Immer noch war er begeistert davon, wie leicht diese flachen Fernseher waren – und sie waren nicht nur leicht, sie waren platzsparend; er konnte unzählige von ihnen hintereinander stapeln. Langsam wurde es allerdings eng. Drei oder vier noch, dachte Ralf. Dann wettete er, dass er mit Sicherheit auch noch fünf oder sechs irgendwie unterbringen würde.
Elsterngleich stakste er durch den Raum, über Fernseher, Stereoanlagen und Subwoofer für Autos, auf denen MP3-Player und Mobiltelefone lagen. Zwei, dreimal, trat er auf irgendetwas, das knackend nachgab, ärgerte sich, winkte dann ab; nichts hier konnte er nicht auch noch einmal besorgen. Er schloss die Tür zum vergitterten Räumchen auf, das wie ein übergroßer Vogelkäfig mitten im Laden stand. Die Vitrine, die er knapp hier hatte unterbringen können, bevor der Boden des Ladens nicht mehr zu sehen gewesen war, war so voll mit goldenen und silbernen und glänzenden Dingen, dass sie wie eine durchsichtige Schatztruhe aussah. Als die Vitrine eigentlich schon überfüllt gewesen war, hatte er mit sich gewettet, noch etwa 300 oder 400 Gramm unterbringen zu können. Er hatte Recht behalten. Zwar gingen die Schiebetüren nun nicht mehr ganz zu und wenn er etwas herausholen wollte, fielen ihm unzählige Schmuckstücke entgegen, doch er hatte Recht behalten.
Er setzte sich und feierte die Ausbeute seines heutigen Streifzugs, indem er sich eine Zigarette ansteckte. So saß er da, zufrieden in seinen Chefsessel zurückgelehnt, die Arme auf den Lehnen und den linken Fuß lässig auf dem rechten Oberschenkel abgelehnt. Es hatte sich bisher sehr gelohnt, geduldig und ruhig an die ganze Sache heranzugehen, erst die Umgebung zu erforschen, einen groben Plan zu erstellen und dann loszuziehen. Ein Teil nach dem anderen, immerhin waren das hier wertvolle, technische Geräte.
Und es war nun alles seins. Er lächelte zufrieden mit der Kippe im Mundwinkel, als er daran dachte. Alles seins. Ganz offiziell sogar. Er hatte den Schlüssel und die Papiere für das Geschäft genau hier gefunden, in diesem kleinen Käfig. Nur mithilfe eines Besens, den er sich aus einer leerstehenden Nachbarwohnung ausgeliehen hatte, hatte er den Schlüssel herausgefischt, um endlich ungehinderten Zugang zu allem zu haben. Anschließend hatte er nur noch mit Tip-Ex die Unterschrift des Besitzers auf dem Mietvertrag geweißt (es würde ihn sicherlich nicht stören, sonst hätte er dieser hervorragende kleine Stück Erde mit Sicherheit nicht zurückgelassen, dachte er bei sich) und dann, als das Tip-Ex endlich getrocknet war, seine eigene darunter gesetzt. Alles seins.
Ihm ging es gut hier. Offensichtlich war Moers leerer, als er ursprünglich angenommen hatte, aber das kam seinem Plan nur zugute. Niemand da, der störte; so konnte er erst einmal das Inventar füllen, bevor die ersten Kunden kamen. Immerhin war er jetzt ein echter Geschäftsmann. Ein wenig stolz war er schon, als er daran dachte, deswegen erlaubte er sich noch eine zweite Zigarette.
Ein richtiger Ladenbesitzer mit richtigen Waren und richtiger Arbeit. Wie viel Geld das wohl bringen würde. Vielleicht würde er sich einen Spielautomaten kaufen – ach was, bauen lassen! Mit seinen Initialen und seinem Gesicht irgendwo auf einem Knopf. Nur für hier drin, im Käfig, nichts fragwürdiges. Nur mit Geld, das er später wieder herausholen würde, einfach nur zum Spaß. Nur mit seinem eigenen, hart verdienten Geld und nur, wenn einmal nichts los war. Was er natürlich nicht hoffte; im Idealfall würde das Geschäft großartig laufen. Immerhin hatte er die besten Sachen der ganzen Stadt.
Nachdem er aufgeraucht hatte, sah er sich noch einmal zufrieden um. Dann stand er auf, seufzte.
„Dann mal wieder an die Arbeit“, sagte er.
Es gab noch einiges, was ihm fehlte. Nur das Beste wollte er seinen Kunden bieten. Er war sich sicher, dass bald alles wie immer sein würde, der Staat würde das schon machen – und dann wäre er endlich ein ehrlicher Mann. Es würde nicht mehr lange dauern.