufiger und standardmäßiger Überprüfung wurden keine Abhörgeräte entdeckt.« Die Stimme des Droiden war dünn, kratzig und klang ein ganz bisschen bedrohlich. »Habe ich die Erlaubnis, mit einer umfangreichen Überprüfung fortzufahren?«
»Nein«, sagte Jacen. »Dafür haben wir keine Zeit, Doppel-X.«
»Eine Standard-Sicherheitsüberprüfung ist lediglich zu dreiundneunzig Prozent effektiv«, sagte der Droide. »Falls es Grund für Missdie Annahme gibt, dass …«
»Gibt es nicht«, sagte Jacen und erhob sich. Ihm blieben bloß noch ein paar Sekunden, bevor Ben mit Tenel Ka und Allana eintreffen würde. SD-XX war so entworfen, dass er bedrohlich und unheilvoll wirkte, und er wollte nicht, dass der Droide seiner Tochter Alpträume bescherte. »Weggetreten.«
SD-XX verharrte neben der Infostation. »Sind Sie sicher, Colonel? Meiner Erfahrung nach gibt es immer Grund für ein gewisses Misstrauen.«
»Ich bin mir sicher.« Jacen deutete auf den geheimen Ausgang, den Lumiya benutzt hatte. »Geh hinten raus. Ich erwarte gleich Besucher, die keine Freigabe haben, dich zu sehen.«
SD-XX beugte sich ab der Taille vor, dann richtete er seine blauen Bildrezeptoren auf Jacens Gesicht, sagte aber nichts.
»Geh!«, schnarrte Jacen. »Das ist ein Befehl!«
Die Stimme von SD-XX wurde frostig. »Bestätige.«
Er drehte sich um und stakste in völligem Schweigen in die Ecke, dann berührte er den Drucksensor und verschwand den Korridor hinab.
Einen Moment später drang die weibliche Stimme von Jacens Empfangsdroiden aus dem Lautsprecher der Gegensprechanlage. »Spezialagent Skywalker ist mit Ihren Gäste eingetroffen, Colonel Solo.«
»Schick sie rein.«
Jacen erhob sich und trat hinter der Infostation hervor. Die Tür zischte, und Tenel Ka betrat mit ausgreifenden Schritten die Kommandokabine, mit Allana an ihrer Seite. Mutter und Tochter trugen beide maßgeschneiderte Flugoveralls aus grauem Eletrotex, einem Material aus Nanogewebe, das mehr für seinen schimmernden Glanz und seinen unverschämten Preis gekannt war, denn für seine Effektivität als Allzweckpanzerung.
Hinter ihnen folgten Ben in seiner schwarzen GGA-Einsatzmontur und eine ältere Frau mit einer langen Adlernase, die Jacen als Lady Galney, Tenel Kas persönliche Referentin, wiedererkannte. Die Nachhut bildete DD-11A, ein großer Verteidigerdroide mit engelhaftem Gesicht, Synthautoberkörper und waffenbepackten Armen. Der Droide diente Allana sowohl als Leibwächter als auch als Kindermädchen.
Jacen wollte sich vor Tenel Ka verbeugen, aber sobald Allana ihn sah, löste sie ihre Hand aus Tenel Kas Griff und raste mit weit geöffneten Armen quer durch den Raum.
»Jeti Jacen!«
Jacen lachte und beugte sich nach unten, um sie in die Arme zu nehmen, und alle Sorgen verschwanden aus seinen Gedanken. Sie war ein wunderschönes kleines Mädchen mit dem roten Haar ihrer Mutter und einer Stupsnase, und mit einem Mal wusste er, dass sein langer Kampf die Mühe wert war, dass er niemals aufhören könnte zu versuchen, der Galaxis Frieden und Ordnung zu bringen … Dass Allana und mit ihr alle anderen Kinder es verdienten, auf Planeten aufzuwachsen, die nicht von Krieg und Unrecht beherrscht wurden.
