43 file not found: Wohnwagen.tif

 

 

 

 

Wir hatten uns für den Abend zu einem Barbecue verabredet. Es war eine Beschäftigungstherapie, einfach irgend etwas machen, um nicht nachdenken zu können, nicht nachdenken zu müssen. Ein Barbecue hatte den großen Vorteil, dass am Abend niemand allein im Vorzelt sitzen musste und die positive Nebenwirkung, dass auch der Nachmittag mit geschäftigem Treiben ausgefüllt war. Einkäufe mussten erledigt, Vorbereitungen getroffen werden. Wir fuhren mit den Fahrrädern ins Dorf, vom Campingplatz aus durch den Landmetersweg und dann links bis zur Dorfkirche.

An der Kirche in Noordkapelle gibt es einen wunderbaren Fahrradparkplatz. Von da aus kann man die Hauptstraße, die an Markttagen für alle motorisierten Fahrzeuge gesperrt ist, hinunterflanieren. Unten am Käsestand wendet man dann und flaniert wieder hinauf, bis man am Piccolo Mondo ankommt, um den Nachmittag bei einem Espresso abzurunden.

Bei unserem ersten Urlaub hatten wir uns noch genau informiert, an welchem Tag in welchem Ort auf der Halbinsel Walcheren Wochenmarkt ist. Dann hatten wir die Märkte abgeklappert, um Angebote und Preise zu vergleichen.

Na ja, aus Erfahrung wird man klug.

Ich hätte es eigentlich ahnen können. Die Marktleute arbeiten natürlich nicht nur an einem Tag in der Woche, sie haben schließlich nicht Urlaub wie wir. Deshalb wurde man schon mal vom Wurstverkäufer angesprochen: »Na, hat der Schinken geschmeckt?« – »Ja klar, hat er.« Und erst dreißig Meter weiter hatte mir der Duft vom Kibbelings-Stand das Gehirn so weit freigeblasen, dass ich den Mann wiedererkannte. Der gleiche Stand hatte drei Tage vorher in Domburg auf dem Markt gestanden, am nächsten Tag stand er wahrscheinlich in Middelburg und am übernächsten in Zoutelande. Die Marktleute ziehen von einem Ort zum anderen.

Man kann sich also darauf beschränken, an einem Tag in der Woche zum Markt zu gehen. Das sollte man allerdings nicht verpassen! Auf so einem Wochenmarkt herrscht wirklich ein ausgesprochen buntes Treiben. Natürlich kriegt man auch die typischen blau-weißen Aschenbecher für die Touristen, die Leuchttürme als Kerzenhalter und die Schilder mit der Aufschrift Gone to the beach. Aber es gibt auch eine Menge sehr spannender Marktstände. Da ist zum Beispiel der Fahrradzubehör-Marktstand, so etwas gibt es wahrscheinlich nur in Holland, dem Land, wo es im noch so kleinsten Dorf auf jeden Fall eine Rabobank und einen Fahrradhändler gibt. Es ist vielleicht der breiteste Stand an dem ganzen Prachtboulevard, und man kriegt da alles von der Felge über das Flickset, WD40-Spray, Klingeln in Form von Kompassen und Fußbällen … Ich konnte mich gar nicht losreißen. Musste ich aber, denn der nächste Duft hatte die Familiennasen erreicht: Poffertjes. Die kleinen, nur kronkorkengroßen Pfannekuchen kenne ich schon von zu Hause. Sie sind mein ganz großes Hobby auf dem Bonner Weihnachtsmarkt, aber natürlich schmecken sie im Urlaub noch besser.

Den Wurstverkäufer habe ich schon erwähnt. Sein Sortiment verfügt unter anderem über eine extrem harte Plockwurst, und als wir auf dem Rückweg wieder an seinem Stand vorbeikamen, musste ich eine neue kaufen, weil die alte verdunstet war.

An Markttagen hat der ortsansässige Fleischer Konkurrenz. Denn der Wurstverkäufer guckt ihm direkt ins Schaufenster. In der Fleischerei kauften wir Saté-Spieße, eingelegte Steaks, in Schinken eingewickelte Bällchen Gehacktes und ein ganzes Hähnchen. Tristan hieb mir seinen Ellbogen in die Seite. »Und Spareribs!« Das Barbecue würde ein Fest werden.

Wir schauten noch am Käsestand vorbei. Man musste ja auch ans Dessert denken. Es gab Geitenkaas, Schapskaas, Gouda mit Paprika, mit Knoblauch, mit Brennnessel und einen mit Basilikum-Pesto, der war knallgrün. Der ganz alte Gouda hatte eine Konsistenz wie Parmesan, herrlich!

Eine Frau malte Henna-Tattoos auf nahezu alle Körperstellen. Edda war nicht mehr zu bremsen. Sie wollte ein chinesisches Schriftzeichen, das angeblich das Sternzeichen Krebs darstellt, auf dem linken Schulterblatt spazieren tragen. Mir war neu, dass die Chinesen das Sternzeichen Krebs kennen, aber warum sollte ich wegen zehn Euro einen weiteren Streit mit den Kindern provozieren? Ich überlegte sogar kurz, mir eine Grimbergen-Flasche auf den Oberarm malen zu lassen, aber ich war mir sicher, Anne hätte dieses Ansinnen nicht honoriert.

Am Obststand erstand Anne irrwitziges Zeug: Bananen, eine Mango, Pfirsiche, Erdbeeren und eine Ingwerwurzel. »Wofür brauchst du das denn?«

»Zum Grillen!«

Das ist genau der Moment, in dem der Harmonie suchende Ehemann besser abrupt die Diskussion abbricht. Also schaute ich mich lieber nach den Kindern um.

Tristan hatte einen Stand gefunden, der darauf spezialisiert war, T-Shirts mit Motiven zu bedrucken, die Eltern so nicht hinnehmen können. Don’t worry, be happy! über einem Cannabisblatt war sein favorisiertes Motiv. Na ja, ab und an muss man halt doch Streit mit den Kindern provozieren. Anne lehnte seine Idee rundweg ab.

Dann mussten wir weiter, denn wir brauchten noch den guten Imkerhonig, den groben Senf, die Waffeln zum Naschen. Anne sagte, ihr fehlten außerdem noch Tomaten, eine Gurke und Maiskolben für den Salat. Den Schafskäse hatte sie ja schon. Jutta, Uschi, Gaby und Babette hatten auch angekündigt, einen Salat zum Barbecue beizusteuern.

Richtig. Unser Barbecue! Ich hatte mittlerweile sieben Käsesorten probiert, zwei harte Salamis verdrückt, Poffertjes genossen, ich war am Kibbelings-Stand nicht vorbeigekommen, wie sollte ich jetzt also noch das Barbecue verdrücken? Na ja, man kann ja auch beim Grillen mal Diät halten!

Wenig später bogen wir wieder in den Landmetersweg ein. Edda und Tristan fuhren freihändig. Wir hatten ein paar Stunden gar nicht darüber nachgedacht, dass dies kein normaler Urlaub war. Die Stimmen von Tristan und Edda drangen laut zu mir. Sie lachten über irgendwas.

Ich streckte den linken Arm zur Seite aus und bog ab auf das Gelände von Camping de Grevelinge. Ein Duft von Barbecue stieg mir in die Nase. Edda lachte nicht mehr.