35
Gaby, Uschi, Anne und Babette standen schon einige Zeit zwischen Knöpfen, Reißverschlüssen, Aufnähern und Unmengen von Mohair-, Schur- und Baumwolle, als Babette plötzlich alle mit einer völlig fachfremden Bemerkung überraschte.
»Was zahlen wir eigentlich an Miete für den Platz?«
Gaby, Uschi und Anne brauchten eine gewisse Zeit, um den Themenwechsel zu verarbeiten. »Ääh, bitte, was?«
Anne war die schnellste. »Irgendwas über zweitausendeinhundert Euro, glaube ich.«
»Es sind zweitausendeinhundertvierunddreißig Euro und vierzig Cent, glaube ich nicht, weiß ich!«
»Also, dein Zahlengedächtnis möchte ich haben. Willst du uns jetzt etwa erzählen, dass wir kein Geld für Wolle ausgeben sollen, weil der Platz so teuer ist?«, fragte Gaby, die gerade mehrere Farbvarianten eines Bouclé-Garns miteinander kombinierte.
Nun wollte auch Uschi die eigene wirtschaftliche Kompetenz ins rechte Licht rücken. »Es ist ja erst seit diesem Jahr so teuer, wegen dem Schwimmbad.«
»Wegen des Schwimmbads!«, klugscheißte Gaby. »Da sind über hundertzwanzig Euro draufgekommen.«
»Da sind hundertsechsundzwanzig Euro vierzig draufgekommen!«, korrigierte Babette.
Uschi eilte der sich gerade aufplusternden Gaby zu Hilfe. »Babette, du gehst mir mit deiner Pedanterie manchmal ganz schön auf den Sack.«
Babette schien das nicht zu stören. »Und in all meiner Pedanterie habe ich etwas herausgefunden. Wollt ihr es hören?«
»Nöö!«, wäre die richtige Antwort gewesen, aber Babette lächelte so wissend, dass die Neugier der anderen einfach gestillt werden musste.
»Spuck’s aus!«, erklang es wie aus einem Mund.
»Ich hab es gestern schon unseren Männern erzählt, aber die haben ja kein Gefühl für Gerechtigkeit, die …«
»Spuck’s aus!«, forderte Uschi noch einmal.
»Also gut. Wir überweisen an Bram van Buyten, Ganzjahrescamper wie wir, selbst ernannter Bürgermeister des Campingplatzes und Steuerberater von Wim, ganz genau zweitausendeinhundertvierunddreißig Euro und vierzig Cent. Und Bram van Buyten überweist wiederum an den Campingplatz ganz genau zweitausendeinhundertsechzehn Euro und gar keine Cent. Und das bedeutet, er überweist achtzehn Euro vierzig zu wenig. Was sagt ihr nun?«
Gaby zuckte mit den Schultern. »Tja, wenn ich diese zehn Docken Wolle kaufe, dann zahle ich über sechzig Euro, da gehen mir deine achtzehn Euro zwanzig am ziemlich knackigen Arsch vorbei.«
»Achtzehn Euro vierzig«, erwiderte Babette. »Aber das ist noch längst nicht alles!«
»Was denn noch?«, fragte Anne.
Babette grinste triumphierend. »Wie viele Ganzjahresplätze gibt es auf de Grevelinge?«
»Du weißt es, dann sag es auch«, sagte Gaby.
»Richtig, ich weiß es. Es sind exakt einhundertsechzehn. Und einhundertsechzehn mal achtzehn Euro vierzig sind exakt zweitausendeinhundertvierunddreißig Euro und vierzig Cent, und das ist haargenau die Jahresmiete für einen Stellplatz. Möchte noch irgendjemand behaupten, dass ich hier von Zufällen rede?«
Anne, Uschi und Gaby standen mit offenem Mund da. »Sorry, Babette, du hast recht. Nee, das ist kein Zufall!«
»Bram van Buyten bescheißt Wim. Bram van Buyten sitzt jeden Abend in der Kantine und gibt sich die Kante. Bram van Buyten erzählt irgendwann mit besoffenem Kopp an der Theke, wie intelligent er den Wim bescheißt. Erst am nächsten Morgen fällt ihm ein, dass Wim der Bruder von Isabelle ist. Wenn Coen gegenüber Isabelle erwähnt, was er gehört hat, dann weiß Wim, was gespielt wird. Und wenn Wim weiß, was gespielt wird, ist Bram van Buyten seinen Job los. Und zack, hängst du mit dem Kopf in der Scheiße!«
Uschi ließ vor Schreck ihre Wolle fallen. »Das ist so … so … das ist unmöglich!«
»Hey«, sagte Babette mit einem überlegenen Lächeln, »Coen ist tot, und ich habe euch soeben ein blitzsauberes Motiv geliefert.«
Gaby legte elf Docken Bouclé-Garn neben Inekens Kasse: »Meinst du nicht, hier im Raum hat noch eine andere ein blitzsauberes Motiv?«