Allana lehnte sich nach hinten und musterte Jacen mit großen grauen Augen. »Jacen, so ein paar böse Männer haben versucht, uns zu töten, aber Mamas Wachen haben sie weggejagt, deshalb können wir jetzt nicht mehr Partys feiern …«
»Keine Partys mehr feiern«, korrigierte Tenel Ka. Sie war drei Schritte von Jacen entfernt stehen geblieben. Trotz der sorgenvollen Schatten unter ihren Augen war sie so strahlend wie immer, mit hohen Wangenknochen und einem langen Zopf roten Haars, der über eine Schulter hing. »Lass dich von Colonel Solo runtersetzen. Du bist jetzt so ein großes Mädchen, viel zu schwer, um dich lange zu tragen.«
Natürlich stimmte das überhaupt nicht. Jacen hätte Allana auf ewig in seinen Armen halten können, denn in seinem Innern versetzte ihn das Opfer, das Lumiya immer wieder andeutete, in Schrecken. Er wollte seine Tochter auf ewig festhalten, sie sicher an sich drücken und durch die Macht in ständigem Kontakt mit ihr bleiben – doch seine väterlichen Gefühle würde sie bloß noch mehr in Gefahr bringen. Selbst Allanas kindliche Zuneigung zu ihm hatte nachdenkliche Züge in die Gesichter von Ben und Lady Galney treten lassen.
»Die Königinmutter hat recht«, sagte Jacen und hielt Allana so vor sich, dass er sie ansehen konnte. Obwohl es ihm normalerweise gelungen war, sich drei- oder viermal im Jahr auf einen Besuch herzuschleichen, war dies das erste Mal, dass er in Allanas Augen jenes feurige Funkeln bemerkte, das er so oft in denen seiner eigenen Mutter gesehen hatte, als er aufgewachsen war. »Dürfte ich dich jetzt wieder auf den Boden setzen?«
Allana runzelte die Stirn. »Jeti sind doch angeblich schtark!«
»Ich bin stark.« Jacen lachte. »Aber ich muss meine Kraft aufsparen, bis ich die bösen Männer finde.«
Allanas Augen wurden groß. »Willst du gegen die bösen Männer kämpfen?«
»Natürlich«, sagte Jacen. »Böse Männer zu jagen ist meine Aufgabe.«
Allana dachte einen Moment lang darüber nach, dann sagte sie: »Na gut, Jacen. Du kannst mich runterlassen – fürs Erste.«
»Vielen Dank.« Jacen ließ Allana zu Boden sinken, die daraufhin an Tenel Kas Seite zurückkehrte. Dann wandte er sich an Ben, der ihn noch immer aufmerksam beobachtete, und sagte: »Ich möchte, dass du Lady Galney zum Gästequartier begleitest. Halte dich während ihrer Besichtigung zu ihrer Verfügung.«
»Okay.« Bens Stimme verriet seine Enttäuschung. »Ich meine, wie Ihr wünscht, Colonel.«
Jacen hätte es vorgezogen, wenn Ben für die Einsatzbesprechung mit Tenel Ka hätte bleiben können. Aber Ben war zugegen gewesen, als Jacen erfahren hatte, dass er Allanas Vater war, und Jacen befürchtete, dass es – wenn er sie zusammen sah – womöglich Komplikationen mit der Gedächtnislöschung geben würde, mit der er Bens Erinnerung an den Vorfall verfälscht hatte.
