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»Piet? Warten Sie!« HoofdInspecteur Meinert Waatering schloss gerade sein Büro ab. Auf seinem Schreibtisch lag sicher kein Zettel, auf dem stand, was noch zu erledigen war. Denn wenn es noch etwas zu erledigen gab, dann wäre Waatering nicht auf dem Weg nach Hause. Der hoofdInspecteur und Piet waren ungefähr gleich alt. Sie hatten ungefähr zur gleichen Zeit bei der Polizei angefangen. Piet in Middelburg, Waatering in Bergen op Zoom. Als die Stelle des Leiters in Middelburg frei wurde, hatte Waatering sich beworben, und man hatte ihn genommen.

Das war jetzt sechs Jahre her. Piet war damals nicht enttäuscht gewesen. Es hatte ihn eher überrascht. Er hatte gedacht, dass er quasi automatisch aufrücken würde. Es wäre die Beförderung gewesen, die ihm zustand: hoofdInspecteur. Aber es wäre auch der Abschied von der Straße gewesen: recherchieren, verhören, in Augen blicken, auf Räuspern achten, bluffen, tricksen, verzweifeln. Er wollte nicht tagein, tagaus in einen mit dunkelbraunem Leder bezogenen Schreibtischsessel furzen.

Waatering furzte nicht in seinen Sessel, da war Piet sich sicher. Waatering betrat das politiebureau gegen sieben Uhr, und er verließ es gegen neunzehn Uhr, ging die Straße Achter de Houttuinen unter den Linden entlang und furzte erst dann. Er leitete ein politiebureau, nicht weniger, aber vor allem auch nicht mehr. Nein, Piet war wirklich froh, dass er nicht befördert worden war.

Piet hörte seinen Vorgesetzten ein weiteres Mal nach ihm rufen und drehte sich um. »Ja, Meinert?«

»Piet, wir alle sind nicht so sehr zufrieden mit den Ergebnissen in diesem Fall.«

»Mit welchen Ergebnissen, wir haben keine!«, brauste Piet auf.

»Sie sollten jetzt vor allem ruhig Blut bewahren, ich bin ganz sicher, dass Sie genau der richtige Mann dafür sind.« Das war wirklich ein gut gemeinter Beschwichtigungsversuch.

»Oho! Wer hat Ihnen denn da was ins Öhrchen geflüstert? Der besorgte Maarten t’Huis oder die zauberhafte Annemieke Breukink. Na?«

»Beide, um ehrlich zu sein. Piet, Sie wissen ganz genau, was ich von diesem Schmierfink t’Huis halte, aber er wird morgen früh wieder alles darangesetzt haben, dass ganz Walcheren in Panik verfällt. Immerhin hat er recht behalten: Er hatte einen psychopathischen Serienkiller prognostiziert, und jetzt haben wir den zweiten Toten.«

Der Flur war frisch gestrichen worden. Die Maler hatten erst am letzten Montag ihr Zeug zusammengepackt, aber man hatte einen Farbton gewählt, der einen denken ließ, dass der Flur dringend mal wieder gestrichen werden müsste.

»Hören Sie«, erwiderte Piet unsanft, »ich bin mir überhaupt nicht sicher, ob wir diesen Mord jemals aufklären werden. Wir haben es mit einem Campingplatz zu tun, auf dem fast zweitausend Menschen Urlaub machen. Am Samstag reist die Hälfte davon ab. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Akte Coen Rimmel irgendwo hier verstaubt, ist verdammt hoch - zu hoch!«

Meinert Waatering trug einen leichten Sommermantel über dem linken Unterarm. Seine Kleidung war genauso ordentlich arrangiert wie sein Schreibtisch. Ein beigefarbener Anzug zum hellblauen Hemd, keine Krawatte, der oberste Hemdknopf war offen, dennoch standen beide Kragenhälften exakt gleich hoch am Hals. Das Leder der Schnürschuhe hatte den gleichen Braunton wie sein Gürtel. Nur sein Haar wollte sich einfach nicht in die gewünschte Ordnung bringen lassen. Es war grau, fast weiß, und es sah immer so aus, als sei es vom Sturm zerzaust. Das Wetter war ja auch oft so, aber Meinert Waatering saß meistens am Schreibtisch.

»Ich weiß sehr genau, dass das für Sie eine Belastung ist«, gab Waatering zu, während sie über den Flur gingen. »Aber egal, wie viele Leute am Samstag abreisen. Ich weiß, dass Sie das hinkriegen.«

»Im Interesse der Menschlichkeit will ich tun, was in meiner Macht steht«, erklärte Piet. »Aber ich bin nicht zuversichtlich, was das Ergebnis betrifft.«

HoofdInspecteur Waatering sah seinen Inspecteur verstört an. Eben noch wirkte er mutlos wie selten in den letzten sechs Jahren, und jetzt redete er auch noch irgendein gedrechseltes Zeug. Waatering räusperte sich. Vielleicht glaubte er, Piet müsste nur geweckt werden. »Van Houvenkamp, dieser Fall ist auch Ihre Chance!«

»Meine Chance?«, winkte Piet ab. »Das ist doch Gefasel. Wem soll ich denn irgendwas beweisen? Diesem Maarten t’Huis? Um Gottes willen.« Piet blieb stehen, um Waatering zu zwingen, ihm in die Augen zu sehen, aber der ging weiter und sagte nur: »Nein, dem nicht.«