Als Nächstes wandte sich Jacen an Lady Galney. »Ben wird sich um alles kümmern und sicherstellen, dass es der Königinmutter an nichts mangelt.«
»Eigentlich hatte ich vor zu bleiben.« Galney warf ihm ein kaltes Lächeln zu. »Wie Sie sicher nachvollziehen können, waren die letzten Tage überaus aufreibend für die Königinmutter.«
»Ich komme bestens zurecht, Lady Galney.« Während sie sprach, hielt Tenel Ka den Blick auf Jacen gerichtet. »Colonel Solos Vorschlag ist ausgezeichnet – und ich möchte, dass Sie DeDe und Allana mitnehmen. Ben – ich meine, Spezialagent Skywalker – kann auf die Chume’da achten, während DeDe eine Sicherheitsüberprüfung durchführt.«
Galneys grüne Augen blitzten wütend in Jacens Richtung, doch sie neigte das Haupt vor Tenel Ka. »Wie Ihr wünscht.« Sie streckte Allana die Hand entgegen. »Komm mit mir, Chume’da.«
Allana ging an der dargebotenen Hand vorbei zu Ben, dann nahm sie seine Hand und zog ihn auf den Ausgang zu. »Bist du auch ein Jeti, Ben?«
»Ja.« Ben warf einen schuldbewussten Blick über die Schulter, dann verbesserte er sich: »Irgendwie schon. Ich bin in der Ausbildung.«
»Mama war auch mal ein Jeti«, sagte Allana. »Sie hat immer noch ihr Lichtschwert und übt mit einem Treninksdroiden …«
Allanas Schilderung verklang, als sie ihre kleine Gefolgschaft weiter in den Vorraum führte. Sobald die Tür hinter DeDe und Galney zugeglitten war, standen sich Jacen und Tenel Ka in unsicherem Schweigen gegenüber, ihre Augen trafen sich, aber ihre Körper waren immer noch drei Schritte auseinander.
Schließlich war Jacen sicher, dass niemand unerwartet zurückkommen würde. »Ist schon in Ordnung«, sagte er. »Ich hatte gerade eine Sicherheitsüberprüfung.«
Tenel Ka lächelte nicht, doch ein Ausdruck der Erleichterung huschte über ihr Gesicht. Sie lag in Jacens Armen, kaum dass er sie ausgebreitet hatte. »Es ist gut, dass du hier bist, Jacen. Danke, dass du gekommen bist.«
»Ich bin froh, dass du mich darum gebeten hast.« Jacen drückte sie an seine Brust, dann sagte er: »Du hättest allerdings nicht hier raufkommen müssen. Es wäre mir ein Vergnügen gewesen, in den Palast zu kommen.«
»Nein, hier ist es besser.« Tenel Ka zog sich weit genug von ihm zurück, um in seine Augen aufzusehen. »Ich musste Allana irgendwohin bringen, wo es sicher ist.«
Jacen hob die Brauen. »Und in deinem Palast ist es das nicht?«
»Nicht im Augenblick.« Tenel Ka nahm seine Hand und führte ihn zum Sichtfenster, wo die schattige Halbkugel der Nachtseite des Planeten gerade in Sicht kam. »Jemand hat die Zeugen vergiftet.«
»Die Zeugen?«, fragte Jacen.
»Die Zeugen des Putschversuchs«, erklärte Tenel Ka. »Ich habe alle, die den Angriff mit angesehen haben, in der Senke isolieren lassen.«
»Die Senke ist euer Arrestblock?«, fragte Jacen.
Tenel Ka nickte. »Mein geheimer Arrestblock«, erklärte sie. »Komfortabel, versteckt und sehr sicher. Meine Vorfahren haben ihn mehr als zwei Jahrtausende lang dazu benutzt, aufsässige Adelige unterzubringen, und noch nie ist jemand daraus entkommen.«
»Daran hat sich auch nichts geändert, falls ich das, was du gesagt hast, richtig verstehe.« Jacen schenkte ihr ein schiefes Solo-Grinsen. »Es sei denn, die hapanische Definition von entkommen ist breiter gefasst als in den meisten anderen Teilen der Galaxis.«
Tenel Ka sah ihn düster an. »Dein Scherz ist nicht lustig, Jacen. Die meisten der Menschen, die gestorben sind, waren unschuldige Zuschauer. Ich habe sie nur so lange festhalten wollen, bis ich herausgefunden hätte, wer an dem Angriff beteiligt war und wer nicht.«
»Zuschauer? Warum sollte irgendjemand Zuschauer …« Jacen ließ die Frage unvollendet, dann sagte er: »Tenel Ka, wer auch immer die Gefangenen getötet hat, hat mehr im Sinn, als ein paar Mitverschwörer zum Schweigen zu bringen.«
Tenel Ka nickte. »Wenn ihr einziges Ziel gewesen wäre, ihre eigene Identität zu schützen, hätten sie nicht alle Gefangenen vergiftet.« Sie drehte sich um und blickte auf den Planeten unter ihnen hinaus. »Die Aufrührer wollen es so aussehen lassen, als würde ich Schuldige und Unschuldige gleichermaßen töten. Sie versuchen, meine Adeligen gegen mich aufzuwiegeln.«
»Das werden wir nicht zulassen. Wir werden herausfinden, wer diese Aufrührer sind, und sie aufhalten.« Jacen legte seine Hände auf ihre Schultern. »Du sagtest, die Senke ist geheim. Wer weiß davon?«
»Lediglich ein Bataillon meiner persönlichen Leibgarde und einige meiner engsten Vertrauten.«
»Es könnte jemand von der Garde sein«, sagte Jacen. »Aber es besteht durchaus die Möglichkeit, dass …«
»Ja – irgendwie scheinen es immer diejenigen zu sein, die einem am nächsten sind.«
Jacen sah zum Kabinenausgang hinüber. »Lady Galney?«
»Das habe ich damit nicht gemeint«, sagte Tenel Ka. »Die Mitglieder von Lady Galneys Familie gehören zu meinen größten Fürsprechern. Sobald Jaina ihr meine Nachricht überbringt, wird sich ihre Schwester meiner Sache anschließen.«
Jacen runzelte die Stirn. »Jaina war hier?«
»Ja.« Tenel Ka nahm Jacens Hand und führte ihn auf den Sitzbereich der Kabine zu. »Deine Schwester ist kurz nach deinen Eltern eingetroffen.«
»Nach meinen Eltern?« Jacen wurde mit jedem Moment verwirrter. »Was machen die denn hier?«
»Nichts, nicht mehr. Sie sind geflohen.« Tenel Ka setzte sich auf das Sofa und zog Jacen neben sich. »Ich fürchte, dass sie womöglich in das Attentat involviert waren.«
»Involviert?«
»Beteiligt«, stellte Tenel Ka klar.
Einen Moment lang war Jacen zu fassungslos, um zu antworten. Er wusste, dass sich seine Eltern in dem Konflikt auf die Seite von Corellia geschlagen hatten – das war eins der wenigen Dinge, die ihn die Haltung der Galaktischen Allianz infrage stellen ließen –, aber ein Attentat war einfach nicht ihr Stil. Zumindest hatte er gedacht, dass es das nicht war, bis er die Geheimdienstberichte gelesen hatte, die die Rolle seines Vaters bei dem Tod von Thrackan Sal-Solo beleuchteten.
Jacen wandte sich an Tenel Ka. »Bist du sicher?«
»Ich bin sicher, dass sie hier waren«, erklärte Tenel Ka. »Sie trafen am Tag des königlichen Schaugepränges ein und beharrten darauf, dass sie eine Audienz bei mir hätten. Zuerst dachte ich, es habe ein Missverständnis gegeben, aber mittlerweile ist mein Sicherheitsstab davon überzeugt, dass ihre Aufgabe darin bestand, meine Sicherheitsroutine zu unterbrechen.«
»Dein Sicherheitsstab ist davon überzeugt …« Jacen stand auf und schaute in die Ecke, versuchte, sich einen Reim auf das zu machen, was er gerade gehört hatte, versuchte sich vorzustellen, wie die Menschen, die ihn großgezogen hatten – der gutherzige Halunke und die prinzipientreue Diplomatin –, ein Attentat auf Tenel Ka planten. »Und was glaubst du?«
»Jacen, ich weiß nicht, was ich denken soll«, sagte Tenel Ka. »Einige vorläufige Berichte deuten darauf hin, dass sie möglicherweise versucht haben, mich wegen der Attentäter zu warnen, aber …«
Jacen wandte sein Gesicht weiterhin der Ecke zu. Er fühlte sich beinahe erleichtert. Vielleicht war Allana doch nicht das Opfer, von dem Lumiya immer wieder sprach. Vielleicht waren es seine Eltern, die er würde aufgeben müssen, und möglicherweise würde ihr Tod am Ende kein kaltherziger Verrat sein. Vielleicht würde er damit dem Gleichgewicht dienen, indem er ein weiteres Paar mordender Terroristen einer endgültigen und furchtbaren Gerechtigkeit überantwortete.
»Aber was?«, fragte er, ohne den Blick von der Ecke abzuwenden. »Sprich weiter.«
»Aber sie wurden gesehen, wie sie mit der Anführerin der Attentäter geflohen sind«, erklärte Tenel Ka. »Sie ist ihnen sogar zu Hilfe geeilt, als meine Wachen sie festgenagelt hatten.«
»Ich verstehe.« Ein schreckliches Gefühl von Traurigkeit überkam Jacen. Und ein Gefühl von Unvermeidlichkeit. Hatten seine Eltern wirklich die feine Linie überschritten, die Helden von Mördern trennte? Waren sie wirklich in die düsteren Gefilde des Terrorismus abgeglitten? Er drehte sich um, um Tenel Ka anzusehen. »Gibt es irgendeinen Grund dafür, dass wir unser Schicksal von den Berichten abhängig machen sollten, die andeuten, sie hätten dich zu warnen versucht?«
Tenel Ka senkte den Blick. »Nicht wirklich.«
»Das denke ich auch.« Jacen durchquerte die Kabine und ging zu seiner Kommstation. »Wie es scheint, sind meine Eltern in diesem Krieg zu einem Teil des Problems geworden.«
»Jacen, was hast du vor?«, fragte Tenel Ka und folgte ihm. »Bitte vergiss nicht, dass wir bislang nicht die ganze Geschichte kennen, so schlecht es auch aussehen mag.«
»Aber das müssen wir.« Jacen glitt in den Sessel und aktivierte den Datenschirm, dann scrollte er durch eine lange Liste elektronischer Formulare. »Deshalb müssen wir sie finden.«
»Müssen wir das?« Tenel Ka kam um den Tisch herum und blieb hinter ihm stehen. »Nachdem der Millennium Falken Hapes verlassen hat, ist er in den Vergänglichen Nebeln verschwunden. Solange er nicht wieder auftaucht, bin ich gewillt, dem Grundsatz zu folgen: Im Zweifel für die Angeklagten. Tatsächlich will ich das.«
»Tenel Ka, das können wir einfach nicht machen.« Jacen fand das Formular, das er suchte – einen GGA-Such- und Haftbefehl – und trug die Namen seiner Eltern ein. »Aber danke für das Angebot.«
»Jacen, warte.« Tenel Ka nutzte die Macht, um seine Hände von der Tastatur wegzuziehen. »Du bist wütend auf sie, weil Allana in Gefahr war, aber das ist nicht fair. Deine Eltern wissen nicht einmal, dass Allana ihre Enkelin ist, und einen Attentatsversuch hätte es ohnehin gegeben.«
Jacen ließ seine Deckung so weit fallen, dass Tenel Ka seine Gefühle spüren konnte, dann sagte er: »Ich bin nicht wütend. Ich bin traurig.«
Er löste seine Hände aus ihrem Machtgriff und trug weiter die Daten seiner Eltern in den Haftbefehl ein.
»Aber das hier ist größer als ich – und vielleicht sogar größer als das Hapes-Konsortium.« Er gab die Beschreibung des Millennium Falken ein, dann drückte er eine Taste und schickte den Haftbefehl an das Sendezentrum. »Was auch immer die Terroristen planen, meine Eltern sind daran beteiligt – und das GGA muss wissen, in welcher Weise.«